Tag 659 – Hausaufgaben. 

Michel kam heute nach Hause und verkündete mit ernster Miene, er müsse dringend was aufschreiben. Etwas wirklich wichtiges. Er brauche das morgen im Kindergarten. Es sei wirklich, wirklich ganz wichtig. Er holte sich einen Zettel und einen Stift. Und dann sagte er noch „Aber dann muss jemand mir helfen beim Schreiben.“ und setzte seinen Hundeblick auf, dem sich, so glaube ich, niemand entziehen kann. Also setzten wir uns hin und er sagte: „Erstmal müssen wir zeichnen!“. und hielt mir den Stift hin. Ich sagte, was ich dann immer sage: „Wenn du zeichnen willst, dann zeichne, aber ich möchte jetzt nicht für Dich zeichnen.“ Er verneinte, wir müssten zeichnen schreiben. Schreiben müssten wir. Also zeichnen. So ging das eine Weile hin und her, bis sich irgendwann das Misverständnis aufklärte: er wollte, dass ich „Zeichnen“ auf den Zettel schreibe. Während ich das tat, fragte ich Michel, warum er das denn so dringend brauche? Für den Vierjährigen-Club, antwortete er. Es ist nämlich so, dass Michel, weil er angepisst war, dass er noch nicht zur Vorschulgruppe gehört, einen Vierjährigen-Club im Kindergarten gegründet hat. Der Club hat drei Mitglieder. Und für den Vierjährigen-Club wollte er also „Zeichnen“ aufgeschrieben haben. Und dann nochmal in kleinen Buchstaben. Und dann „Spielen“. Dann „Schreiben lernen“. Mir dämmerte langsam, was er da vorhatte. Und ja: „Danach lernen wir, still zu sein“ und „Zählen“. Michel diktierte mir das Manifest* seines Vierjährigen-Clubs. Als es fertig war, faltete er es sehr sehr ordentlich zusammen und packte es direkt in seinen Kindergarten-Rucksack. 

Ich hab es heimlich noch mal ausgepackt und fotografiert. (Michel, der kleine Trønder, sagte übrigens „Lær‘ oss å skriv'“ und „Lær‘ oss å vær‘ stille“


(Es folgte eine Unterhaltung über Sonnencreme, bei der ich nicht nur einmal an Frau Brüllen denken musste und bei der ich dann am Ende, als Michel Angst hatte, seine „Brakteriannj“** könnten, wenn er sich nicht eincremt, durch die Sonne schaden nehmen*** dann leider nicht mehr ernst bleiben konnte und etwas lachen musste. Der ist so unglaublich putzig manchmal. Und schlau! Und putzig.)

*Falls er den Stoff so durchzieht, wird er jedenfalls zum Schulbeginn nicht überfordert sein.

**Wortneuschöpfung a la Michel: B(r)akterien, mit Trønder-Endung bestimmter Plural von allem: -an, gesprochen -annj mit sehr weichem j

***wo er ja ganz und gar nicht unrecht hat. Bakterien können genauso UV-Schäden an ihrer DNA bekommen, nur kriegen Bakterien halt keinen Krebs, sondern sterben halt direkt. 

Tag 658 – Kurze Pause. 

Ich liege schon im Bett. Fünf Stunden Schlaf waren nicht genug und der Tag war dank Fitness (oh, wie glücklich es mich macht! Oh, welche Schmerzen ich morgen haben werde!) und Schwimmkursbegleitung doch recht anstrengend. Außerdem hab ich direkt nach dem Abschluss des einen Zellkulturversuchs den nächsten angesetzt, muss den aber morgen früh um acht Uhr starten – also um viertel vor acht da sein. Und weil mein Kopf leer ist und meine Muskeln müde sind, hab ich mich also trotz strahlenden Sonnenscheins einfach schon mal hingelegt, werde jetzt noch die letzte Folge der dritten Staffel House of Cards gucken und mir dabei Nagelpflege angedeihen lassen und dann werde ich hoffentlich einfach schlafen. 

(Ich erinnere mich etwas wehmütig an den Sommer 2014, als es so warm war, dass ich abends noch stundenlang auf der Terasse saß und las und in der ewig langen Dämmerung die Zeit vergaß. Jetzt ist es zwar sonnig, aber kalt und die Terasse haben wir auch nicht mehr.)

Tag 657 – Sowas wie Sommer, nur in kalt.

Komischer, zerhackter Tag. Wegen Meeting und Friseurbesuch (ja, letzteres ist quasi die Definition eines Luxusproblems, aber es war wirklich nötig und Selfcare ist ja auch so wichtig und so, nä?) musste ich einen Versuch so planen, dass ich gleich, um zwanzig nach elf, nochmal Proben nehmen muss. Danach werde ich wie ein Stein ins Bett plumpsen und morgen dann wieder früh aufstehen, weil, ach, ich weiß es doch auch nicht so recht. Weil man das halt so macht.

Der Friseurbesuch war einerseits natürlich schön, weil Friseurbesuch und außerdem ist mein Friseur so nett, aber andererseits war er auch sehr teuer und er hat wegen „ich möchte eigentlich diese Frisur hier, dafür muss ich wohl noch ein bisschen wachsen lassen, oder?“ Nur wenig geschnitten. Eigentlich nur den Nacken und den Rest etwas ausgedünnt, damit es weniger nach Helm aussieht… (Ich muss immer ein bisschen lachen, wenn ich in die vielen, voluminösen Haare greife und drüber nörgle, dass die so schnell wachsen. Fast 20 Jahre lang waren sie lang und platt und wuchsen gefühlte 0,3 mm im Jahr.) Naja, jedenfalls hat das bisschen Geschnippel natürlich trotzdem einen Batzen Geld gekostet. Deshalb war der Friseurbesuch im Großen und Ganzen halt nur so mittel, weil teuer und so ganz fertig ist die Frisur halt auch noch nicht. 

Auch das Wetter ist bestenfalls komisch, es ist zwar sonnig und auf der Dachterasse bei der Arbeit wird man schon wieder fast gekocht, aber im Schatten ist es saukalt. Also, zumindest wenn man – weil es in der Sonne ja so warm ist – im T-Shirt rausgeht, dann sind 14 Grad halt auch keine 25. Und nein, Ihre 35 Grad, die Sie in Deutschland grade alle haben, will ich auch nicht geschenkt, aber so ein Mittelding, das wär doch für uns alle irgendwie fein.

Dafür aber sehr schön mit der Masterstudentin produktiv vor mich hingearbeitet und nett unterhalten. Dann mitgekriegt, wie mein einer Kollege, dessen Frau grad nach einer OP den Fuß eingegipst hat, wegen diesem ganzen Vereinbarkeitsdings ordentlich ins Strudeln geriet, nachdem er irgendwelches Zeug falsch zusammengekippt hatte und eigentlich von vorne hätte anfangen müssen, dafür aber wegen der KiTa-Öffnungszeiten die Zeit fehlte. Und ja, ich freute mich ein bisschen darüber, immerhin bin ich nicht die einzige der sowas passiert, Hurra.

Apropos Vereinbarkeit: Am 15. haben Herr Rabe und ich eine astreine Doppelbelegung mit Terminen ohne Kinder. Herr Rabe hat erst Hackathon und dann Sommerfest, ich habe erst Mini-Konferenz und dann Dinner mit denn anderen Konferenzteilnehmern. Michel würden wir ja noch irgendwie für den späten Nachmittag loswerden, aber was machen wir mit Pippi? Im Moment spiele ich mit dem Gedanken, sie irgendwie von der KiTa abzuholen und dann zu den letzten Vorträgen einfach mitzunehmen. Auch um den Verantwortlichen zu zeigen, dass es eine eher rücksichtslose Idee ist, so eine Konferenz auf die hauptsächlich hier ansässige Leute (die zu 80% auch Kinder haben) kommen, bis 17:15 Uhr anzusetzen. Ach ja: unsere Babysitterin hat gekündigt, eine neue wurde uns von der Agentur vorgestellt, die ist aber bis Ende Juni im Urlaub, das ist also keine echte Option. 

Und jetzt: ab ins Labor!

Tag 656 – Selbermachtag. 

Endlich kann ich Ihnen die neu genähten Sachen zeigen! Und damit es sich auch lohnt, hab ich heute noch schnell ein zweites Sommerkleid genäht und ein Brot gebacken. 

Fangen wir mit dem Brot an. Ich hatte ja letzte Woche den Plan gemacht, das Sauerteigtütenrezept nochmal mit einer größeren Menge Sauerteig auszuprobieren. Das war eine sehr gute Idee, denn heraus kam ein optisch ansprechendes, außen knuspriges, innen fluffiges Brot, das vor allem sehr lecker schmeckt. Yeah! Hier also das Rezept:

  • 300 g Roggenvollkornsauerteig (145 g grobes Roggenvollkornmehl, 145 g Wasser, 15 g Roggenanstellgut*, ca. 16 h gereift bei Raumtemperatur)
  • 130 g feines Weizenvollkornmehl
  • 600 g Weizenmehl
  • 380-400 g Wasser
  • 10 g Hefe
  • 1,5 Esslöffel Olivenöl
  • 2,5 Teelöffel Salz
  • 1 großzügigen Löffel Honig

Das alles ca. 10 Minuten in der Knetmaschine zu einem recht weichen Teig kneten, die letzten 50 mL Wasser nach Gusto, Knetfertigkeiten und verwendetem Vollkornmehl schlückchenweise zugeben. Teigruhe abgedeckt 1 h bei Raumtemperatur. Dann wirken und formen, in Weizenvollkornmehl wälzen und mit dem Schluss nach oben 1 h zur Gare stellen**. Auf einen Schieber stürzen, Einschneiden (nicht so tief, wie ich das gemacht habe!) und mit reichlich Dampf im gut vorgeheizten Backofen bei 270 Grad 15 Minuten anbacken. Schwaden gut ablassen und 45 Minuten weiterbacken (bei, hmm, 180 Grad, es sei denn, Sie haben auch einen Lavaton Backstein). Fertig. 

Yeah, Bildunterschriften gehen wieder. Hier also das Brot. Ich hab es zu tief eingeschnitten, das ist mir auch schon länger nicht passiert. Also so 2 cm müssten eigentlich reichen!

Omnomnomnom!

 

Soviel zum Backen, jetzt zum Nähen. Neulich hatte ich schon mal ein Ella von pattydoo mal als Shirt genäht, zum Ausprobieren. Daraufhin hab ich das Schnittmuster dann doch noch mal enger gemacht und die etwas komischen Schulterwubbels verschwinden auch, wenn man Vorder- und Rückenteil aus irgendeinem nicht ganz nachzuvollziehenden Grund falsch zusammennäht *hust*.

Könnte man mal bügeln.


Heute kam dann das echte Kleid dran. Wie gesagt, irgendwas lief schief, deshalb ist das Oberteil nicht so ganz wie geplant, aber trotzdem hübsch. Die Ärmel, die ich ja eigentlich auch dreiviertellang machen wollte, aber dann nicht genug Stoff hatte, ließ ich letztlich „einfach“ ganz weg (die Gänsefüßchen, weil mir das viele viele Flüche beschert hat und mit einer Seite bin ich eigentlich auch noch nicht ganz zufrieden). 

Ich mag die Farbe (dunkles Petrol) und den Rock. Viskosejersey ist zwar ne Pest beim Zuschneiden, aber fällt einfach unheimlich schön.



Und dann hatte ich ja letztens auch noch aus dem vermutlich verfluchten Stoff, der aus Gründen für Ella nicht gereicht hätte, ein Lucille-Kleid gemacht. Da hab ich mal Blindsäume ausprobiert – ein Experiment, das ich eher nicht zu wiederholen gedenke. 

Ich mag ja Komplementärfarben.


Jetzt muss halt nur noch Sommer werden. 

*es geht sicher auch ein anderes Anstellgut. Zum Beispiel eins aus der Tüte ;)

**Ich stell es meist erst 30 Minuten bei ca. 40 Grad in den Ofen und dann während der Ofen vorheizt halt in der Küche. 

Tag 655 – Fetzen. 

Zusammenhängendes ist heute nicht mehr drin. Stattdessen ein paar zusammenhangslose Stichpunkte. 

  • Die Schnecken haben Frühlingsgefühle. Ich befürchte, dass wir demnächst Eier finden könnten. (Nein, ich mache keine Zucht auf und ich will auch nicht 200 Schnecken haben. Die Eier werden also eingefroren.)
  • Die Schnecken sitzen jetzt außerdem auf im Backofen hoffentlich sterilisierter Erde. Ich bin nämlich jetzt sicher, dass der Sack Blumenerde mit Erdmückeneiern verseucht ist nach ca. 2 Wochen sieht man dann Larven, nach noch mal ein paar Tagen die Mücken. Blärgs. 
  • Wir haben gestern ein Waffeleisen gekauft und waffeln seitdem so vor uns hin. Morgen gibts die Brüllen’schen Hefewaffeln und ich bin auch nur ein klitzekleines bisschen panisch, dass sich der Teig heute Nacht aus der Schüssel davonmacht.
  • Ich habe zwei neue Dinge genäht – ein Kleid und ein Shirt – aber bin noch nicht dazu gekommen, vernünftige Fotos davon zu machen. Das Shirt war ne Probe für ein weiteres Kleid, das aus Gründen* jetzt doch kurze Ärmel bekommen wird. Oder gar keine, da bin ich noch unentschlossen. 
  • Heute gearbeitet. Ich muss noch eine E-Mail an alle@Labor schicken, weil irgendeine Wurst wirklich dummen Mist gemacht hat, den ich heute korrigieren „durfte“. Was man ja mit Freude macht, am Wochenende, während man auch mit der Familie Waffeln backen könnte. 
  • Ich habe keine Lust mehr auf diese letzten Versuche, die doch nie die letzten sind. Es macht keinen Spaß mehr. Obwohl jetzt die Ergebnisse passen. Ein Zeichen für mich, dass es reicht, ich aufschreiben und meine Sachen packen sollte. 
  • Pippi braucht im Moment immer wahnsinnig relativ lange zum Einschlafen. Außer heute. Da machte sie nämlich keinen Mittagsschlaf (ergab sich so) und war dafür um halb sieben so müde, dass sie wirklich um ein Haar beim Essen eingeschlafen wäre. Beim Wickeln schlief sie dann im Badezimmer auf dem Fußboden einfach ein und wachte nicht mal auf, als ich sie umzog und ins Bett verfrachtete. Wahrscheinlich hätte ich ihr sogar im Schlaf die Zähne putzen können, so fertig, wie sie war. 
  • Michel und sein bester Kumpel haben sich in letzter Zeit öfter mal ein bisschen in den Haaren. Meistens führen sie dann so Gespräche wie „DU bestimmst hier nicht ALLES!“ – „Nein, DU bestimmst hier nicht ALLES!“. So geht das, wenn’s gut läuft, eine Weile hin und her, bis sie sich darauf geeinigt haben, wer jetzt gerade ausnahmsweise bestimmt. Wenn’s schlecht läuft, heult hinterher einer oder beide. Und da zeigt sich der komplett andere Charakter: Michels Kumpel ist eher aufbrausend, beruhigt sich aber schnell und verträgt sich auch schnell wieder. Aber nicht mit Michel, der ist dann nämlich einerseits stur und andererseits sehr nachtragend. Die schlechten Eigenschaften von Mama und Papa kombiniert, was für ein schönes Beispiel für Vererbung! 
  • Weiterhin müde, aber auf eine okaye Art. (Jetzt trotzdem schnell Licht aus!)

    * Schon blöd, wenn man einfachste Rechenoperationen vergeigt und bei einem Stoffbedarf von 1 m + 1,20 m der Verkäuferin völlig überzeugt sagt „Machen se mal 1,50 m draus, dann hab ich in jedem Fall genug!“. 

    Tag 654 – Ach, Hasi.

    Du hast um einen Aufsatz gebeten. Das hier ist keiner, weil ein Aufsatz bestimmt irgendwelche formellen Kriterien einhalten muss, die zu recherchieren ich jetzt viel zu faul bin. Aber eine Begründung, die kann ich Dir liefern. Eine Begründung, weshalb ich mich an dem Crowdfunding für deine Mietkaution beteiligt habe. 

    Die Gründe dafür sind total simpel. Wirklich. 

    Weil ich dich gern hab. 

    Weil ich weiß, wie kacke Geldnot ist. 

    Weil ich weiß (wenn auch nur indirekt), was Alleinerziehende leisten. Müssen. Ob sie wollen oder nicht. 

    Weil ich finde, dass keine*r in einer solchen Situation, wie du sie gerade erlebst, alleine dastehen sollte.

    Weil das alles, was du gerade erlebst, halt auch einfach wahnsinnig unfair vom Universum und einzelnen Personen darin ist. 

    Weil ich hoffe, dass dir damit eine von vielen Lasten von den Schultern genommen werden kann. 

    Weil ich so gerne viel mehr helfen würde, mehr tun würde. Praktische Dinge. Anpack-Dinge (ich kann voll gut Renovieren! Und ich mache das sogar ausgesprochen gern!). Aber ich zu weit weg bin. 

    Weil ich möchte, dass du lachst. (Oder weinst, aber nicht aus Erschöpfung oder Leere oder Wundsein heraus.)

    Weil ich finde, dass du wahnsinnig stark bist und möchte, dass du das auch selbst (wieder) wahrnehmen kannst. 

    Weil du meine Freundin bist. 

    Deshalb halt. 

    Ganz einfach. 

    Tag 653 – Schubidudei. 

    Heute frei, morgen frei, Samstag ein bisschen arbeiten (aber, hey, vermutlich alleine, also woohoo!), Sonntag frei. Heute viele Menschen gelesen, die sich auf uns freuen und mich auch ganz doll gefreut. Mit einer Freundin telefoniert. Mitgefiebert, ob wir es gemeinsam schaffen, einer Freundin aus einer schwierigen Situation zu helfen (Ja! Jaaaaaa!). Pippi über eine Stunde lang ins Bett gebracht, ohne auszurasten. Michel die Fingernägel lackiert, weil er auf einen Geburtstag eingeladen war und schick sein wollte. Pancakes gefrühstückt. Ein bisschen genäht, und auch da trotz Widrigkeiten* tiefenentspannt geblieben. 

    Doch, ist schon ok alles grad. 

    *dieser Stoff ist verflucht oder so: fürs eine Kleid reichte er gar nicht, fürs andere dachte ich, müsste er reichen, aber dann fehlten eigentlich ca. 2 cm in der Breite unten am Saum. War mir dann egal, dann ist das Kleid eben 2 cm schmaler, aber auch so blieb wieder fast nix vom Stoff übrig. Und kriegte gerade noch so kurze Ärmel raus. Dann stellte ich fest, dass der eine Ärmel Mini-Löcher hat, weil das ein Reststück war und die da immer das Preisschild drantackern. Also hab ich da ganz dünne Stretch-Vlieseline drubtergebügelt, damit das nicht weiter aufgeht. Und dann hab ich den Ärmel falschrum (also links auf rechts) an das Klein genäht und musste alles wieder auftrennen. Wahrscheinlich wird das fertige Kleid am Ende einfach in Flammen aufgehen oder in der Waschmaschine gefressen oder so. 

    Tag 652 – Nach müde kommt bescheuert.

    Und deshalb habe ich heute eben einen Ausflug gebucht. Einen klitzekleinen Kurztrip, genau vor unserem Kurztrip nach Bergen. Nach Frankfurt. Da müssen wir nämlich bei Little B hoffentlich ein Fahrrad und auf jeden Fall ein Kindertauchset (ohhhh, Michel wird ausrasten!) abholen, das ließ sich leider gar nicht anders regeln, als es persönlich abzuholen. Schlimm ist das. Ich werde also mit den Kindern (alleine, der Herr Rabe muss noch arbeiten und den Kurztrip nach Bergen vorbereiten) ein paar Tage in der hessischen Landeshauptstadt sein und Leute aus dem Internet (Ich winke mal eben zu Halbe Sachen und Frau Hasenherz) treffen. Und vielleicht sogar Leute von früher treffen, die jetzt alle (naja. Viele) in Frankfurt zu leben scheinen. (Wie weit ist es eigentlich von da nach Marburg?)

    Das wird so super!

    Da arbeite ich jetzt die nächsten 7 Wochen drauf hin. 

    (Meine Güte, wozu dieses Internet so alles gut ist, das hätte ich mir vor 652 Tagen auch noch nicht träumen lassen. Und direkt drauf dann Frau Brüllen treffen. Es ist schon alles etwas irre, aber sehr, sehr gut. Wunderbar!)

    Tag 650 – Grenzen. 

    Im Moment großes Thema: mein eigentliches PhD-Projekt. Es ist zum heulen. Ich messe mir seit über einer Woche an dem Ding nen Wolf, ohne nennenswerte Ergebnisse. Und wenn ich die dann kommuniziere, also die Nicht-Ergebnisse, sind alle total aus dem Häuschen und brummen mir weitere zehntausend Experimente auf. Und ja, sie brummen auf, sie schlagen nicht vor oder bitten darum, es geht so „Das ist ja alles sehr vielversprechend, da mach mal noch dies und das und jenes und Check das und achte auf das und dann kommen wir sicher schon ein Stück weiter.“. Das ist sicher auch zum Teil der Norwegischen Kommunikation geschuldet, da wird ja auf sämtliche Höflichkeitsfloskeln verzichtet. Das zweite Problem ist, dass ich einfach nie was sage*, sondern mit hängendem Kopf ins Labor zurückgehe und noch drölfzig Messungen mache, bis meine Frustrationstoleranz in Scherben am Boden   liegt und ich abends beim Erzählen von „wie war dein Tag?“ in Tränen ausbreche. Weil ich verdammt noch mal keine Zeit habe für so einen Scheiß. Ich habe keine Zeit mehr, tagelang nichts anderes zu machen, als Dinge in sechtausend verschiedenen Puffern (darfs noch ein millimolarchen mehr Salz sein? Wir haben hier ja auch noch dieses allerfeinste Kaliumchlorid?) zu verdünnen und dann Kapillaren reinzustecken und die in meinem kleinen Maschinchen mit einer LED beleuchten zu lassen. Und – ohne Witz – bei 29 von 30 Messungen kam *nichts* raus. Das ist, bei aller Liebe, nicht vielversprechend, sondern großer Scheiß. Und vor allem ist das Scheiß, für den ich, ich erwähnte es bereits, keine Zeit habe. Ich sollte in meinem Büro sitzen und meine Dissertation schreiben. Ich sitze im Labor und komme nicht mal zum Essen. 

    Jedenfalls, dieses Verfügen über meine Zeit überschreitet meine Grenzen. Ich hasse das Wort ‚Fremdbestimmung‘ wirklich, weil es so krass inflationär gebraucht wird und ja auch außerdem das neue ‚böse‘ ist. Aber das ist eine Form der Fremdbestimmung, bei der es einfach jetzt reicht. Ich will das so nicht mehr und muss das den beteiligten Personen sagen, bevor mir im Meeting beim nächsten Mal der Arsch platzt, und ich wirklich wütend werde, wenn irgendwer das Wort ‚vielversprechend‘ im Zusammenhang mit meinen Daten verwendet. 

    Da steht ein Gespräch mit dem Chef an. Das machen wir morgen früh direkt. Haha. Grenze zwei: früh aufstehen, erst stehen die Kinder gar nicht auf, dann hab ich zwei Nörgelkinder am Bein, Herr Rabe duscht erst mal 10 Minuten, die Uhr, sie tickt, keine Zeit, Kinder nörgeln, ahhh. Je.den. Mor.gen. Da muss eine andere Routine her. Ich weiß aber noch nicht, welche. Im Moment komme ich jedenfalls jeden Morgen zu spät und bin eigentlich schon reif für Schnaps, wenn die Kinder endlich in der KiTa sind. Meine Lieblingskollegin schlug heute vor, Geld fürs Snoozen zu bezahlen. 1 x Snooze, 10 Kronen. Vielleicht mache ich das. Ich bin so simpel, Gelddruck zieht bei mir immer. Hilft nur nicht gegen die nörgeligen, trödelnden Spätaufsteherkinder. 

    Dritte Grenze: Pippi ins Bett bringen. Weil es einfach ewig dauert, bis sie schläft. Weil sie mich (unabsichtlich) dabei haut und tritt. Weil sie nochmal was essen will, trinken, ja, alles kein Problem, wenn du dann schläfst, liebes Kind, ach, tust du nicht, du hampelst noch rum und reißt dir am Ohr und an den Haaren und dann singst du und schau mal Schatz, ich bin hundemüde und hab noch so viel zu tun, ich kann einfach nicht mehr, ich will hier nicht den ganzen Abend sitzen und dir dabei zuschauen wie DU DICH SELBST VOM SCHLAFEN ABHÄLTST. Und morgen bist du dann wieder müde und magst nicht aufstehen. JETZT SCHLAF ENDLICH, VERDAMMT NOCH MAL! 

    Und dann knallen mir irgendwann die Sicherungen durch und dann fliegen Türen oder Kissen und es fließen Tränen und das ist schon alles nur meiner gut trainierten Selbstbeherrschung zu verdanken, früher** gingen in solchen Situationen Dinge kaputt. 

    Da muss also auch noch was passieren. 

    Morgen. Oder Übermorgen. 

    *was ich sagen will: „Das ist nicht vielversprechend, habt ihr mir zugehört? Das ist gar nichts, nicht signifikant, nichts! Hört auf in dieses Scheißprotein irgendeinen Kack reinzuinterpretieren, der da nicht ist! Und vor allem lasst mich da raus!“

    **vor den Kindern, das letzte Mal war’s eine Schranktür in der Schwangerschaft mit Michel.