Tag 1115 – Tjanun. (Back to the Bewerbungen.)

Heute war ein sehr weirder Tag, liebes Internet-Tagebuch, aber ich kann nicht zu viel davon schreiben, wegen Rechts-Dings. Aaaaaber ich schreibe dann eben doch besser wieder Bewerbungen, nämlich heute eine und am Wochenende kommen noch drei (weil die Fristen am Sonntag ablaufen) und dann noch mindestens zwei über linkedIn und eine bis zum 10.9. Ich hoffe ja sehr auf ein wenig Hilfe von… gewissen Leuten die nicht grad unschuldig dran sind, dass wir hier ein Haus gekauft haben, das jetzt nunmal abbezahlt werden will. Ich bin eigentlich nicht in der Stimmung, Bewerbungen zu schreiben, aber es hilft ja nix und vielleicht hilft es insofern doch, dass ich nicht alles drülfzig stunden lang zerdenke sondern einfach wegschicke, frisch, fromm, fröhlich, frei* frei von der Leber weg und wer mich so nicht will ist dumm, bumm**.

Außerdem ist der Kollege jetzt nicht mehr mein Kollege, weil sein Vertrag heute auslief und er am Sonntag zurück nach Italien fliegt. Es ist alles sehr traurig. Ich werde ihm noch ein Empfehlungsschreiben verfassen und ihn ordentlich belobhudeln, denn nichts anderes hat er verdient. Dafür designt er mir Visitenkarten <3. Und als letzte Amtshandlung sozusagen habe ich ihm heute geholfen, ein Einschreiben zu versenden Häschtäck ausgründen, und ehrlich gesagt kam ich mir recht mütterlich*** und schrecklich erwachsen dabei vor. Auch schon, als ich ihm erklärt habe, wie das mit den Steuern funktioniert, was ein Freibetrag ist und welche Freibeträge ihm zustehen, wie das mit dem Urlaubsgeld hier funktioniert und was ihm da zusteht und wann und überhaupt.

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Auto-Lobhudelei: Joa. Gar nicht ausgerastet, nicht laut gelacht, nicht geweint, mich nicht zu irgendwas definitivem hinreißen lassen sondern mantraartig wiederholt „Ich muss das erst überdenken.“

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*Ich hab gegoogelt ob das ein Nazi-Zitat ist. Weil ich ab und an mal Sprüche verwende, bei denen ich mir absolut nichts böses denke, und dann steht das an nem KZ oder auf den Halstüchern des BDM oder so. Sowas möchte ich nicht und bitte, bitte, machen Sie mich drauf aufmerksam, wenn Ihnen hier sowas auffällt. Der Spruch ist der Wahlspruch der Turner, vom Turnvater Jahn Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt aber eigentlich sogar noch älter, insofern könnte man argumentieren, dass, aber, nee, Jahn war jetzt auch nicht grad einer der tolerantesten seiner Zeit. Streichen wir auch diesen Spruch aus dem Sprachgebrauch.

**Auf der bunten Blumenwiese geht ein kleines Tier spazieren…

***Genau genommen wie meine Mutter, die sehr lange Vorträge über das Steuerwesen im Allgemeinen und das deutsche im Besonderen halten konnte und kann. Offenbar ist, obwohl ich das wirklich sterbenslangweilig finde, einiges hängen geblieben.

Tag 1114 – Neues aus Absurdistan.

Der Kollege übernachtet heute noch mal bei uns. Das hat folgenden Grund… (sitzen Sie? Ja?)… Die Firma hat die Miete für die Wohnung, in der er einquartiert war und für die ein Teil seines Gehalts einbehalten wurde, nicht bezahlt.

Ja, genau.

Ich wünschte ja, ich würde mir das ausdenken. Wirklich. Aber so kreativ bin ich nicht, wirklich, das alles ist so, so, SO absurd, das kann man sich echt nicht ausdenken.

Heute das Meeting dürfte auch ein Kapitel in unserem Buch füllen, auch wenn ich dieses Mal nicht so souverän war und mir vom Chipsmann ziemlich viele Unverschämtheiten habe gefallen lassen, bzw. vor lauter Unverschämtheit so perplex war, dass mir meine scharfsinnigen Antworten im Hals stecken blieben. Auf der Heimfahrt war ich jedenfalls ordentlich geladen. Da half es auch nicht, abends noch rumzutelefonieren, nochmal den *mieeeep* Report* zu überarbeiten und zu verschicken und überhaupt, wie UNVERSCHÄMT, Arrgh.

Nun ja. Das nächste Mal lasse ich solche Dinge nicht unkommentiert stehen, das habe ich mir fest vorgenommen. Für mich. Weil mir das wichtig ist, dass ich nicht nochmal aus einem Meeting gehe, in dem mich jemand von vorne bis hinten klein gemacht hat, mich dumm hat dastehen lassen und mir einfach zu verstehen gegeben hat, ich sei das dumme kleine Mädchen, das nur durch Glück mit den echten Männern spielen darf. Aber bestimmt** war das auch wieder nur alles ein Missverständnis***.

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*darüber fange ich lieber nicht an, mich wieder drüber aufzuregen. Sinnlose Veranstaltung von vorne bis hinten

**nicht

***wie alles, was erst irgendwie kommuniziert wird, dann aber doch nie so gesagt wurde und dann am Ende eigentlich immer schon so war, alles andere ist Fake News!

Tag 1113 – Nicht fertig aber fertig.

Der Report, den der Chef gestern in Auftrag gegeben hat, ist halb fertig aber verschickt, soll der Chef und dessen Chef ruhig wissen, dass die Aufgabe absurd, sinnlos UND in der Kürze der Zeit unmöglich zu schaffen war. Mein Kollege und ich haben jedenfalls in zwei Tagen mehr zustande bekommen als gewisse andere Personen in dieser Firma in zwei Jahren.

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Related: meine beste Freundin ist so schön normal und von Twitter unbeleckt. Da wird hemmungslos bissi und iwie geschrieben und Mädels und es ist iwie ein bissi wie früher, als wir noch Mädels waren und nicht durchaus erwachsene Frauen im Berufsleben und all that Jazz.

Tag 1112 – Witzisch.

Heute war ich auf einer Disputation. Eine meiner zwei Freundinnen hier in Oslo hat heute erfolgreich ihren PhD verteidigt und zur Verteidigung selbst habe ich es zwar nicht geschafft, aber immerhin zur Feier. Die wieder ganz anders war als alle, auf denen ich bisher war. Aber das ist Nebensache, ich habe nämlich was an mir beobachtet. Ich habe das Bedürfnis, meine berufliche Situation* gegenüber Fremden zu beschönigen. Erzähle, wie cool das Projekt ist**, aber nicht, wie absurd sich da alles entwickelt und dass ich wechselnd das Gefühl habe ich wäre in der Hölle oder bei Verstehen Sie Spaß. Und einerseits geht das ja auch keinen was an, andererseits kann es mir ja wirklich völlig wurscht sein, was irgendwelche Masterstudenten, die ich das erste und vermutlich auch letzte mal sehe, von mir halten. Aber zugeben, dass ich eine wirklich richtig schlechte berufliche Wahl getroffen habe, das… geht nur gegenüber wirklichen Freunden. Und selbst dann nur in lustig. Dabei ist es das wirklich leider nicht. Klassenclownsyndrom halt, schätze ich jedenfalls. Hmm. Ich muss darüber nachdenken, ob ich das gut oder schlecht finde.

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Auto-Lobhudelei: weiter durch Absurdistan navigiert.

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*die heute eine neue, ungeahnte Absurditätsstufe erreicht hat

**ist es ja auch, wird nur so nicht passieren

Tag 1111 – Schnaps! Schnaaahaps!

(Und bis zur nächsten Schnapszahl dauert es wieder über drei Jahre! Kinder, wie die Zeit vergeht!)

Bei der Arbeit läuft alles seinen gewohnt absurden Gang, außer dass der Kollege ob seiner nächste Woche anstehenden Prüfung immer nervöser und dadurch reizbarer wird. Das überträgt sich auch auf mich und ich bin eh vielleicht grad etwas reizbar, das ist keine so gute Kombi. Aber so ist es eben jetzt, wir haben uns bis zum Hals in Artikeln eingegraben, damit wir besser einschätzen können, ob es das wert wäre, den einen oder anderen Prozess eingehender zu untersuchen und morgen früh sollen wir das dem Chipsmann dann präsentieren. Ähäm. Okay. Der Chipsmann selbst versucht Loyalitäten auszuloten und wenn ich was nicht leiden kann, dann wenn man versucht, mich zu manipulieren, ich bin dagegen, wie Michel sagen würde, allergisch, denn ich kriege Kopfschmerzen von diesem vielen Gedenke und nicht-Aussprechen und Geheimnisse haben. Urgs. Schreckliche Situation.

Apropos Michel: der meint auch, er sei allergisch gegen Licht, weil er morgens schlechte Laune und manchmal Kopfschmerzen hat. Ich denke ja, das liegt am Schlafmangel, genau wie Dauergeheul am Nachmittag/Abend. Leider hab ich heute auch wieder unter Beweis gestellt, das meine Mutter-Skills nicht so auf der Höhe sind, weil ich das mit dem Schlafmangel und „es ist eigentlich auch schon wieder Bettzeit“ ausgesprochen habe (–> mehr Geheul) und mir dann bei Michels Aufzählung, wie lange er sparen muss um sich irgendein Objekt der Begierde zu kaufen, nämlich „UND WIE LANGE SOLL DAS DAUERN, HÄH? SIEBEN UND SIEBEN UND SIEBEN UND SIEBEN UND SIEBEN MAL? UND SIEBEN UND SIEBEN…“ ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte –> „MAMA LACHT ÜBER MICH!!! WÄÄÄHÄHÄHÄHÄHÄ!“.

Tjanun. Muss alles, wird alles werden, irgendwie. (Heute für mich keinen Schnaps, morgen klingelt der Wecker auch wieder früh.)

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Auto-Lobhudelei: Ich werd durch den Job noch sowas wie diplomatisch.

Tag 1110 – Putzebackeputzekoch.

Es meldet sich zum Dienst: die frustrierte Hausfrau. Ich hasse einfach Putzen. Ich liebe leider das Endergebnis und sehe auch sehr schnell Dreck und Unordnung, aber Putzen finde ich scheiße. Zumal ich wirklich aggressiv werde, wenn ich den ganzen Tag putze, nebenher backe, dann wieder putze und dann kommen die Kinder rein und fragen „was gibt’s zu essen“. Da platzt mir dann auch recht fix der Arsch, gegenüber den Kindern, die ihren Kram einfach überall im Haus verteilen*, und gegenüber Herrn Rabe, der draußen einen Zermürbungskrieg gegen den Löwenzahn im Rasen führt und der deshalb, schade, schade, leider nicht anpacken kann. Immerhin. Es ist jetzt sauber. Endlich. Und es hat auch nur einen echten Ausraster gebraucht.

Wir brauchen, wenn sich meine Jobsituation etwas stabilisiert, unbedingt wieder eine Putzhilfe, damit wir uns nicht gegenseitig wegen des Putzens zerfleischen.

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Auto-Lobhudelei: 1 Kuchen, 2 Brote, 18 Brötchen. Küche, 2 Bäder, unten komplett gesaugt.

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*und wenn’s nur das wäre, aber dann findet man plötzlich überall seltsame blaue Krümel, die sich bei Kontakt mit Wasser auflösen und großflächig verschmieren und keiner ist es gewesen. Argh!

Tag 1109 – Immerhin.

Immerhin haben wir heute: Michel neue Unterhosen gekauft, den Schnecken neue Erde, uns allen etwas zu Essen, keine Mikrowelle* aber dafür Herrn Rabe eine neue Speicherkarte. Immerhin habe ich heute die Kinder** nur mehrmals angeschrien und nichts schlimmeres. Immerhin habe ich beide Toiletten geputzt und tausend Teige angesetzt.

Mehr positives gibt’s über den Tag nicht zu sagen.

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*In einem anderen Land hätte ich längst einfach eine bestellt. Ich möchte einfach gerne eine Mikrowelle haben, und zwar keine zum Einbauen, weil die einfach das drei- bis fünffache von den normalen kosten. So, wie schwer kann das sein? Sehr schwer. Die einen können zu viel und sind deshalb zu teuer. Die anderen sind zu klein. Wieder andere zu groß. Hat jemand eine Empfehlung für eine Mikrowelle? Sie sollte auftauen können (und zwar ohne dass Teile schon gar sind, andere aber noch gefroren) und ansonsten warm machen. Ich werd da keine Kartoffeln oder ganze Hähnchen drin zubereiten, es ist eine Mikrowelle und wie haben auch einen Ofen.

** Pippi ist jetzt volle Möhre in der A-Phase. Und es ist schlimm. Sie hat heute allein drei mal mehr schreiend in Einkaufsladengängen gelegen, als Michel überhaupt bisher.

Tag 1108 – Feierabend.

Herr Rabe weilt auf dem Sommerfest seiner Firma, deshalb habe ich heute beide Kinder von ihren Einrichtungen abgeholt, mit Michel Hausaufgaben gemacht (weil er wollte, nicht weil er musste, er wollte wirklich unbedingt und naja, Bögen malen und Worte die mit S anfangen markieren, das kann man auch von den Hausaufgaben der nächsten Woche vorziehen. Überhaupt meckert Michel ein bisschen über den langsamen Lern- und Lehrfortschritt, das gibt sich hoffentlich noch.), habe gekocht und wir haben zusammen gegessen, dann habe ich beide Kinder ins Bett gebracht, die Küche aufgeräumt und dann stand ich vor der Entscheidung, direkt ins Bett zu gehen oder halt nicht. Nach der Woche wäre ersteres vermutlich klug, aber herrje, es ist Freitag und ich gucke jetzt einen Film, den Herr Rabe wohl eh eher nicht sehen wollen würde (The Hunger Games, ganz was erbauliches) und dabei esse ich Trauben-Nuss-Schoko, die Herr Rabe wegen der Trauben auch nicht mag und genieße, dass ich morgen nicht früh aufstehen muss. Ich hab auch echt genug von Tabellen und Artikeln und für jemanden, der nicht gern telefoniert, habe ich in den letzten Tagen sehr viele Menschen, die ich überhaupt nicht kenne, wegen echt wichtiger Dinge angerufen. Ja, ich bin echt gar. Aber ich brauch auch noch ein bisschen zum runterkommen.

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Auto-Lobhudelei: den Nachmittag mit den Kindern wirklich entspannt verbracht, sogar Michels Hausaufgaben-Übermut in konzentrierte Bahnen gelenkt.

Tag 1107 – Verantwortung.

Mein Kollege meinte neulich schon, wir sollten eine Sitcom aus der Firma machen. Ich wäre da sofort dabei und bin auch sicher, das würden sich Leute anschauen. Das ist alles nämlich dermaßen absurd da, das glaubt mir keiner. Heute zum Beispiel hatten wir ein Meeting mit der Geschäftsführung, das wieder ganz anders lief, als ich vermutet hatte. Ich dachte ehrlich gesagt, dass meine hübsche* Präsentation etwa das letzte ist, was ich für die Algen mache, weil die Geschäftsführung den Laden dichtmachen würde. Taten sie aber noch gar nicht, stattdessen soll ich jetzt die Präsentation nochmal schicken, zwei der Cases gründlicher und gewohnt kritisch** durchrechnen, dann schauen wir weiter, ob wir das weiter verfolgen, dann würde ich wohl doch nochmal einen Abstecher ins Labor machen, allerdings ein gemietetes und voll ausgestattetes, um zu gucken, ähhh*Betriebsgeheimnis*, dann schauen wir nochmal, ob sich der Prozess wirklich lohnen kann und dann würden wir wohl wirklich einen der beiden oder sogar beide Prozesse*** da hinstellen. Allerdings erst dann und nicht jetzt schon, weil, bei aller Liebe: der Plan einen 1,5 Kubikmeter fassenden Bioreaktor zu kaufen, wenn man noch gar nicht weiß, was man drin machen will und wozu, ist komplett hirnrissig und wird jetzt wohl sehr zum Missfallen des Chipsmanns auch auf Eis gelegt. Möglicherweise hat der Chipsmann dann gar keine Lust mehr mit uns zusammen zu arbeiten und ich kann nicht sagen, dass mich das übermäßig traurig stimmen würde.

Jedenfalls habe ich noch mindestens eine Woche lang einen Job, und (mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit, aber trotzdem!) würde immer mehr Verantwortung übernehmen können, für die eingeschlagene Richtung, für den Prozess und die Leute****. Und ich… freue mich drauf. Es ist schön, wenn einer zugehört wird. Wenn die Meinung was gilt und die Erfahrung. Und wenn sich die Arbeit, in die man ziemlich ungeplant***** geworfen wurde, auszahlt.

Leider wurde das Hochgefühl kurz getrübt, als ich den Zug ganz knapp verpasste und dann erst 5 Minuten nach 5 (also 5 Minuten zu spät) beim SFO war um Michel abzuholen. Da kam ich mir sehr verantwortungslos vor, kurz jedenfalls. Michel hat es aber ganz gut verkraftet, ich hatte ja auch direkt als der Zug ohne mich gefahren war angerufen und er wusste Bescheid. Trotzdem sollte das natürlich keine Gewohnheit werden.

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Auto-Lobhudelei: Dieses Meeting, ne? Ich war da schon echt gut. Und ich hab über mich gelernt, dass ich mir, wenn man mich mit unangenehmen Fragen in Verlegenheit bringt, in den Haaren und am Hals rumfummle und kann das beim nächsten Mal hoffentlich besser unterdrücken.

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*naja, was man halt so in drei Stunden zusammengekloppt bekommt

**die sind recht dankbar, nach langer Zeit mit sehr, sehr! optimistischen Produktivitäts- und Umsatzberechnungen mal eine Realistin da sitzen zu haben

***es ist kompliziert und nichts davon ist, was der Chipsmann eigentlich möchte. Aber was der Chipsmann möchte, wird sich niemals rechnen, so leid mit das tut

****Ich wurde auch endlich! mal gefragt, wieviele Leute denn so benötigt würden, um so eine Fabrik zu betreiben. Spoiler: ich allein kann’s nicht.

*****Ich bin eingestellt als Process Engineer, mir macht diese Rechnerei aber echt Spaß, sieht man davon ab, das die vor einem Jahr hätte passieren müssen

Tag 1106 – Balance.

Heute morgen im Auto dachte ich darüber nach, dass ich, dafür dass nun wirklich grad alles nicht so wirklich einfach ist, einigermaßen ausgeglichen bin. Und woran das denn liegen könnte. Da spielen ja sicher viele Faktoren eine Rolle, zum Beispiel habe ich eine tolle Familie und jeden Morgen freue ich mich, wenn Pippi von hinten „Singe lauter!“ verlangt, damit ich die Musik lauter mache*, und dann „Mama også sing!“, damit ich mitsinge. Neulich habe ich Podcast gehört, da kam dann ein sehr enttäuschtes „Singt gar nix!“, das war wirklich sehr sehr niedlich. Also, ja, Familie toll, Haus schön, es ist eigentlich *nur* die Arbeit (und die Fahrerei nervt auch), die schlimm ist. Aber ich kenne mich ja, Sie kennen mich ja jetzt auch schon länger, das ist bei mir nicht *nur* so ein Nebenaspekt. Ich arbeite an sich gern, ich ziehe viel Bestätigung da raus und, ja, hab wohl auch gewisse Tendenzen es mit der Arbeit sowohl quantitativ als auch beim Faktor „Impact auf Restleben“ zu übertreiben. Gemessen daran müsste es mir also vermutlich echt schlecht gehen. Nicht nur so ein bisschen miese Laune am Morgen und allgemeine Müdigkeit am Nachmittag. Eher so kaputt. Aber das tut es nicht. Vielleicht ist mein Akku vom letzten halben Jahr noch gut geladen**. Aber ich glaube es kaum.

Ich glaube, es liegt daran, dass ich ziemlich genau seit ich den Job angefangen habe, wieder eine Pille nehme. Ja, hormonelle Verhütung, schlimmschlimm und eigentlich wollte ich das auch nie mehr. Aber dann kam nach Pippis Geburt das PMS aus der Hölle, das statt besser immer schlimmer wurde. Wirklich schlimm. So schlimm, dass ich an PMS-Tagen davon überzeugt war, depressiv zu sein und zwar nicht nur ein bisschen sondern schwer. Ja, inklusive Gedanken wie „Ohne mich wären hier alle besser dran“. So, liebe Leute, sollte keine Frau bloß wegen ein paar Hormonen Monat für Monat fühlen müssen. Aber was tun? Alle empfahlen mir eine Hormonspirale, aus diversen Gründen. Aber hier kostet das ein Schweinegeld und ich hatte im letzten Jahr von dem Verhütungsring, den ich vor den Kindern lange beschwerdefrei*** hatte, richtig ätzende Nebenwirkungen, das wollte ich nicht riskieren, da für 500 € ein Dings einsetzen zu lassen und das nach 2 Wochen zu bereuen. Also dachte ich mir einen Plan aus: wenn ich eine (Mikro-)Pille nähme, die den gleichen Wirkstoff hat, wie die Hormonspiralen, die es so auf dem Markt gibt, dann ist der höher dosiert als die Spirale am Tag abgibt. Außerdem wirkt die Spirale nicht so stark systemisch wie eine Pille. Würde ich also erträgliche Nebenwirkungen von der Pille bekommen, müssten die ja eher weniger werden bei einer Spirale. Aber eben: erträgliche Nebenwirkungen.

So fädelte ich das dann auch ein, blöd war nur dass es so eine Pille hier nicht gibt. Schlussendlich bestellte ich durch einen ganz komplizierten Prozess eine Pille aus Deutschland, ärgerte mich acht Wochen lang mit der davon völlig überforderten Apotheke herum und jetzt bin ich eben wieder druff. Und es geht mir sehr gut. Bei mir wirken solche Präparate offenbar gefühlsdämpfend, fast wie Antidrepessiva. Das kann ich grad recht gut gebrauchen, um ehrlich zu sein, und Hauptsache, das PMS bleibt weit, weit weg. Ich danke also für meine überraschende Ausgeglichenheit den Firmen B**** und J********, denke ich.

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Auto-Lobhudelei: seit 15 Tagen immer um 22 Uhr diese Pille eingeworfen.

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*Genre egal, aber „Mama, ich kan også sing: Lulululu BAH, BAH!****“ ist einfach Hachz hoch 10.

**hahahahaha. Das war emotional ein ziemlicher Ritt.

***auch da war ich ein wenig emotional gedämpft, hab’s aber erst im Nachhinein bemerkt.

****Der Opener vom Album „This is all yours“ von Alt-J.