Tag 2360 – Tschö, Bielefeld!

Heute besuchten wir noch schnell M., der einstmals unser Trauzeuge war und jetzt schauspielernder Eigenheimbesitzer mit drei Kindern ist. Gefühlt gestern waren wir noch an der Uni zusammen und lernten für „Gene und Genome“, die dämlichste Multiple-Choice-Prüfung, die ich in der Uni hatte. Heute durfte ich den jüngsten Spross (2 Monate) der Familie ein bisschen herumschuckeln und so Babies sind ja schon süß und diese winzigen Füßchen und diese flaumigen Haare und so, aber meine Eierstöcke blieben komplett entspannt und ich bin einfach nur froh, dass ich nachts nicht mehr alle paar Stunden geweckt werde, weil so ein kleines Würmchen ernährt werden will. (Aber so niedlich! Nawwww! Angucken und schuckeln immer gerne.)

Danach Packen*, Opa noch mal drücken und los auf die Autobahn.

Autobahn ist nach wie vor schlimm. Der Überlebenswille einiger deutscher Autofahrenden scheint nicht sonderlich ausgeprägt zu sein.

Jetzt sind wir in Kiel im Hotel, werden hier noch Silvester feiern und dann Samstag ganz gemütlich aufs Schiff rollen, statt schmerzhaft früh in Bielefeld losfahren zu müssen. Außerdem ist Michels Allergie direkt verschwunden und das für ihn eine deutliche Erhöhung der Lebensqualität.

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*Man sollte meinen, dass, nachdem zwei Kisten mit deutschsprachigen Büchern nach Deutschland gefahren und zur Brockensammlung gebracht wurden, das Auto auf dem Rückweg leerer sein würde. Aber da hat man die Rechnung ohne vier Plastikboxen mit Kabeln (???) und eine Eishockeyausrüstung gemacht, die wundersamer Weise beim Schwiegervater auftauchten und in Norwegen sicher dringend benötigt werden. Man könnte sogar fast den Eindruck gehabt haben, dass versucht wurde, das ohne mein Wissen ins Auto zu schmuggeln. Aber nur fast.

Tag 2359 – Kultur.

Menschen sind verschieden. Ich schicke das mal vorweg. Wenn ich was nicht mag, was Sie gerne mögen, ist das nicht als Abwertung ihres Geschmacks zu verstehen. Sie dürfen im Gegenzug gerne nicht mögen, was ich mag.

Ich mag zum Beispiel keinen Senf, nicht mal auf Rauchenden zum Grünkohl, Bratwurst oder Kasseler. Weiterhin mag ich kein Wasabi und keinen Meerrettich, das geht zu sehr in diese Senf-Richtung. Ich mag keine Rübchen und keine Oliven, keine beige Kleidung an mir selbst, keine langen Haare mehr haben, kein parfümiertes Waschmittel.

Und ich mag kein Kindertheater. Lieber gucke ich mir 5 mal Paw Patrol im Kino an, als im Weihnachtsmärchen zu sitzen und das irgendwie als höherwertigere Unterhaltung ansehen zu müssen, als den Paw Patrol Film, wenn sich der Seppel fünf mal hintereinander mit dem Hammer auf den Daumen haut. Es war nicht alles schlecht, ich mochte das Bühnenbild zum Beispiel sehr, aber das Gesamterlebnis ist bei mir Perlen* vor die Sau.

Was ich mag: unterhaltsames, kurzweiliges, oft lehrreiches und oft auch einfach albernes Bubble Tea– Geigen-YouTube von TwoSet Violin**. Zwei junge Männer, die sehr gut Geige spielen können, und die noch viel schöner authentisch über zehnjährige Wunderkinder staunen und verzweifelt ihr Leben überdenken können, Geigenspiel im Fernsehen auseinandernehmen und sich über Talentshows lustig machen. Ich fangirle die, kann ich ja zugeben, die sollen reich und berühmt werden mit dem was sie machen und deshalb habe ich auch einen Hoodie von denen (da steht „Sacrilegious“ und es ist eine Hummel darauf, was eine Anspielung ist auf Weltrekorde im Hummelflug-spielen, 15 Töne pro Sekunde aber leider mit furchtbarer Intonation und Glissando wo keines sein soll – sacrilegious eben). Vor ein paar Monaten gaben sie bekannt, dass sie eine virtuelle Welttournee machen, mit drei Konzerten, die ausschließlich gestreamt werden und die für das Streaming konzipiert sind. Da kaufte ich mir ein Ticket für die Europa-Zeit, und das war heute.

Kostümwechsel mit Bubble-Tea.

Das war sehr schön, lustig und lehrreich und mit schönem Geigenspiel aus allen Epochen. Solo, Duett, mit Pianobegleitung, und mit „two boys, one violin“. Und eben nicht einfach eine gestreamte live-Show, sondern mit vorher aufgenommenen Einspielern, die mit der Show eine Geschichte erzählen.

Was ich auch mag: modernen Zirkus. Meine Mutter lud uns heute in den Zirkus Flic Flac ein und das war wie immer sehr gut. Unterhaltungsanteile (nennt man all sowas Clownerie, wenn etwas lustiges in einem Zirkus gemacht wird, auch wenn es nichts mit dem Klischee von Clowns zu tun hat?), über die große und kleine Leute lachen können, erstaunliche körperliche Leistungen, erstaunliche Konzepte – zum Beispiel eine Lasershow-Choreografie mit sich gegenseitig bekämpfenden Magiern (oder so).

Mich würde ja mal interessieren, wie solche Zirkusunternehmen eine Showtruppe zusammenstellen. Gibt es da Auditions? Oder Artisten-Scouts, die wissen, was grad hip ist? Die Motorcross-Typen haben die sicher eh auf der Schnellwahl-Taste, aber der Rest…? Aber ich schweife ab. Kann ich jeder*m empfehlen, wenn man es auch mal lauter haben kann und Clowns mit roten Nasen gruselig findet.

Was ich gar nicht mag, sind Restaurants mit einer pommesfreien Kinderkarte, die dann auch noch auf die Kompromiss-Bratkartoffeln (von der Kinderkarte!) jede Menge Petersilie streuen. Die möchten offenbar nicht, dass ich da noch mal hingehe, weder mit, noch ohne Kinder***.

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*zweifelhaft

**etwas ironisch ist vielleicht, dass eins der erfolgreichsten Videos von denen „Pachelbels chicken“ ist, in dem Eddy „Canon in D“ auf Gummihühnern spielt.

***ich habe jedes Verständnis für kinderfreie Bereiche. Aber wenn sich ein Restaurant schon so kinderfreundlich gibt, indem es eine Kinderkarte zum anmalen hat, erwarte ich nicht unbedingt, dass bei allen Nudelgerichten dick „Vollkorn“**** dabei steht.

****bei uns gibt’s auch fast nur Vollkorn-Nudeln, aber das wissen die Kinder nicht. Manches muss man halt nicht so rausposaunen.

Tag 2358 – Liebe Menschen.

Wir haben heute meine Tante und meinen Onkel besucht und auch meine „kleine“ Cousine kurz gesehen, die inzwischen eine richtige junge Frau ist (erschreckend, das heißt, wir sind vermutlich alt). Bei denen ist es immer schön und entspannt und zwanglos. Selbst Michel entspannt dort, und das will was heißen. Hinterher finde ich immer schade, dass wir es nur alle Jubeljahre schaffen, uns zu sehen.

Michel möchte jetzt E-Gitarre lernen, oder vielleicht auch Bass (wie Papa und der Großonkel). Pippi schlief im Auto auf der Rückfahrt ein. Herr Rabe baute spontan ein 500-Teile-3D-Sternenkarten-Puzzle zusammen. Zweieinhalb Gläser Wein mit meinem Onkel (oder das ganztägig getragene Wärmepflaster) kurierten mich vorerst von meinen Rückenschmerzen. Mit Hängen und Würgen gab die Ladesäule im Dorf Caronas Ladekabel wieder frei.

Alles gut, perfekter Tag.

Hachz.

Tag 2357 – Ein paar Gedanken.

In Deutschland (in Bielefeld jedenfalls) ist es sehr dunkel. Warum ist das so? Ist das bloß der fehlende Schnee? Gefühlt sind die Straßenlaternen wesentlich weiter auseinander und sie leuchten nicht optimal, zwischen den Laternen sind stockdustere Gruselstellen und schon auf der anderen Straßenseite ist es so dunkel, dass man keine Chance hat, den Hundehaufen auf dem Gehweg zu sehen. Hat das Gründe? Sind wir in Norwegen so reich, dass wir uns leisten können, Wohngebiete nachts zu beleuchten?

Außerdem ist Bielefeld zu klein für unser Auto.

Nicht neu: gemessen an Norwegen unfassbar wenige Elektroautos. Leute. So wird das nix mit dem Ausstieg aus den fossilen Energien. (Jaja, die Ladeinfrastruktur, der dreckige Strom, blablabla.)

Total seltsam: in der Innenstadt ist überall mit sehr viel Salz gestreut. Also wirklich so viel, dass es unter den Schuhen knirscht. Es sind Plusgrade. Meine armen Schuhe, die armen Tiere, die darin herumlaufen müssen, die armen Unterböden und der arme Lack von Autos, der arme Boden.

Überall ist 2G oder 2G+, das wird mehr oder weniger streng kontrolliert, bisher aber bis auf 1 Begegnung wirklich gründlich. Es tragen auch alle Masken, und während man da in Norwegen noch viele Pimmelnasen sieht (diese Maskenpflicht ist ja noch neu für uns und wird auch nicht kontrolliert) , sind die hier eher eine Randerscheinung. Meiner Meinung nach lassen Leute in Deutschland im Dezember 2021 ihre Nase auch nicht mehr aus Unwissenheit herausbaumeln, sondern machen das mit voller Absicht. ABER. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage: ich wünsche mir den norwegischen Meter. Alle scheinen sich so auf Masken und Impfungen zu verlassen, dass ÜBERHAUPT GAR KEINE Abstände mehr gehalten werden. Mir war gar nicht klar, dass der gemeine Westfale einer so auf die Pelle rücken kann, aber ich musste mich heute mehrmals sehr beherrschen, nicht Leute mit „Halten Sie bitte Abstand!!!“ anzuranzen. Es ist, als wäre ich im anderen Extrem gelandet. Während in Norwegen alle meinen, wenn man den Meter einhält, ist alles gut, meinen hier alle, wenn man geimpft ist und ne Maske trägt (also bis man die nicht mehr trägt, weil man isst, trinkt, raucht oder sich die Nase putzt), ist alles gut. Ein Mittelding wäre nett, denke ich.

Btw., man mag es Ausdenkerei nennen, aber es ist echt so passiert: wir waren heute auf dem Weihnachtsmarkt und Michel sagte sofort: das hier ist ein Corona-Risiko.

Michel spazierte heute schwer beeindruckt am Aufschnittregal im (völlig durchschnittlichen) Supermarkt vorbei. So viel Auswahl! Daran gemessen leben wir echt in der Planwirtschaft, aber da gewöhnt man sich dran, jedenfalls bin ich von der Auswahl einfach total überfordert. Ich mag inzwischen die Eintönigkeit des norwegischen Angebots sehr. Man weiß, wenn man einen Supermarkt einer Kette betritt, welches Sortiment die haben. Mit etwas Erfahrung kann man anhand der Größe auch abschätzen, was sie „außerhalb des Standards“ wohl noch haben.

Michel mag sehr gerne Käsebrötchen. Also diese überbackenen Dinger, nicht ein mit Käse belegtes Brötchen. Es ist aber schon ein bisschen lustig, wenn man mit einem doch schon ziemlich großen Kind beim Bäcker steht und erklären muss, was ein Käsebrötchen ist.

Tag 2356 – Glückselig.

Abends aus gewesen mit zwei „alten“ Freundinnen, wir kennen uns seit dem 1. Semester und sehen uns leider nur selten. Alt ist selbstverständlich keine von uns! Niemals, wir sind ja alle noch unter 40! Und was ist überhaupt alt.

Das war sehr schön. Sehr sehr schön, ich bin ganz selig.

Ich weiß nicht, ob es das Treffen an sich, der Spaziergang hin und zurück, oder der getrunkene Alkohol war, aber mein Nacken ist jetzt auch nur noch normal erträglich aua, nicht mehr „ich kann meine Mütze nicht aufsetzen“-Aua.

Hach. Noch mal 20 sein, nur kurz, das wär‘s.

Tag 2355 – Wehwehchen.

Michel trägt seine (wie immer hier) aufblühende Allergie mit Fassung. Wie ebenfalls immer verfolgen wir da einen pragmatischen Ansatz und das ist nun die eine Woche in anderthalb Jahren, in der er gut schläft, weil er Cetirizin bekommt. Er hat außerdem etwas wichtiges gelernt seit dem letzten Bielefeld-Urlaub: Augen reiben macht es nur schlimmer. Also lässt er es. Ja, tatsächlich, er hat es oft genug gesagt bekommen und selbst verifiziert dass wir recht haben und das reicht, um den Impuls, die juckenden Augen zu reiben, unterdrücken zu können. Dieses Kind ist faszinierend.

Ich habe Nackenschmerzen von der Schädelbasis bis zu den Schultern und kann mich kaum rühren. Keine Ahnung, woran das jetzt schon wieder liegt, verlegen, zu wenig bewegt, Handynacken… jedenfalls nicht am Schreibtischstuhl, auf dem habe ich seit einer Woche nicht gesessen. Ich trage das mit etwas weniger Fassung und versuche, mit warmem Duschen und Ibuprofen dagegen anzukommen, aber unbedarfte Bewegungen führen trotzdem zu wärmepflasterwerbungswürdigen Gesichtsausdrücken und Schmerzgeräuschen.

Ansonsten heute: sehr gut gegessen, sehr gewundert über das mit der Risikogruppe bis zum Rand gefüllte Restaurant. Ungetestet, weil 2G. „Man“ fühlt sich so sicher, ich denke nach dem Osloer Julebord: hoffentlich geht das gut. Mit Michel sein Magitrax aufgebaut, eine Art fancy Murmelbahn für größere Kinder, die man immer wieder anders zusammenpuzzeln kann. Ich will jetzt auch ganz viel Magitrax und den 48-Stunden-Tag. Außerdem hab ich ein echt schlaues Kind, das sich, nachdem es das System kapiert hat, sehr schnell gute Lösungen für auftauchende Probleme (zum Beispiel unterwegs verhungernde Kugeln) ausdenken kann. Wie gesagt, dieses Kind ist faszinierend. Wissenshungrig, logisch denkend, schnelle Auffassungsgabe und wenn er will, auch große Selbstdisziplin. Aber wehe, er kann etwas Neues nicht sofort, ohne lernen und ohne üben.

(Ich habe ein dumpfes Gefühl, dass ich auch so war. Minus das Wüten. Ich hab, glaube ich, nur in mir selbst gewütet und mich selbst runtergemacht. Ist das besser? Nein. Nur weniger auffällig. Weniger nervig für die Umwelt.)

Tag 2354 – Frohe Weihnachten!

Wir sind alle gut angekommen, zertifiziert mit 92,1%iger Sensitivität coronafrei. Der Baum ist geschmückt von zwei eifrigen Kindern, die inzwischen auch (zumindest 50% davon) groß genug sind, damit nicht nur das untere Drittel geschmückt ist. Keine Bilder, trotzdem wahr. Wir sind alle satt, müde und happy über unsere jeweiligen Geschenke.

Ich habe bekommen, was ich mir gewünscht habe – Socken und einen Satz Luxussaiten. Michel hat bekommen, was er sich gewünscht hat – ein Mikroskop und noch ca. tausend weitere Dinge. Pippi hat bekommen, was sie sich gewünscht hat* – ein Halbedelsteinausgrabeset, ein Mikrofon und ca. 999 weitere Dinge. Herr Rabe hat hoffentlich bekommen, was er sich gewünscht hat – einen Klavierhocker und Konzertkarten (hahaha, wie lustig wir sind, Konzert, im April, haha).

Jetzt schnorcheln die Kinder in ihren Betten, wir Erwachsenen sind auch gar und ich freue mich tatsächlich auf Weihnachtsessen mit schick machen und so weiter im Kreuzkruuuuch morgen. Ich wär soweit, mir dafür noch mal ein 92,1% sensitives Teststäbchen in die Nase stecken zu lassen. Dieser Heiligabend war eben doch ziemlich anders, und ich bin noch nicht so ganz entschieden, ob die Vorteile wettmachen, dass es anders war als die letzten 36 mal.

*und eine ganz neue Zahnlücke, die hat sie auch. Es wurde auch Zeit, nachdem sie gestern gegen elf noch mal wach wurde und sehr erschrocken darüber war, dass sie den Zahn um 180 Grad drehen konnte. Heute Morgen zappelte sie ihn dann los, er kann eh nur noch an einem winzigen Hautfitzel festgehangen haben.

Tag 2353 – Luxusreisen.

Diese Fährüberfahrt haben wir ja schon vor Monaten gebucht. Ich weiß nicht mehr, was da mit uns los war, spontane Spendierlaune oder so, aber wir haben statt der üblichen Minikabine eine etwas größere mit Doppelbett und Schrank gebucht. In der ist eine mit Snacks (Nüssen, Schoko) und Softdrinks gefüllte Minibar enthalten, und, für so Leute wie uns wesentlich wichtiger, WLAN. Wir haben also zum ersten Mal die ganze Überfahrt über Netz und deshalb kann ich auch jetzt noch schreiben.

Die Fahrt bisher war relativ unspektakulär. Wir kamen nahezu pünktlich los und super durch, waren also schon vor 12 am Boot Schiff. Aufgeregte Kinder waren natürlich aufgeregt. Aufgeregte Erwachsene (ich) waren auch aufgeregt, aber Herr Rabe managte alles, sodass ich mich überaus wichtigen Übersprungshandlungen widmen konnte, wie noch schnell das Spülmaschinensieb sauber zu machen.

Auf dem Boot Schiff ist es super leer. Ich glaube nicht, dass sich diese Fahrt für Color Line lohnt. Für uns ist das natürlich schön, es gibt kaum Wartezeiten auf irgendwas, Abstand halten ist überhaupt kein Problem, das Personal ist überaus zuvorkommend. (Letzteres ist eigentlich immer so, aber jetzt fällt es noch mal extra auf, weil die alle sehr entspannt scheinen. Ist ja auch kaum was los, da kann man dem einzelnen Gast mehr Zeit widmen.)

Alles in allem fühlt sich das sehr luxuriös an und ich sag es mal so – ich brauche diese Kinder-Unterhaltungsshow gar nicht so dringend. Oder die Erwachsenenshows. Oder Shows generell. Oder viele Menschen auf einem Haufen. So ist schon ok.

(Es ist dann auch viel einfacher, Michel Ängste zu nehmen, weil WENN das Boot Schiff sinken würde, könnten wir vermutlich ein Rettungsboot pro Person haben.)

Tag 2352 – Last minute.

Uffz, es ist soweit alles gepackt, aber da wir irgendwie alle dem Corona-Reise-Braten nicht so recht trauen wollten, wurde alles aufgeschoben bis zur letzten Sekunde. Aber nun sind die Meerschweinchen in ihrem Feriendomizil, ich habe stundenlang Wäsche in Schränke geräumt, nur um sie danach wieder raus und in Reisebehältnisse zu packen, das Auto lädt und die Geschenke sind verpackt.

Das Auto lädt auf drei Phasen, was gut ist, neulich haben wir mal festgestellt, dass es seit Wochen nur auf einer Phase lud, was potentiell am Auto, am Kabel oder an der Ladebox liegen kann. Jetzt hat es sich aber magisch wieder eingekriegt, auch just in time.

Ebenfalls just in time wurde eine neue Stromabrechnungsform, die am 1.1. in Kraft treten sollte, gekippt. Wir können daher vorerst weiter auf drei Phasen laden. Mit Einführung der neuen Abrechnung würde uns nämlich allein der Umstand, dass wir das können und tun, extra Geld kosten. Weil der Strom aber eh schon KOMPLETT ABSURD TEUER ist (Stromrechnung gestern, also an einem einzigen Tag: 560 Kronen. Über. 50. €. Hurz.), und die Stromanbieter dem Staat vorgerechnet haben, dass 70% ihrer Kund*Innen durch das neue System mehr Netzmiete (seien sie froh, wenn Sie nicht wissen, was das ist) zahlen müssen, als jetzt, hat die Regierung beschlossen, dass jetzt ein ganz schlechter Zeitpunkt dafür ist, das einzuführen. Im Moment denke ich aber schon, und da bin ich sicher nicht alleine, dass scheinbar momentan nicht so sehr gewollt ist, dass hier weiter alle Elektroautos fahren. Herr Rabe und ich schlucken bei den Strompreisen noch nur, aber es haut finanziell noch hin. Familie Nordmann aus Oslo, die mit ähnlichen Einkommen und ähnlichem Lebensstandard (und nem Leaf statt nem Tesla) einen drei mal so hohen Hauskredit bedienen muss wie wir, hat ernsthafte Probleme. Was will man machen? Nicht mehr heizen? Kalt duschen? Das Auto verkaufen und nen Diesel anschaffen ist da noch die praktikabelste Lösung, um einen großen Teil des Stroms zu sparen. (Klar, man könnte das Haus nachisolieren, neue Fenster einbauen usw, aber das setzt ja auch erst mal freies Kapital voraus. Und dann stellt sich das Problem, dass man grade weder Material dafür noch Menschen, die es machen, bekommt.) Ich hoffe, das alles schießt uns Energiewendemäßig nicht noch ins Knie.

Ich habe Michel versprochen, dass wir morgen auf dem Weg zur Fähre noch beim Optiker vorbei schauen, weil seine Brille hinterm Ohr drückt. Ich hatte gestern drum gebeten, dass die etwas justiert wird und offenbar war die Optikerin auf der einen Seite etwas zu eifrig. Wir fahren also noch etwas eher los, damit wir das noch schaffen, ohne dass ich mir vor Nervosität, zu spät zu kommen, ins Hemd mache.

Pippi hat nun auch eine neue Brille und ist sehr zufrieden damit. Leider ist sie heute trotz Brille irgendwie gegen die Waschmaschine gelaufen (???) und hat jetzt auch noch ein ganz frisches, riesiges Hörnchen auf der Stirn. Immerhin farblich zur korallenroten Brille passend.

Tag 2351 – Bergauf.

Heute war der Tag mit den wenigsten Tageslichtminuten des Jahres, ab jetzt wird also alles besser.

Die Fähre für den Rückweg aus Deutschland konnte umgebucht werden. Dass ich drei Stunden auf den automatischen Rückruf der Hotline gewartet habe, deutet aber an, was bei denen heute los war.

Auch heute war Homeschooling keine Freude und wenn wir das nach den Ferien noch weiter treiben sollen, melden wir Bedarf an, dass Michel in der Schule seine Aufgaben macht. Sonst überlebt das nämlich nur einer von uns. (Das klingt jetzt so lustig, wie „Jaja, mein Kind meckert auch erst mal ne halbe Stunde, dass es Hausaufgaben machen muss, die dann zwei Minuten dauern“, aber es ist leider gar nicht lustig, für niemanden hier im Haus. Ganz im Ernst: das, was hier abgeht, kann nicht normal sein. Nicht mal ansatzweise. Dann hätte es wesentlich massivere Proteste gegen die zweite, dritte und vierte Runde mit Schulschließungen gegeben. Weiterhin gehe ich davon aus, dass Michel in der Schule maximal ab und zu die Spitze dieses Eisberges durchblitzen lässt, denn sonst bekämen wir täglich Anrufe von der Schule und Michel würde vermutlich als unbeschulbar gelten. Aus Gründen verliere ich leider langsam die Hoffnung, dass ihm dann wenigstens geholfen würde, wenn er auch dort auffällig wäre.)

Jetzt sind erst mal Ferien und uns kann das sch… Weihnachtsheft am Hintern vorbei gehen. Michel hat es fertig gemacht und es darf jetzt bis zum 3. Januar im Rucksack wohnen.

Pippi hingegen macht ihre Aufgaben zum Teil sehr gerne, nämlich immer, wenn es ums Malen geht. In der ersten Klasse wird noch sehr, sehr viel gemalt. Ich kenne jetzt die Nooms, und weiß, wer welche Farbe hat und wie lang ist. Die Nooms, das ist die fancy Version von diesen Montessori-Zahlen-Stäbchen. Uno ist lila und 1 [Meter, sagt Pippi] lang, Penta ist grau und 5 lang. Fancy sind sie, weil es ein ganzes Noom-Universum mit kleinen Filmchen und Liedern und Apps und was weiß ich nicht alles gibt, statt… naja Holzstäbchen halt. Pippis Aufgabe war heute unter anderem, die Szene „Die Nooms feiern Weihnachten“ zu malen, was sie sehr hingebungsvoll und unablässig mit sich selbst redend tat. Schon süß, aber irgendwann bluten mir ein bisschen die Ohren.

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P.S. Mir ist übrigens völlig egal, ob die Schule den Kindern das Rechnen mit Nooms oder Äpfeln und Birnen oder abstrakten Zahlen beibringt. Hauptsache, sie lernen es, und zwar so dass alle Kinder individuell ihr Potential ausschöpfen können und langfristig motiviert bleiben. Wie das am besten geht, müssen sich Expert*Innen für Didaktik überlegen.

P.P.S. Das selbe gilt für Schreiben und Lesen lernen, Schreibschrift, Bleistift/Kuli/Tintenroller/Füller, schreiben mit der Hand vs. frühen Gebrauch von digitalen Lernmitteln zum Tippen und so weiter und so fort. Es ist mir egal.