Gestern hatte Michel einen eher so mittelguten Tag. Seine schrecklichen Eltern haben ihn nämlich dazu gezwungen, mit dem Kornett einen Auftritt zu machen, wie er es vor mehreren Wochen zugesagt hatte. Nun ist es aber ja so, dass Michel eher nicht übt, auch nicht, wenn ein Auftritt ansteht und dann kommen irgendwann die Nerven und dann geht es halt auch nicht mehr. Von seiner Mutter hat er zwar vieles geerbt, aber nicht das niemals aufgeben, Augen zu und durch, Scheiße mit Schwung. Das nicht. Ich musste das Projekt, ihm gut zuzureden, dann auch irgendwann aufgeben. Herr Rabe hat es dann aber irgendwie hinbekommen und abends ist Michel aufgetreten. Ich finde, allein dafür, dass er es durchgezogen hat, verdient er den fettesten Applaus des Abends, vier Stunden vorher sah es nämlich nicht danach aus. Aber jetzt hat er wieder eine Erfahrung im Sack, nämlich dass man daran nicht stirbt, nicht mal, wenn man nicht genug geübt hat. (Plus die Erfahrung, dass seine schrecklichen Eltern beinhart sind, wenn es ums Handtuch werfen aus Bequemlichkeit oder Angst geht. Die schrecklichen Eltern tun dafür dann auch wieder ein paar Geldeinheiten in die Therapiekasse.) (Oh und plus die Erfahrung, dass der Kornettlehrer gar nicht mal so begeistert über die Kinder ist, die gar nicht auftauchen.)
Heute war im Gegenzug „Kinder“geburtstag, mit seinen drei besten Kumpels waren er und Herr Rabe im Escape Room in Oslo. Das war wohl super gut, rundum. Vielleicht sind wir doch nicht die allergrausamsten Eltern der Welt.
Und da kommen wir zu den nicht erzählten Dingen: ich nutzte die Zeit, nachdem ich meine Mutter zum Flughafen gebracht hatte und Herr Rabe und Michel unterwegs waren, dazu, joggen zu gehen. Ja, da habe ich immer wieder und auch noch vor kurzem gesagt, dass das niemals passieren wird, weil laufen eine würdelose Bewegungsform ist, aber jetzt war es irgendwie doch schon das vierte oder fünfte mal. Auch daran stirbt man nicht, habe ich dabei festgestellt. Es macht nur auch keinen Spaß, aber die Sportprogramme wollen ja irgendwie immer Ruhetage haben und ich werde von Ruhetagen leider unruhig und unleidlich. Also… jogge ich. Meine Spazierrunden. Das dauert unter 30 Minuten, ich schwitze ordentlich und dann ist auch gut. Angefangen habe ich im Schneckentempo, mit dem einzigen Ziel, die Strecke durchzulaufen. Heute war ich viel zu schnell unterwegs, da hatte ich hinterher Husten, das soll so nicht sein, glaube ich. Also heute, das habe ich nachgeguckt, habe ich für 2,95 km so viel Zeit gebraucht wie für 2,4 km beim ersten Mal. Das wird alles kein neues Hobby, ganz sicher nicht, aber so ein mal die Woche ist das ganz ok und besser als sonntags abends alles hassen, weil man sich nicht ausreichend bewegt hat und nicht schlafen kann.
Im Nachhinein bin ich im Übrigen extra sauer auf meine Sportlehrerinnen und -Lehrer im Gymnasium, die einfach nur, ohne jede Erklärung oder Vorbereitung, gesagt haben „lauft mal nen km um den Sportplatz, ihr habt [x, weiß nicht mehr] Minuten.“. Und wirklich immer bin ich nach spätestens der ersten Runde entweder röchelnd mit dem Gefühl, meine Lungenschleimhaut löse sich einfach ab, oder mit furchtbarem Seitenstechen zusammengeklappt. Ich dachte echt, ich kann das einfach nicht. Im Nachhinein bin ich sicherlich mit einer Geschwindigkeit weit über meinen Fähigkeiten gestartet, aber das hat nie wer gesagt. Es war einfach „mach mal, jeder kann laufen“ (gegendert haben Lehrerinnen und Lehrer damals auch noch nicht). Aber mit einer gewissen Grundkondition, die man ja aufbauen kann, und einem ausreichend geringen Tempo geht nicht nur ein, sondern sogar 3 km. Besonders doll ärgert mich im Übrigen, dass ich ja durchaus sportlich war. Andere Kinder waren das nicht, denen ging es vermutlich bei absolut jeder Sportart etwa so wie mir beim Dauerlauf und beim Werfen. Sportdidaktik von 1998 kann im Nachhinein in die Tonne.
Was anderes, was ich nie erzählt habe, weil einfach zu viel Trubel war: Herr Rabe hat Cardos verkauft und ein wesentliches Upgrade erworben. Von Zitrön zu Zö. Jetzt steht vor unserer Tür ein Renault Zoe neueren Jahrgangs, mit fast der vierfachen Reichweite von Cardos, und steuerbar über eine App, das heißt, man muss nicht im Winter in ein -20 Grad kaltes Auto steigen. Rückfahrkamera, Tempomat und all so, ich kann da nur für mich sprechen, aber für mich heutzutage normale Funktionen hat Zö auch. Ich will darauf nicht mehr verzichten, vor allem hier in Norwegen nicht, wo Fahren im Allgemeinen überaus gechillt ist. Insofern habe ich Herr Rabe dabei bereitwillig unterstützt, Cardos auszutauschen. Und die Reichweite macht auch, dass man nicht mehr im Dorf festsitzt, wenn die andere Person mit Konacar unterwegs ist. Für Kieferorthopäde und ähnliche Touren ist das durchaus von Vorteil.
Nur einen Namen braucht es noch, das Zö.