Tag 962 – Familie Langsam feiert Ostern.

Vielleicht liegt es an dem geplatzten Urlaub, aber ich genieße grad die Langsamkeit und Planlosigkeit in vollen Zügen. Wir schlafen morgens lange, dann stehen die Kinder auf und machen Quatsch, wenn wir Glück haben, ohne Sauerei und nicht in unserem Bett. Wir essen gut und viel, ich mache sehr sporadisch mein Sportprogramm weiter (das ärgert mich dann immer kurz, aber dann esse ich stattdessen und ach, es ist ja absehbar, die Ferien sind ja schon wieder fast vorbei), wir gehen spazieren, Pippi hat gestern das erste mal das Laufrad ausprobiert, Michel ist das erste mal echt fies vom Fahrrad gefallen, wir Erwachsenen kleben also Pflaster und schwatzen müde Kinderbeine zum Spielplatz/nach Hause/zum Café… es könnte schon echt alles viel schlimmer sein. Ich ignoriere auch alle Bewerbungen bis Dienstag, dann geht’s damit auf Priorität 1 weiter, aber bis dahin ist Pause angesagt. Einfach durchschnaufen und die Familie genießen. Michel, der schon so groß ist und langsam, ganz langsam, tatsächlich Lesen lernt. Einfach so, weil er das gerne können will. Da fragt er nach, wie Sachen geschrieben werden (und kommt dann mit Zetteln, auf denen zum Beispiel steht, was er essen möchte, von rechts nach links geschrieben „da war sonst kein Platz“ und auf Norwegisch mit Schreiben-nach-Gehör-Fehlern, ich sag’s mal so: da scheitert selbst mein wohlwollendes Mutterhirn daran, das zu entschlüsseln) und versucht, aus den Buchstabenfolgen auch Wörter zu bilden, was bei ganz kurzen Wörtern auch schon ganz gut geht. Pippi ist eine kleine Rübennase, stur und unfassbar niedlich gleichermaßen. Macht Quatsch, sobald man nicht hinguckt, wenn man dann freundlich drum bittet, den Quatsch zu lassen, kommt ein ebenso freundliches „Nein!“ zurück. Und dann macht sie wieder Kaffeekränzchen mit ihren Teddybären und ich hachze so vor mich hin. Herr Rabe liest unermüdlich vor und bemalt (von mir ausgeblasene) Ostereier, die die Kinder dann beim Spielen zermanschen, obwohl wir drülfzig mal gesagt haben, sie sollen nicht mit den Ostereiern spielen. Heute hat sich Herr Rabe bei den Kindern zum Held gemacht, weil er eine Nintendo Switch gekauft hat, mit Mario Kart! Michel war dann „der grüne T-Rex“ (Yoshi) und gewann einen Pokal, oder wie Pippi sagte: „Yeah! Tasse!“. Doch, schon schön so.

Mir war sogar fast komplett egal, dass der Hefezopf, den ich heute gebacken habe, vermutlich keinen Schönheitswettbewerb gewinnt.

Aber vielleicht einen Größenrekord?

Morgen werden wir dann frisch gekochte Eier färben, die Kinder werden Schokolade und kleine Geschenke im Wohnzimmer suchen, wir werden den zweifelsohne leckeren Zopf essen und abends noch viel leckerer kochen, zwischendurch spazieren gehen, Laufrad fahren, Pflaster auf Knie kleben und uns gern haben.

Hachz!

Tag 961 – Pokus, Pokus.

Michel: „Kan dokk trille?“

Ich: „Was? Was ist denn dokktrille?“

Michel: „Kannj dokk trille?“

Ich: „?“

Michel: „Trille! Kannj dokk det?“

Ich: „Hä? Ob wir rollen können?!?“

Michel: „Nein, so Pokus Pokus… *wedelt wild in der Gegend rum*“

Ich: „Ach zaubern! Nee, das kann ich nicht.“

Michel: „Ich kann das aber! Ihr müsst nur die Augen zumachen.“

Herr Rabe: *unterdrückt mühsam Lachen*

Michel: „Augen zumachen!“

Wir: *machen die Augen zu*

Michel: „Pokus Pokus, Fidebokus, Bärchen soll weg sein! *Gekruschel, etwas, das sich verdächtig nach dem Plüschbärchen anhört, fällt auf den Boden* Jetzt Augen aufmachen!“

Wir: *bemühen uns um ernsthafte Gesichter und öffnen die Augen*

Michel: „Tadaaaa!“

Ich: „Nein, ist das Bärchen weg? Sowas.“

Herr Rabe: *lachschnaubt durch die Nase*

Michel: „Augen zumachen!“

Wir: *machen Augen zu, lachend*

Michel, aufgeregt: „Pokus Pokus Fidebokus, Salebim, *Gekruschel* Waschlecken soll wapp sein!“

Ich: *Lachtränen quellen aus meinen geschlossenen Augen*

Michel: „Augen aufmachen! Tadaaa! Der Waschlappen ist weg!“

Wir: *mühsam unterdrückte Lachkrämpfe*

Pippi: „Auge sssumachen! Mama! Papa! Auge ssumachen!“

Wir: *schließen die Augen*

Pippi: „Bogüs, bogüs, fertig Auge sssumachen!“

Wir: *liegen vor Lachen fast unter dem Tisch*

Pippi: „Tadaaa!“

Michel: „Warum lacht ihr?“

Tag 960 – Geplatzte Träume.

Bei beiden Schwangerschaften hab ich bis nach der 12. Woche gewartet, es Leuten zu erzählen (Ausnahme beide Male: meine jeweiligen Chefs, wegen Chemikalien/schwer heben), weil ich mit dem betroffenen Schweigen, was ich nach einer Fehlgeburt erwarten würde, nicht umgehen könnte und erst recht nicht mit Mitleid. Ich mag nicht bemitleidet werden. Das lässt mich mich schwach fühlen. (Jajaja, da „könnte man jetzt mal genauer hinschauen“, will ich aber nicht und das hier ist ja auch keine Gruppentherapie, nicht wahr?). Also bitte kein Mitleid, wenn ich jetzt sage: ich hatte mich auf eine echte Traumstelle beworben, war da sogar in die erste (Telefon-)Interviewrunde gekommen und heute haben sie abgesagt. Das tut weh, weil Traumstelle, das tut extra weh, weil mir wieder aufgegangen ist, dass es genau das ist, was ich will, und eben nichts anderes und jetzt ist es *puff* einfach geplatzt*. Solche Stellen kommen auch echt nicht oft in meinen Radarbereich. Klar, ich mache weiter, jaja, ich gebe nicht auf (vielleicht doch, aber noch nicht sofort) aber heute war Fluchen und Selbstmitleid angesagt. Warum erzähle ich Ihnen das, wenn ich doch eh kein Köpfchengetätschel haben will? Weiß ich doch auch nicht.

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Auto-Lobhudelei: am Telefon noch die Fassung gewahrt.

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* ach ja und extra bitter: beim Nachschauen im Bewerbungsportal der Firma sah ich am Montag schon, dass ich für 2 andere Stellen auf die ich mich dort beworben hatte, auch nicht mehr in Frage komme, aber auch keine Absage bekommen habe. Sowas kann ich ja eh gut haben. Meine Güte, HR-Leute: you had one job.

Tag 959 – Nix zu erzählen.

Naja, fast nix.

– Wir, also die Kinder (haben Ferien) und ich haben meine Mutter zum Flughafen gebracht.

– Danach waren wir einkaufen.

– Und Eis essen.

– dann haben wir aufgeräumt, die Kinder nur so mittelviel, Michel noch deutlich mehr als Pippi.

– aber Pippi hätte ich heute absolut alles verziehen, wegen dieses Zöpfchens:

– Ich bin bei Peppa Wutz kurz weggenickt.

– Ich hab Eier ausgeblasen. Mit Hack, weil der Klassiker ‚Oben ein Loch, unten ein Loch, Eigelb kaputtstochern und dann halt blasen‘ ist ja mal scheiße anstrengend. YouTube hilft aber und so bastelte ich mir dann aus dem Spritze mit Kanüle-Trick aus Mangel an Kanülen meinen eigenen Hack: in die spitze Seite vom Ei ein Loch pieken und das dann so groß prökeln, dass man einen Strohhalm reinbekommt. Den Strohhalm (mit Knick) reinstecken und kräftig Luft ins Ei pusten. Inhalt des Eis läuft/quillt dann durch das gleiche Loch raus. Vorteil: es ist nicht so anstrengend wie normales Pusten, man hat keinen Mund-zu-Ei-Kontakt, es geht echt schnell. Nachteil: das eine Loch ist relativ groß, halt so Strohhalmdurchmesser.

– Resteessen.

– Kinder ins Bett komplimentiert.

– Mit Herrn Rabe, Champagner (von der Schwägerin, zur Disputation mitgebracht, aber heute anlasslos getrunken) und Netflix auf dem Sofa abgehangen.

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Auto-Lobhudelei: Distanzlose Fragen einsilbig beantwortet, nur wenig dem geplatzten Urlaub hinterhergeheult.

Tag 958 – Lass‘ ma wegfahrn.

Dies ist die traurige Ballade, wie wir mal spontan sein wollten und das jetzt doch vermutlich nicht sein werden.

Gestern kamen wir drauf, dass ich gern wo wohnen würde, wo es Direktflüge nach Korfu gibt. Weil, holla, dieser Winter hier, ne? Ich gehe auf dem Zahnfleisch, trotz Vitamin D Supplementen und obwohl ich ja beileibe auch kein Sommertyp bin. Aber es ist jetzt wieder diese ultra gemeine Phase, wo ich Instagram oder Facebook aufmache und alle meine Kontakte aus D/A/CH zeigen, wie hübsch schon alles blüht und grünt und Hach, endlich wieder draußen in der Sonne Kaffee trinken und wir hier so:

Und dann weine ich ein bisschen in meinen warmen Kakao und kuschle mich in meine Wolldecke und werfe verzweifelt noch mal 2 Vitamin D Depotkapseln ein, aber es hilft ja alles nichts: Frühling gibt’s hier halt erst ab Mai. Ca. um den 17. Mai rum wird Trondheim grün, bis dahin gibt’s 50 Shades of Grey mit Rollsplitt und überfrierender Nässe. Augen auf bei der Wohnortwahl, sage ich da nur.

Jedenfalls lechze ich also nach Sonne und Wärme und grün, und weil wir eben auf Korfu kamen und dann noch Herr Rabe erzählte, sein Kollege sei letztens auf Gran Canaria gewesen, bei 25 Grad und ich schon witzelte, wir könnten ja das Appartment meines Chefs vielleicht leihen, kam irgendwie eins zum anderen und ich googelte plötzlich Last Minute Reisen von Trondheim aus. Und wurde sogar fündig, 15.000 NOK für uns alle 4 All Inclusive ist ja für eine komplette Woche durchaus günstig. Heute fragte also Herr Rabe bei seinem Chef, ob er nächste Woche spontan Urlaub haben könne. Kann er! Also fehlte nur noch das Buchen.

Aber dann holte uns doch die Planungssucht ein. 15.000 Kronen, oder lieber 17.000 in nem anderen Hotel? Wie weit ist denn bei dem 1. der Strand weg? Oh, hmm, schon weit. Und das Wetter? Nach Lloret de Mar gehen auch Direktflüge und da muss man nicht gleich Samstag bis Samstag machen. Hmmhmmhmm. Oder im Mai nach Kroatien? Und dann jetzt nach Oslo zum Geburtstag von MMKnudsen? Tjajajajaja. Eigentlich hört sich letzteres total super an. (minus Sonne, aber tjanun.) Also suchte Herr Rabe Hotels oder AirBnBs oder Hostels in Oslo zusammen, ich guckte nach Zugverbindungen und es war echt alles schon gebucht, als Herr Rabe herausfand, dass der Nachtzug (ja, genau der) ja dann nochmal 2000 NOK extra kosten würde, wegen der Abteile. Und das hieße dann insgesamt 10.000 NOK für 2 Tage Oslo.

Also wurde das auch wieder verworfen und jetzt sind wir so schlau wie vorher auch schon und ich gehe vielleicht einfach täglich 2 Stunden in der Sonne spazieren, irgendwo wo kein splittdurchsetzter Schneematsch zu sehen ist. Oder ich mache es wie Pippi, die heute vor einem immergrünen Nadelbusch stand, „Blume!“ rief, laut schnüffelte und dann zufrieden „Hmmmm, riecht lecker!“ sagte. Auto-Suggestion ist alles.

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Auto-Lobhudelei: Auf den Satz „Wenn ihr zurück nach Deutschland kommt, gehe ich euch sicher alle Vierteljahr auf den Sack.“ (Sic!) nicht mit „Ok, gut zu wissen, dann ziehe ich alle Bewerbungen da zurück.“ geantwortet.

Tag 957 – Ein paar Gedanken zur Bestechung.

Belohnen ist ja das neue Strafen, sagt der Juul. Spoiler vorweg: so eng sehe ich das beileibe nicht. Trotzdem belohnen wir relativ wenig. Und seltenst ausdrücklich, so wie „Und weil du dies und das getan hast, kriegst du jetzt…“. Aber vielleicht ändere ich das in Zukunft und belohne ein bisschen mehr. Oder vielmehr besteche, indem ich für ein gewünschtes Verhalten eine Belohnung in Aussicht stelle. Es funktioniert nämlich. Ich meine damit nicht Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten und das auch langfristig werden sollen, also es wird hier kein „Wenn du die Socken vom Sofa räumst, kriegst du ein Bonbon“ geben. Aber für Ausnahmedinge, so wie Pippis Antibiotikum zum Beispiel. Da kriegt man jetzt hier in der einen Apothekenkette direkt einen Bogen dazu, mitsamt Aufklebern. Jedes Mal, wenn man das Antibiotikum (oder sonst eine Medizin) genommen hat, kann man einen Aufkleber auf den Bogen kleben, bis er dann voll ist. Den vollen Bogen und das übrige Antibiotikum kann man dann in der Apotheke wieder gegen eine „Prämie“ eintauschen, also: eine Belohnung. Nun war ja das neue Antibiotikum schon mal viel weniger eklig als das Nullachtfuffzehnpenicillin, aber immernoch nichts, was sich Pippi gern dreimal am Tag verabreichen ließ (wie zum Beispiel Nurofen-Saft, den würde sie auch aus der Flasche trinken, wenn wir sie ließen. Michel nicht, der nimmt lieber Tabletten als irgendeine Form von flüssiger Medizin). Das änderte sich, als sie verstanden hatte, dass sie nach der Medizin einen Aufkleber kleben durfte. Sie durfte das übrigens immer, auch wenn’s Geschrei gab oder ellenlange Diskussionen im Kleinkindstyle – Nein – Doch – Nein – Doch… alles egal, Hauptsache drin. Dann hieß es „Fosch kleben Bärsen/Snegge!“, was soviel heißen soll wie „Zum Frosch [auf den Bogen] kleben wir jetzt ein Bärchen/eine Schnecke!“ und dann war das mit der Medizin schon nur noch ein bisschen eklig und mit Nachspülen eh ok. Ich fand das also tatsächlich eine gute Maßnahme, die es Pippi sichtlich leichter machte, sich zu überwinden und auch die Verhältnismäßigkeit Medizin – Aufkleber fand ich durchaus gegeben. Zumindest für ihr Alter, ich glaube Michel fand die Aufkleber alle albern, aber dafür neidete er ihr das Bestechungsmittel auch nicht. Im Gegensatz zur Belohnung, die wir heute eintauschten (mir ging es eher um die Rückgabe der überzähligen Antibiotika, fachgerechte Entsorgung ist wichtig!). Da bekam Pippi nämlich für ihr „Fosch-Bild“ ein richtiges kleines Säckchen mit einem Plüsch-Bärchen und allerlei Verarztungskram dazu: Mundschutz, Pflaster, Mullbinden. Ohhhh, wie sie sich freute. Ohhhh, wie traurig Michel war. Für ihn war es absolut nicht verständlich, dass Pippi für ihr Kranksein so reich beschenkt wurde. Und auch Pippi verstand glaube ich nicht so ganz den Grund für diesen Geschenkesegen. Da passte dann halt wieder die Verhältnismäßigkeit nicht. Pippi ist ja ich noch viel zu klein, als dass sie mit „und in 10 Tagen kriegst du dann“ bestochen werden könnte. Selbst bei Michel würde ich den Zeitraum noch zu lang finden. Insofern, langer Rede kurzer Sinn: direkte, kleine Belohnung für nicht-alltägliches yay, großes Ding nach langen Zeiträumen eher nay. (Und, ne? Jede Familie macht’s eh wie’s passt und gefällt. Muss man ja immer dazu sagen.)

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Auto-Lobhudelei: Heute trotz diverser Querelen nicht ausgerastet, ein wichtiges Gespräch (wie ich finde) mit Bravour gemeistert.

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Tag 956 – Ist noch nicht vorbei.

Soeben habe ich meine erste Bewerbung als Dr. Rabe abgeschickt. Noch grade so fristgerecht. Und schnell zusammengekloppt. Aber eine unwiderstehliche Stelle, in Oslo, und quasi genau das habe ich schon gemacht, nur mit weniger Verantwortung, deshalb hab ich ja diesen bekloppten Titel überhaupt angefangen. Also musste ich da wirklich dringend meinen Hut noch schnell in den Ring werfen. Ansonsten hatte ich Freitag ein Interview bei der Kröte und naja, lief halt so gut es laufen konnte, vermutlich kaufen sie mir nicht ab, dass ich das Jahr wirklich bleibe, das war aber auch nicht mein selling point und ich war da ehrlich: ein paar halbwarme Eisen sind in ein paar Feuern und zwei (jetzt drei) der Stellen wären von der Sorte „Ich lasse alles stehen und liegen und ziehe um“. An Erfahrung muss es mir bei der Stelle erstmal wer gleichtun und ich glaube nicht, dass sie da wen haben.

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Ansonsten waren wir heute beim nationalen Waffeltag auf der Rønningen-Hytte und, naja, die 3 km einfacher Fußweg hin waren für alle U10 und Ü50 nicht so ganz einfach. Zurück, mit Waffeln und Kaffee im Bauch, ging es dann aber. Das wenige Genörgel auf dem Rückweg haben wir dann abends mit Pizza gefeiert*, das war schön.

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Michel kam heute morgen um halb neun (neuer Zeit**) ins Schlafzimmer getapst und schreiflüsterte „PAPA! Papa, weißt du was? Ich hab die ganze Nacht in mein‘ eigen‘ Bett ‚eschlafen!“. Das war schon sehr niedlich. Also beides – die Tatsache an sich und die Aufregung, mit der er diese Nachricht überbrachte.

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Auto-Lobhudelei: Achja, achja, das Durchwurschteln geht weiter, ne? Und knapp 10.000 Schritte laut Handy***.

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*Falls Sie mal den „Perfekte Pizza„-Teig machen, aber mit Übernacht-Vorteig mit ca. 0,5 g Hefe, und dann morgens vergessen, die restliche Hefe reinzutun: das geht überraschend gut. Bisschen sehr unlocker ist der Pizzaboden dann, aber durchaus gut essbar.

**Ich hasse es ja, aber das ist ja kein Geheimnis und ich beschränke das Nörgeln auch auf diesen Satz, versprochen.

***Ich bin mir fast sicher, dass das bei den Schritten lügt. Herr Rabe hat mir einen Gutschein für eine Smartwatch oder einen Fitnesstracker geschenkt, ich werde das also vermutlich demnächst herausfinden und dann kann sich das Handy aber mal warm anziehen, ey!.

Tag 954 – So war’s (ohne Gnihihi).

Nun, also so war das gestern alles. In Langform.

Erstmal: ich habe geschlafen wie ein Stein. Ich habe nicht mitbekommen, dass Michel wohl nachts noch herumgetigert ist und auch nicht, das Pippi in unser Bett kam. Als der Wecker um sechs klingelte, war ich aber sofort wach. Und mein Kopf tat immernoch weh. Und in meinem Kopf sofort wieder Gedanken. Ahhhh! Ich stand also auf, nahm eine Ibuprofen und eine komplette Betablockertablette (sonst nehme ich ja eine halbe und auch erst nachmittags, aber man kann ja mal ne Nebenwirkung gezielt ausnutzen, wenn man abschätzen kann, wie stark die ausfallen wird. Der Arzt hat mir übrigens 1,5 Tabletten als Tagesdosis verschrieben, aber das befördert mich direkt in den Tiefschlaf.) und dann… machte ich erstmal Sport. Eigentlich war es ja eh noch viel zu früh für alles. Also Sport. Mechanisch alles mitgemacht, 35 Minuten, dann Duschen, Hautpflege, Kaffee, nicht denken, nicht denken, nicht denken. Schminken, nicht denken, Anziehen, Kaffee trinken, nicht denken. Irgendwann war es viertel nach acht, ich räumte meinen Kram zusammen, die Kinder waren auch wach, ebenso die Schwägerin, ich schaffte es sogar mit etwas Mühe einen Smoothie als Frühstück runterzuwürgen. Ich packte noch meine Schuhe ein und machte mich mit dem Bus auf zur Arbeit.

Um neun traf ich mich da mit meiner Freundin A., die sich für Kaffee und Ablenkung angeboten hatte. Das war super. Ich traf noch mit meinem Kaffee in der Hand die Opponenten vor dem Hörsaal, machte ein bisschen pseudo-entspannten Smalltalk (während ich an diesem Punkt am liebsten irgendwo in Ruhe hyperventiliert hätte und dann war es auch schon Zeit, den Laptop anzuschließen. Das machte ich, ich bekam auch noch einen Laserpointer von der Administratorin, der lief auch (zum Pointen jedenfalls, mit dem Mac wollte der auch nicht kooperieren), dann kam das Komitee herein und ich schüttelte nochmal offiziell alle Hände. Ich hatte noch Zeit fürs Klo und schaute im Spiegel in ein wohlgeschminktes Gesicht, dem man weder den flauen Magen noch die bohrenden Kopfschmerzen ansah. Gut. Also, naja, so mittelgut. Wieder im Hörsaal nahm ich eine weitere Ibuprofen und dann wurde ich in den Vorbereitungsraum gebeten. Da muss ich sagen, es fühlte sich an als würde ich zum Schafott geführt. Im Vorbereitungsraum sagte uns der Acting Dean dann, in welcher Reihenfolge wir in den Raum und aus dem Raum rausgehen müssen, wer wo sitzen soll und so weiter. Ich balancierte auf der äußersten Kante des Stuhls und hörte mich Witzchen reißen, nach außen voll locker und entspannt, Innen eher so „Ich kotz gleich vor Aufregung hier ins Waschbecken“. Ich sah ein paar Leute ins Gebäude gehen. Dann war es Zeit. Um 10:12 gingen wir runter. Der Komiteevorsitzende – Asbjørn, ein Opamäßiger, netter Typ, der das so ca. Alle drei Monate durchexerziert – sprach beruhigende Dinge, ich erinnere mich nur an „die meisten finden es hinterher eigentlich ganz schön“. Ich war mit der Kontrolle meines Magens beschäftigt und damit, auf meinen Schuhen nicht umzuknicken oder die Treppe runterzufallen. Vor der Tür wurde mir dann mitgeteilt, dass ich das Mikro über die Ohren machen müsse, wegen Dings, und meine Proteste von wegen Unbequem wurden einfach überhört. Das Mikro kam über die Ohren und die Brille obendrauf, die saß dann schief, aber tjanun. Um exakt 10:15 ging unsere kleine Prozession (Dean, 1. Opponent, 2. Opponent, Komiteevorsitzender, ich) dann in den Hörsaal, alle aufstehen, alle hinsetzen, alle auf die vorher angewiesenen Plätze. Der Hörsaal war jetzt relativ voll. Waahhh. Der Dean sagte seine magischen Formeln auf und dann hörte ich „R. Rabe? Please.“

Trial lecture. Das lief wie mehrmals geprobt. Im Prinzip jedenfalls. Mit mehr Aufregung. Und mit dem Bioinformatikprof in der fünften Reihe, der dauernd einschlief. Ich finde mich ja sachlich gut und korrekt, aber nicht sehr unterhaltsam, auch nicht sehr frei gesprochen sondern eher vorgelesen, aber, hey, egal. Genau 40 Minuten und 12 Sekunden redete ich.

Applaus.

Zwei Fragen von den Opponenten, die ich schon wieder vergessen habe. Alle marschieren aus dem Raum. Menschen kommen raus und umarmen mich und sagen Sachen wie „one down, one to go“ und „Good Job“. Mein Chef lobt die gute Zusammenfassung des Themas und die PI die Übersichtlichkeit der Folien und dann gehen wir Mittagessen. Ich stehe ein paar Meter neben mir. Was gab es zu Essen? Ich weiß es, ah doch: Penne Arrabiata. Mein Kopf hämmert. Mein Hals tut weh. Es soll jetzt schnell vorbei sein bitte.

Wieder im Hörsaal. Irgendein Mist ist damit dem Laptop passiert, ich sehe nur den sich drehenden Ball. Ich werde panisch und Herr Rabe übernimmt, ich muss wieder aufs Klo, und auch der Lippenstift will nach dem Essen dann doch mal gefixt werden. Der erste Opponent kommt und will seine Präsentation auf den Hörsaalrechner laden, das geht natürlich nur mit einem Zugang, also meldet sich die Administatorin eben an. Ich bin geflasht von der Tatsache, dass der ne Präsentation gemacht hat. Wow. Als die Präsentation auf dem Computer ist, gehen wir wieder raus und warten auf den Rest des Komitees. Jetzt geht es also um die Wurst. Der Dean kommt im Harry Potter Umhang. Zu meiner Defense. Ernsthaft, meine Defense. Wie verrückt ist das denn? („Sehr verrückt!“ antwortet mir mein schmerzender Schädel.)

Ich halte also auch den zweiten Vortrag. Es gehen Dinge schief. Bei einer Folie bei der ein Übergang von einem Bild aufs nächste sein sollte, geht das erste nicht weg. Bei einem Bild fehlt ein Teil. Ich gehe verhältnismäßig souverän damit um, nach außen jedenfalls, kein Beinbruch. Und hyperventilieren bringt jetzt auch nichts. Nach ziemlich genau 30 Minuten ist es vorbei. Ich atme. Applaus.

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Opponent 1 stellt Fragen. Gute Fragen. Die erste ist so simpel, dass sie mich fast aus der Bahn wirft, aber er – Vollprofi halt – stellt mich direkt zurück aufs Gleis und ab da diskutieren wir recht angeregt über die Thesis, die Paper und andere Paper, die vor kurzem herauskamen. Ich bilde mir ein, nicht die einfältigsten Antworten der Welt gegeben zu haben. Nach 45 Minuten ist es vorbei und wir machen eine kurze Pause.

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Ich nehme ein Triptan. Das hat ja alles keinen Zweck.

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Opponentin 2: fragt auch Fragen. Andere, aber auch gute Fragen. Während der 1. Opponent eher auf Demethylation herumgeritten ist, stellt sie Fragen nach den Effekten. Krankheiten. Funktionen. Auch sie fragt „Was glaubst du, wie das und das geregelt ist.“. Sie fragt aber auch, welches Experiment ich gerne noch in den Manuskripten gehabt hätte. Und was mein Plan ist. („Get a job?“ brachte zumindest Leute zum Lachen.). Irgendwann zwischendurch merke ich, wie mein Kreislauf wegsackt, weil das Triptan wirkt. Ich bleibe aber trotzdem stehen.

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Fertig. Gibt es Fragen aus dem Auditorium? (Hint: ich war noch nie bei einer Defense, bei der es eine gegeben hätte.)

Meine Schwägerin hat eine. Nämlich ob sowas in der Art auch eine Rolle bei oxidativem Stress spielen würde. Ja, natürlich. Oxidative Stress ist noch häufiger als alkylierender und macht auch Mutationen. Genau wie für alkyldamage haben wir für oxidierte Basen auch Reperaturpathways.

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Alle sind fertig. Applaus. „The committee will inform the Dean of the faculty about the outcome“. Ich will meinen Laptop abbauen, aber mir wird bedeutet, dass wir wieder ausmarschieren sollen. Wir gehen aus dem Raum.

Als erstes gratuliert mir der Acting Dean. Frau Doktor Rabe, sagt er. Gratulerer. Dann das Commitee. Ich sei ja ganz ruhig gewesen (haahahahahahaha). Super gemacht. Leute kommen aus dem Raum. Drücken mich. „Good Job!“ „You did very well!“ „Kjæmpebra jobba!“ sagen sie. Nach fünf Umarmungen könnte ich vor Erleichterung auch einfach losheulen.

Dr. Rabe.

Ist jetzt halt echt so.

(Und Feier und so verbloggen mache ich morgen, wenn mir nicht mehr die Augen zufallen.)