Tag 1135 – Kein Kindergarten.

Heute war ich beim Elternabend des Horts. Und ich habe mich da sehr aufgeregt. Wirklich sehr. Denn das alles strotzte vor Doppelmoral und widersprüchlichen Anforderungen und überhaupt hab ich mich EINFACH ECHT AUFGEREGT. Hier ein aufgeregtes Sammelsurium der Aussagen/Forderungen/Vorkommnisse.

  • Sie erwarten von den Eltern dies das und jenes, Wettergemäße Kleidung, Blabla. Wie im Kindergarten.
  • Das ist kein Kindergarten.
  • Die Kinder müssen sich selbst anziehen und auch genug anziehen.
  • Sie erinnern die Kinder daran, sich warm/kalt genug anzuziehen*.
  • Sie können nicht immer wissen, wo alle Kinder sind, das sind einfach zu viele auf zu wenige Erwachsene.
  • Sie geben auf die Kinder acht.
  • Sie können leider keine Ausflüge machen, zu wenig Personal.
  • Sie können die Bus-Kinder nicht zum Bus bringen, zu wenig Personal.
  • Sie können keine weiteren Aushilfen einstellen**.
  • Eltern sollen bitte ihre Kinder morgens bis mindestens zur 3. Klasse jeden Tag bis in den Raum begleiten. Dies soll den Kindern signalisieren, dass die Eltern sich für sie interessieren. (Und dann gehen sie halt dort verloren, weil ohhh, kein Personal, nee, hinter der Schule kann man echt nicht noch wen stehen haben, aber sie sagen den Kindern nochmal in streng, dass sie da nicht hindürfen***.)
  • Zu Essen gibt es Saft**** und Fast Food oder Brot.
  • Es müssen alle probieren. Nur wer probiert hat, kann als Alternative Knäckebrot mit Belag haben.
  • Parken bitte nur am Supermarkt. Den Fußmarsch dazu nutzen, dem Kind freundlich und fröhlich die Verkehrsregeln zu erklären. Eine schöne Zeit mit dem Kind verbringen.
  • Dafür einfach ne halbe Stunde früher aufstehen*****.
  • Beim Abholen die Kinder zuende spielen lassen.
  • Die Kinder müssen aufräumen.
  • Die Kinder dürfen keine Hausaufgaben in der Hortzeit machen. (Dazu spannende Aussage einer Mutter: „Naja, die Erstklässler sind ja noch nicht täglich bis fünf Uhr hier!“ I beg to differ, mindestens ein Erstklässler ist normalerweise jeden Tag bis viertel vor fünf da. Und morgens ab halb, viertel vor acht.) Für die 3. bis 6. Klasse gibt es Hausaufgabenbetreuung, Dienstags, Mittwochs und Freitags von *trommelwirbel* 07:45 bis 08:15 Uhr. Dies, meine Damen und Herren, ist die sinnloseste Regelung jemals. Denn was passiert, wenn man die Hausaufgaben in der halben Stunde nicht erledigt bekommt? Dann ist man halt angearscht und hat auch bis zum Unterricht am selben Tag nicht mehr die Möglichkeit, es fertig zu machen. WÄÄÄHHHHH???
  • Allein mit dem Fahrrad kommen bitte erst ab 5. Klasse. Da machen sie dann nämlich auch erst Verkehrserziehung.
  • Auf eigenes Risiko und IHR KENNT JA EURE KINDER AM BESTEN, also wir würden es nicht empfehlen, aber wenn ihr das UNBEDINGT WOLLT, können auch schon jüngere Kinder mit dem Fahrrad gebracht werden. In den Raum. Bittesehr.
  • Die Kinder sollen Selbständigkeit lernen und selbst entscheiden.
  • Hier mache ich mal einen Absatz, denn bei all dem konnte ich ruhig bleiben und mein „die machen das schon ok so, es wird dem Kind nicht schaden, es wird schon alles gut werden“-Mantra im Kopf aufsagen, aber bei
    • Zum Essen, also zum Austeilen und dann auch zum Essen machen wir einen Film (oder Kinderserie) an, damit die Kinder sitzen bleiben und Ruhe herrscht
  • Bin ich für meine Verhältnisse einigermaßen an die Decke gegangen. Nicht alleine, das fanden einige Eltern deutlich daneben. Weil, wtf??? Ja, alter, kein Personal, haben wir jetzt oft genug gehört, aber NEN FILM ZUM ESSEN? Ihr hypnotisiert die Kinder damit sie still sitzen? Das mag ja bei einigen Kindern auch noch gehen ohne zu schaden aber ich halte die Outcomes „abgelenktes Kind isst nicht“ und „abgelenktes Kind stopft sich über den Hunger hinaus voll“ je nach Veranlagung auch für wahrscheinlich. Und vielen, VIELEN DANK FÜR DIE DISKUSSIONEN die wir zu Hause dann haben werden, weil mein Kind seine Bildschirmzeit zu Hause nun noch mehr eingeschränkt bekommt. Ich bin nicht anti-fernsehen, ganz und gar nicht, aber GRENZEN!!! NICHT BEIM ESSEN! Und nicht dann insgesamt gerne an die anderthalb Stunden JEDEN TAG!
  • Hups, da wurde ich ein wenig laut. Entschuldigen Sie vielmals. Es musste kurz mal raus.
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  • Auto-Lobhudelei: Den SFO-Menschen vor allen die Meinung ziemlich genau so gegeigt, wie oben steht, nur auf Norwegisch. Und damit geschlossen, dass ich finde, dass solche gravierenden Dinge, bei denen beim gesunden Menschenverstand schon alle Alarmglocken schrillen, den Eltern VORHER mitgeteilt werden müssten.
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  • *notallchildren, meinem nicht, ganz offensichtlich, oder allerhöchstens halbherzig. Aber ich finde ehrlich gesagt, das ist auch nicht deren Aufgabe und das Kind kann wirklich langsam lernen, besser auf die Angemessenheit seiner Bekleidung zu achten.
  • **Warum wurde nicht gesagt. Nur „hahaha, wir können hier ja nicht 15 Aushilfen haben, haha!“ Warum denn eigentlich nicht, dann kämen vielleicht nicht Kinder abhanden.
  • ***Oder in den Apfelgarten auf der anderen Straßenseite, in dem eine Mutter letztens ihr Kind und seinen Kumpel fand, ohne, dass die Hortangestellten die Abwesenheit überhaupt bemerkt hatten. ZUM ZWEITEN MAL IN SECHS WOCHEN.
  • ****Da ging die anwesende Dorf-Zahnärztin ein bisschen an die Decke.
  • *****Boah ey, wo soll ich anfangen? Vielleicht ganz kurz: Wenn Michel und Ich ne halbe Stunde eher aufstehen, haben wir sicher keine tolle Mama-Kind-Quality-time, sondern zerfleischen uns. Tun wir eh schon. Ja, jeden Morgen. Nein, da hilft keine Routine. Nein, das macht uns nicht zu schlechten Menschen, sondern einfach zu welchen, die nicht gern früh aufstehen. Aber jeder Satz der so lapidar dahingesagt wird, jedes „aber wenn die Schule erst um neun anfängt, dann hat mein Kind ja schon fast Mittagspause, weil das um fünf eigentlich am fittesten ist, das geht nicht!“ haut brutal in die Kerbe, dass es verdammt nochmal unfassbar scheiße ist, selbst jeden Morgen die Frühaufstehergesellschaft zu verdammen und dabei die eigenen Kinder aus dem Bett zu werfen (eher zu zwingen), weil sie es eben lernen müssen, dass die Frühaufsteher die besserenschönerenerfolgreicheren Menschen sind, die die kack Regeln gemacht haben und zumindest bis zum Berufsleben ist das mit dem frühen Aufstehen jetzt eben so. Dann können sie sich einen Beruf suchen, in dem sie die Arbeitszeit selbst einteilen können und dann haben sie ein paar Jahre Frieden und dann kriegen sie Kinder und die KiTa schließt um 16:30, davor müssen acht Stunden Arbeit passiert sein und Leute werden ihnen sagen „Aber wenn du erstmal Routine hast, dann ist das kein Problem mehr! Wirst sehen, am Ende wachst du am Wochenende auch um sechs Uhr auf!“ Und dann ranten sie ins Internet, das kann ja auch keiner wollen.
  • 18 Gedanken zu “Tag 1135 – Kein Kindergarten.

    1. Nadine schreibt:

      Saft (am besten noch Sirup mit Wasser), Fast Food und Fernsehen. Boah. Mir fehlen die Worte. Da werden die Kinder gleich auf Massegeschmack getrimmt. Irgendwas läuft da gehörig fehl. Wird sich denn durch den Elternabend was ändern?
      Liebe Grüße

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    2. Sunni schreibt:

      Wowww. sozusagen „qualitytime“ in der Schule….Ne, geht gar nicht, ist ja sowas von daneben.NEIN. (Gut, mit dem Anfangen und Zeiten kann man es nicht für alle recht machen, aber dann noch draufpacken, eher zu kommen, damit man morgens um 7.10-30 VERKEHRSERZIEHUNG mit seinem Kind übt—sollte man das nicht vorher mal abgeschlossen haben??-, nein, das geht überhaupt nicht.)

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      • Kerstin schreibt:

        Woaaah… also mir ging vor allen bei drei Punkten der Hut hoch: Kann doch nicht wissen wo das mir anvertaute Kind ist – Saft – Film gucken.
        Meine Fresse!
        Was gibts für Möglichkeiten, da etwas zu ändern? Eltern zusammenrotten? Brief an den Träger? Meldung an die Lokalzeitung? (Gäbe sicher einen schönen Artikel…) Mein Beleid, dass ihr von dem Laden da abhängig seid. Ich hoffe, ihr könnt noch an irgendwelchen Schrauben drehen.

        In Dresden gibts einen öffentlichen Kindergarten (Ü3) in dem die Kinder 3 Stunden Mittagsschlaf machen müssen. Und wer nicht schlafen kann, darf im Dunkeln liegen, aber nicht spielen. Meine Freundin mit 2 Kindern darin ist entsprechend verzweifelt, da sie die lieben Kleinen bis Abends um 11 herumturnen hat. Komisch, dass die dann ja so offensichtlich ihren Schlaf im Kindergaten brauchen?

        Entschuldigen Sie mich, ich muss meinen Hut suchen.

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    3. Mamamaj schreibt:

      Ich schließe mich allen genannten Punkten an und bin außerdem noch über die Hausaufgabensituation entsetzt! Warum werden im Hort keine Hausaufgaben gemacht? Sollt ihr das danach zu Hause machen? Das ist ja wohl unglaublich! Und vorher werden die Kinder vor der Glotze ruhiggestellt, mit Fastfood vollgestopft und nicht ausreichend beaufsichtigt! Das geht echt gar nicht!!! Welche Möglichkeiten habt ihr, wenn sich an der Situation nichts ändert? Also auch wo könnte/müsste man sich beschweren?

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    4. ohmskine schreibt:

      Liebe Frau Dr. Rabe,

      ich fühle mit Ihnen und bin überrascht, daß diese Zustände von den bisherigen Kindern/Eltern ertragen wurden.
      Ist es eine städtische Einrichtung? Dann könnten Sie sich an die entsprechenden Stellen wenden und bessere Personalausstattung, pädagogisch sinnvolle Regeln für die Betreuung und ggf. Schulungen für das Personal verlangen.

      An „unserer“ Schule wird die Nachmittagsbetreuung von einem Elternverein organisiert, weil die Stadt (Landeshauptstadt!) sich dazu nicht in der Lage sieht.
      Auch bei uns ist das Personal oft überfordert, aber die Kinder bringen ihr Essen selbst mit, haben Zeit ihre Hausaufgaben zu machen und anschließend werden verschiedene AGs (Basteln, Gärtnern, Tanzen, Sport) angeboten. Es gibt Wasser mit/ohne Sprudel und das Gelände ist eingezäunt.
      Allerdings kommen meine Kinder nach der Schule nach Hause, die schiere Anzahl an Kindern (ca. 150) macht es dem ADHS-Kind unmöglich sich zu konzentrieren und erholen. (Die Kopfstände, die wir deshalb bei Arbeitszeiten/Gehaltseinbußen/Familienbetreuung machen sind aber auch nicht ohne.)

      Ich drücke Ihnen die Daumen, daß sich diese Situation entspannen läßt und Sie nicht die Bequemlichkeit der Betreuer mit gesteigertem häuslichen Unfrieden bezahlen müssen.

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    5. allegra schreibt:

      Wieviele Kinder werden da so betreut?

      Der Satz „Wir sind kein Kindergarten und keine Kita “ kommt mir sehr bekannt vor…..und zwar aus meinem Mund. Die Intensität der Betreuung hängt halt schon auch vom Betreuungsschlüssel ab. Ob 10 Kinder auf eine Erzieherin kommen oder 25 oder mehr, die es an der Schule der Fall ist.
      Hausaufgabenbetreuung vor dem Unterricht ist ein Witz. Die Kinder sollen ihre Konzentrationsfähigkeit dich nicht vor dem Unterricht schon verbrauchen. Das wundert mich, dass die Lehrer*innen das so mögen.

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        • Wir sind zu zweit (plus Praktikantin für die hektischste Zeit des Nachmittags) mit 40 Kindern – aber wir wissen, wo die alle jeweils sind, und Hausaufgaben machen die auch alle im Hort, und wir schaffen es sogar, dass dafür alle einigermaßen Ruhe haben. Das mit dem knappen Personal ist oft ja auch einfach nur eine prima Ausrede…

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        • Selbst das Kind findet es eine gute Idee, wenn sie im Hort Hausaufgaben machen könnten. Gut, es ist eins von fünfzig, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass alle Kinder meinen, das sei total prima die um halb sechs zu Hause zu machen.

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    6. :) schreibt:

      Liebe Frau Dr. Rabe,

      ich lese seit einiger Zeit bei Ihnen mit, und muss oft bei Ihren Beobachtungen über Norwegen/NorwegerInnen schmunzeln – als Norwegerin mit österreichischem Partner kommt mir vieles bekannt vor, und meistens sind es Sachen, die mir nicht mal ansatzweise auffalen würden, weil ich sie so gewohnt bin (beispielsweise, dass es strenge Vorgaben für die Kinder-Geburtstagsfeiern gibt).
      Jedenfalls, das mit dem SFO ist halt so eine Sache.. Gemäß Ihren Schilderungen scheint im ländlichen Raum alles gleich zu sein wie zu meiner SFO-Zeit vor fast 20 Jahren. Eher eine Aufbewahrungsanstalt und oft das auch nur bedingt. Allerdings weiß ich aus Erfahrung (Studi-Nebenjob), dass das in Oslo ganz anders läuft, und das erscheint mir unfair. Dort gibt es ein durchdachtes pädagogisches Konzept, viel (!) Personal, Ausflüge, Hausaufgabenbetreuung und brauchbares Essen. Bei dem pädagogischen Konzept bin ich mir oft nicht sicher, ob es in der Form notwendig ist (der Alltag der Kinder ist ja sowieso sehr durchorganisiert), aber ordentliches Essen und eine Gelegenheit, im SFO die Hausaufgaben machen zu können sind meiner Meinung nach Dinge, die allen Kindern (auch außerhalb von Oslo) ermöglicht werden sollten. Warum es da so eine große Oslo-Rest Gefalle gibt, weiß ich nicht, aber das pädagogische Konzept in Oslo („Osloskolen“) ist ja sowieso ein anderes.
      Ich hoffe, dass sich Ihr Sohn trotzdem wohlfühlt und dass seine Zähne den übermäßigen Saftkonsum gut überstehen ;)

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    7. Lulu schreibt:

      Ich bin auch eher eine Eule statt einer Lerche – die einzige in unserer Abteilung. Das lapidare „Geh doch einfach eine Stunde früher ins Bett“ meines Chefs, als ich abgehetzt zum Meeting kam, fand ich auch überflüssig. Wach rumwälzen bringt ja auch nix.

      Meine frühere Chefin fand es schlimm, wenn ich morgens mal später kam. Weniger schlimm war, wenn meine Kollegin nachmittags früher ging. „Die kommt ja auch immer so früh.“ Ja, und ich gehe dafür viel später. Ist offensichtlich weniger wert.

      Kollege im Team-Meeting: „Ich weiß nicht, wie Du auf Deine Stunden kommst.“ – Ich bin halt noch drei Stunden da, wenn Du gehst. Habe ich nur gedacht…

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    8. M schreibt:

      Was mich außerdem sehr wundert (wenn die nicht wissen, wo die Kinder sind, das würde mich auch wildwütendverzweifelt machen)- gibt es in Norwegen keine Haftung des Hortträgers, keine Aufsichtspflichtverletzung?

      Ach, mir tut das so leid, dass Sie sich damit auch noch rumärgern müssen (und ich hoffe sehr, Gehalt ist gekommen?)

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    Ich freue mich über jeden Kommentar, außer er ist blöd, dann nicht. Außerdem ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt, um Ihnen mitzuteilen, dass WordPress bei jedem Kommentar eine mail an mich schickt, in der die Mailadresse, die Sie angegeben haben und auch ihre IP-Adresse stehen. Müssen Sie halt selbst wissen, ob Sie mir vertrauen, dass ich diese mails von meinen Devices alle sofort lösche, und ob Sie damit leben können, dass WordPress diese Daten auch speichert (damit Sie nämlich beim nächsten Mal hier einfacher kommentieren können).