Ohhh, ich bin so aufgeregt! Es ist #OffTopic-Zeit und dieses Mal sind vier Damen zu mir gekommen, auf mein kleines Blöglein, um mit mir über Umbrüche zu quatschen. Das kennt ja jede*r, da kommt etwas Neues, man freut sich ein bisschen bis ganz doll und ein bisschen macht man sich vielleicht auch in die Hose, manche mögen gerne alles bis ins allerletzte Detail durchplanen und haben noch Plan B-D in der Hinterhand, andere lassen alles auf sich zukommen und denken sich „wird schon schiefgehen“… Kurzum, ein schönes Thema für einen kleinen Kaffeetratsch.
Aber jetzt sollen erst mal die Damen zu Wort kommen!
Carmen (Vegane-Familien)
Alles Neue macht der Mai.
Ja tatsächlich. Das stimmte irgendwie immer. In diesem Jahr starte ich als alleinerziehende Zweifachmami selbstständig durch, da ich im April meine Elternzeit beendet habe. Letztes Jahr hatte ich im Mai meine Prüfung zur Ganzheitlichen Ernährungsberaterin und vor zwei Jahren wurde ich schwanger ;)…. Soll ich noch weiter zurück gehen und mal suchen? Achneeee…. Viel interessanter ist die aktuelle Situation. Vor allem wenn ich so überlege was gerade alles hinter meiner Stirn vor sich geht. Da ist so viel los. Es ist unfassbar. Kennt Ihr das wenn der Kopf keine Ruhe gibt und Ihr von einer Idee und Erkenntnis nach der nächsten überrascht werdet? Mir geht’s gerade so. Ich habe seit ein paar Tagen einen völligen Energiekick, was auch mit dem Wetter zusammenhängen kann. Die Ideen sprudeln noch mehr aus mir heraus als ohnehin schon. Und naja – da der Kleine immer mehr und immer mehr in der Kita eingewöhnt ist, habe ich auch endlich die Zeit zur Umsetzung. Ich bin fröhlich und gut gestimmt und freue mich auf eine wunderbare und veränderte Zukunft :) Es wird sich noch sehr sehr viel verändern. Das spüre ich und es gefällt mir wahnsinnig gut. Meine Ängste hab ich fast alle abgelegt. Und Ihr so?
Lena (Elfenhimmel)
Der größte Umbruch in diesem Jahr, war der Umzug unseres Sohnes von der Frühchenstation nach Hause. In der Klinik hat man nichts anderes zu tun, als mit dem Kind zu kuscheln, es zu füttern und dazwischen immer wieder mal abzupumpen. Die fertig gemischte Milch wird einem inkl. aller Medikamente gebracht und zum Pumpen hat man stets neue Flaschen & Einmalsets; der vollkommene Kontrast zu einem Leben zu Hause also.
Wir freuten uns sehr, als es ziemlich spontan hieß, dass wir unseren Elfen mitnehmen dürfen und ihn somit 24 Stunden am Tag bei uns haben können. Doch, nicht mehr stundenlang mit Anika in einem Zimmer zu sitzen und zu quasseln und auch ansonsten vollkommen auf uns allein gestellt zu sein, war erst mal ein wirklich sonderbarer Gedanke. Umso näher der Tag kam, umso häufiger kullerten bei mir die Tränchen; das Gefühlschaos zwischen Freude, Ungewissheit, fehlender Vorbereitungszeit und Vermissungsschmerz war einfach enorm. So doof es in der Klinik auch ist, man verbringt so viel Zeit dort, dass es sich schon fast wie „zu Hause“ anfühlt. Ich hatte mich nach all den Tagen, Wochen und Monaten wirklich sehr daran gewöhnt.
Daheim angekommen, wurde mir erst so richtig bewusst, wie groß der Umbruch wirklich war. Plötzlich steht man da, muss alle Medikamente selbst herrichten, hat keine sauberen Flaschen und Sets mehr zum pumpen und muss bei jedem Piepsen des Monitors ganz alleine entscheiden, wie es zu werten und was zu machen ist. Alles, was man zuvor nicht durfte, muss man von einem auf den anderen Moment ohne Übung ganz alleine hinbekommen. Inzwischen ist aus der anfänglichen Überforderung Routine geworden & es sind sogar noch mehr Medikamente plus eine Sonde dazugekommen.
Ich glaube dieser Umzug, war der beste und komischste Umbruch unseres bisherigen Lebens, der einfach alles veränderte.
Kathrin (Ökohippie)
Umbruch. Umbau. Umzug. Ja, das alles steht bevor, wir wissen nur noch nicht, in welcher Reihenfolge das ganz genau passiert. Denn wir ziehen um, genauer gesagt in Eigentum, das wir ganz nach unseren Vorstellungen umbauen und renovieren werden und ich freue mich riesig. Da wartet eine Wohnung nur darauf, so von mir und uns gestaltet zu werden, wie wir alle, und nicht der Vermieter oder Eigentümer, das gerne hätten. Wir werden Türen, Wandfarben, Bodenbeläge, Möbel aussuchen und uns ein Heim erschaffen für unsere kleine Familie und das wird ganz großartig. Doch im Moment ist es vor allem ein seelischer Umbruch, denn egal wann ich über den Umzug nachdenke, ich sehe mich immer nur mit Maxi Cosi die Treppen zu DIESER Wohnung rauf kommen. Mit einem winzigen Baby, wenige Tage alt, kurz nach einer wundervollen Geburt, an die ich mich mein ganzes Leben erinnern werde. In dieser Wohnung bin ich Mutter geworden. Nicht buchstäblich, aber ich habe diese Zimmer hier bereits einmal umgestellt, renoviert und kindersicher gemacht. Und das war ein wunderschönes Gefühl, denn ich hatte dabei einen dicken Bauch und Nestbautrieb. Das wird fehlen. Beim Umzug und auch danach. Klar, auch jetzt richte ich wieder Kinderzimmer ein, aber für Babies, die schon da sind. Ich denke, jede Mutter kann verstehen, dass es gedanklich gerade harte Arbeit ist, sich von den Räumen zu lösen, in denen Bubba gelernt hat zu laufen, in denen D-Von gelernt hat zu krabbeln und in denen sie beide zum ersten Mal zusammen gespielt haben. Es wird neue schöne Momente und Erinnerungen geben, dessen bin ich mir bewusst, aber als Mensch ist es gerade vor allem eines: ein Umbruch im Kopf. Ich versuche also, mich nicht an dem Ort festzuhalten und nur mitzunehmen, was ich ohnehin tief im Herzen eingeschlossen habe. Und den Rest, den verpacke ich in Kisten und Taschen und Koffer. Und Kindersitze, natürlich.
Eine meiner Töchter wird in diesem Jahr zur Schule kommen. Ich bin, das könnt ihr euch sicher vorstellen, total aufgeregt. Boah, mein Baby wird groß! Es ist unvorstellbar, wie schnell die Zeit vergeht. Für uns wird dieser Schuleintritt eine große Sache, denn wir haben uns gegen eine klassische Schule entschieden, obwohl wir Eltern beide Lehrer sind. Oder vielleicht gerade deshalb? Vielleicht.
Unsere Tochter wird an einer Freien Schule lernen. Konzept dieser Schulen ist die absolute Freiwilligkeit des Lernens. Die Kinder können sich 10 Jahre lang jeden Tag neu entscheiden, ob und was sie lernen wollen. Das klingt für euch bestimmt erst einmal total absurd. Ihr werdet vielleicht einwenden, dass sich dann die Kinder doch bestimmt immer nur für das Spielen entscheiden? Da meine Tochter schon eine Probewoche absolviert hat, bei der ich dabei sein durfte, kann ich euch ein bisschen erzählen. Ja, die Kinder spielen viel. Oft ist eine große Gruppe von ihnen auf dem Schulhof. Manchmal spielen sie Fußball, manchmal Fangen, einige Kinder spielen mit Regenpützen oder mit Stöckern. Es gibt einen Kreativraum, auch dort sitzen häufig Schüler und kneten. Es gibt riesige Knetkunstwerke, die im freien Spiel entstanden sind. Genauso oft aber sieht man Kinder in den Klassenräumen, die mit ihren Lehrern die Köpfe zusammenstecken und über für sie interessanten Themen brüten. Ich war erstaunt, wie gut diese Freiwilligkeit funktioniert. Alle Kinder lernen lesen, schreiben, rechnen und mehr. Viele gehen nach der 10. Klasse aufs Gymnasium. Sie haben zwar in den ersten Monaten Anpassungsschwierigkeiten und manchmal müssen sie das eine oder andere Themengebiet aufholen, doch nach kurzer Zeit gehörten bisher alle zu den 1er oder 2er Kandidaten. Allen gemein ist, dass sie sich selbst sehr gut motivieren können und wissen, wie sie am besten lernen – vielleicht, weil sie vorher so viel spielen durften? Ich weiß es nicht.
Vor kurzem gab es einen Kongress zum Thema Freilerner, dem ich beigewohnt habe. Dort sprachen viele kluge Leute. Professoren, Hirnforscher, Bildungswissenschaftler. Aber auch Erwachsene, die selbst so aufwachsen durften, bzw. Eltern von Jugendlichen, die Freilerner sind. Es war unheimlich motivierend, diesen Menschen zuzuhören und hat mir ein bisschen die Angst vor unserem Schritt genommen. Denn einfach ist es für eine 6-Jährige sicher nicht, sich ihre eigenen Lerngebiete zu suchen. In der Probewoche war das gut zu merken: Es gab zum Tagesbeginn einen Morgenkreis, in welchem die Lehrer die Lernangebote für den Tag vorstellten. Die Kinder hörten zu, entschieden sich innerlich, an was sie teilnehmen wollten und an was nicht und planten somit ihren Tag. Meine Tochter war das nicht gewohnt und schlingerte die ersten drei Tage. Oft wusste sie nicht mehr, welcher Lehrer was wo anbot, manchmal war ihr langweilig, einmal verpasste sie sogar das Mittagessen. An der klassischen Schule ist das natürlich viel strukturierter: Dort wird den Kindern zu jeder Zeit gesagt, welche Materialien sie auspacken sollen, was sie nun lernen werden und wann sie essen können. Für einen Erwachsenen mag das einengend wirken, doch für Kinder ist das, glaube ich, eher entspannend, weil ihnen Entscheidungen abgenommen werden und sie sich diesbezüglich ausruhen können. Doch schon ab Donnerstag in der Probewoche hatte meine Tochter ihren Rhythmus gefunden. Sie hatte Lehrer und Kinder kennen gelernt, wusste, dass sie gern Lesen lernen wollte und merkte sich, welche Lehrerin das anbot. Sie verbrachte ausgefüllte Tage, fand eine Freundin und war am Nachmittag bestens gelaunt. Sie freut sich nun sehr auf die Schule. Ich bin gespannt, denn natürlich weiß ich, dass sich alle Kinder auf die Schule freuen. Als Lehrerin sehe ich aber auch, dass diese Freude leider schon nach kurzer Zeit einer Enttäuschung oder Resignation weicht. Ich bin gespannt, wie das an unserer Freien Schule wird. Wie auch immer es wird, es wird ein großer Umbruch. Ich habe nun bald ein Schulkind! Eines, das selbst entscheidet, was es lernt. Ich muss lernen, loszulassen und ihr nicht hineinzureden. Es ist immerhin ihr Kopf – sie entscheidet, was da rein soll. Aber die Zuckertüte, die fülle immer noch ich!
Und dann noch ich.
Blicken wir kurz mal zurück. Es ist Februar 2013. Kalt, nass, öde. Ich sitze viel mit dem vier Monate alten Michel zu Hause rum. Und langweile mich. In ein paar Monaten werde ich wieder arbeiten gehen. Ich freue mich ein bisschen auf die Leute und auf das Rauskommen. Auch die Arbeit an sich macht mir Spaß. Gleichzeitig wird mir immer klarer, dass es in der Firma für mich nicht weiter nach oben gehen wird. Und ich will mehr Verantwortung, mehr selber denken und entscheiden und wirklich mitreden können. Ich brauche einen Doktortitel. Ich habe ein Baby. In Deutschland wird mich mit Baby niemand einstellen, denke ich zumindest. Außerdem wollten wir doch eh immer nach Schweden. Ich schreibe Bewerbungen.
Fast forward drei Monate. Ich habe Bewerbungsgespräche über Skype. Eins läuft richtig gut, mit den Norwegern. Die eine norwegische Stelle, auf die ich mich auch beworben hab. Ich habe ein richtig gutes Gefühl. Wenige Tage später bekomme ich eine email von dem Norweger: ich hab den Job.
BADUUUUMMMMM! Sie können es sich nicht vorstellen, was sowas mit einem macht. Der helle Wahnsinn. Erstmal selber raffen: Wir werden nach Norwegen ziehen! Bald! Mit Baby und allem! Dann muss man das allen sagen, die Reaktionen schwanken dabei von ehrlicher Freude für uns bis zu ehrlicher Enttäuschung und über alle halbgelogenen Stufen dazwischen. Und alle muss man aushalten, klar. Dann gibt es unfassbar viel zu organisieren, ne Wohnung in Norwegen will gefunden werden, Teile unseres Gedöns werden verschenkt, verkauft, eingelagert, eingepackt und mitgenommen. Tausend Kündigungen werden geschrieben. Zwischendurch Zweifel: das arme Baby! So weit weg von allen anderen Bezugspersonen! Wir können die Sprache noch nicht! Wir sind „die Migranten“, die zu Hause ihre Muttersprache sprechen! Wie soll das gehen, solange Herr Rabe noch keinen Job hat? Reicht die Kohle? Was, wenn wir keinen Kitaplatz kriegen? WAS, WENN WIR KEINE WOHNUNG KRIEGEN???
Ich organisiere und mache und tue und schiebe alle Zweifel weg so gut es geht. Ich arbeite bis wenige Tage vor dem Umzug. Der Abschied von meiner Arbeit ist so extrem emotional, dass ich durch den Keller der Uni nach draußen schleiche, damit nicht alle Welt sieht, wie verheult ich bin. DAS HIER GEBE ICH ALLES AUF! Für unseren Traum, der vielleicht in Erfüllung geht, aber vielleicht wird es auch ganz schlimm. Eine Freundin sagt „Und wenn es schlecht wird, habt bitte den Mut, es euch einzugestehen und zurückzukommen. Das ist das Wichtigste!“. Die Worte bleiben mir lange im Gedächtnis.
Der Umzug selbst verläuft entspannt. Ich fahre mein neues (naja, gebrauchtes neues) Auto ganz alleine nach Norwegen. Michel sitzt mit Papa und Opa im Transporter. Auf 600 km norwegischem Autobahn-Surrogat wird mir klar, wie schön das Land ist, in das wir jetzt gerade umziehen. Die Wohnung ist schön, der Vermieter hilfsbereit, wir gehen zu Fuß zum See und die Luft ist eisklar. Michel schläft auf meinem Rücken ein.
Ich seufze auf. Es wird schon gehen. Irgendwie. Und solange meine zwei Lieblingsmenschen da sind, wird es auch gut sein.
