Tag 2786 – Planeten.

Heute habe ich tatsächlich Jupiter und Venus gesehen, im Südwesten, genau wie es geschrieben stand. Hurra!

Ansonsten viel. Arbeit, Essen, Tanzen, Politik. Pendeln nicht zu vergessen. Jetzt ganz schön platt.

Leute bei der Arbeit sind echt nach vier Jahren noch überrascht/beeindruckt, dass ich Ohrringe und Lippenstift in zueinander passender Farbe (kirschrot, nichts ausgefallenes) habe und trage. Ich bin darüber höchstens verwundert, dass die das noch wundert und habe auch nur mit „selbstverständlich!“ geantwortet.

Tag 2785 – Der große Hund.

Michel fragte mich neulich, was das für ein Stern sei, den er von seinem Bett aus zur Bettgehzeit immer sehen kann. Ich sagte voller Überzeugung, das sei kein Stern, sondern ein Satellit oder so, für einen Stern sei der viel zu hell. Der „Satellit“ ist aber wirklich beharrlich jeden Abend da zu sehen und bewegt sich auch echt langsam, mich beschlichen also irgendwann doch gewisse Zweifel an meiner Aussage.

Dann schrieb heute Abend jemand in einer Facebook-Gruppe (von Menschen, die gut drin sind, das nächste Bild in der Reihe zu erkennen) sinngemäß „Ich musste googeln, ob es nicht Ufos sind, aber das hier [Bild von zwei absurd hellen Sternen Himmelskörpern] sind Jupiter und Venus!“.

Moment, dachte ich, Sterne Himmelskörper können so mega hell sein? (Stadtkind hier, don‘t judge me.) Und googelte mich bis zum Institut für theoretische Astrophysik in Oslo vor, die täglich den „Sternenhimmel heute“ veröffentlichen, in verschiedene Himmelsrichtungen und von verschiedenen Regionen Norwegens aus gesehen. Und ganz richtig, im Südwesten sind zur Zeit Jupiter und Venus zu sehen. Michels Fenster geht aber nach Süden. Und da wiederum müsste man Sirius sehen, den laut Google dritthellsten Stern Himmelskörper, den man von uns aus sehen kann, nach der Sonne und dem Mond. Aber wenn man Sirius sieht, müsste man auch Rigel sehen, und auch Betelgeuse und den Rest vom Orion (der ein bisschen wie eine schiefe Sanduhr aussieht). Dafür musste ich erst mal das Licht ausmachen, aber dann fand ich tatsächlich direkt über dem Dach vom Nachbarn Rigel, über dem Schornstein die Taille der Sanduhr, oben links und tatsächlich, wenn man lange genug guckt, deutlich gelber als die anderen Sterne, Betelgeuse und oben rechts Bellatrix.

Jetzt bin ich ganz fasziniert und muss dem Drang widerstehen, alles mögliche über Sterne und Sternbilder und… Gedön! zu lesen. Und frage mich auch ein bisschen, wie viele Harry-Potter-Namen wohl noch auftauchen würden, wenn ich mich, rein theoretisch natürlich, in diese Nachthimmelsache einlesen würde.

Angeblich gibt es heute Nacht auch Nordlichter. Aber so lange kann ich nicht wach bleiben, und generell ist es für nachts draußen sein auch zu kalt.

Tag 2784 – Urlaubsende.

Das waren drei schöne freie Tage mit einem Wochenende dran. Es ist ja schon ganz nett, mal so ein bisschen durchzuatmen. Morgen geht es wieder normal weiter, aber auch nur einen Monat, dann ist schon Ostern (willkommen zur norwegischen Definition von Ostern: Karwoche ist schulfrei und meist auch Kindergartenfrei, ab Mittwoch Mittag vor Gründonnerstag kann man eher den Osterhasen als einen norwegischen Arbeitnehmer [ausgenommen Krankenpflege/Polizei/Feuerwehr usw.] auf dem Weg zur Arbeit sehen. Das geht bis Ostermontag und den Dienstag drauf ist alles wieder normal).

Ich mache jetzt sehr zufrieden wohl einfach das Licht aus.

Tag 2783 – Neid.

Jedes Jahr um diese Zeit habe ich einen Anfall von Neid. Nicht Missgunst, ne, das sind ja verschiedene Dinge, und Neid ist ja eigentlich meiner Meinung nach ein stark überstrapaziertes Wort (gerne nahezu reflexhaft verwendet als Reaktion auf Kritik), aber um diese Zeit, Jahr für Jahr, trifft es zu. Ich bin neidisch auf Frühling. Ich will auch Schneeglöckchen, Krokusse und Narzissen. Ich will grünes Gras und Knospen an den Bäumen. Social Media verraten mir, dass Deutschland all das schon hat und wir machen hier noch zwei Monate mit Schnee und Schneematsch und Eis und dann tauendem Schnee und tauendem Eis und da drunter totem, seit Monaten luftdicht versiegeltem Gras rum. Wissen Sie, wie das riecht, wenn das taut? Wenn nicht, seien Sie froh. Ich hatte mal nen Kurs über verschiedene Arten bakteriellen Stoffwechsels, darunter alle möglichen Gärungen. Buttersäuregärung, wie sie manche anaerobe Bakterien machen, war auch dabei. Anaerobe Bakterien finden Eisschichten auf Gras, wenn der Boden nicht mehr durchgefroren ist, total supi. Es ist nicht jedes Jahr schlimm, aber dieses Jahr bietet Oslo dafür beste Bedingungen. Und da riecht es eh schon oft schlimm, zum Beispiel bei Regen nach längerer Trockenheit, wenn in der Kanalisation die angetrockneten Reste aufgeweicht werden.

Damit Sie auch ein bisschen neidisch werden: wir hatten heute bestes Winterwetter. In den letzten Tagen gab es ein bisschen frischen Schnee, der die grauen Eishügel überpudert hat. Seitdem kann man auch wieder draußen herumlaufen, ohne bei jedem Schritt Angst haben zu müssen, sich die Haxen zu brechen. Dazu sind wenige Minusgrade, der Schnee bleibt also liegen und es herrscht strahlender Sonnenschein. Winterwonderland. Herrlich zum spazieren gehen und selbst ein bisschen Vitamin D Produzieren.

Wenn jetzt noch Krokusse… aber lassen wir das.

Tag 2782 – Frische Luft.

Der Tag hatte viel zu bieten, das meiste war gut aber diese Plastikdruckknöpfe, die einer als total praktisch easy peas einfach reindrücken verkauft werden, sind übrigens echt kacke. Immer noch. Nach den Druckknöpfen musste ich erst mal dringend eine Runde spazieren gehen um den Frust aus dem Kopf zu laufen. Das hat aber recht gut funktioniert, danach konnte ich mit dem Tag weiter machen. Aber hey, immerhin hab ich mal wieder was genäht!

Nach einem neuen Anlauf Bach (offenbar habe ich die 2. Lage vernachlässigt, rächt sich jetzt, hmm) bin ich aber so verkrampft und allgemein fertig, ich mache jetzt einfach die Augen zu.

Tag 2781 – Weiter Ferien!

Das Puzzle ist fertig, deshalb ist es auch schon so spät. Ich bin es am Ende systematisch angegangen und habe die übrigen Puzzleteile nach Form sortiert und dann nach bestimmten Teilen gesucht. Das Motiv ist sehr schön, aber das waren viele sehr gleich aussehende Teile zum Schluss. (Nicht schwarz übrigens, sondern ganz dunkles grün/blaugrün.)

Ich muss endlich das mit den Fotos fixen.

Heute habe ich aber gar nicht so viel gepuzzelt, sondern wir haben alle vier einen Ausflug nach Oslo gemacht. Michel hatte sich nämlich gewünscht, dass wir mal zum House of Nerds gehen und alte Nintendospiele ausprobieren. Das haben wir gemacht und Michel fand es auch „ein bisschen gut“, was mehr ist, als ich erwartet hatte, weil er eigentlich erst gar nicht rein wollte und dann die ganze Zeit unruhig herumtigerte, weil wir da ja nicht allein waren. Menschen! Fremde! Gruselig. Ich würd ihm da so gern helfen, aber da hilft ja nichts, außer der Erkenntnis, dass den anderen Menschen da ziemlich egal ist, wer man ist, wie man aussieht und was man macht. Wenn man nicht interagieren will, lässt man es eben, ist ja total ok. Dass wir ihn dann aber gezwungen haben, in der Mathalle sein Essen an einem Tisch, an dem auch die Jacken von zwei anderen Personen lagen (die Personen selbst waren nicht zu sehen und der Tisch auf 6-8 Personen ausgelegt und es einfach brechend voll) zu essen, war glaube ich in seinen Augen kurz vor Folter. So schnell hat er noch nie gegessen, vor lauter Angst, die Jackenbesitzenden könnten wieder kommen.

Michel weiß jetzt auch, dass Röhrenfernseher (die alten Super Nintendos und N64 kann man scheinbar nicht an moderne Fernseher anschließen) hochfrequent sirren/fiepen und findet das komplett inakzeptabel. Die Bedienung per Knopf am Gerät kam ihm auch sehr altertümlich vor. Vielleicht hätte ich noch routiniert in die Spielkassette pusten sollen, um ihn ganz aus dem Konzept zu bringen, aber ich will ihn ja auch nicht unnötig kirre machen.

Michel ist nach außen hin auffälliger seltsam als ich. Ich kriege nur Kopfschmerzen und bin nach so einem Nachmittag (Kinder, die sich völlig erratisch konstant bewegen, Pippi, die die ganze Zeit erzählt und Geräusche macht und Großstadt ist für mich keine optimale Kombination) so fertig, dass ich im Zug einschlafe. Und danach spiele ich ne Stunde lang Bach (weiterhin sehr schwer, aber es hilft, die Stücke so oft gehört zu haben, dass man sie auswendig kann) und puzzle noch anderthalb Stunden, zum Runterkommen.

Tag 2780 – Ferien!

Nicht arbeiten müssen ist echt schön! Habe den Tag über auch nicht so richtig was sinnvolles getan, außer morgens sehr viel Wäsche verräumt und ein bisschen die Reste aufgeräumt, damit die Putzhilfe (wir haben eine neue und die ist gut, wesentlicher Qualitätsunterschied zur vorherigen, dabei günstiger und viel zuverlässiger, win-win-win-win-win) putzen kann. Dann habe ich Michel beim Hogwarts Legacy spielen zugeguckt, ihm beim Endgegner gut zugeredet und war dann mit ihm sehr stolz, dass er den besiegt hat und jetzt die Hauptstory des ja nicht ganz unkomplexen Spiels durch hat. Auf Englisch! Als ich so alt war wie Michel, konnte ich auf Englisch grad mal sagen, wie ich heiße und wo ich herkomme, Michel kann problemlos Fernsehen auf Englisch gucken, vernünftige Gespräche mit Erwachsenen führen und also auch PlayStationspiele ohne Hilfe zocken. Faszinierend.

Danach machte ich Michel und mir was zu essen und mir einen Plan, was ich die Tage jetzt so machen könnte und dann machte ich als erstes das, was ich nicht machen MUSS sondern nur möchte und schon dreiundsiebzig mal vertagt habe, weil es immer irgendwas wichtigeres zu tun gab und habe gepuzzelt. 500 Teile, davon sind jetzt noch so ca. 50 übrig, aber die übrigen Teile sind alle schwarz und das mache ich jetzt nicht mehr bei künstlichem Licht fertig. Morgen ist ja auch noch ein Urlaubstag.

Tag 2779 – Wenn Augen reden.

Arbeitstag: arschlangweilig. Auch mal schön, irgendwie. Den Rest der Woche habe ich frei. Das ist noch schöner.

Michel fragte mich heute beim Vorlesen, was „unter vier Augen reden“ bedeutet. Generell gibt es ja viele so Augen-Metaphern, Wünsche von den Augen ablesen, leuchtende Augen, jemanden mit den Augen ausziehen und in meinem Kopf seufzt es „Huuuungry Eeeeeyyeees“. Es gibt Leute, ich deutete es ja mal an, dass Michel und vielleicht auch ich da vielleicht zugehören, die können mit solchen Metaphern nicht automatisch was anfangen, weil sie die zu wörtlich nehmen. Bei leuchtenden Augen sehe ich den Schamanen aus „Asterix erobert Rom“ („Ich bin ein Wildschwein, ich bin ein Wildschwein…“) vor mir und das Übersetzen in „Freude“ ist eine bewusste Handlung, aber ich schweife ab. Ich erklärte jedenfalls Michel, dass das heißt, dass man zu zweit miteinander redet, sodass nur vier Augen im Raum sind, auch wenn die Augen ja eigentlich nichts mit dem Reden zu tun haben. Michel meinte daraufhin, man könne ja schon mit den Augen reden. Ich war auf ungefähr alles gefasst, wie er das ausführen würde, außer, was er tatsächlich sagte, nämlich: „Man kann vielleicht mit den Augen morsen, aber das ist sehr schwer.“

Tag 2778 – So nen Bart.

Pippi und ihre Freundin schliefen bis halb sieben, das ist ja gegenüber fünf erfreulich lang.

Michel hat heute wichtige Fragen des Erwachsenwerdens mit Herrn Rabe geklärt. Also falls er zu dem Zeitpunkt, an dem er einen Bart bekommt, zufällig grad in der Schule ist, kann er sich den gerne wie Gandalf stehen lassen. Seit Herr Rabe mir das erzählt hat, muss ich sehr über die Vorstellung lachen, wie da in der 8.-10. Klasse lauter pickelige Teenager sitzen und plötzlich einer so „Oha, ich glaub es geht los!“ und *puff* – Gandalf. Aber mit Milchgesicht.

Wie bei Asterix der Gallier, als der entführte Miracolix den Römern statt Zaubertrank Haarwuchsmittel gibt. Gnihihi.

Tag 2777 – Ferienkinder (und arbeitende Erwachsene).

Die Kinder haben nächste Woche Winterferien, das heißt, Michel wird wohl sehr viel PlayStation spielen (Hogwarts Legacy, das hat er seit letzter Woche und macht eigentlich wenig anderes seither) und dabei den Fernseher anschreien. In seinem braunen Pulli und ohne Hose, wie sich das für einen mittelgroßen Sesselpupser gehört. Pippi geht zum Sport-Hort, wo sie alles mögliche an Aktionen machen. Zum Beispiel, und das dürfte an einigen Orten noch mehr schockieren als dass Michel Hogwarts Legacy spielen darf, feiern sie nächsten Freitag Karneval. FREVEL!

Pippi hat heute schon den ganzen Tag mit ihrer Freundin N. verbracht, sie haben zusammen die Oma von N. besucht, was ich sehr begrüße, weil unseren Kindern im Leben ja irgendwie alte Leute total fehlen. Am Abend bekamen wir hier zwei total aufgekratzte Mädels abgeliefert (Omas scheinen auch in Norwegen die Enkelkinder gerne mit Süßkram zu füllen) und jetzt schläft N. bei uns. Das haben wir zugesagt, bevor wir erfuhren, dass N. gerne mal um halb fünf aufsteht. Aber da wir beide morgen arbeiten müssen, ist das vielleicht auch gar nicht so dramatisch? (DOCH!) Ich hoffe, sie schlafen wenigstens bis sechs… ansonsten können wir Pippi auch morgen Abend vergessen, die wird das heulende Elend, wenn sie zu wenig geschlafen hat. Jedenfalls wird Herr Rabe die Mädels dann morgen zum Sport-Hort bringen und wir fahren beide ins Büro – Michel kann auch alleine PlayStation spielen. Es wird aber ein kurzer Büro-Tag für beide von uns.

Michel hat mir aufgetragen, aus Oslo einen Tacker mitzubringen. Er hat heute im Probenraum von Herr Rabes neuem Musikkumpel nämlich einen Tacker gefunden und war hellauf begeistert, aber der Uralt-Tacker, den ich von meiner Oma geerbt hab, entspricht nicht ganz seinen Vorstellungen. Ich glaube, wir haben im Büro noch welche, die niemand braucht, falls die nicht alle weggeworfen wurden. Das Kind ist manchmal seltsam, aber wenn es einen Tacker begehrt, soll es einen Tacker bekommen.