Tag 2116 – Dezentes Chaos.

„Mama?“ fragte Pippi heute, „Wie ist das, erwachsen zu sein?“ „Tja,“ sagte ich, “oft ganz schön anstrengend.” „Ja,“ sagte Herr Rabe, „man muss Steuererklärung machen.“ „Steuererklärung fristgerecht einreichen, ja, und manche kriegen davon anxiety und müssen erst mal ganz dringend ganz viele andere Sachen machen…“ und dann streckte mir Herr Rabe die Zunge raus.

Dann hörten wir die Lieder vom Skatteetaten, in denen besungen wird, dass man seine Steuererklärung machen soll: Money back on the skætt und Mo money back on the skætt. Wir beömmelten uns ein wenig über der Vorstellung, dass das Finanzamt so ein Video produzierte. Und dann kehrten wir zum Ernst des Lebens und der herskens skattemelding zurück. Frist ist heute, wir* machen es dann gleich, wenn die Kinder schlafen. Jaja. Hmmhmm.

Noch so ein Ding, was das erwachsen sein in 2021 ganz schön anstrengend macht: Coronaregeln. Allein heute wurden:

  • Die nationalen Regelungen beibehalten
  • Die regionalen Regelungen aufgehoben
  • Die lokalen Regelungen weitergeführt
  • Das Impfintervall für Comirnaty verdoppelt
  • Angekündigt, dass deshalb ab Juni alles viel besser(TM) wird
  • Angekündigt, dass es Öffnungen für Geimpfte (also Abwälzen der finanziellen Rettung bestimmter Branchen auf Geimpfte) demnächst dann ab drei Wochen nach der ersten Dosis geben soll.

Blick da noch wer durch.

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*Ich bin ja schon fast fertig, aber Herr Rabe… naja. Nicht so.

Tag 2115 – Just 2021 tings.

Heute hab ich zum ersten Mal seit langem wieder richtig Augenmakeup gehabt, mit Lidschatten und allem (ok, ohne Base, weil die eingetrocknet war). In der Kamera sieht das eh keine Sau und soooo weit ist es bei mir dann doch nicht her mit „ich mache das nur für mich“, als dass mir für die 10 Minuten morgens nichts besseres einfallen würde (schlafen zum Beispiel). Ich hatte aber ein externes Meeting und das Gefühl, ich bräuchte das ein bisschen um in den Modus zu kommen. Hat geklappt und ich war halt den ganzen Tag allein im Homeoffice ein bisschen extra hübsch.

Ebenfalls das erste mal seit sehr langer Zeit habe ich Kontaktlinsen getragen, aber nur abends für drei Stunden. Es ist nämlich wieder Sport, aber…

… draußen. Drinnen darf man noch nicht wieder „organisierte Freizeitaktivitäten“ für Erwachsene anbieten, draußen schon, für maximal 20 Leute. Ich habe also auch zum ersten mal seit Unisport wieder draußen in einer Gruppe Sport gemacht und überhaupt zum ersten Mal draußen getanzt. Erst Hip Hop, das ging ja noch, dann Modern, mit Handschuhen, damit wir nicht auf den kalten Asphalt packen mussten. Draußen vor dem Personaleingang auf der Rückseite des Einkaufscenters, zwischen Müllpresse und Elektroautoladestation. Es war trocken aber schon auch kalt, ja, aber auch schön. Ich fühl mich jetzt gut durchbewegt und gut durchgelüftet. Das alles mit einem um Größenordnungen besseren Gefühl als nach Training drinnen, was die Verantwortbarkeit der ganzen Aktion betrifft. Ich finde, solange es nicht aus Eimern schüttet, können wir das ruhig für die Dauer der Pandemie so beibehalten. Das werde ich auch so zurück melden.

Jetzt Bett, schon wieder so spät.

Tag 2113 – Piep.

Bin bei Michel eingeschlafen.

Heute:

  • Der Schrank ist jetzt fertig mit Licht und Leisten und Griffen und Spiegel innen und – hach! Bilder morgen.
  • Wir haben auch noch ein Waschmaschinen-Trockner-Dings bekommen, mit Schubladen zum Bedienen mit den Füßen.
  • Ich habe Lust, das ganze Haus innen tischlern zu lassen, muss aber erst im Lotto gewinnen.
  • Michel liest laut Lesebuch prima, muss ich mir wohl doch keine Gedanken machen.
  • Es ist wieder Kindertanzen (mal sehen wie lange) und in dem Einkaufszentrum, in dem die Tanzschule liegt, haben seit gestern wieder alle Geschäfte auf und es war bumsvoll dort. Ich fand nicht mal einen Parkplatz, bevor ich nicht drei mal im Kreis herumgekurvt war – mit Cardos, für den man ja nun keine große Lücke braucht. (Ja, wir lassen Pippi da hin gehen. Ja, wir töten damit sicher irgendwen oder züchten die neue Supermutation, aber meine/unsere Kraft, die einzigen superultrastrengen Eltern der Welt zu sein, war begrenzt und ist aufgebraucht. Unsere Inzidenz ist ok, wir ohne Impfberechtigung in den nächsten Wochen sind eh allen egal*, ich bin bei lmaa und lalala angekommen.)

*ja, macht für Geimpfte alles auf, was geht, viel Spaß, wir warten so lange draußen auf die Schnelltests, die man angeblich statt Impfung vorweisen kann (Sinn davon mal dahin gestellt) und von denen ich in Norwegen aber noch keine Spur gesehen hab, oder auf die Impfung halt, für die wir uns noch nicht mal auf Restelisten, die es auch nicht gibt, registrieren lassen können, weil wir alles dafür tun müssen, die Risikogruppen zu schützen, machen wir ja, seit über einem Jahr, und kriegen dafür noch in die Fresse. Doppelt und Dreifach. Wo die keine Angst mehr haben müssen, draufzugehen, kann der Rest sehen wo er bleibt, YOLO und „es ist rechtlich nicht haltbar, wenn Geimpfte weiter Einschränkungen erleben“ – guess what, genauso könnte man argumentieren, dass es rechtlich nicht haltbar war, dass wir alle letztes Jahr im März, April, Mai und ab Herbst wieder volle Möhre Einschränkungen erlebt haben, wo wir doch gar kein so hohes Risiko für Tod durch Covid19 haben. HABEN WIR TROTZDEM EINFACH GEMACHT DAMIT WIR KEINEN ANSTECKEN DER DANN DRAUF GEHT. Und jetzt wollt ihr ernsthaft die Arbeitsplätze in den Restaurants retten indem ihr sie öffnet? Verlogene Sch***e, man könnte ja zum Beispiel die Betriebe, insbesondere auch die Kulturbranche, denen wegen Corona Einnahmen entgangen sind, wirklich sinnvoll finanziell entschädigen. Stattdessen wird es nun auf den einzelnen Geimpften abgewälzt, den Konsum möglichst rasch wieder anzukurbeln, damit diejenigen, die hart an der Pleite langschrammen, aufhören zu nörgeln. Während der Großteil der Bedienungen in Restaurants, in Cafés, in Bars, Biergärten, und Verkäufer*Innen aller Art noch laaaaaaaaange nicht impfberechtigt sind. Wann fahren die in den „wohlverdienten Urlaub“? Ach ja, richtig, gar nicht, weil keine Impfung und seit über einem Jahr in Kurzarbeit oder Arbeitslos und gar keine Kohle dafür da.

Manchmal möchte ich allein im Wald leben, Gesellschaft ist nicht so meins, scheint mir. Zumindest die kapitalistische.

Rant over.

Tag 2112 – Keine Worte mehr.

Ich bin leer geredet. Heute schon wieder Meeting auf Dänisch, meine Gügll diglll Sprache. Meine Theorie ist: die Dänen verstehen sich selbst gegenseitig nicht, besonders Zahlen sind willkürlich aneinander gereihte Silben, die individuell mit Wert bemessen werden. Kamelåså.

Morgen auch noch mal, mit der Dänischen Behörde. Lä-ämigglllstyrlll heißt die, echt wahr.

Generell ist Montag immer Meeting-Tag und ich fand das heute sehr nervig. Ich will nicht sieben Stunden lang nahezu ohne Unterbrechung in einen Bildschirm starren. Will nicht will nicht will nicht.

Nebenbei hab ich in der Weltgeschichte herumtelefoniert und beispielsweise Medikamentierungsfragen, die beim Lesen von Beipackzetteln so auftauchen können, beantwortet bekommen. Seit ich viel mit PharmazeutInnen zusammen arbeite, habe ich zwar eine gewisse Skepsis, was die Kenntnis von Mediziner*Innen über Wechselwirkungen angeht, aber dies war eine Frage, die sich mit Erfahrung >> 1 Patientin* sicher lösen lässt, nichts spezielles**. Eine Antwort bekam ich dann auch schnell und bin beruhigt.

Bitte lesen Sie immer die Packungsbeilage und bewahren Sie diese auch auf, bis das Medikament aufgebraucht oder abgelaufen ist. Abgelaufene Medikamente sollte man nicht mehr nehmen, die kann man zur nächsten Apotheke bringen, da werden sie entsorgt***.

Hilfe, alle Sätze sind schon ganz schief, ich muss die Augen zu machen.

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*also Leute vom Fach statt mir

Und Dr. Google hilft nur in seltensten Fällen überhaupt, aber bei Schilddrüsensachen noch mal weniger. Vielleicht ist das ja ein bisher unerkanntes Schilddrüsensymtom: nervtötender Diskutierdrang mit Schwurbelneigung.

***ohne Gewähr, dass sich in Deutschland diese Praxis nicht in den letzten 7,5 Jahren geändert hat oder dass wegen Corona alles nur in mehreren Lagen reinraumgerechten Einwegmaterials**** verpackt abgegeben werden kann.

***Ich bin heute über einen ISO-Standard zu Tests und Akzeptanzkriterien für die Überprüfung der Versiegelung schlusssterilisierter Medizinprodukte gestolpert. Wir leben in aufregenden Zeiten.

Tag 2111 – Durchgepustet.

Wo sich ein Bollogg hinsetzt, wächst tausend Jahre kein Nattifftoffenmoos mehr.

Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär

Wir waren den halben Tag draußen, es war Sonnenschein bei 8 Grad versprochen, es kam die meiste Zeit bewölkter Himmel und irgendwelche Grad, die sich wegen eisigem Wind anfühlten wie -3. Brrrr. Es war voll (ein beliebtes Ausflugsziel für Familien), bumsvoll, um genau zu sein, aber dank des ständigen Windes kann sich da kein Aerosol irgendwo gehalten haben und abgeleckt haben wir niemanden. Da war auch ein ganz toller “Kletterpfad” für Kinder, über den sich eine kleine Prozession von Kindern schob (hangelte, balancierte, kletterte…), das war schon sehr schön. Michel hatte lange ein paar Baustellen, was Balance angeht, das hat sich aber offenbar inzwischen gegeben, das finde ich sehr erfreulich.

Vor lauter frischer Luft und Menschen in 3D möchte ich jetzt gerne ins Bett gehen, ganz sofort. Michel schläft schon, der war auch platt nach dem Ausflug.

Aber schön war’s. Nächstes Mal nur gerne in etwas wärmer.

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Vermelde: bei Pippi ist der erste bleibende Backenzahn durchgebrochen. Immerhin noch nicht alle vier, wie bei Michel, als ich dann auch mal bemerkte, dass da was im Gange war. Natürlich erklärt „wackeln die Zähne, wackelt die Seele“ vieles, Herr Rabe und ich haben auch generell viel Verständnis, dass es schwer ist, 5 3/4 und bald ein Schulkind zu sein, aber uffuffuff lass es einfach bald vorbei sein. Bitte.

Tag 2110 – Kleine Rundreise.

Der Antrag auf norwegische Staatsbürgerschaft liegt jetzt bei den zuständigen Behörden. Die Kopien wurden alle auf ihre Korrektheit geprüft, ich wurde sehr eingehend gemustert, ob ich wirklich die Person auf dem Passbild bin (ich hätte mich vielleicht schminken sollen…) und ich musste kurz das mit dem „Geburtsnamen“ erklären und dass ich jetzt wirklich nicht mehr so sondern nur noch Rabe heiße. Für den Notfall hatte ich auch unser Stammbuch dabei, um solche Dinge, wenn auch auf deutsch, belegen zu können, das war aber nicht nötig. Insgesamt dauerte der Termin ca. 10 Minuten und war Infektionsschutzmäßig so gut wie sowas sein kann. Es waren 2 Beamtinnen bei der Arbeit, jede in ihrer Luke, dazu waren die am weitesten voneinander entfernten Luken ausgewählt worden. Es durften nur 2 Personen in das wirklich geräumige Lokal, eine Sicherheitspersonal achtete darauf, dass der Rest draußen wartete, dass alle einen Termin hatten, dass man die Maske trug, die Hände desinfizierte und Abstand hielt. Alle Angestellten trugen Maske, trotz Plexiglasschutz (looking at you here, Ahus) und als mir die Beamtin meine Originaldokumente zurückgegeben hatte und ich alles eingepackt hatte, desinfizierte sie ihren Schreibtisch und die Ablage, auf der ich meinen Kram gehabt hatte. Besser wäre vielleicht noch draußen gewesen, aber das macht bei 5 Grad jetzt eher nicht so viel Spaß für die Angestellten.

Weil ich dann ja eh fast in Oslo war, fuhr ich noch die reparierte Felge abholen. Sieht aus wie neu, war aber teuer genug, als dass ich in Zukunft besser aufpasse. Dann können wir tatsächlich planmäßig Anfang Mai auf Sommerreifen wechseln.

Und weil ich dann ja eh in Oslo war, fuhr ich kurz zur Arbeit, um im dortigen W-LAN vom Auto aus ein Passwort zu ändern, das hatte ich letzte Woche vergessen und nichts ist schlimmer, als wenn 3 von 4 Passwörtern (planmäßig) gleich sind, nur eines ist noch das alte.

Auf dem Rückweg fuhr ich in Jessheim ab, denn der Lieblings-Blumenmarkt/-Pflanzschule hat seine Fläche verkleinert um wenigstens die nicht haltbaren Frühlingsblumen verkaufen zu dürfen. Und alles, worüber ich mich bei der Polizei gefreut hatte, wurde durch winzige Mundvisiere bei den Angestellten zunichte gemacht. Danke, Merkel FHI, dafür dass du weiterhin Aerosole leugnest, was solche schlechten Witze von Infektionsschutz in der Vorstellung einiger Leute okay macht. FU.

Nun ja und weil ich dann ja eh in Jessheim war und es inzwischen drei war und ich zur Apotheke musste, die in unserem Kaff aber um drei schließen, ging ich im pseudo-geschlossenen Einkaufszentrum (das Zentrum selbst hat auf, aber die meisten Geschäfte nicht, außer für Click&Collect. Apotheken aber schon.) in die Apotheke und weil ich dann eh im Einkaufszentrum war und es da einen Drop-In-Friseur gibt, der quasi in einem Flur liegt, ging ich 15 Minuten später von einem guten Teil der Haarmassen auf meinem Kopf befreit zurück zum Auto.

Man muss echt nicht lächerliche Menschenwürde-Argumente dafür heranziehen, aber sich frisiert fühlen ist schon sehr schön, muss ich sagen. Herr Rabe hat grad nicht so viel Zeit und Muße mir die Haare zu schneiden, der braucht auch ein bisschen mehr als 15 Minuten dafür (hat das ja auch nicht gelernt, im Gegensatz zu den Friseur*Innen dort). Was aber nicht so schön war: Haare überall, jetzt neu auch auf der Maske und am Rand zwischen Maske und Gesichtshaut pieksend. Ich war froh, als ich wieder am Auto war und mir das jetzt juckende Ding vom Gesicht reißen konnte.

Abschweifung: ich bin ja generell ein ehrlicher Mensch und ich kann das nicht beschönigen: ich finde das Maske tragen nicht sonderlich schön. Und zwar im Grunde egal welche, aber FFP2 ist noch nen Tacken unangenehmer. Ja, ich mache es natürlich trotzdem, immer und ordentlich, aber ich glaube nicht, dass ich zu denen gehören werde, die Post-Pandemie einfach weiter Maske tragen werden, weil das ja überhaupt gar kein Problem ist und vor allem und weiß nicht was schützt. Hmm, ja, vielleicht im Flugzeug, aber nicht in jedem Laden, in jedem Café, im Bahnhof während ich versuche, den Zug zu erwischen… da brauche ich widerstandsfreien Luftfluss in meine Lungen. Alternativ brauche ich deutlich mehr Zeit, damit ich nie schneller Atmen muss als sagen wir mal im Wartezimmer sitzend, bessere Ohren, damit ich Leute auch trotz Maskenuscheln noch verstehe, sowie eine Augenoperation, bei der mir automatisch verdunkelnde Linsen eingesetzt werden, weil auch Sonnenbrillen beschlagen, durfte ich lernen.

Das alles entschuldigt keine Maskenverweigerung und Kinn-Spuckschütze WÄHREND der Pandemie. JETZT GRAD ist es das mindeste, was man tun kann, um nicht mit etwas Pech am viel viel unangenehmeren Respirator zu landen. Aber ich bin froh, wenn man das nicht mehr muss. Ich bin auch froh, wenn man wieder ins Café gehen und dort seinen Kaffee trinken darf, statt ihn draußen frierend zu trinken oder das ganze gleich ganz zu lassen und damit dafür zu sorgen, dass die Cafés endgültig pleite gehen.

Pandemie stinkt und soll weggehen.

Tag 2109 – Schockschwerenot.

Ich konnte mich heute grad noch so zusammenreißen, dem Lieblingskollegen nicht folgende Nachricht zu schicken:

„Danke, dass du mich vorgewarnt hast, was mich bei dem Meeting erwartet, „Danke“, dass du das erst 30 Minuten vor dem Meeting getan hast.“

Frag mich was sowas soll, wollte der mich ins Messer laufen lassen? Das wär fast schief gelaufen, ey.

Mit 30 Minuten Vorbereitungszeit saß ich also heute als Expertin (jaha!) in einem Meeting mit allen möglichen anderen Inspekteur*Innen und Assessor*Innen aus ganz Europa und bekam unfassbar fancy innovatives Zeug präsentiert und sollte theoretisch dazu irgendeine Meinung aus Inspektørperspektive haben, haha. Praktisch war es nicht nötig, meine Meinung zu äußern oder Fragen zu stellen, weil andere schon meine Meinung äußerten und die Fragen stellten, die ich sonst hätte stellen wollen. Ich war auch nicht die einzige Teilnehmende, die das ganze Meeting über einfach mal gar nichts sagte, insofern kann mir auch das niemand ankreiden.

Ich gedenke aber, meinen Kollegen das Wochenende über in der diffusen Befürchtung zu lassen, dass ich irgendwas Dummes gesagt und die ganze Agency und ihn persönlich blamiert haben könnte. Aus Rache dafür, dass er mir das so spät mitgeteilt hat, auf was ich mich da ganz blauäugig eingelassen habe.

Davon ab war es eine reine Wohltat, nach drei Tagen Konferenz auf Englisch mit zum Teil (leider nicht zu einem kleinen Teil…) grotesken deutschen Akzenten mal andere und vor allem weniger ausgeprägten Akzente zu hören. Im Ernst, liebe Deutsche: bitte bemühen Sie sich doch wenigstens ein bisschen um okaye Aussprache und Grammatik und übersetzen Sie möglichst wenige Redewendungen wortwörtlich, die versteht nämlich niemand. „The minuspoint is…“ existiert im Englischen nicht, um nur eines von sehr vielen Beispielen aus drei Tagen Konferenz zu nennen.

Alle haben Akzente, aber manche viele einige viele (zum Verkauf und/oder Präsentieren ausgewählte!) Deutsche hören sich wirklich leider an wie eine Satire über Deutsche, die Englisch sprechen. Bitte, bitte, machen Sie das nicht. Wenn für nichts anderes, dann meinen sich rollenden Fußnägeln zuliebe. (Und bevor jemand mit dem Argument „wir hatten ja nix! Damals, nachm Kriech! Nich mal gescheiten Englischunterricht!“ kommt: da sind auch wirklich viele Leute meines Alters bei, bei denen ich mir vorstelle, wie mein früherer Englischlehrer weinend in der Ecke sitzt.)

Tag 2108 – Fertig konferenzt.

Jöss, das war anstrengend. Aber heute war es auch ein bisschen schön, ich war nämlich ein paar Stunden ganz allein zu Hause. Herr Rabe war im Büro, der ging hier zu Hause langsam ein nach mehreren Monaten strikten Homeoffices. Ich kann das verstehen, ich bin gestern fast in Tränen ausgebrochen, weil wegen der Pandemie eine geplante Inspektion geplatzt ist. Bis ich meine Kolleg*Innen also in 3D wieder sehe, ist mindestens Juni und dann sehe ich maximal 2 von denen. Herr Rabe hat heute auch 2 gesehen, nämlich seine beiden Chefs.

Es saugt.

Was war noch? Ich war bei meiner Hausärztin. Sie ist endlich wieder da, keine Vertretungen mehr, und ich hatte das erste mal ein wirklich langes Gespräch mit ihr. So blöd die letzte Vertretung war, ich glaube, das mit der Hausärztin könnte was werden. Sie bestätigte jedenfalls, dass es saugt, alles, dass alle langsam oder schon lange „auf der Felge laufen“ und dass das auszusprechen nicht heißt, dass man depressiv ist und eine Angststörung hat, wie ihre Vertretung mir nach einem kurzen Gespräch bescheinigt hatte, was ich aber nur zufällig herausfand und ziemlich explodierte und den heutigen Termin ausmachte. Aber lassen wir das, ich bin für jetzt grad offiziell nicht depressiv diagnostiziert. (Das ist ja wie mit nem Coronatest, bloß weil ich jetzt nicht depressiv bin und auch zum Zeitpunkt des Gespräches mit der Vertretung nicht war, heißt das ja leider nicht, dass ich in einer Woche oder einem Jahr nicht depressiv sein kann.)

Ich finde allerdings immer noch bedenklich, dass einer Leute auf die ehrliche Antwort auf „wie geht’s“ gleich ne Depression bescheinigen. Weil, ich meine, es ist halt einfach alles grad scheiße, was kann ich dafür, muss ich mich halt mit arrangieren, aber schön macht es das nicht. „Es ist Pandemie, meine Oma und Schwiegermutter sind gestorben, meine Mutter war bis vor kurzem im Krankenhaus, mein Schwiegervater ist alt, wir wissen nicht, wann wir überhaupt mal wieder nach Deutschland können, wir müssen ständig umplanen, rotes Niveau, niemanden treffen, Inzidenzzahlen, Reproduktionszahlen, Impfraten, Impfpläne, Impfpässe, Öffnungspläne, Schnelltests, Pandemie, Leute sterben, Pandemie, Pandemie. Könnt besser sein, muss ich sagen. Ist alles ein bisschen viel.“ – „Aha, Depression und Angststörung.“ wtf. Aber liegt ja auch nahe, bei meiner Vorgeschichte als schwer traumatisiertes Kind (oder so, fragen Sie mich nicht, ich hab nur Fragen zu meiner Familie beantwortet, was soll ich machen, lügen?). Grrrrrrr.

Und wenn’s so wäre – warum wurde mir keine Behandlung dafür angeboten?

Die Frage ist eigentlich die wichtigste.

Tag 2107 – 2106 Absurditäten recap.

Außer der online-Konferenz waren gestern drei bemerkenswerte Dinge.

1. Online-Ärztinnentermin mit der Endokrinologin aus dem Krankenhaus. Endlich. Der Chirurgentermin ist ja inzwischen auch einen Monat her. Die gute Nachricht: ich bin nicht hypo. Ich fühl mich zwar so, aber es ist ja auch Frühling und Pandemie und Sommerzeit und all so Kram, da kann man schon mal müde sein bei ganz normaler Stoffwechsellage. Die schlechte Nachricht: die Chirurgie hat da halt mal einfach die Richtlinien geändert, ohne das der Endokrinologie mitzuteilen und will jetzt alle Patient*Innen mit Graves auf Block&Replace haben, bevor sie operieren. Ja gut, hätte die Endokrinologin das gewusst, hätte sie das ja schon viel früher eintüten können. Die Endokrinologin ist davon allerdings gar nicht mal so angetan, weil sie sagt, es gibt dazu keine guten Studien und ich bin ja auf einer Erhaltungsdosis Schilddrüsenblocker stabil euthyreot, warum also daran mehr herumdoktern, als sein muss? Naja, weil die Chirurgen das halt so wollen und deshalb machen wir das jetzt. Gestern habe ich die Dosis der Blocker verdoppelt, nächste Woche fange ich mit Thyroxin an, dann Mitte Mai wieder Termin mit der Endokrinologin, online. Online Sprechstunden topp, Rest – äh. Spitzen Kommunikation da in einem der größten Krankenhäuser Norwegens.

2. Mail- tüdelümm: „Hier die Polizei. Sie hatten einen Termin zur Abgabe Ihres Antrags auf norwegische Staatsbürgerschaft, der aufgrund der Pandemie abgesagt werden musste. Wir haben einen neuen Termin für Sie, bitte kommen sie nächsten Samstag.“ woraufhin ich ein wenig hektisch checkte, ob mein Polizeiattest eigentlich noch gültig ist, ich hätte nämlich keine Chance, bis Samstag ein neues zu organisieren. Aber ja, es ist noch gültig. (Fragen Sie mich bitte nicht, warum ich bei der Polizei ein Polizeiattest abgeben muss.)

3. Online-Vorbereitungstermin zum online-Elternabend von Michels Klasse. Man merkt, dass die Lehrerinnen nicht so viel Erfahrung mit Teams haben (hier haben ja aus politischen, ansonsten nicht nachvollziehbaren Gründen, die Schulen nahezu Inzidenzunabhängig auf und Fernunterricht in der Grundschule kommt nicht in die Tüte. Man merkt auch, dass die Schule das nicht hat – die Schulleitung hat vorgegeben, dass es keine Diskussion auf dem Elternabend geben soll, keine spontanen Wortmeldungen, das sei, bei der zu erwartenden Anzahl Teilnehmender, zu unübersichtlich. Ich sag mal so – wenn da 25 Leute kommen, wäre das viel. Warum soll man da denn nicht diskutieren oder generell was sagen können? Kann sich die Schule nach einem Jahr Pandemie immer noch nicht mal ansatzweise vorstellen, dass einige von uns den ganzen Tag zu Hause sitzen und da die selbe Arbeit machen wie vorher, nur in Socken und Jogginghosen??? Ich möchte behaupten, dass die Schnittmenge zu denjenigen, die an einem online-Elternabend teilnehmen möchten, relativ groß sein dürfte. Wobei das Interesse nach der Ansage auch ordentlich sinken dürfte, denn weshalb sollte man denn dann da auflaufen? Um sein Gesicht zu zeigen und zu signalisieren, dass man sich für sein Kind interessiert (hier Augenrollen denken. Selbiges kann ich auf hundert sinnvollere Arten tun, gleichzeitig kann ich prima Interesse heucheln, indem ich öffentlichkeitswirksam zum Elternabend gehe, mich aber zu Hause für das Kind nen Scheiß interessiere. Aber das nur am Rande.) und sich das ewig gleiche Geseier über das Anti-Mobbingkonzept anzuhören, das in der Praxis unterirdisch zu funktionieren scheint. Wäre ich nicht Elternvertreterin, ich würde den Abend wohl anders verbringen.

Nun denn, genug aus Absurdistan berichtet, jetzt fix schlafen.