Tag 922 – Kann doch nicht wahr sein…

Ja, genau. Michel hat irgendeinen Infekt oder so, ihn plagen weiterhin Kopfschmerzen, trockener Husten und manchmal leichtes Fieber. Es ist zum Mäusemelken. Und ja, ich nörgle über die Untätigkeit, und dann nörgle ich auch, wenn ich was zu tun hab – nämlich kranke Kinder betreuen. Aber, herrje, die sind ja im Moment auch echt dauernd krank. Und ich verstehe rational, dass ich wirklich nun mal diejenige bin, die keinen Job hat. Aber halt nur rational. Emotional bleibt damit IMMER ALLES an mir hängen. (Ich benutze jetzt grad mal absichtlich die Paarberatungs-Triggerphrasen zur Verdeutlichung.) Ich waschetrocknefalteverräume nebenher Wäsche, räume nebenher die Spülmaschine ein und aus, räume auf, rödle herum. Ich besorge Dinge. Ich gehe zur Post. Ich, ich, ich.

Ha! Schön wär’s! Ich mache das ja noch nicht mal alles! Ich gebe mir jede Mühe, eben nicht den kompletten Haushalt zu schmeißen. Aber das kostet richtig bewusstes Nicht-tun von mir, immer wieder muss ich mir sagen, nein, du bist jetzt nicht automatisch Hausfrau, dein Job ist jetzt die Jobsuche und die Vorbereitung auf die Defense. Herr Rabe arbeitet grad die Stunden wieder rein, die ihm im Dezember verloren gegangen sind, das hält ihn aber nicht davon ab, abends eine Maschine Wäsche aufzuhängen. Oder einen Liter Milch mitzubringen. Und diese Schieflage – ich, die ich mich bewusst bremsen muss, Dinge zu tun, die ich total blöd finde, die ich aber gut machen könnte und zu denen ich mich auf eine fiese, diffus protestantische und hundertprozentig von meiner Mutter übernommene Art auch stark verpflichtet fühle – auf der anderen Seite Herr Rabe, der (wegen mir) Arbeit liegen lassen musste, die jetzt wartet und der sich vermutlich auch dazu verpflichtet fühlt, gerade jetzt bei seiner Arbeit vollen Einsatz zu zeigen, hängt doch unser Familieneinkommen maßgeblich davon ab – diese Schieflage jedenfalls, die ist richtig unangenehm. (War das der längste Satz bisher in diesem Blog? Ich vermute es stark. Nun Ellipsen. Obwohl. Nee.)

Und dann fühlt man frühmorgens ungewöhnlich warme Füße am Bein und weiß: mein Job ist grad eben doch kein Job. Und wenn nichts super wichtiges ansteht (Mittwoch zum Beispiel habe ich einen Augenarzttermin und ich sage es mal so: noch eine Person, der Michel offenherzig erzählt, dass seine Mama „einfach keinen Job findet“ und ich nehme den nie wieder irgendwo hin mit), bin ich dran. Dran, dranner, am dransten.

Gut, dass mir das wenigstens bewusst ist, da ist die Gefahr etwas geringer, es sich in der Situation bequem zu machen. Und für die Zeit ab Donnerstag, wenn ich die Vorträge, den Druck, das ganze Tralala einfach fertig bekommen *muss*, haben wir schon abgemacht: da teilen wir auch die Kindkrank-Tage wieder.

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Auto-Lobhudelei: Gezielt in einen Glitzertopf gefallen und Bombe ausgesehen, während ich mitsamt Michel bei der komplett sinnfreien Beratung des Karrierecenters war. Bombe ausgesehen, während ich Blubberwasserpatronen kaufte. Pippi aus der KiTa holte. Das Spitzenoberteil anpasste. Mit einer Dame telefonierte, die mich ein wenig über die Arbeit der EMA aufklärte. Mit Michel fünfzig Mal durchdiskutierte, dass er kein Fernsehen gucken darf, weil wir das so abgemacht haben, als er am Morgen sagte, er wolle nicht in die KiTa. Also auch: viel geschafft. Erwachsenenpunkte verdient.

5 Gedanken zu “Tag 922 – Kann doch nicht wahr sein…

  1. Britta Noack schreibt:

    Sie machen da einen ganz einfachen Denkfehler : Der Wert von Arbeit definiert sich nicht über Geld. Versuchen Sie mal, die Situation vom Geld zu lösen – und schon sieht es anders aus : Sie haben es warm und zu essen, und vor allem ZEIT. Es muss nichts organisiert werden, wenn ein Kind krank ist. Sie können am hellichten Tag nähen. Und diese Zeit reicht sogar auch, um den Menschen, den Sie am allermeisten lieben, von normalerweise notwendiger Arbeit zu entlasten. Das ist für beide schön.
    Ich mochte den anderen Tagesrhythmus der Arbeitslosigkeit sehr, nachdem ich verstanden habe, die Unsicherheit der Situation emotional von den Vorteilen zu trennen. Die Absagen waren jede einzelne ein Nackenschlag, aber nach dem Lesen mitten in der Woche mittags in die Sauna zu dürfen, war ein Geschenk. Oder korrekterweise durch das Einzahlen in die Arbeitslosenversicherung erarbeitete Zeit.
    Selbstwertgefühl über den Erhalt von Geld für Arbeit zu definieren, greift zu kurz. Denken Sie das Ganze vom Ende her. Wenn Sie sterben, was wird von Ihnen als Mensch in Erinnerung bleiben? Etwa der Job, den Sie hatten? Sehen Sie…

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    • Wie oben in dem Tweet steht, ist mein größtes Problem ja auch nicht das Geld. Mit der gleichen Argumentation könnte man ja auch sagen „Herr Rabe bleibt zu Hause, wenn die Kinder krank sind, denn es ist nur Geld“. Mein Problem ist, dass wir normalerweise versuchen, hier gleichberechtigt zu leben, das aber grad sehr schwierig ist und sich auch irgendwie falsch anfühlt.
      Von mir in Erinnerung bleiben wird auch nicht „Sie räumte klaglos zehn Maschinen Wäsche in den Schrank.“. Ich ziehe viel Bestätigung aus meiner Arbeit (nochmal: Geld ist mir da nicht so wichtig), ist sicher kein Zufall, dass ich mir so anspruchsvolle Nähprojekte vornehme. Das ist, wenn nicht ein Persönlichkeitsmerkmal, mindestens sehr tief in frühester Kindheit anerzogen, das schalte ich nicht mal eben ab.

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      • Frau Em schreibt:

        Muss die Gleichberechtigung zwangsläufig gleichzeitig stattfinden, um zu zählen?

        Ich könnte mir durchaus Situationen vorstellen, wo auch Herr Rabe mal ein paar Monate arbeitssuchend ist und Sie stattdessen arbeiten gehen und Haushalt und Kinder dann an ihm „hängen bleiben“. Zumindest für mich bedeutet Gleichberechtigung auch, dass beide in der Partnerschaft das Recht haben, zeitweise eine Schieflage in der Partnerschaft zu verursachen und der andere das akzeptiert und mitträgt (natürlich nicht willkürlich, sondern aus entsprechenden Gründen).

        Das ist ja alles keine Faulheit oder böse Absicht dem anderen gegenüber, sondern ein gegenseitiges Unterstützen – in guten und in schlechten Zeiten!

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  2. Noch eine Christine schreibt:

    Oh weh! Ich hoffe, diese Durchhängerzeit zwischen Abgabe und Arbeitsbeginn geht bald vorbei, so dass Sie dann im Nachhinein sagen können, dass es zwar blöd war aber dann bald alles gut wurde.

    (Das Ungleichgewicht würde mich auch enorm stören. Das ist auch mein Hauptargument, die Elternzeit hälftig aufzuteilen: weil an dem Elternteil zu Hause eben auch der ganze Haushaltskram hängen bleibt. )

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  3. FrauC schreibt:

    Ich möchte mich Britta anschließen: der Punkt „gewonnene Zeit“ ist nicht zu unterschätzen! Schließlich steht der gesamten Familie Rabe nur eine begrenzte Menge Zeit zur Verfügung, in der eine bestimmte Gesamtmenge Arbeit erledigt werden muss. Und wenn ein Teil dieser Arbeit derzeit wegfällt, müsste doch mehr Zeit für alle übrig sein. Was sehr schön ist!
    Klar wäre eine gleichmäßige Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit schöner, aber hey, man kann nicht immer alles haben! Das wird auch wieder anders!
    Auf das Kleid bin ich übrigens schon mächtig gespannt. Was ist das für ein Schnitt?
    Liebe Grüße und viel Erfolg bei allen laufenden Projekten!

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Ich freue mich über jeden Kommentar, außer er ist blöd, dann nicht. Außerdem ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt, um Ihnen mitzuteilen, dass WordPress bei jedem Kommentar eine mail an mich schickt, in der die Mailadresse, die Sie angegeben haben und auch ihre IP-Adresse stehen. Müssen Sie halt selbst wissen, ob Sie mir vertrauen, dass ich diese mails von meinen Devices alle sofort lösche, und ob Sie damit leben können, dass WordPress diese Daten auch speichert (damit Sie nämlich beim nächsten Mal hier einfacher kommentieren können).