Gleichberechtigte Familienarbeit (Equal Care)

Anlässlich des Equal Care Day am 01. März haben wir uns die Fragen der Initiatoren vorgenommen. Es geht darum, wie und warum wir uns die Familienarbeit gleichberechtigt aufteilen, wo wir an unsere Grenzen stoßen und was wir uns wünschen würden, damit das 50/50-Prinzip (noch) besser und vor allem für mehr Familien funktionieren kann. Der komplette Fragebogen kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Aktuelle Berufstätigkeit

Herr Rabe: Ich bin Softwareentwickler mit fester Anstellung.
Frau Rabe: Doktorandin in Molekularer Medizin.

Verhältnis der Erwerbstätigkeit und der Familienarbeit

Herr Rabe: Wir arbeiten beide norwegische Vollzeit, das heißt jeder 37,5 Stunden die Woche.
Frau Rabe: Der Rest ist Familienzeit. Familienarbeit versuchen wir gleich zwischen uns aufzuteilen.

  1. Wie ist die Care-Arbeit bei Euch zuhause auf die Erwachsenen verteilt? Gibt es feste Zuständigkeiten?

    Herr Rabe: Für viele Dinge gibt es bei uns keine festen Zuständigkeiten, aber spontan fallen mir doch ein paar kleinere ein. So putzt z.B. Frau Rabe das Terrarium der Schnecken, ich hingegen putze den Kaminofen und trage Holz aus dem Keller in die Wohnung. Und obwohl Frau Rabe gerne öfter auf Twitter etwas anzünden möchte mache ich hier meistens das Feuer im Ofen an. Dafür hat Frau Rabe das Holz bestellt und die Lieferung organisiert.
    Frau Rabe: Joa, im Grunde passt das so. Ich backe Brot, Herr Rabe putzt die Fenster und macht 90% der Kinder-Brotdosen. Wichtig ist glaube ich, dass wir beide meistens nicht den Eindruck haben, mehr als der jeweils andere zu tun.

  2. Warum teilt Ihr Euch anfallende Care-Arbeit untereinander auf? Welche Vorteile habt Ihr dadurch?

    Herr Rabe: Im Prinzip habe ich zwei Gründe. Erstens Fairness, denn in einer Beziehung sollten sich beide an der Care-Arbeit gleich beteiligen. Zweitens bin ich schon so erzogen worden und kann nicht anders. Meine Mutter hat darauf geachtet mir alles beizubringen was für ein selbstständiges Leben wichtig ist. Gerne sagte sie zu mir – wenn wir zB. am Bügelbrett standen – „Junge, entweder du kannst es selber oder Du musst Dir später eine Frau suchen, die das alles für Dich erledigt.“ Letzteres klang für mich schon immer abwegig und viel zu einschränkend, also lernte ich. Und außerdem macht es mir auch Spaß Dinge selber zu erledigen.
    Frau Rabe: Ich möchte fast entgegnen: Ich verstehe die Frage nicht. Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht, Hausfrau zu sein. Für mich ist eine gleichwertige Beteiligung an der Care-Arbeit in einer Partnerschaft so selbstverständlich wie nur irgendwas. Insofern sehe ich da auch keine Vorteile drin, sondern das Herstellen eines normalen Soll-Zustands. Umgekehrt würden mir aber einige Nachteile bei einer ungleichen Aufteilung einfallen.

  3. Welche Nachteile und Schwierigkeiten gibt es, welche Hürden?

    Herr Rabe: Bei schlechten Absprachen kann es zu Unzufriedenheiten kommen.
    Frau Rabe: Ja, der einzige Nachteil ist für mich auch ein hoher Orga-Aufwand. Man muss sich immer absprechen, wegen jedem Pups. Wer geht mit dem Kind zum Arzt, wer zum Schwimmkurs, wer kauft ein, wer macht die Einkaufsliste, wer spricht mit der Babysitterin ab, ob sie am Wochenende kommen kann. Die Liste ist endlos. Kleine, feste Zuständigkeitsbereiche (so wie mit dem Holz oder dem Brot) erleichtern das ein bisschen.

  4. Wäre es nicht praktischer, eine Person des Haushalts würde sich alleine darum kümmern und so auch den Überblick und die Verantwortung behalten?

    Herr Rabe: Für mich wäre das nichts. Wir sind hier ein Team. Keine Hierarchien und so :)
    Frau Rabe: Naja, aber praktischer wäre es schon. Langweilig, ungerecht, kurzsichtig, aber praktisch.

  5. Wodurch / Wann stoßt Ihr an Grenzen der fairen Aufteilung?

    Herr Rabe: Unterschiedliche Erfahrungsgrade mit Dingen. Wenn irgendwas kaputt geht, bin dann doch ich es, der es repariert. Einerseits bin ich da ziemlich selbstsicher, andererseits kann ich das auch nicht gut delegieren. Und mit zwei Kindern kann man sowas auch nicht mehr so gut zusammen machen wie früher, da halt einer die Kinder beschäftigen muss.
    Frau Rabe: Bei mir ist es ein leichter Kontrollzwang. Ich bin ein Orga-Mensch. Ich reiße gerne so Sachen wie Urlaubsplanung (oder Holzlieferung) an mich, präsentiere dann irgendwann Herrn Rabe eine fertig befüllte mehrseitige Exceltabelle mit allen Pros und Cons und Preisen und durchschnittlichem Niederschlag und bin dann unzufrieden, wenn Herr Rabe da nicht auf Anhieb durchblickt oder sich auch nicht für irgendwas entscheiden kann. Und Krankheit halt. Aber das kann ja genauso auch immer eine klassische Rollenverteilung ins Wanken bringen.

  6. Leben Kinder in Eurem Haushalt? Hat sich die Verteilung der Care-Arbeit verändert im Vergleich zur Zeit ohne Kinder?

    Herr Rabe: Es hat sich etwas verändert, früher haben wir mehr Dinge wirklich zusammen erledigt. Heute muss einer die Kinder bei Laune halten während der andere Dinge tut.
    Frau Rabe: Hmm ja. Mehr zu tun und weniger Zeit es zu tun. Und wir waschen unsere Wäsche nicht mehr getrennt, seit wir Kinder haben! Jetzt wäscht halt jeder mal den Korb weg, der grade am vollsten ist.

  7. Was hat sich verändert mit dem Älterwerden der Kinder? Musste die Aufteilung in Frage gestellt und evtl. neu verteilt werden?

    Herr Rabe: So alt sind sie noch nicht. Veränderungen gab es bisher nur durch die Geburt der Kinder.
    Frau Rabe: Innerlich habe ich echt gefeiert, als die Kleine abgestillt war. Nächtliches Stillen schlaucht. Und die Flasche nahm sie auch nie. Da war also ein echtes Ungleichgewicht und als es wegfiel, kippte es erstmal in die andere Richtung, nach dem Motto: ich habe ein Jahr lang nicht durchgeschlafen, jetzt bist Du dran mit Banane füttern. Inzwischen hält es sich so etwa die Waage, denke ich. Und die nächtlichen Fressattacken der Kinder werden ja auch seltener.

  8. Welche Reaktionen bekommst Du von anderen für Dein Tun als Mann bzw. als Frau?

    Herr Rabe: Wir leben ja in Norwegen. Zwar sind wir hier nicht nur wegen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber ein bisschen schon. Und was soll ich sagen, dass klappt hier wirklich gut. Mit der gleichberechtigten Aufteilung bin ich hier kein Sonderfall, sonderen eher Durchschnitt.
    Frau Rabe: Ja, das stimmt. Wir sind hier jedenfalls keine Sonderlinge wegen unseres Familienmodells. Im Kindergarten zum Beispiel trifft man (sofern die Eltern der Kinder zusammen leben) eigentlich immer beide Partner, weil alle es so machen wie wir auch: ein Elternteil bringt, das andere Elternteil holt ab. Genauso läuft es bei der Arbeit ab: jede*r mit Kindern muss mal früher weg, weil Kindkotzt/Schulaufführung/Kadertraining.

  9. Erzähle von einer Situation, ein Gespräch, in dem Du eine positive und eine, in dem Du eine negative Reaktion erfahren hast.

    Herr Rabe: Bis jetzt kann ich mich nur an positive Situationen erinnern. Entweder gab es keine negativen Reaktionen oder ich habe das nicht mitbekommen. Obwohl, an eine negative Erfarung von vor Michels Geburt kann ich mich gut erinnern. Wir waren auf einem Flohmarkt für Kinderklamotten unterwegs um uns mit Ausstattung einzudecken. An einem Stand wurde uns, bzw. eher nur an Frau Rabe gerichtet ein Wickelbody empfohlen, denn „damit könne sogar der Vater das Kinde wickeln“. Auch heute noch finde ich es eine Frechheit mir, bzw. Vätern generell, die Fähigkeit abzusprechen, sich um seine Kinder zu kümmern.
    Frau Rabe: als negative Reaktion könnte ich den Klassiker anbringen: als ich, damals noch in Deutschland, meinem Chef verkündete, ich sei schwanger, fragte er mich nach der Gratulation, wie viele Jahre ich denn zu Hause bleiben wolle. Als ich sagte, ich hätte so an sieben Monate nach der Geburt gedacht, damit wir die Elternzeit fair aufteilen könnten, kam ein belächelndes „Jaja, warte mal ab, wenn das Baby dann da ist…“. Positive Reaktionen kriege ich wenn überhaupt nur indirekt an den Mann adressiert mit: „Ach, das ist ja auch toll, dass sich die jungen Väter heutzutage so einbringen.“ (Von meiner Oma.) Meine Mutter hat uns gelobt dafür, dass wir das so gleichberechtigt hinbekommen. Aber zählt das, wenn die eigene Mutter das sagt?

  10. Was würdest Du Deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben, das weder Kinder hat noch in einer Partnerschaft lebt, wie es mit dazu beitragen kann, dass Equal Care gelingen kann?

    Frau Rabe: Haha, ich könnte höchstens sagen: mach du mal, das passt schon. Such dir nen Partner, der die Dinge so sieht wie du. Dem Zeit wichtiger ist als Geld, der aber auch weiß, dass Geld nicht auf Bäumen wächst. Und der bügeln kann, das lernst Du nämlich in diesem Leben wohl eher nicht mehr.
    Herr Rabe: Ich bin eigentlich mit mir ganz zufrieden, so wie es ist, von daher würde ich auch einfach sagen, mach das, was du machst.

  11. Was wünschst Du Dir von Politiker*innen?

    Frau Rabe: in Deutschland wäre das: 1. Mehr Elterngeld. Ich meine: wir leben hier in einem Land mit echt hohen Löhnen. Und trotzdem bekommt man in Norwegen mindestens 80% des vorherigen Nettoeinkommens als Elterngeld, für 59 Wochen. Alternativ 100% für 49 Wochen. Dann gilt nämlich auch das Argument nicht mehr, dass ein Partner nicht länger als 2 Monate zu Hause bleiben kann, weil dann zu viel vom Haushaltseinkommen wegfällt. Um das zu unterstreichen, könnte man die, ähäm, „Vätermonate“ ausweiten. 2. Mehr gute und bezahlbare Kinderbetreuung. Obwohl hier alles andere sehr teuer ist, ist Kinderbetreuung vom Preis her ok. Geradezu günstig. Und das bei einer Qualität, die ich nicht mehr missen möchte. Der Betreuungsschlüssel unserer KiTa ist 1:3,5. Welcher Kindergarten in Deutschland schafft das schon? Und dass Eltern ihre Kinder nicht einfach verwahrt wissen wollen, sondern wirklich betreut, ist wohl allen klar.
    Herr Rabe: Mit den Zuständen in Norwegen bin ich sehr zufrieden. Ich würde mir wünschen, wie es auch schon Frau Rabe beschrieben hat, dass die Politik in Deutschland sich mehr an der Skandinavischen Familienfreundlichkeit orientiert.

  12. Was wünschst Du Dir von anderen Entscheidungsträger*innen?

    Frau Rabe: Ich wünsche mir, dass es normaler wird, sich gleichberechtigt an der Care-Arbeit zu beteiligen. Dass Frauen™ nicht mehr so oft und Männer™ dafür öfter gefragt werden, wie denn die Kinderbetreuung organisiert ist. Dass mehr Paare sich die Elternzeit gerechter aufteilen. Dass mehr Väter bei ihren Arbeitgebern auf ihr Recht bestehen, Elternzeit zu nehmen. Dass im Gegenzug der Rabenmuttermythos endlich ausstirbt. Dass Medien aufhören, Politiker dafür abzufeiern, dass sie einmal pro Woche das Kind aus der KiTa abholen, während die Schlagzeilen bei der schwangeren Politikerin deren Leistungsfähigkeit anzweifeln. Zusammengefasst: eine gleichberechtigte Elternschaft soll keine Randerscheinung mehr sein. Bitte.
    Herr Rabe: Ich wünsche mir, dass Väter mehr ermutigt werden sich Zeit für ihre Familie zu nehmen. Das es selbstverständlich und kein Problem ist, wenn man dem Chef sagt, man müsse los um das Fieberkind aus der Kita abzuholen. Mein Teamleiter wünscht mir zum Beispiel in solchen Fällen nur gute Besserung für das Kind.

  13. Was wünschst Du Dir konkret für Deinen Alltag anlässlich des Equal Care Day 2017?

    Frau Rabe: Ich wünsche mir mehr Geschichten, wie andere Paare sich die Familienarbeit gleichberechtigt aufteilen oder wenn nicht, was sie davon abhält.
    Herr Rabe: Ich wünsche mir, dass der Equal Care Day zum reflektieren der eigenen Situation anregt und dazu ermutigt Missstände anzusprechen. Ich wünsche mir, dass das Thema gleichberechtigte Familienarbeit diskutiert wird, nicht nur auf politischer Ebene, sondern ganz konkret in Familien und Freundeskreisen.

Ein Gedanke zu “Gleichberechtigte Familienarbeit (Equal Care)

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