Tag 568 – Klarkomm-Update. 

Ich komme weiterhin klar, aber es ist anstrendend. Alles kommt mir anstrengend vor. Am Besten geht noch Laborarbeit, da brauche ich nämlich mein Gehirn nicht (klingt jetzt für Sie womöglich komisch, aber für mich ist das allermeiste davon wie Autofahren: man blinkt und bremst und kuppelt und macht Scheibenwischer an und aus, da denkt man ja auch nicht mehr drüber nach). Hirnarbeit aber zieht sich wie Kaugummi weil meine Konzentration einfach noch echt schlecht ist. Heute zum Beispiel hatte mich mein Chef gebeten, meine Versuchsplanung mal zu verschriftlichen, und damit meinte er (leider) kein Gekrakel auf Papier. Ich brauchte zweieinhalb Stunden für ein Flowchart und eine grobe Seite Erklärungen dazu. Musste immerimmerimmer wieder die gleichen Sachen nachgucken. Musste mich sehr zusammenreißen, nicht doch nochmal die Grundlagen zu checken, vielleicht habe ich ja was übersehen, nicht bedacht, falsch erinnert. 

Insgesamt bin ich grade sehr froh, dass ich vermutlich bis Ende nächster Woche meine Zeit im Labor verbringen darf. Und dann geht’s los in die USA. (Das zu organisieren fällt mir lustiger Weise gar nicht schwer, ich habe mein Poster jetzt hier, ich habe Visitenkarten, ich überlege noch, Handouts vom Poster zu machen (vermutlich nicht, Geheimhaltung wird ja nicht grad einfacher, wenn man den Leuten das Geheimzuhaltende auf Papier gedruckt mitgibt), ich habe mir ein iPad Pro zum Abholen im Laden bestellt, habe dabei wunderschöne Schuhe gesehen, ich weiß jetzt grob, wo es Make-Up von welchen Marken zu kaufen gibt, ich habe beim Hotel angefragt, ob die für mich Päckchen annehmen würden, falls ich was bestellen würde… kurz gesagt: läuft!) Und danach mal sehen, da mache ich mir jetzt jedenfalls noch keinen Kopp drum. 

Tag 567 – Knoten geplatzt.

Pippi lernt im Moment in einem rasenden Tempo neue Wörter und Sprechen im Allgemeinen. Was sie jetzt kann:

  • Mama, Papa, Michel*, Pippi*
  • Ja, Jaaaa!, nein, neineinein, Oh neiiiin!
  • Blablabla
  • Hallo!, Ha det! (Tschüss)
  • Mjamjam, Omnomnom
  • Chhhrrrrpschschsch (Fake-Schnarchen)
  • Uiuiuiui
  • Yeah!
  • Okay.
  • fals (falsch)
  • heiß
  • Eis
  • Kaffee
  • Ahne (Sahne)
  • Guga (Kuchen)
  • Det er (das ist)
  • Aua
  • litt Aua (kleines** Aua)
  • vent litt (warte kurz)
  • ryddetid (Aufräumzeit)
  • Bäbi (Bärchen)
  • Gocka (Socken)
  • Gua (Skoa, Schuhe)
  • Gagagei (Papagei)

Außerdem diverse Lieder oder Teile davon, aber erstaunlich Melodie- und Rhythmussicher (viel mehr als Michel):

  • Bææ, bææ lille lamm
  • Mikkel rev
  • Her er jeg (Fingerspiel)
  • Hjulene på bussen (the wheels on the bus)
  • Lille Petter edderkopp
  • Juba, juba

Die kleine Maus wird groß, wie schön <3

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*natürlich sagt sie die richtigen Namen

**=nonexistentes, das hat sie sich von Michel abgeguckt

Tag 566 – Heimaturlaub in Planung. 

Wir wollten die ganze Zeit, als meine Schwägerin da war, unseren Heimaturlaub über Ostern planen. Wie das so ist, klappte das natürlich nicht. Aber als sie heute Nachmittag gefahren war, da setzten wir uns endlich daran. 

Diese Flug-Geschichte mit Norwegian regt mich immer noch sehr auf. Deshalb musste Herr Rabe mitentscheiden und mitmachen bei der Planung, so Frust-induzierende Dinge kann ich gerade nicht alleine tun. Es wurden also gemeinsam Dinge beschlossen:

  • Wir fahren mit dem Auto. (Ja. Hahaha.) 
  • Wir fahren mit der Oslo-Kiel-Fähre, lieber 20 h auf dem Boot als 10 h Gegurke durch Dänemark. 
  • Wir fahren am 9. April mit dem Boot. Am 8. April fahren wir hier los und übernachten bei unseren Freunden in Oslo*.
  • Am 20. April geht es zurück, am 21. übernachten wir wieder in Oslo. 
  • –> praktisch: so können wir es vielleicht so hinbekommen, dass ein Großteil der Bauarbeiten am Wassertank, den Rohren, der Elektrizität und dem ganzen illegalen Mist noch in unserer Abwesenheit erledigt wird. 

Glauben Sie’s oder nicht, aber fliegen wär fast genauso teuer gewesen, erst recht wenn wir dann noch ein Auto samt Kindersitzen hätten mieten müssen. Und dafür haben wir das Auto ja auch. 

Trotzdem brauche ich ob des Preises für den Spaß gleich noch einen Gute-Nacht-Tee mit Schuss. 

*den Plan hatten wir leider ohne die Freunde gemacht, die sind da nämlich noch gar nicht wieder da. Aber wir dürfen trotzdem in ihrer Wohnung übernachten (Danke :*) und besuchen dann halt zwecks Schlüsselübergabe am Nachmittag/Abend unsere anderen Freunde in Oslo. Und auf dem Rückweg sind sie dann ja wieder da.

Tag 565 – Es ist an der Zeit. 

Heute morgen wachte ich mit Migräne auf. Richtiger, handfester, nach Triptanen verlangender Migräne. Ich nahm eine Tablette, quälte mich durchs Frühstück und ging wieder ins Bett, um die Wirkung abzuwarten. Inzwischen war mir auch schlecht. Ich schaffte es irgendwie eine Dreiviertel Stunde zu dösen und danach waren die Schmerzen weg und die Übelkeit auch, jedenfalls in der Stellung, in der ich gerade lag und im abgedunkelten Raum. Ich verharrte noch eine ganze Weile in ebender Stellung. Dann fühlte ich mich sicher genug um aufzustehen. Inzwischen war es 12 und der halbe Tag also rum. Und den Rest des Tages verbrachte ich mit Migränekater: Kreislauf, Schwindel, allgemeine Schlappheit und Müdigkeit. Toller Samstag. 

Mal ehrlich: das ist kacke. Das habe ich wieder mindestens einmal im Monat mindestens so. Und deshalb werde ich beim nächsten Deutschlandbesuch  wieder die guten freiverkäuflichen Triptane besorgen (tatsächlich das einzige was mir hilft. AspirinParacetamolKoffein bringen bei mir weder einzeln noch in Kombination was) und außerdem dem Hinweis einer Twitterin nachgehen und das hier machen lassen. Das ist unwissenschaftlicher Bullshit und funktioniert sicher nicht. Oder doch. Placeboeffekt olé. Ich habe früher, als ich noch kein Hardcore-Verfechter der evidenzbasierten Medizin war, auch schon ganz tolle Placeboeffekte von „richtiger“ Akupunktur gehen Migräne gehabt. Ich hatte sogar mal an der Stelle einen Dauer-Akupunkturstecker, den ich mit einem Minimagneten immer mal wieder „aktivieren“ konnte. Auch da: super Effekt! Der Placeboeffekt ist mächtig in mir! 

Und was das allerwichtigste ist: ich finde Piercings an Stellen im Ohr, die nicht jede*r so hat, auch einfach schick. Und das letzte Piercing (ein Microdermal in der Halsgrube) ist auch schon über 10 Jahre her. Da könnte man ja schon mal wieder…

Mein allererstes Piercing. Bald wird es 17 Jahre alt. Dafür habe ich ewig auf meine Mutter eingeredet. E-wig.


Mein schmerzhaftestes Piercing. (Abgesehen von dem Microdermal, das war echt Folter.) Mit Schwung durchstechen ging da nicht, der Piercer „schraubte“ langsam die Nadel da durch. Ich sach mal so: es gibt schöneres. Aber schick finde ich es schon nach wie vor.

Tag 564 – So schön!

Wir hatten einen richtig tollen Tag, meine Schwägerin ist da, es gibt endlich mal wieder Schnee, wir waren rodeln, haben einen Schneemann gebaut und dann haben wir Kuchen gebacken und lecker gegessen und jetzt liegen wir alle im Bett und sind satt und platt und glücklich und zufrieden. 

Tag 563 – Ich weiß nicht, ob Sie’s schon wussten…

… aber ich liebe meine Kinder wirklich sehr. Und wenn die weg wären gäbe es für mich wohl drei Möglichkeiten: a) retrograde Amnesie über >5 Jahre, damit ich mich gar nicht dran erinnern kann, jemals Kinder gehabt zu haben. b) sterben. c) irre werden und dann sterben. 

Heißt nicht, dass die nicht auch manchmal nerven, mich manchmal auch schier in den Wahnsinn treiben, ich manchmal vor lauter Verantwortung das Gefühl habe, mich kaum rühren zu können. Insgesamt bleibt einfach das Gefühl, dass sie mein Leben sind. Der Spruch „Kinder zu haben, heißt, sein Herz für immer außerhalb des eigenen Körpers herumlaufen zu lassen“ (oder so ähnlich, Quelle: schlechtes Gedächtnis und irgendwas auf Facebook) trifft auf mich 100%ig zu. Meine Kinder stehen nicht an erster Stelle, sie sind die Stelle. Wenn ich mich wegwünsche, dann mit ihnen zusammen und an einen Ort, an dem es (primär) ihnen gut geht. Das ist vielleicht die größte Veränderung, die ich mit dem Mutter-werden durchgemacht habe: ich und die Kinder, wir sind eine Einheit. Ich würde für die zwei alles* tun. Nicht weil ich muss, weil ich die eben durchbringen muss bis sie 18 sind, sondern weil es einfach so ist. Weil das was da ist noch viel viel mehr ist, als ich je wusste, das man für einen anderen Menschen empfinden kann. Und viel mehr, als ich mit Worten beschreiben kann. 

Ihr zwei. Ihr seid mein Leben. 

(Morgen blogge ich dann wieder vorm Wein und nicht danach.)

*ja, alles. 

Tag 562 – Yeah!

Ich kam klar und machte das Poster fertig! Fertig! Hurra! 

Als ich grade dachte, ich wäre fertig (so um eins) kam meine Kollegin (die, der ich jetzt immer meinen Tagesplan mitteile) herein und schaute mir über die Schulter. „Hmm, schick!“ meinte sie und dann „Aber der Text muss weg. Das liest kein Mensch. Also ich jedenfalls nicht.“. Tja. Da hat sie ja recht. Ich lese Poster mit so viel Text wie eben draufgeht auch nicht. Also speicherte ich eine Version, duplizierte sie und benannte eine Version um in „PosterGRCstichpunkte“. Aus der schmiss ich, bis auf die Einleitung, alle Texte raus und machte Stichpunkte daraus. Radikal. Zeitaufwand: ca. 30 Minuten und ich muss sagen, 30 sehr sinnvolle Minuten. Es ist echt viel besser mit weniger Text und mehr Luft und kondensierterer Information. Jetzt bin ich wirklich zufrieden*. Die neue Version schickte ich an meine Kollegin, bekam ein Daumen-hoch-Emoticon zurück und dann schickte ich beide Versionen an meinen Chef. Als der fragte, welche Version er denn öffnen solle, entschied ich mich direkt für die Stichpunkte-Version. Er fand einen typo (direkt alkylation by…), wir schnackten noch kurz über die allerallerallerneuesten Ergebnisse, die es jetzt nicht mehr aufs Poster schaffen, aber vermutlich in den Artikel, dann war es Zeit für ein Meeting (hätte ich mir sparen können/sollen, ich war so ausgelutscht, dass meine Gedanken überall waren, nur nicht bei der Sache) und zu Hause angekommen half mir Herr Rabe dabei, das Poster bei der Druckerei hochzuladen**.

Also: es ist vollbracht und ich habe mir jetzt die zwei Tage Urlaub auch redlich verdient, finde ich. 

*Ich würde es Ihnen echt gerne zeigen, aber das könnte möglicherweise gegen irgendwelche Geheimhaltungsdinge verstoßen und naja, bis zur Konferenz können Sie sicher warten, oder?

**kurze Verwirrung wegen der Größe: die Konferenzveranstalter schrieben was von 4 x 5,5 feet. Das wäre 2A0. Die Unidruckerei druckt aber nur bis A0. Und 2A0 ist auch einfach mal absurd groß. Das Poster wäre dann fast so lang wie ich. Und um das zu lesen, was unten steht, müsste man sich bücken. Neenee. A0 it is. Man muss ja den Aufsteller nicht komplett ausfüllen. 

Tag 561 – Platt. 

Auch heute kam ich klar. 

Wesentlich dazu beigetragen hat wohl, dass ich zu Fuß zur Arbeit und wieder zurück ging, jeweils so etwa 30 Minuten. Danach ist der Kopf schön leer, das ist sowohl für halbwegs konzentriertes Arbeiten als auch für einen entspannten Feierabend hilfreich. 

Das Poster wird langsam. Bei ShareLaTeX gibt es inzwischen unheimlich viele Vorlagen für alles, was man in LaTeX* machen kann (also alles außer Kaffee kochen). So auch mehrere Poster-Vorlagen. Hurra! Nach stundenlanger ein bisschen Bastelei mit den Corporate Farben der Uni (NTNU-blau ist CMYK 100,75,0,5, falls Sie das auch so brennend interessiert, wie mich) hatte ich ein Design, dann bastelte ich die Abbildungen hinein und dann soweit meine Konzentration reichte noch Text dazu. Der Rest (hauptsächlich bei drei Abbildungen das „blablablabla hier muss Text hin blablabla“ durch echten Text ersetzen und die Einleitung noch mal umschreiben, die gefällt mir noch nicht) ist morgen gut machbar. 

Ich merke, dass es nicht so der Knüller ist, 7,5 Stunden lang auf einen Punkt ca. 40 cm vor meinem Gesicht zu starren. Es fühlt sich an, als hätte ich einen Krampf in den Augenmuskeln. Sehr unangenehm und leider auch Kopfschmerz-induzierend. Außerdem bin ich nach einem kompletten Arbeitstag auch echt platt und möchte eigentlich nur noch ins Bett. Genau das mache ich deshalb jetzt auch: ins Bett gehen. 

*kleine Anekdote zum Thema „Ich lasse mir nicht helfen und schon gar nicht von Herrn Rabe“: nachdem ich meine Bachelorarbeit noch in Word schrieb und deswegen am Tag vor der Abgabe fast einen Nervenzusammenbruch hatte, lag mir Herr Rabe in den Ohren mit LaTeX und dass ich das doch lernen solle. Ich sagte immer „hmmhmmm, jaja…“. Als ich dann, ein Jahr später, in meinem Stockholmer Wohnheimszimmerchen saß und einen Projektbericht schreiben sollte, brachte ich es mir selbst bei. Herrn Rabe erzählte ich nichts davon. Kein Wort. Erst Monate später, bei einem anderen Bericht, ließ ich nebenbei fallen, dass ich noch überlege, ob ich dafür mal eine KOMA-Klasse** ausprobieren solle. Hähä. 

** Schwer zu erklären. Eher für Bücher. Variabler als normale LaTeX-Dokument-Klassen. Aber auch ungleich komplizierter, weil es eben mehr Optionen gibt. Schlussendlich schrieb ich bisher nur meine Masterarbeit und einen 15-seitigen Essay zum wenig erbaulichen Thema „cancer (stem) cell dormancy“ mit KOMA-Klassen. 

Tag 560 – Was ich noch lernen muss.

Gute Nachrichten zuerst: ich kam heute halbwegs klar. Stellen Sie sich jetzt vor, wie ich mir selbst auf die Schulter klopfe. 

Poster basteln ist aber eher so eine Herausforderung. Das Problem ist in meinem Fall: hohe Ansprüche an die Ästhetik kollidieren mit der Auswahl der Programme. Postervorlagen der Uni gibt es in PowerPoint (meine Nackenhaare stellen sich hoch) und in InDesign. Die Abbildungen, von denen ich jeweils Teile (nicht die ganzen Abbildungen, leider, das würde vieles einfacher machen) verwenden will, habe ich als .pdf und als .eps. Mein Computer bei der Arbeit sagt, .eps kann er nur mit Illustrator öffnen und bearbeiten (Herr Rabe sagt das stimmt nicht, aber, Tjanun, der Computer war sehr stur). Beim .pdf habe ich das Problem, dass die Auflösung zur Darstellung auf einem A0-Poster zu schlecht ist, wenn ich das dann entsprechend hochskalieren muss. (Kurzer Exkurs: es wundert mich immer wieder, wie Menschen, die immerhin ganze Bücher mit vielen und detailreichen Abbildungen versehen, alles in Word und PowerPoint machen. So wie mein Chef. Und der Ex-Chef von Herrn Rabe. Ich verstehe es wirklich nicht, gerade Word ist bei großen Dokumenten ein einziger großer Mist. Dieses Meme „In Word einen Punkt eingefügt. Word verschiebt alle Abbildungen, ändert die Sprache auf Koreanisch und bestellt die 35 mit extra Chilli.“ kommt nicht von ungefähr. Aber da lebt Mensch scheinbar mit, solange es einen wysiwyg-Editor bietet, freundet man sich mit den schrulligen Macken die es sonst so hat, eben an. Und dann alles per Copy-Paste. „Kannste doch einfach per Snapshot aus dem .pdf kopieren und dann einfügen!“ Gruselig.)

Lange Rede kurzer Sinn: Illustrator und InDesign sind beides keine Programme, die man sich mal so eben erschließt. Auch nicht mit fertiger Vorlage*. Die Abbildungen sind zwar jetzt halbwegs ok, aber eben auch nur halbwegs und allein das Skalieren kostet mich Nerven, die ich nicht habe. Aber ich habe ja den allerbesten Mann der Welt, der nach einem verzweifelten „Ich glaub ich machs doch einfach in PowerPoint, dann sieht’s halt kacke aus, mir doch egal!“ nach LaTeX-Vorlagen googelt und mir Hilfe bei der Bearbeitung der Abbildungen anbietet. 

Ich lieb den sehr. 

Aber seine Hilfe annehmen, das muss ich noch lernen. 

*die Vorlage ist auch so ein Witz: bis auf das Maß und einen Footer in Corporate Dings-Blau mit Logo der Uni hat die nix. Weiße Fläche und Arial. Meh. 

Gleichberechtigte Familienarbeit (Equal Care)

Anlässlich des Equal Care Day am 01. März haben wir uns die Fragen der Initiatoren vorgenommen. Es geht darum, wie und warum wir uns die Familienarbeit gleichberechtigt aufteilen, wo wir an unsere Grenzen stoßen und was wir uns wünschen würden, damit das 50/50-Prinzip (noch) besser und vor allem für mehr Familien funktionieren kann. Der komplette Fragebogen kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Aktuelle Berufstätigkeit

Herr Rabe: Ich bin Softwareentwickler mit fester Anstellung.
Frau Rabe: Doktorandin in Molekularer Medizin.

Verhältnis der Erwerbstätigkeit und der Familienarbeit

Herr Rabe: Wir arbeiten beide norwegische Vollzeit, das heißt jeder 37,5 Stunden die Woche.
Frau Rabe: Der Rest ist Familienzeit. Familienarbeit versuchen wir gleich zwischen uns aufzuteilen.

  1. Wie ist die Care-Arbeit bei Euch zuhause auf die Erwachsenen verteilt? Gibt es feste Zuständigkeiten?

    Herr Rabe: Für viele Dinge gibt es bei uns keine festen Zuständigkeiten, aber spontan fallen mir doch ein paar kleinere ein. So putzt z.B. Frau Rabe das Terrarium der Schnecken, ich hingegen putze den Kaminofen und trage Holz aus dem Keller in die Wohnung. Und obwohl Frau Rabe gerne öfter auf Twitter etwas anzünden möchte mache ich hier meistens das Feuer im Ofen an. Dafür hat Frau Rabe das Holz bestellt und die Lieferung organisiert.
    Frau Rabe: Joa, im Grunde passt das so. Ich backe Brot, Herr Rabe putzt die Fenster und macht 90% der Kinder-Brotdosen. Wichtig ist glaube ich, dass wir beide meistens nicht den Eindruck haben, mehr als der jeweils andere zu tun.

  2. Warum teilt Ihr Euch anfallende Care-Arbeit untereinander auf? Welche Vorteile habt Ihr dadurch?

    Herr Rabe: Im Prinzip habe ich zwei Gründe. Erstens Fairness, denn in einer Beziehung sollten sich beide an der Care-Arbeit gleich beteiligen. Zweitens bin ich schon so erzogen worden und kann nicht anders. Meine Mutter hat darauf geachtet mir alles beizubringen was für ein selbstständiges Leben wichtig ist. Gerne sagte sie zu mir – wenn wir zB. am Bügelbrett standen – „Junge, entweder du kannst es selber oder Du musst Dir später eine Frau suchen, die das alles für Dich erledigt.“ Letzteres klang für mich schon immer abwegig und viel zu einschränkend, also lernte ich. Und außerdem macht es mir auch Spaß Dinge selber zu erledigen.
    Frau Rabe: Ich möchte fast entgegnen: Ich verstehe die Frage nicht. Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht, Hausfrau zu sein. Für mich ist eine gleichwertige Beteiligung an der Care-Arbeit in einer Partnerschaft so selbstverständlich wie nur irgendwas. Insofern sehe ich da auch keine Vorteile drin, sondern das Herstellen eines normalen Soll-Zustands. Umgekehrt würden mir aber einige Nachteile bei einer ungleichen Aufteilung einfallen.

  3. Welche Nachteile und Schwierigkeiten gibt es, welche Hürden?

    Herr Rabe: Bei schlechten Absprachen kann es zu Unzufriedenheiten kommen.
    Frau Rabe: Ja, der einzige Nachteil ist für mich auch ein hoher Orga-Aufwand. Man muss sich immer absprechen, wegen jedem Pups. Wer geht mit dem Kind zum Arzt, wer zum Schwimmkurs, wer kauft ein, wer macht die Einkaufsliste, wer spricht mit der Babysitterin ab, ob sie am Wochenende kommen kann. Die Liste ist endlos. Kleine, feste Zuständigkeitsbereiche (so wie mit dem Holz oder dem Brot) erleichtern das ein bisschen.

  4. Wäre es nicht praktischer, eine Person des Haushalts würde sich alleine darum kümmern und so auch den Überblick und die Verantwortung behalten?

    Herr Rabe: Für mich wäre das nichts. Wir sind hier ein Team. Keine Hierarchien und so :)
    Frau Rabe: Naja, aber praktischer wäre es schon. Langweilig, ungerecht, kurzsichtig, aber praktisch.

  5. Wodurch / Wann stoßt Ihr an Grenzen der fairen Aufteilung?

    Herr Rabe: Unterschiedliche Erfahrungsgrade mit Dingen. Wenn irgendwas kaputt geht, bin dann doch ich es, der es repariert. Einerseits bin ich da ziemlich selbstsicher, andererseits kann ich das auch nicht gut delegieren. Und mit zwei Kindern kann man sowas auch nicht mehr so gut zusammen machen wie früher, da halt einer die Kinder beschäftigen muss.
    Frau Rabe: Bei mir ist es ein leichter Kontrollzwang. Ich bin ein Orga-Mensch. Ich reiße gerne so Sachen wie Urlaubsplanung (oder Holzlieferung) an mich, präsentiere dann irgendwann Herrn Rabe eine fertig befüllte mehrseitige Exceltabelle mit allen Pros und Cons und Preisen und durchschnittlichem Niederschlag und bin dann unzufrieden, wenn Herr Rabe da nicht auf Anhieb durchblickt oder sich auch nicht für irgendwas entscheiden kann. Und Krankheit halt. Aber das kann ja genauso auch immer eine klassische Rollenverteilung ins Wanken bringen.

  6. Leben Kinder in Eurem Haushalt? Hat sich die Verteilung der Care-Arbeit verändert im Vergleich zur Zeit ohne Kinder?

    Herr Rabe: Es hat sich etwas verändert, früher haben wir mehr Dinge wirklich zusammen erledigt. Heute muss einer die Kinder bei Laune halten während der andere Dinge tut.
    Frau Rabe: Hmm ja. Mehr zu tun und weniger Zeit es zu tun. Und wir waschen unsere Wäsche nicht mehr getrennt, seit wir Kinder haben! Jetzt wäscht halt jeder mal den Korb weg, der grade am vollsten ist.

  7. Was hat sich verändert mit dem Älterwerden der Kinder? Musste die Aufteilung in Frage gestellt und evtl. neu verteilt werden?

    Herr Rabe: So alt sind sie noch nicht. Veränderungen gab es bisher nur durch die Geburt der Kinder.
    Frau Rabe: Innerlich habe ich echt gefeiert, als die Kleine abgestillt war. Nächtliches Stillen schlaucht. Und die Flasche nahm sie auch nie. Da war also ein echtes Ungleichgewicht und als es wegfiel, kippte es erstmal in die andere Richtung, nach dem Motto: ich habe ein Jahr lang nicht durchgeschlafen, jetzt bist Du dran mit Banane füttern. Inzwischen hält es sich so etwa die Waage, denke ich. Und die nächtlichen Fressattacken der Kinder werden ja auch seltener.

  8. Welche Reaktionen bekommst Du von anderen für Dein Tun als Mann bzw. als Frau?

    Herr Rabe: Wir leben ja in Norwegen. Zwar sind wir hier nicht nur wegen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber ein bisschen schon. Und was soll ich sagen, dass klappt hier wirklich gut. Mit der gleichberechtigten Aufteilung bin ich hier kein Sonderfall, sonderen eher Durchschnitt.
    Frau Rabe: Ja, das stimmt. Wir sind hier jedenfalls keine Sonderlinge wegen unseres Familienmodells. Im Kindergarten zum Beispiel trifft man (sofern die Eltern der Kinder zusammen leben) eigentlich immer beide Partner, weil alle es so machen wie wir auch: ein Elternteil bringt, das andere Elternteil holt ab. Genauso läuft es bei der Arbeit ab: jede*r mit Kindern muss mal früher weg, weil Kindkotzt/Schulaufführung/Kadertraining.

  9. Erzähle von einer Situation, ein Gespräch, in dem Du eine positive und eine, in dem Du eine negative Reaktion erfahren hast.

    Herr Rabe: Bis jetzt kann ich mich nur an positive Situationen erinnern. Entweder gab es keine negativen Reaktionen oder ich habe das nicht mitbekommen. Obwohl, an eine negative Erfarung von vor Michels Geburt kann ich mich gut erinnern. Wir waren auf einem Flohmarkt für Kinderklamotten unterwegs um uns mit Ausstattung einzudecken. An einem Stand wurde uns, bzw. eher nur an Frau Rabe gerichtet ein Wickelbody empfohlen, denn „damit könne sogar der Vater das Kinde wickeln“. Auch heute noch finde ich es eine Frechheit mir, bzw. Vätern generell, die Fähigkeit abzusprechen, sich um seine Kinder zu kümmern.
    Frau Rabe: als negative Reaktion könnte ich den Klassiker anbringen: als ich, damals noch in Deutschland, meinem Chef verkündete, ich sei schwanger, fragte er mich nach der Gratulation, wie viele Jahre ich denn zu Hause bleiben wolle. Als ich sagte, ich hätte so an sieben Monate nach der Geburt gedacht, damit wir die Elternzeit fair aufteilen könnten, kam ein belächelndes „Jaja, warte mal ab, wenn das Baby dann da ist…“. Positive Reaktionen kriege ich wenn überhaupt nur indirekt an den Mann adressiert mit: „Ach, das ist ja auch toll, dass sich die jungen Väter heutzutage so einbringen.“ (Von meiner Oma.) Meine Mutter hat uns gelobt dafür, dass wir das so gleichberechtigt hinbekommen. Aber zählt das, wenn die eigene Mutter das sagt?

  10. Was würdest Du Deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben, das weder Kinder hat noch in einer Partnerschaft lebt, wie es mit dazu beitragen kann, dass Equal Care gelingen kann?

    Frau Rabe: Haha, ich könnte höchstens sagen: mach du mal, das passt schon. Such dir nen Partner, der die Dinge so sieht wie du. Dem Zeit wichtiger ist als Geld, der aber auch weiß, dass Geld nicht auf Bäumen wächst. Und der bügeln kann, das lernst Du nämlich in diesem Leben wohl eher nicht mehr.
    Herr Rabe: Ich bin eigentlich mit mir ganz zufrieden, so wie es ist, von daher würde ich auch einfach sagen, mach das, was du machst.

  11. Was wünschst Du Dir von Politiker*innen?

    Frau Rabe: in Deutschland wäre das: 1. Mehr Elterngeld. Ich meine: wir leben hier in einem Land mit echt hohen Löhnen. Und trotzdem bekommt man in Norwegen mindestens 80% des vorherigen Nettoeinkommens als Elterngeld, für 59 Wochen. Alternativ 100% für 49 Wochen. Dann gilt nämlich auch das Argument nicht mehr, dass ein Partner nicht länger als 2 Monate zu Hause bleiben kann, weil dann zu viel vom Haushaltseinkommen wegfällt. Um das zu unterstreichen, könnte man die, ähäm, „Vätermonate“ ausweiten. 2. Mehr gute und bezahlbare Kinderbetreuung. Obwohl hier alles andere sehr teuer ist, ist Kinderbetreuung vom Preis her ok. Geradezu günstig. Und das bei einer Qualität, die ich nicht mehr missen möchte. Der Betreuungsschlüssel unserer KiTa ist 1:3,5. Welcher Kindergarten in Deutschland schafft das schon? Und dass Eltern ihre Kinder nicht einfach verwahrt wissen wollen, sondern wirklich betreut, ist wohl allen klar.
    Herr Rabe: Mit den Zuständen in Norwegen bin ich sehr zufrieden. Ich würde mir wünschen, wie es auch schon Frau Rabe beschrieben hat, dass die Politik in Deutschland sich mehr an der Skandinavischen Familienfreundlichkeit orientiert.

  12. Was wünschst Du Dir von anderen Entscheidungsträger*innen?

    Frau Rabe: Ich wünsche mir, dass es normaler wird, sich gleichberechtigt an der Care-Arbeit zu beteiligen. Dass Frauen™ nicht mehr so oft und Männer™ dafür öfter gefragt werden, wie denn die Kinderbetreuung organisiert ist. Dass mehr Paare sich die Elternzeit gerechter aufteilen. Dass mehr Väter bei ihren Arbeitgebern auf ihr Recht bestehen, Elternzeit zu nehmen. Dass im Gegenzug der Rabenmuttermythos endlich ausstirbt. Dass Medien aufhören, Politiker dafür abzufeiern, dass sie einmal pro Woche das Kind aus der KiTa abholen, während die Schlagzeilen bei der schwangeren Politikerin deren Leistungsfähigkeit anzweifeln. Zusammengefasst: eine gleichberechtigte Elternschaft soll keine Randerscheinung mehr sein. Bitte.
    Herr Rabe: Ich wünsche mir, dass Väter mehr ermutigt werden sich Zeit für ihre Familie zu nehmen. Das es selbstverständlich und kein Problem ist, wenn man dem Chef sagt, man müsse los um das Fieberkind aus der Kita abzuholen. Mein Teamleiter wünscht mir zum Beispiel in solchen Fällen nur gute Besserung für das Kind.

  13. Was wünschst Du Dir konkret für Deinen Alltag anlässlich des Equal Care Day 2017?

    Frau Rabe: Ich wünsche mir mehr Geschichten, wie andere Paare sich die Familienarbeit gleichberechtigt aufteilen oder wenn nicht, was sie davon abhält.
    Herr Rabe: Ich wünsche mir, dass der Equal Care Day zum reflektieren der eigenen Situation anregt und dazu ermutigt Missstände anzusprechen. Ich wünsche mir, dass das Thema gleichberechtigte Familienarbeit diskutiert wird, nicht nur auf politischer Ebene, sondern ganz konkret in Familien und Freundeskreisen.