Tag 3219 – Check.

Inspektion überstanden. War verhältnismäßig ok, spannend, aber kann (im Sinne von darf) nichts dazu erzählen. Aber ist erledigt jetzt, Check, nächste Aufgabe. Montag geht’s zu einem Kurs in die Schweiz.

Danach wie üblich ziemlich Pudding, und (wetterbedingt? Es war ziemlich eklig draußen, so als würde es jeden Moment regnen, aber es kam nichts. Der Nieser, der nicht rauskommt, in Wetterform) leicht migränig. Einkaufen vorm Feiertag, ein bisschen eine darüber einigermaßen schockierte Schlange (Monty) „bekuscheln“ (auf meinen Armen rumliegen und -kriechen lassen) und mich an der tatsächlich immens beruhigenden Wirkung dessen erfreuen. Dann die ihrerseits darüber sicher beruhigte Schlange zurücksetzen und das zweite Kind ins Bett bringen. Meine beiden Kinder sind sehr niedlich, wenn sie schlafen, ich habe das heute noch mal verifiziert. Da sehen die gar nicht aus wie 8 und 11.

Jetzt muss ich aber auch schlafen. Vielleicht auch niedlich, das wage ich aber nicht zu behaupten.

Tag 3207 und 3208 – Mädchenkram.

Gestern war ich mit Pippi alleine, weil Herr Rabe auf einer Beerdigung war und Michel bei seinem Kumpel übernachtet. Wir hatten also „Mädchenabend“ und was macht man da?

1. Shoppen – wir waren beim Optiker, einen Termin ausmachen, damit ich getönte Gläser ausprobieren kann und dann bei Lindex, wo ich ein Paket mit diverser Business-tauglicher Kleidung hinbestellt habe.

2. Beauty – danach waren wir Haare schneiden. Spontan beim Flughafen beim Drop-In-Friseur – es muss ja auch Vorteile haben, wenn man 10 Zugminuten vom Flughafen entfernt wohnt. Ich hatte einen Haarschnitt dringend nötig, Pippi aber eigentlich noch viel mehr, die hat das letzte mal irgendwann in der Pandemie die Haare geschnitten bekommen und da sie meine Haarstruktur geerbt hat, waren die Spitzen wirklich sehr fransig und splissig. Der Friseur spricht nur Englisch, aber das ist für eine Weltgewandte Achtjährige, die ständig YouTube Kids guckt, ja gar kein Problem. Sie hat total problemlos mit dem Friseur gesprochen und seine Aussprache korrigiert, so lieb, dieses Kind. Sie hat allerdings auch nicht aufgehört, zu labern. Während ihres Haarschnittes und während meines auch nicht. Während meines rollte sie aber noch auf einem Sattelstuhl kreuz und quer durch den Salon. Wie viel Energie kann ein Kind haben?

Da sitzt Pippi auf einem Kissen, aber sie ist tatsächlich auch einfach sehr groß geworden.

3. Schick essen gehen – Der Flughafen hat ja auch eine Reihe Restaurants, Pippi wählte das, wo es Sushi gibt. Für mich gab es Ramen mit Pilzen und Tofu (und Gemüse und so weiter). Das war sehr lecker, aber Pippi laberte mir dabei konstant ein Schnitzel an die Backe (außer wenn sie sang. Dann nicht, aber dann sang sie halt). Dieses Kind ist ja sehr süß, aber auch ein nie endender Quell von Geräusch und Bewegung. Jetzt ist so ein Flughafen ja auch nicht der ruhigste Ort, in Kombination war das alles etwas anstrengend für mich. Ich kam auch viel zu spät darauf, dass ich ja meine anti-nerv-Ohrstöpsel dabei hatte. Pippi war jedenfalls höchst zufrieden mit ihrem Haarschnitt und ihrem Sushi und generell dem Tag und so fuhren wir nach Hause. Es gab noch einen Zwischenfall, weil Madame so lange auf dem Klo brauchte, dass wir den Zug verpassten, aber Schwamm drüber.

4. Noch mehr Beauty – Wegen heutigem Tanzauftritt hatte ich Pippi versprochen, dass ich ihr die Fingernägel rosa lackiere. Sie hatte das selbst versucht, aber nicht gut hinbekommen, keinen Überlack genommen und dann zu früh draufgetatscht. Als ich ihr die Fingernägel lackierte hielt sie tatsächlich durch zwei Schichten Lack plus Überlack still! Das Ergebnis war auch wirklich hübsch, ein hellrosa Ballettmädchen-Traum. Der Nagellack muss mal in einem Adventskalender gewesen sein, so eine Farbe würde ich mir nicht selbst kaufen. Ich habe ihn jetzt offiziell an Pippi abgetreten.

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Heute dann großer Auftritt für zwei Raben, grob geschätzt ca. 200 weitere Mädchen und Frauen und exakt einen Jungen. Es ist traurig, wie wenig anziehend Tanz auf Jungs wirkt. Normalerweise sind wenigstens noch ein paar HipHop-Jungs dabei, aber die sind wohl auf irgendeinem Wettbewerb grad. Trotzdem eine Schande, selbst wenn es sonst 3 Jungs auf 200 Mädchen sind.

Der Auftritt lief ganz ok für mich, ich habe leider nur ein Foto wo sonst niemand erkennbar drauf ist, und das ist von der Generalprobe.

Frau Rabe friemelt an ihren Fingern herum, die 100.000ste. Die Jacke war nur zum warm bleiben. Und es war vor dem Haare schneiden.

Pippi hat den Auftritt auch sehr gut gemeistert, sie hat sogar beide Shows heute getanzt. Mit Rad schlagen und Spagat am Ende! Zwischen den Shows waren wir Eis essen und frische Luft schnappen. Ich hatte mich für beide Shows als Freiwillige gemeldet und musste aufpassen, dass mir von einer Horde 10-12-Jähriger keine abhanden kommt. In der Praxis hieß das, dass ich etwa 8492 mal mit verschiedenen Mädchentrupps aufs Klo gegangen bin, Dutts gefixt habe, Pflaster und Tape verteilt habe und mittendrin feststellen musste, dass ich die falsche Liste in der Hand habe. Es löste sich trotzdem irgendwie und am Ende hatte ich alle zwei mal ein- und wieder ausgetragen und konnte sie nach Hause schicken. Hurra!

Das war alles relativ anstrengend. Das merkte ich daran, dass mich maßlos aufregt(e), dass der „Döner“-Foodtruck keinen sich drehenden Spieß hat und auch kein Der Gerät(TM), sondern das Fleisch in der Pfanne brät. Das ist FALSCH, ich weiß das, weil ich aus dem Land des Döners komme. Ähäm.

Jetzt Bett ist dringend nötig.

Tag 3205 – Hmm okay.

Elterngespräch Nummer 2, mit Michel, und es war… okay? Ich bin einigermaßen irritiert, ehrlich gesagt. Vielleicht hat die Lehrerin aber auch inzwischen eingesehen, dass, wenn plötzlich 2/3 der Klasse irgendwelche Probleme haben, eventuell gar nicht die individuellen Kinder alle individuelle Ursachen dafür mitbringen. Jedenfalls ist Michel (ausgerechnet) in Mathe inzwischen weiter als alle anderen in der Klasse, behauptet aber weiterhin, das nicht zu können. Alle anderen Fächer waren ja noch nie ein Problem und sind es auch weiter nicht. Faszinierende Erkenntnis, die aber ungefähr alles erklärt, was mir seit 6,5 Schuljahren regelmäßig Augenzucken beschert: in Norwegen werden Rechtschreibfehler nicht mehr korrigiert und Rechtschreibung nicht bewertet. Es ist egal, man hat eh immer ein Autokorrekturwerkzeug dabei, es kommt mit der Zeit oft eh von allein (und wenn nicht, ist es ja egal, weil wir jederzeit Hilfsmittel zur Hand haben) und es ist wichtiger, einen sinnvollen Fließtext schreiben zu können, als dass dieser fehlerfrei ist. Ich bin echt fasziniert davon. Ich frage mich auch, ob das schon bis zu Arbeitgebern etc. durchgedrungen ist. Aber egal. Jedenfalls ist Michel gut in der Schule und eckt scheinbar auch nicht mehr so viel mit der Lehrerin an. Das ist gut, auch wenn ich dem Braten noch nicht zu 100% traue.

Abends waren wir alle klettern, woran selbst Michel einigermaßen Spaß hat, seit er weiß, dass er besser als seine Eltern darin ist. Er wiegt halt nichts und hat lange Gräten, das ist ein echter Vorteil. Herr Rabe und ich wiegen schon was. Ich bin geschmeidiger, er hat mehr Kraft. Insgesamt sind wir so ca. gleich schlecht gut. Allerdings habe ich mir an einem Boulder einen ganz enorm dicken Splitter unter den Fingernagel des rechten Zeigefingers gerammt und erst als ich am vorletzten Griff aufgeben musste, weil keine Kraft mehr irgendwo war, gemerkt, dass das ordentlich blutete. Nachdem ich den Splitter rausgezogen hatte, blutete es noch mehr und ich musste mir ein Plaster holen, was ich wenig später an einem anderen Boulder verlor. Das war dann aber auch der letzte, da waren meine Arme schon nur noch unbenutzbarer Pudding.

Ich kann übrigens nicht empfehlen, mit Post-Kletter-Nudelarmen Geige zu spielen. Ich konnte knapp die Saiten runter drücken und hatte auch etwa gar keine Koordination mehr. Also das war in seiner Lächerlichkeit schon fast wieder lustig.

Anyway. Morgen habe ich dann selbst „Elterngespräch“ (Mitarbeitergespräch), nur muss ich da, zu Michels Bestürzung, ganz alleine hingehen. Ich hatte überlegt, ob ich wohl einen emotional support husband dabei haben kann, aber ich will ja auch nicht komischer erscheinen als unbedingt nötig. Ich nehme Daumen für das Gespräch, echt, weil ich eine ganze Reihe unangenehmer Dinge ansprechen muss, damit sie endlich besser werden, und ein Teil dieser Dinge ist direkte Kritik an meiner Chefin. Hurra.

Tag 3197 – Elterngespräch in neu und shiny.

Wir haben ja in jedem Halbjahr ein reguläres Elterngespräch pro Kind und bei einem unserer Kinder reicht da auch eines und da muss man auch nicht unbedingt zu zweit hin. Heute habe ich das übernommen, weil Herr Rabe total Bock auf das ständige Zugchaos hatte ein wichtiges Meeting bei der Arbeit hatte. Ich war also mit Pippi (das ist meistens mit dem Kind dabei) bei dem Elterngespräch und das war diesmal etwas anders, weil es keine Mitteilung mehr über den Lernstand des Kindes gibt. Gar keine. Das haben Sie richtig gelesen. Es gibt nicht nur keine Noten (die gibt es eh nicht), sondern auch keine fachliche Bewertung einer gewissen Erwartungserfüllung oder so. Die Kommune hat nämlich rausgefunden, dass das Recht einer fachlichen Einordnung nur das Kind betrifft, aber nicht die Eltern, und das setzen sie so um. Vorher bekamen wir immerhin so grobe „kann“ – „kann besser werden“ Einordnungen anhand der Lernziele. Jetzt soll es so sein, dass die Lehrperson mit jedem Kind ein Zielsetzungsgespräch führt und das Ergebnis davon wird dann den Eltern kommuniziert. Ich gehe davon aus, dass dann auch demnächst die zielabhängigen Boni an die Kinder ausgezahlt werden. Voll gut, dass die Kinder schon ganz früh an diese Art Gespräch herangeführt werden und das ist dann ein ganz anderer Anreiz, Leistung zu bringen, nämlich. Aber ich schweife ab.

Man merkt vielleicht, dass ich diesem ganzen Konzept eher skeptisch gegenüber stehe. Aber ich muss sagen, Pippis Lehrerin hat das ganz gut hinbekommen. Es ging im Wesentlichen drum, wo Pippi überall besser geworden ist (in allem), was Pippi interessiert und was sie und die Lehrerin besprochen haben, was sie machen kann, um ihren Interessen entsprechend einzelne Dinge zu vertiefen. Wir werden also jetzt englische Lesebücher mit nach Hause bekommen und mit Pippi das kleine Einmaleins üben, weil TOTAL ZUFÄLLIG Pippi an dem interessiert ist, was eh grad dran ist. Ein Schelm… whatever.

Pippi durfte dann auch noch die erste PowerPoint-Präsentation ihres Lebens halten, über was sie in der Schule mag (Matte und Essenspause), was sie in ihrer Freizeit macht („Robloks“ spielen), und was sie mal werden will (Tierpflegerin). Letzteres untermalt mit einem sehr sehr unscharfen Foto von Greg (liegt btw. immer noch in seiner Ecke und wartet auf Weihnachten oder so). Das war schon sehr niedlich, muss ich sagen, Pippis wilde Farb- und Schriftauswahl, mit Pippis typischen Rechtschreibfehlern und auch inhaltlich. Hachz.

Das ganze Gespräch war dann nach zwanzig von dreißig angesetzten Minuten auch beendet. Alles tutti, angesichts der Umstände mit dem Zielsetzungstralala statt Lernstandsrückmeldung.

Nächste Woche ist dann das Gespräch mit Michels Lehrerin, das wird vermutlich nicht ganz so smooth.

(Jetzt muss ich super schnell schlafen, morgen früh um sechs Uhr geht mein Zug zum Flughafen, ächz.)

Tag 3185 – Nope again.

Greg hat sich heute seine Maus ohne mit der nicht vorhandenen Wimper zu zucken einverleibt. Monty hingegen… Nein. Erst saß hen ewig lange in der Ecke oben und kam nicht raus, auch nicht, nachdem ich Mäuseduft im Terrarium verteilt hatte. Irgendwann kam Monty dann aber doch runter, ich hielt hen die Maus vor die Nase, Monty drehte um und kroch wieder in das Loch. Das Spiel spielten wir drei mal, dann hatte ich die Schnauze voll. Morgen schreibe ich mal dem Züchter, ob ich irgendwas besser machen kann oder ob Monty einfach ein kleines Angsthäschen ist, das noch mehr Zeit zum Ankommen braucht.

Michel kam heute aus der Schule, recht aufgebracht, aber nicht so schlimm wie auch schon. Die Lehrerin ist dieses Mal eventuell ein bisschen sehr weit gegangen und die Kinder haben sich zu 8. spontan bei der Rektorin (bzw. ihrer Vertretung) beschwert. Weil es selbstwirksame, große Kinder sind, die wissen: wenn ein*e Erwachsene*r sich daneben benimmt, muss man das nicht einfach hinnehmen. Die 8 waren übrigens alle nur Zeug*innen, wie ein Klassenkamerat schlecht behandelt wurde. Und ich bin auch sehr froh, dass Michel total entsetzt darüber ist, dass die Lehrerin behauptet, ihre eigene Tochter nicht zu trösten, wenn sie sich weh tut. Irgendwelche von den guten Absichten, die wir mit den Kindern haben, sind wohl doch angekommen, auch wenn Michel das nicht so oft so deutlich zeigt. Pippi ist da anders, die hat mich auch neulich, als ich aus Gründen, auf die ich nicht eingehen möchte, auf dem Klo geheult habe, getröstet. Ich hab ihr gesagt, dass sie das nicht muss, aber sie meinte „wenn ich traurig bin, tröstest du mich auch“. Pippi hat mich auch im Hochseilgarten angefeuert. Sie ist vielleicht einfach eher Macherin, wenn es um soziale Dinge geht.

Das Auto war beim Service. Das war alles sehr aufregend, weil sie vergessen hatten, dass ich einen Mietwagen haben möchte. Dadurch musste ich ziemlich lange warten, ohne Kopfhörer in der irre lauten Wartezone und kam am Ende in Zeitstress. Dadurch hatte ich null Zeit, mich mit dem Mietwagen auseinanderzusetzten, der obendrein komplett zugeschneit war und natürlich nur so Mini-Eiskratzer, die es für 1€ gibt. Mein Schock: der versprochene Nissan Leaf war ein Quashkai geworden. Mit so einem Ding mit vielen Zahlen! Und zu vielen Pedalen.

Naja. Ich kam bis zum ersten Kreisverkehr. Und es hilft einer Frau, die im Kreisverkehr das Auto abgewürgt hat und die offensichtlich Probleme hat, das Auto wieder in Bewegung zu bringen, gar nicht weiter, wenn man hupend und unflätig herumgestikulierend an ihr vorbei fährt. So gar nicht. Eher im Gegenteil.

(Im ersten statt im dritten Gang anfahren. Das hilft enorm.)

Tag 3165 – Tief atmen.

Es schneit schon wieder. Es war grad auf den Straßen alles weggetaut und weggeregnet, selbst auf dem Hof waren nur noch Schneereste und jetzt schneit es wieder, in der Version „super nass und klebt sofort zu einer Eisschicht zusammen“. Es ist zum heulen. Ok, nicht für alle, manche wollen ja Ostern Ski laufen und bezeichnen frischen Schnee Ende März bis Anfang April als „Osterstimmung“. Ich bezeichne das als FALSCH. Osterstimmung ist singende Vögel und blühende Narzissen, deshalb heißen die ja auch OSTERglocken. Osterstimmung ist nicht weiße Eier im Schnee suchen.

Ansonsten heute langsamer Tag mit Eskalation am Ende, Streit mit Michel, auch das ist… puh, alles, und er pubertiert ja noch nicht mal. Es kann also noch sehr viel spannender hier werden, als es eh schon ist. Hurra. (Muss das mit dem nicht-Trinken noch mal überdenken… Nein. Und eigentlich sollte man darüber auch nicht frotzeln.)

Gut:

  • in meiner Geige-üben-App stolperte ich zufällig in Ray Chens Übe-Session und das war sehr unterhaltsam und auch sehr lehrreich (und andere würden bestimmt „inspirierend“ sagen, aber ich mag das Wort so gar nicht).
  • Später, als ich selbst übte, besuchte mich eine in meiner Session, mit der ich da hin und wieder Kontakt habe, eine Tierärztin aus Australien, die ebenfalls als Erwachsene das Instrument wieder aufgenommen hat und etwa das gleiche Level hat. Da konnte ich mein Leid über die Doppelgriffetüden klagen und wurde verstanden und bekam Zuspruch, Hurra! Die Etüden sind aber auch tricky, aber das Gute daran ist: die sind nur bei den ersten 2-3 Malen schlimm, danach geht es recht schnell bergauf. Ich spiele die so vielleicht 10-ish mal, einzelne Passagen öfter, bis es sich passabel anhört und nicht mehr anfühlt, als würden sich meine Finger verknoten, und dann fange ich die nächste an. Gut genug ist dabei echt gut genug, ich will damit ja nicht auftreten, ich will nur die innere Hemmschwelle vor Doppelgriffen und Akkorden abbauen und auch schneller vom Blatt ablesen können.
  • Abends, als hen aktiv war, holte ich Monty für ein paar Minuten aus dem Terrarium. Die sollen sich ja schon daran gewöhnen, angefasst zu werden. So ein mal pro Woche, sagte der Züchter, kann man das ruhig machen, sollte man vor allem am Anfang auch, weil man sie ja einfach hin und wieder anfassen MUSS (sauber machen, Tierarzt, etc.) und dann ist es halt gut, wenn sie nicht total panisch werden, weil sie das nicht kennen. Monty ließ das über sich ergehen, ohne fauchen oder sich zusammen rollen, und schnupperte irgendwann auch neugierig meine Hand an, was ganz schön kitzelte. Hach. Zurück im warmen Terrarium machte hen sich aber ohne Umwege auf in das Lüftungsloch. Happy place.

Tag 3149 – Michel goes Politik.

Nun. Michel vs. Schule hat ein neues Kapitel erreicht. Heute kam er nach Hause und hierlt mir 45 Minuten lang eine flammende Rede darüber, dass die Schule generell und die Lehrpersonen im Besonderen keine Ahnung davon haben, was sie für Kinder mit ADHS, Autismus, Dyslexie oder anderen extra Baustellen machen können. Und das dass geändert werden muss, das muss „die Schule wo man Lehrer*in sein lernt“ denen beibringen. Nämlich. Und dafür wird er kämpfen, und wenn er irgendwann nicht mehr da ist dann sollen seine Kinder und Enkelkinder dafür weiter kämpfen! (Das hat er so gesagt.) Und weil er befürchtet, dass die Erwachsenen nicht auf ihn hören, weil er 11 Jahre alt ist, will er das der Person sagen, die „das bestimmt was die Lehrer*innen wissen müssen“. Am liebsten persönlich, aber ich bekam ihn auf eine Mail runtergehandelt. Ich dachte, dass wir diese Mail vielleicht zusammen schreiben würden und ich würde die Adresse vom entsprechenden Departement raussuchen, aber als ich das nächste mal guckte, warum es in Michels Zimmer so leise ist, hatte er seine Mail an Post ät Stortinget Punkt no schon abgeschickt. Michel backt also keine kleinen Brötchen.

Der Anlass war übrigens mitnichten, dass er irgendwas haben will, aber nicht bekommt. Nein, das Problem ist, dass er das bekommt, was in Deutschland den blöden Namen Nachteilsausgleich hat. In Norwegen läuft das ganz anders, jedenfalls auf dem Papier, denn jedes Kind hat das Recht auf einen individuell angepassten Lernplan und entsprechende Anpassungen des Schulalltags. Quasi ein Recht auf Nachteilsausgleich für alle. In der Praxis ist es allerdings so, dass man selbst mit ner Diagnose sich Fransen an den Mund labern muss, bis minimale Anpassungen (und bitte keine, die die Schule irgendwas an Anstrengung kosten, wo kommen wir da hin!) passieren. Wir hatten gestern mal wieder so eine Fransensession und heute bekam Michel deshalb von der Lehrerin mitgeteilt, dass er öfter seinen Computer benutzen kann, auch wenn der Rest von Hand schreibt. Weil er, wegen ADHS und Problemen mit der Feinmotorik, unverhältnismäßig viel Energie auf das Schreiben mit der Hand an sich verwendet, und dann der Inhalt leidet oder die Handschrift so schlecht wird, dass ich sie kaum entziffern kann. Das brachte Michel auf die Palme, denn er hat ganz richtig erkannt, dass andere in seiner Klasse auch Probleme mit dem Schreiben mit der Hand haben. Warum darf er, aber andere nicht, die davon auch profitieren würden? Weil die Schule das mit dem „Anpassung ist nicht von Diagnosen abhängig“ zwar sagt, aber nicht lebt. Alle sollen Michels Meinung nach so einen Fragenbogen ausfüllen, wie er es gemacht hat, wo es um genau solche Anpassungen geht. Michel hat Sorge, dass andere vielleicht gar nicht sagen, dass ihnen was schwer fällt. Michel hat auch Sorge, dass andere Kinder undiagnostiziertes ADHS etc. haben und genauso Probleme haben wie er – aber nicht die Anpassungen bekommen. Vielleicht weil deren Eltern nicht so ressourcenstark sind wie wir. Nicht alle können ständig ihre Kinder zu Terminen fahren, 30 Minuten pro Weg. Und in der Schule müssen die das doch eigentlich wissen und können aber tun sie offenbar nicht.

Ergo schrieb Michel an den Stortinget, damit die Lehrpersonen besser ausgebildet werden, damit sie dann besser mit Kindern und all ihren bunten Eigenheiten umgehen können und nicht er allein irgendwelche Dinge darf, nur weil er zufällig ne Buchstaben-Diagnose hat.

Er ist ja schon sehr toll. Ich vergesse das manchmal, weil er auch so ganz anders kann. Aber er hat ein großes Herz, ein sehr feines Gerechtigkeitsempfinden, wenig Respekt vor Hierarchien und einen großen Drive, wenn ihn was bewegt. Da sollte man ihm nicht in die Quere bei kommen, sonst wird man einfach nieder gemäht. Ich finde, das sind im Grunde alles gute Eigenschaften. Er ist 11 und tritt mehr für seine Werte ein, als die meisten Erwachsenen.

Tag 3136 – Wenn alles falsch ist.

Also erstmal ein kleiner Nachtrag zum Tabletten kauen: aufgrund eines technischen Problems konnte Kommentatorin Anja ihren Kommentar nicht veröffentlichen. Ich finde aber dass das ein guter Tipp ist:

„Was tatsächlich zu einer schnelleren Wirkung beiträgt, ist sich auf die rechte Seite zu legen. Dann rutscht die Tablette schneller in den Darm. Ist nur leider nicht immer und überall möglich…“

Klar geht das nicht immer. Aber ich liege sonst automatisch auf der linken Seite, wenn ich mich hinlege, vielleicht sollte ich die rechte mal ausprobieren.

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Bei der Arbeit waren heute die zwischenmenschlichen Dinge eher schwierig. Zu Hause auch. Michel wollte in einem Computerprogramm („Blender“) etwas machen, aber OHNE sich irgendwelche Anleitungen oder Tutorials anzugucken und das funktionierte nicht. Die Frustration führte zur unweigerlichen Explosion und dann ist erst mal alles komplett falsch. Helfen ist falsch, nicht helfen ist falsch, nicht helfen können ist total falsch und nach Lösungen googeln ist ebenfalls total falsch. Egal was man macht, die Explosion geht immer weiter, wie eine unerschöpfliche Feuerwerksbatterie, aber ohne bunt und Glitzer, nur mit Chinaböllern aus Tschechien. Das ist wirklich gar nicht mal so schön. Irgendwann, als der Zorn an einer Box Taschentücher ausgelassen und verraucht und die Tränen getrocknet waren, hat er sich entschuldigt, aber in der Situation kommt er selbst überhaupt nicht da raus, wie eine hängen gebliebene Schallplatte, nur in wütend. Ich hab da keine gute Lösung, er auch nicht. Aushalten I guess it is. Ich habe diese Sorte Ausraster ja auch nur noch sehr selten, also so innerhalb der nächsten 25 Jahre wird er das wohl lernen. Galgenhumor hilft.

(Bevor wieder Kommentare kommen: er tut mir in erster Linie total leid, so große und schwierige Emotionen haben und nicht hantieren können ist ja vor allem für ihn schlimm. Aber ich kann leider auch nicht so viel machen. Das war einfacher, als „auf den Arm“ noch gegen alles half.

Und um anderen Kommentaren vorzugreifen: das Wort weirdo benutze ich nicht als Beleidigung, im Gegenteil. Ich möchte das Reclaimen, als Umschreibung für neurodiverse Menschen. Ich bin meistens sehr zufrieden damit, ein weirdo zu sein. Natürlich ist nicht alles daran rosig, so wie Situationen wie die oben beschriebene. Aber so im Großen und Ganzen ist es halt einfach nur anders.)

Tag 3087 – Ausführlicher.

Ein bisschen ausführlicher, wie es uns über die Feiertage so ergangen ist.

Heiligabend. Wir feierten beim Schwiegervater, mit Tante H. und meiner Mutter, die ich abholte, während Schwiegervater und Schwägerin in der Kirche waren. Wegen Augentralala, das man halt mal so hat, wenn man älter wird, kann meine Mutter zur Zeit nicht gut im Dunkeln Auto fahren. Aber wir sind ja mit dem Auto hier, also alles kein Problem, außer Kackwetter und dass ich mich auf dem Weg echt fast verfahren hätte. Außerdem absurd viele Geschwindigkeitsbegrenzungswechsel und Ampeln, überall Ampeln, alle hundert Meter ne Ampel! Liebes Deutschland, ich hab nen Geheimtipp für euch: Fußgängerunterführungen!!! Und Kreisverkehre. Trotzdem war ich noch vor beendeter Kirche mit meiner Mutter wieder bei meinem Schwiegervater und konnte noch Herrn Rabe beim Kochen etwas zur Hand gehen. Es gab Lachs und dazu Kartoffeln und Brokkoli aus dem Ofen, mit eigentlich Aioli, aber auch Sauce Hollandaise für die eher traditionellen Teile der Familie. Das Gute an Sauce Hollandaise ist, dass wir einen Haufen Eier unbekannten (aber vermutlich eher hohen) Alters aus des Schwiegervaters Kühlschrank wegkochen konnten. Alle noch gut, ich habe sie einzeln ausgiebig beschnuppert. Nach dem Essen und großen Portionen Eis zum Nachtisch gab es Bescherung – aber erst noch ein kleines, sehr niedliches Konzert von Pippi und ein Weihnachtsgedicht von meiner Mutter. Beschenkt wurden die Kinder reichlich und die Erwachsenen nicht ganz so reichlich. Herr Rabe und ich haben uns ja schon vor einem Monat den neuen Fernseher geschenkt. Ansonsten gab es Zirkuskarten für alle. Es war alles sehr gemütlich und beschaulich. Kein Singen, ich weiß nicht, warum.

Am 1. Weihnachtsfeiertag gab es erst Mittagessen beim Schwiegervater, in der gleichen Besetzung wie Heiligabend plus Onkel J. samt Frau. Hirschgulasch vom Caterer, gewürzt für „es muss halt jeden Geschmack treffen“, das war ein bisschen schade. Es hätte durchaus noch was dran gekonnt, sowohl Säure als auch Schärfe. Aber man meckert ja nicht übers Weihnachtsessen, also Schwamm drüber. Vollgefressen ging es mit allen in den Zirkus FlicFlac. Wie auch schon vor zwei Jahren war das sehr gut, hat auch den Kindern sehr gefallen und alle gut unterhalten. Ich fand dieses Mal die Diabolo-Artistengruppe am besten, die hatten, zumindest augenscheinlich, selbst sehr großen Spaß an ihrer Nummer. Beim Rausgehen aus dem Zelt kurzer Eklat, weil ich Pippis Popcorn aufgegessen hatte, weil ich dachte, es sei Michels, der das nicht mehr wollte. Wir setzten die Kinder beim Schwiegervater ab und dann brachten Herr Rabe und ich meine Mutter nach Hause und bekamen noch eine Führung durch das zu 80% fertig renovierte Haus. Das nimmt tatsächlich langsam Form an und meine Mutter freut sich sichtlich (und verständlicher Weise, auf einer Baustelle leben ist einfach kacke) auf die restlichen 20%. Ich habe als Lektion für mich mitgenommen: Handwerker erst nach getaner Arbeit bezahlen, sonst hat man hinterher ne Tür, die aussieht, als hätte man sie selbst lackiert. Mit einer Hand hinter den Rücken gebunden. Und der anderen Hand in Gips. Aber die Tür gehört zu den 20%, die noch mal gemacht werden. Bald irgendwann.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag schliefen wir erstmals länger als bis halb neun, jedenfalls war das der Plan, ich war dann um acht wach. Ja, Fraktion Lerche guckt schockiert, für uns, insbesondere mich im Urlaub, ist das früh. Wir ließen es gemütlich angehen und weihten nachmittags die Kinder in das Konzept „Spaßbad“ ein. Das war sehr schön, vor allem weil die Kinder groß genug sind, um allein 285 mal zu rutschen und sich 163 mal durch den Strömungskanal spülen zu lassen. Vielleicht sind wir auch total gleichgültige Eltern, die meisten Kinder im Alter von unseren waren in ständiger Armreichweite eines Erwachsenen. Ich rede uns damit raus, dass das in Norwegen deutlich normaler ist, die Kinder einfach ölen zu lassen. Schwimmen können sie beide, es ist kein offenes Meer oder ein menschenleerer Tümpel im Wald, und ich muss nicht 285 mal rutschen (und im Treppenhaus anstehen, wo es furchtbar hallt und viele aufgeregte Kinder sich nicht grad in Zimmerlautstärke unterhalten, garniert mit gelegentlichen Quietschern und Jauchzern ohne Vorwarnung aus dem Schalltrichter der Rutsche). Die Kinder hatten (beide) die beste Zeit ever und waren eigentlich nur mit Gewalt nach den 4 Stunden Badezeit aus dem Schwimmbad zu entfernen.

Das waren die letzten drei Tage. Heute waren wir erst mit Pippi auf dem Weihnachtsmarkt (Michel muffelte herum weil er seinen Manga lesen wollte und blieb schlussendlich ganz zu Hause) und aßen lauter leckeren, ungesunden und frittierten Quatsch. Danach fuhren wir alle zu meiner Tante und verbrachten den Rest des Tages da, das war sehr schön, sehr entspannt, und sogar meine „kleine“ Cousine war da. Die war neulich noch so! Jetzt ist sie bald mit der Berufsschule fertig! Verrückt. Herr Rabe nerdete ein bisschen mit meinem Onkel über Bässe ab und spielte ein bisschen mit seinen neuen in-ears herum. Michel bekam irgendwann einen Laberflash, als er sein Buch ausgelesen hatte. Da ist er ja sehr niedlich, aber auch ein bisschen anstrengend in seinem Engagement. Aber es war ein wirklich schöner Nachmittag und Abend. Hachz.

Tag 3077 – Weihnachtlich.

Am ersten Tag mit Tauwetter seit ewig machten Michel und ich uns heute auf den Weg in die Hauptstadt, um das Weihnachtskonzert meines Lieblingskollegens anzugucken. Der spielt in einer Janitsjar, also sowas wie einem Korps, und zwar seit… mehreren Jahrzehnten in der selben Janitsjar. Die sind schon recht gut, aber noch nicht so unerreichbar gut wie die Garde zum Beispiel und außerdem mag ich den Lieblingskollegen. Der macht zwar aus seinem Privatleben immer ein großes Geheimnis, aber ich habe mich mal wieder aufgedrängt und der Lieblingskollege hat sich auch aufrichtig gefreut. Michel habe ich mitgeschleppt, damit der mal aus dem Haus kommt und weil er im Frühjahr auch schon mal mit war und das ganz gut fand. Das Konzert war dann auch wirklich gut, eine schöne Mischung aus traditionellen und moderneren Weihnachtsstücken und als Bonus ein recht abgefahrenes Saxophon-Quartett, das nichts mit Weihnachten zu tun hatte. Michel fand es auch gut und möchte beim nächsten Mal wieder mit kommen (dabei waren wir dieses Mal nicht mal hinterher Sushi essen).

Anekdote: vorher waren wir noch schnell ein Buch zurück geben, das ich versehentlich doppelt gekauft habe, und selbstverständlich ist es an einem Samstag eine Woche vor Weihnachten in Oslo unerträglich voll. Michel hatte zwar sein Auge auf Paradiesäpfel geworfen, die da wohl auf dem Weihnachtsmarkt verkauft wurden, und wir standen auch vor dem Eingang zum Weihnachtsmarkt (der ist da abgegrenzt und umzäunt, wahrscheinlich damit die besoffenen Büroangestellten sich post Weihnachtsfeier nicht zwischen den Buden verlaufen). Da fragte ich Michel aber, ob es total schlimm wäre, wenn wir das mit dem Paradiesapfel sein ließen, und er sagte, nein, gar nicht schlimm und da auch viel zu viele Leute. Es gab dann lieber ein HotDog vom Kiosk an der Bahnhaltestelle. Später beschwerte sich Michel noch darüber, dass alles komisch riecht und alles durcheinander riecht „Essen, Parfüm, Kamin, und die Bahn riecht nach nassem Dreck, das ist zusammen total eklig!“ und ich konnte dem nur beipflichten. Ich möchte noch „nasse Wollkleidung“ und „Füße die den ganzen Tag in dicken Stiefeln stecken“ auf der Gruselgeruchsliste hinzufügen. Im Winter riechen Leute einfach nicht gut.

Abends rätselten Herr Rabe und ich am gemeinsamen Adventskalender weiter, bis es sehr spät war und mein Kopf auch nicht mehr ganz dabei war.