Tag 3221 und 3222 – Große Aufregung!

Gestern war eigentlich nichts. Nur zu viel Arbeit.

Heute hingegen war einiges. Erst habe ich meine rosa Brille abgeholt. Davon aus Gründen ein Foto weiter unten. Ich bin sehr zufrieden bisher, die Welt ist wesentlich freundlicher damit. Aber es war ja auch erst ein halber Tag.

Mit Michel zusammen habe ich dann noch Farbe fürs Terrarium besorgt. Nachdem ich mir vorgestern eine Blase gepinselt hatte, habe ich gestern Fliesenkleber-Schicht Nummer 2 an Michel ausgelagert. Der wollte dann heute eigentlich auch Schicht Nummer 3 machen, bekam sich aber nicht vom Rechner losgeeist. Schicht 3 habe ich dann also heute gemacht, in meiner Bonuszeit, die ich hatte, weil ich nicht wie geplant nach Oslo gefahren bin, um mein Piercing wieder einsetzen zu lassen. Es war nämlich Schienenersatzverkehr und das hätte mich statt 35 Minuten Zug 1 Stunde 15 Minuten Gejuckel mit dem Bus gekostet, pro Weg, und das war es mir nicht wert.

Also Geige und Gepinsel statt Oslo-Tour. Die Blase ist jetzt dann auch aufgegangen. So schön.

Abends guckten wir, das heißt, leider nur Herr Rabe und ich, da die Kinder an der Familientradition nicht soooo interessiert waren, den ESC. Ich kann mit Nemo (Schweiz) als gewinnende Person sehr gut leben, hätte mir aber noch mehr Kroatien gewünscht. Wusste bisher gar nicht, dass ich Häkeldeckchenmetal gut finde.

Was aber viel aufregender war als ESC, war, was ich vorfand, als ich um halb zwölf dann doch mal Michel ins Bett scheuchen wollte.

Wir machen das wie folgt: erst Bild von rosa Brille, dann Story und Bild von Wechselwarmen.

Beide Schlangen waren ausgebrochen. Sie hatten (wahrscheinlich nur eine) das Lüftungsgitter aus dem Loch gedrückt und waren dann dadurch verschwunden. Greg fand ich sofort wieder, wieder hinterm Terrarium. Monty fand ich nicht. Panisch rief ich Herrn Rabe zu Hilfe und zu dritt suchten wir etwa zwanzig Minuten alles ab, bis Michel eine Entdeckung an einer echt blöden Stelle machte.

Schlange zwischen Regal und Wand.

Das wäre nicht mal so ein riesiges Problem, wenn Michels Zimmer größer wäre. Da Michels Zimmer aber ist, wie es ist, mussten wir erst mal das halbe Zimmer verrücken, bis wir dieses Regal verschieben konnten. Monty war davon auch nicht so begeistert, aber ich fischte hen trotzdem aus der Ecke sobald ich dran kam. Monty faltete sich nach dieser würdelosen Behandlung zu einem indignierten Ball zusammen, aber besser das, als neben dem Regal einziehen.

Herr Rabe sicherte dann noch, mitten in der Nacht, das Terrarium gegen diese Art Ausbruch:

Seitliche Sicherung mit zwei festgespaxten Unterlegscheiben
Hintere Sicherung mit einem festgespaxten Flachwinkel.

Das brauche ich nicht noch mal. Gut, dass am neuen Terrarium alle Lüftungsdingse festgeklebt sind.

Tag 3200 – Keinerlei Zugriff.

Kann nicht mehr. Reise gut, danach Loch. Todmüde, weil extrem schlecht geschlafen die letzten Tage.

Ich fände es wirklich Mega, wenn ich den wirklich guten Kurs einfach genießen könnte ohne danach über den nicht richtig stehenden Küchentisch in Tränen auszubrechen.

Oder absurd viele Rechtschreib- und Tippfehler zu machen. Als wäre in meinem Kopf kein Gehirn sondern nur noch als Gehirn geformte Watte.

Tag 3196 – 14 Minuten.

Bin ziemlich platt, ich hatte einen weiteren Diagnostiktermin, dieses Mal musste ich vierzehn Minuten lang den langweiligsten Test der Welt machen. Mein Perfektionismus war sofort an und die Frustration über Fehler groß. Darum ging es zwar nicht, aber fand ich trotzdem interessant. Am einfachsten fiel mir die Aufgabe, wenn es die maximale Geschwindigkeit hatte und dann machte ich auch die wenigsten Fehler. Signifikant und auffallend weniger Fehler als bei niedrigeren Geschwindigkeiten. Wenn’s brennt werde ich halt fokussierter, ich schrieb es ja bereits. Ansonsten bin ich hauptsächlich sehr schnell in meiner Reaktion, auch das auffällig. Alles andere an meinem Testergebnis war normal, was heißt, dass ich vermutlich kein Problem mit Aufmerksamkeit habe. Solange die Geschwindigkeit/die Informationsdichte hoch genug ist.

Ansonsten war nichts. Monty liegt jetzt gerne auf/in den Pflanzen, Greg scheint einfach beschlossen zu haben, zu warten, bis die Haut von allein von hen abfällt und sich bis dahin nicht mehr zu bewegen. Bei Greg verläuft das aber, soweit ich das bei den wenigen Zentimetern Körper, die ich sehen kann, beurteilen kann, bisher wie im Lehrbuch. Die Reste der letzten Maus kamen noch nicht wieder raus, dann war Greg erst total matt mit einem rosa Bauch, dann noch matter, jetzt aber wieder wesentlich glänzender, nahezu normal. Das Internet sagt, dann müsste es jetzt noch 1-2 Tage dauern. Dann werden wir erfahren, ob Greg auch so rumfutzelt. Also ich nicht sofort, ich bin ab Mittwoch bis Freitag nicht da.

Ah, etwas war doch: ich bin sehr stolz auf mich, weil ich diesen letzten Akkord auf der eins im letzten Takt inzwischen nahezu immer nahezu perfekt sauber hinbekomme, Bämm, einfach da. Ja, das sind 3 Ds, zwei Oktaven und man hört Unsauberkeiten sofort, wie ein abrutschender Bohrer beim Zahnarzt ist das. Und ich kann’s. Haha!

Jetzt hab ich’s beschrien, morgen geht’s also nicht mehr.

Tag 3144 und 3145 – Zu früh gefreut.

Vielleicht ist es normaler hier, ja, aber es geht mir trotzdem nicht gut. Die drei Tage England, in der Intensität und mit den Menschen, mit denen das stattfand, waren viel zu viel für mich. Ich bin komplett im Eimer und habe 90% des Tages im Bett verbracht, wegen meiner Unzulänglichkeit in allen Aspekten* ständig in Tränen ausbrechend. Letzte Nacht habe ich beschissenst geschlafen und morgen werde ich ein müdes, verquollenes Wrack bei der Arbeit sein. Nach vier Tagen Urlaub, wegen vier Tagen Urlaub. Awesome. Ich hoffe, es wird wenigstens wertgeschätzt**, glaube aber nicht dran.

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*Ich bin nicht mal in der Lage, ein Terrarium, das eigentlich nur eine Plastikkiste*** ist, so aufzubauen, dass die Temperaturen darin stimmen.

**absichtlich offen gelassen was und von wem

***Das wurde uns so empfohlen. Das wird für diese Art, hier in Norwegen, für Jungtiere, so empfohlen. Bitte lieber ent-abonnieren als empören. Ich hab mir die volle Dröhnung Internet-Foren-Diskussion bereits gegeben, aber auch da ist irgendwie keiner, der mal mit ner Schlange gesprochen hat, und gefragt hat, ob jetzt eng oder nicht eng besser für sie ist. Ich weiß jetzt aber: gestresste Tiere fressen nicht, das ist ein echtes Problem, aber Schlaumeier im Internet kann trotzdem behaupten, wenn der Hunger erst groß genug ist (jede Woche ausgehungert oder wie???) DANN fressen auch schlimm schlimm misshandelte Schlangen. Außer in Terrarien. Da nicht. Das machen die nur in Kisten, das mit dem Fressen aus Hunger. Ich war nach Internet-Foren-Diskussion jedenfalls kurz davor alles abzublasen, weil ich mit sich widersprechenden Empfehlungen und Ratschlägen und Erwartungen überhaupt nicht umgehen kann. Das war schon bei Covid schlimm (ist es noch!) und das jetzt triggert das wieder. Ich weiß auch nicht, was ich da machen soll, außer allem aus dem Weg gehen – und das geht kaum, irgendwo muss ich ja Informationen her kriegen. Die Anleitung vom Thermostat zum Beispiel ist ein totaler Witz, damit kann man kaum was anfangen. Fell, weder dickes noch dünnes, hab ich jedenfalls keines. Und erst mal müssen wir eh das Temperaturproblem beheben. Auch wenn ich keine Tiere verdiene, laut Forum. Und da auch ich nicht mit Schlangen reden kann, kann ich’s halt auch nicht sicher wissen, vielleicht hat das Forum recht.

Tag 3143 – Normaler.

Wir sind wieder zu Hause. Auch die Rückreise war recht friedlich und entspannt. Nur bin ich sehr überreizt, von den letzten Tagen und auch von der Reise (Gatwick ist ein furchtbarer Flughafen für Menschen mit sensorischen Issues und keinen Löffeln mehr), mein Körper reagiert schon mit Ohrenklingeln und 50 Shades of Kopfschmerzen und ich gehe jetzt besser schlafen.

Gute Nachrichten:

  • Michel ist auch gleich viel ausgeglichener. Dessen Sozialverträglichkeit verhält sich umgekehrt proportional zur Anzahl Menschen, mit denen er gleichzeitig sozialisieren soll. Komisch, kenne ich gaaar nicht…
  • Alle unsere Heizungen (sofern eingestöpselt) sind jetzt echt fernsteuerbar, also auch von England aus. Dann kann man schon mal das Haus warm machen bevor man nach Hause kommt, Hurra!
  • Alles für die Schlangen ist da und morgen können wir basteln. Vielleicht, ganz vielleicht, schreibe ich dann einen Artikel für Dummies, wie so Terrarien-Thermostate und -Heizquellen funktionieren. Das steht nämlich irgendwie nirgends und deshalb war ich sehr gespannt, ob, und wie, das nun alles zusammenpassen würde. Es ist total simpel, wenn man die Teile erst mal in der Hand hat, aber es wär echt Mega, wenn man das vorher schon wüsste, dass das gehen wird und wie. Das könnten auch die Anbieter von Terrarien-Thermostaten voll gut als „Werbung“ benutzen, es wirkt nämlich jetzt ein bisschen so, als wollten sie nicht unbedingt was verkaufen.
  • Ich hab meine Geige wieder <3

Tag 3136 – Wenn alles falsch ist.

Also erstmal ein kleiner Nachtrag zum Tabletten kauen: aufgrund eines technischen Problems konnte Kommentatorin Anja ihren Kommentar nicht veröffentlichen. Ich finde aber dass das ein guter Tipp ist:

„Was tatsächlich zu einer schnelleren Wirkung beiträgt, ist sich auf die rechte Seite zu legen. Dann rutscht die Tablette schneller in den Darm. Ist nur leider nicht immer und überall möglich…“

Klar geht das nicht immer. Aber ich liege sonst automatisch auf der linken Seite, wenn ich mich hinlege, vielleicht sollte ich die rechte mal ausprobieren.

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Bei der Arbeit waren heute die zwischenmenschlichen Dinge eher schwierig. Zu Hause auch. Michel wollte in einem Computerprogramm („Blender“) etwas machen, aber OHNE sich irgendwelche Anleitungen oder Tutorials anzugucken und das funktionierte nicht. Die Frustration führte zur unweigerlichen Explosion und dann ist erst mal alles komplett falsch. Helfen ist falsch, nicht helfen ist falsch, nicht helfen können ist total falsch und nach Lösungen googeln ist ebenfalls total falsch. Egal was man macht, die Explosion geht immer weiter, wie eine unerschöpfliche Feuerwerksbatterie, aber ohne bunt und Glitzer, nur mit Chinaböllern aus Tschechien. Das ist wirklich gar nicht mal so schön. Irgendwann, als der Zorn an einer Box Taschentücher ausgelassen und verraucht und die Tränen getrocknet waren, hat er sich entschuldigt, aber in der Situation kommt er selbst überhaupt nicht da raus, wie eine hängen gebliebene Schallplatte, nur in wütend. Ich hab da keine gute Lösung, er auch nicht. Aushalten I guess it is. Ich habe diese Sorte Ausraster ja auch nur noch sehr selten, also so innerhalb der nächsten 25 Jahre wird er das wohl lernen. Galgenhumor hilft.

(Bevor wieder Kommentare kommen: er tut mir in erster Linie total leid, so große und schwierige Emotionen haben und nicht hantieren können ist ja vor allem für ihn schlimm. Aber ich kann leider auch nicht so viel machen. Das war einfacher, als „auf den Arm“ noch gegen alles half.

Und um anderen Kommentaren vorzugreifen: das Wort weirdo benutze ich nicht als Beleidigung, im Gegenteil. Ich möchte das Reclaimen, als Umschreibung für neurodiverse Menschen. Ich bin meistens sehr zufrieden damit, ein weirdo zu sein. Natürlich ist nicht alles daran rosig, so wie Situationen wie die oben beschriebene. Aber so im Großen und Ganzen ist es halt einfach nur anders.)

Tag 3127 – Nachwirkungen.

Gestern war so anstrengend, dass ich heute wirklich große Probleme hatte, überhaupt irgendwas sinnvolles zu tun. Ich glaube, das hatte mehrere Gründe, die aber alle miteinander zusammenhingen. Bei der Arbeit hatte ich ein anstrengendes Meeting. Das hatte ich selbst so organisiert, was nicht schlau von mir war, aber im Nachhinein auch nicht zu ändern. Montag Abend hatte ich bereits festgestellt, dass wir in dem Meeting vielleicht eine ungeahnt beschissene Nachricht überbringen müssen. Ich fand das nicht fair und fachlich falsch und überhaupt. Das stresste mich. Gestern Morgen musste ich dann mich und die Kinder pünktlich fertig bekommen, was grad so geklappt hat, aber unter Stress. Ich holte mir am Bahnhof einen Kaffee und setzte mich in den Zug, 7 Minuten vor Abfahrt, ein Hoch aufs Wohnen an der Endhaltestelle. Meine Kollegin hatte mir einen Chat geschrieben, den ich öffnete – wir müssten über das Meeting reden. Sie könne noch eine Stunde. Im Zug arbeiten am Computer geht, aber telefonieren geht eher so mittel. In solchen Momenten macht mein Kopf blitzartig drei bis sieben Paralleluniversen auf und spielt alle Möglichkeiten durch. Das ist sehr praktisch. Der Kopf vergisst dabei aber, dass bestimmte Optionen viel Energie von mir fressen, vor allem wenn sie eine spontane Planänderung beinhalten. Aber egal, es war am wenigsten scheiße, wieder aus dem Zug zu springen und mich in das Café am Bahnhof zu setzen. Da telefonierte ich dann mit der Kollegin und danach noch mit einer Juristin. Hurra. Dann fuhr ich eine Stunde später doch mit dem Zug ins Büro und schrieb im Zug in einem rasenden Tempo das Problem und eine fachliche und juristische Bewertung dessen runter. 2 Seiten in 30 Minuten. Kann ich, aber auch nicht mühelos. Also noch mehr das Energiekonto belastet. Das Meeting war dann eben auch an sich schon anstrengend und überzog auch noch. Damit fiel das Kartenhaus zusammen, das mein Plan für den Nachmittag gewesen war, Pippi pünktlich zur Schlagzeugstunde zu bekommen, löste sich in Rauch (oder eher Paragrafen) auf. Ich kann echt nicht gut mit Planänderungen. Mein Energiekonto begab sich ins Minus. Pippi war ganz happy und malte ihr ganzes Gesicht mit Tattoostiften an. Ich kam gestresst und fahrig um halb vier nach Hause, arbeitete noch ein bisschen weiter, machte Essen für Pippi und fuhr sie zum Korps. Zog mich um fürs Ballett. Machte Essen für Michel und fuhr den auch zum Korps, holte Pippi ab und setzte sie zu Hause ab. Fuhr weiter zum Ballett. Routinen sind wichtig. Routinen sind Schall und Rauch: ich ging 15 Minuten vor Ende der Stunde, um Michel pünktlich vom Korps wieder abholen zu können. Mir war bis gestern auch noch nie aufgefallen, wie grell das Licht da ist.

Dann brachte ich beide Kinder ins Bett, bereitete den heutigen Tag vor, und bekam viel zu spät die Augen zu, weil ich weiterhin diffus unter Strom stand.

Heute dann eben die Nachwirkungen. Furchtbar müde (trotz knapp sieben Stunden Schlaf), Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und keine nutzbaren Exekutivfunktionen. Einfach wäh, wie Kater. Und das alles wegen zwei Tagesablauf durcheinander bringenden Planänderungen, einer schwierigen sozialen Situation und einer Änderung von Routine, am selben Tag.

Das ist alles irgendwie meh. Ich bin froh, dass Herr Rabe schon fast wieder da ist. Keine Ahnung, wie er das immer alles schafft, wenn ich nicht da bin.

Tag 3112 – Kurz Bloggen.

Kurzes Update zur Schulgeschichte von gestern: das ist natürlich alles gar nicht so gewesen und überhaupt. Kann ich ja gut ab, wenn Erwachsene gleich in eine Abwehrhaltung gehen, ne?

Ansonsten muss ich zu meinem Tag mal später vielleicht irgendwann einen Sammelbericht schreiben. Jetzt grad und seit heute Nachmittag bin ich eigentlich hauptsächlich ziemlich geschlaucht. Es war ein anstrengender Termin mitten am Tag, zu dem ich obendrein zu spät kam, weil ich zuerst im falschen Gebäude (genau genommen sogar in beiden Teilen des falschen Gebäudes) war. Am Ende des Termins habe ich dann doch lieber das Navi benutzt, um nach Hause zu finden, obwohl ich da (also nicht zu Hause, sondern da woher ich nach Hause fahren musste) schon echt oft war (im falschen Gebäude, zu anderen Anlässen aber richtig). Aber wenn ich schon kaum den Weg aus dem Flur finde, benutze ich im Zweifel selbst für den Weg zum Bäcker (haha, als gäbe es hier Bäcker, aber für das Bild muss er herhalten) das Navi. Ich habe mich schon an den absurdesten Orten verfahren und verlaufen, better safe than sorry.

Abends versuchte ich erst, für Michel das nächste Kornettlehrbuch im lokalen Musikhandel zu kaufen, aber leider erfolglos. Michel ist von seinem Kornettlehrer gestern sehr gelobt worden und im quasi selben Atemzug bekamen wir eine Einkaufsliste, was er alles braucht. Unter anderem das nächste Lehrbuch. Hach ja, so schnell geht das von pröt pröt pröt, pröt pröt pröt, pröööt, pröt pröt, pröööt pröööt zu richtiger Musik.

Danach ging ich zum Ballett, wo ich mich zwischenzeitlich fragte, ob es eventuell sogar gut ist, dass ich mental so geschlaucht war, weil ich über einzelne Dinge gar nicht mehr nachdenken konnte, sondern mich drauf verlassen musste, dass mein Körper schon irgendwie macht – und plötzlich funktionierten diese Dinge. Sehr komisch, aber höchstwahrscheinlich einfach purer Zufall. Man hat ja manchmal so Tage, wo das Tanzen plötzlich überraschend gut läuft und sich alles anfühlt, als hätte man super viel Zeit. Und dann kommt auch wieder ein Tag, an dem man sich anstellt als hätte man drei linke Beine, eins davon falschrum angewachsen. Trotzdem hätte ich heute gern eine dieser superweich und kontrolliert gelandeten Pirouetten gefilmt, um fürs nächste mal, wenn ich über meine eigenen Füße falle, einen Beweis zu haben, dass es auch anders geht.

Tag 3077 – Weihnachtlich.

Am ersten Tag mit Tauwetter seit ewig machten Michel und ich uns heute auf den Weg in die Hauptstadt, um das Weihnachtskonzert meines Lieblingskollegens anzugucken. Der spielt in einer Janitsjar, also sowas wie einem Korps, und zwar seit… mehreren Jahrzehnten in der selben Janitsjar. Die sind schon recht gut, aber noch nicht so unerreichbar gut wie die Garde zum Beispiel und außerdem mag ich den Lieblingskollegen. Der macht zwar aus seinem Privatleben immer ein großes Geheimnis, aber ich habe mich mal wieder aufgedrängt und der Lieblingskollege hat sich auch aufrichtig gefreut. Michel habe ich mitgeschleppt, damit der mal aus dem Haus kommt und weil er im Frühjahr auch schon mal mit war und das ganz gut fand. Das Konzert war dann auch wirklich gut, eine schöne Mischung aus traditionellen und moderneren Weihnachtsstücken und als Bonus ein recht abgefahrenes Saxophon-Quartett, das nichts mit Weihnachten zu tun hatte. Michel fand es auch gut und möchte beim nächsten Mal wieder mit kommen (dabei waren wir dieses Mal nicht mal hinterher Sushi essen).

Anekdote: vorher waren wir noch schnell ein Buch zurück geben, das ich versehentlich doppelt gekauft habe, und selbstverständlich ist es an einem Samstag eine Woche vor Weihnachten in Oslo unerträglich voll. Michel hatte zwar sein Auge auf Paradiesäpfel geworfen, die da wohl auf dem Weihnachtsmarkt verkauft wurden, und wir standen auch vor dem Eingang zum Weihnachtsmarkt (der ist da abgegrenzt und umzäunt, wahrscheinlich damit die besoffenen Büroangestellten sich post Weihnachtsfeier nicht zwischen den Buden verlaufen). Da fragte ich Michel aber, ob es total schlimm wäre, wenn wir das mit dem Paradiesapfel sein ließen, und er sagte, nein, gar nicht schlimm und da auch viel zu viele Leute. Es gab dann lieber ein HotDog vom Kiosk an der Bahnhaltestelle. Später beschwerte sich Michel noch darüber, dass alles komisch riecht und alles durcheinander riecht „Essen, Parfüm, Kamin, und die Bahn riecht nach nassem Dreck, das ist zusammen total eklig!“ und ich konnte dem nur beipflichten. Ich möchte noch „nasse Wollkleidung“ und „Füße die den ganzen Tag in dicken Stiefeln stecken“ auf der Gruselgeruchsliste hinzufügen. Im Winter riechen Leute einfach nicht gut.

Abends rätselten Herr Rabe und ich am gemeinsamen Adventskalender weiter, bis es sehr spät war und mein Kopf auch nicht mehr ganz dabei war.

Tag 3056 und 3057 – Viel.

Vielleicht sind es auch nur diese neuen Medikamente und ihre Nebenwirkungen, das vorweg.

Aber… ich bin fix und alle. Gestern haben wir bis spät in die Nacht das Wohnzimmer umgeräumt und den neuen Fernseher aufgehängt und uns drüber geärgert, dass die „Birkenfarbene“ Schubladenblende irgendwie sehr rosa ist (die Türfronten der selben Reihe werden morgen umgetauscht, weil uns das wirklich so gar nicht gefällt). Und überlegt, wo all dieses riesige Lego eigentlich hin soll (und keine gute Lösung gefunden).

Heute war wegen Umräumen und Fernseherverpackung ein solches Chaos, dass ich sehr gestresst war und am liebsten weggerannt wäre. Außerdem hatten wir gestern Abend vor lauter Räumerei vergessen, dass wir noch hätten einkaufen müssen. Heute gab es deshalb die letzten 2 Brötchen, die letzten 3 Croissants und als Abendessen die norwegische Version von Dosenravioli aus dem Krisenvorrat (die wären aber eh bald abgelaufen und müssen deshalb weg). All das + die lange To-Do-Liste = Stress.

Vielleicht war auch eigentlich keine so gute Idee, gestern noch was soziales zu machen, aber ich war von einer Handvoll neurodiverser (hauptsächlich autistischer) Frauen zu einem informellen Treffen eingeladen worden, und fand das so lieb, dass ich ja sagte. Und es war auch wirklich schön, die anderen 4 waren alle sehr sehr nett und interessant und augenscheinlich erst mal „normal“, was ich sehr beruhigend fand, ich bin schließlich auch total normal, ähäm. Ich musste auch keine Diagnose vorlegen, um akzeptiert zu werden, auch das war sehr beruhigend. Die eine hatte in ihrem aktuellen Hyperfokus für alle kleine Bändchen gebastelt, auf denen „Neurospicy“ steht, jetzt bin ich also Mitglied in sowas wie einem Club. Und es tut auch mal gut, ein paar ähnliche Erfahrungen teilen zu können. Ich mag die gern, aber natürlich war das ziemlich anstrengend, ich kannte die ja vorher nicht und das war alles aufregend und so weiter.

In Kombination war das Wochenende vielleicht etwas zu ambitioniert. Und schon ist es vorbei, so ein Rotz.