Tag 1176 – Nicht so gruselig, dafür schön.

Endlich klappt hier mal was.

Die KiTa-Eingewöhnung läuft weiterhin gut, heute lieferte ich Pippi um viertel nach acht ab, verteilte etwa eine Tonne Klamotten auf verschiedene Boxen (Drinnen, Draußen, Wechselsachen, Hausschuhe, Fleece/Wolle…) und verabschiedete mich dann behutsam von Pippi. Die fand das zwar nicht gut, das darf sie ja gerne auch sagen, sie darf sogar weinen, das ist ja total verständlich. Als die Erzieherin sie dann aber tröstete und mit Bügelperlen lockte und ich versprochen hatte, bald wiederzukommen und den Regenhut mitzubringen*, schnüffelte sie ein bisschen und dann durfte ich gehen.

Pippi und ich hatten dann jeweils ein paar schöne Stunden ohne einander. Ich holte sie nach dem Mittagessen ab, mit dem Regenhut, da begrüßte mich ein kleiner Dreckspatz, glücklich in den Matschepfützen** herumspringend, die vom gestrigen Schnee übrig geblieben sind.

Auch überraschend gut läuft die neue Absprache, was die Nachmittags- und Abendgestaltung angeht. Das hatte ich am Montag einmal sehr deutlich erklärt, nämlich dass ich finde, dass die Kinder zu viel fernsehen, dass sie sich deshalb dauernd streiten und keine Lust haben, zum Essen zu kommen. Dass sie deshalb auch zu spät ins Bett kommen und wir ständig unnötig rumdiskutieren, dass ich deshalb abends oft ganz schlechte Laune habe und die Kinder morgens ja dann auch müde sind, wenn wir sie wecken müssen. Erstaunlicherweise kam kaum Protest und die neuen, diktatorisch von mir eingeführten Regeln sind:

  • Essen um sechs, wir werden dafür halt Gerichte zusammensammeln, die sich in 30 Minuten kochen lassen
  • Hausaufgaben möglichst davor
  • Fernsehen erst nach dem Essen
  • Um sieben gehts ins Bad und von da ins Bett

Natürlich funktioniert das zum Beispiel dienstags nicht, denn Michels Skitraining geht bis sieben, danach gibt es da noch Abendbrot und Pippi möchte ungern ins Bett bevor Michel wieder zu Hause ist. Und übermorgen ist Kinderdisco in der Schule, das wird also auch nichts. Aber ich bin erstmal froh, dass es wirklich kaum Protest gab. Vielleicht ist es auch wieder so ein Ding: wenn der Leidensdruck erstmal groß genug ist, dass man eine wirklich klare Ansage macht, weil man wirklich, WIRKLICH dringend was ändern muss, dann schnallen das auch die Dauerdiskutierkinder. Hoffen wir, dass es so bleibt und wir das auch weiter durchziehen.

Was auch super gut läuft: ich hab bisher keine spürbaren Nebenwirkungen.

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In unserem neuen Wohngebiet wird ganz fleißig Trick-or-treat gesammelt, mit mehr oder weniger gruseligen Kostümen und (je nach Alter der Kinder) mehr oder weniger Eltern in ganz und gar ungruseligen Warnwesten dabei. Es waren heute Kinder von etwa 3 bis etwa 13 da und ich finde das, es überrascht mich selbst, gar nicht schlimm, sondern ganz putzig. Laternesingen fände ich immer noch schöner, aber das gibts ja halt hier eh nicht, da ist das schon in Ordnung so. Ich merke mir fürs nächste Jahr: 20 Mini-Riegel des Mars-Konzerns plus ebenso viele kleine Haribo-Tütchen sind recht knapp bemessen. Nächstes Jahr hat Michel dann ja vielleicht auch Lust, heute war ihm das zu gruselig. Auch ok.

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*Das Kind hat zu viel Peppa Wutz geguckt und die Folge, in der Schorsch seinen Regenhut nicht aufsetzt und sich dann erkältet, sehr verinnerlicht.

**Siehe *. Zu viel Peppa Wutz. Di-didedidi-didedidedidi.

Tag 1175 – Kindergarteneingewöhnung die 5.

Hoffentlich zum allerletzten Mal gewöhnen wir also ein Kind im Kindergarten ein. Dieses Mal ganz in Ruhe, denn ich hab Urlaub von meinem Job* und dann bin ich arbeitslos und, also, ach, ich hab halt Zeit.

Pippi braucht diese Zeit glaube ich auch. Gestern wollte sie nicht in einen anderen Kindergarten gehen. Ich kann’s verstehen. Nach den drei Monaten war sie im alten richtig angekommen und jetzt halt wieder ein Wechsel, das ist, unbestritten, nicht schön. Dass die Erzieherin, die ihre Bezugsperson werden soll, krank ist, ist natürlich auch ungünstig, aber halt nicht zu ändern. Jedenfalls bräuchte Pippi gestern erst mal eine gute halbe Stunde um von meinem Schoß runterzukommen. Ich durfte auch nicht sonderlich weit weg gehen, sondern musste, zum Beispiel beim Kneten, im selben Raum bleiben, was natürlich dazu führte, dass mir von sämtlichen Kindern der Gruppe alle Schlangen, Bälle und… unförmigen Gebilde gezeigt wurden. Irgendwie bin ich dann auch in was reingeraten und plötzlich machte ich ganz viele Knetäpfel und -eier. Pippi hat das passende Nest dazu gebaut.

Ich war ehrlich gesagt nach dem Kneten (da waren wir grade zwei Stunden da) schon bereit für Mittagsschlaf, so sehr stresst mich das Zusammensein mit neun Zwei- bis Dreijährigen. Allein der Geräuschpegel frisst meine Nerven in kürzester Zeit auf. Und dauernd wollen die irgendwas. Alle was unterschiedliches, versteht sich, aber alles super dringend. Und wenn keiner was will, haut garantiert irgendwer irgendwem anderem ein Spielzeugauto auf den Kopf oder es fällt wer mit dem Stuhl, den er grad rumschiebt, auf die Nase. Eieiei.

Trotzdem wollten wir bis nach dem Essen bleiben und plötzlich stand da ein Teller für mich auf dem Tisch, zwischen den ganzen Kinderplätzen. Uff. Ich schmierte dann also Stullen mit Leberwurst, Prim, Brunost und Kaviar aus der Tube, goss Milch und Wasser in kleine Tassen, wischte Milchseen vom Tisch, ich ermahnte sogar hier und da wenn Füße über Tischkantenhöhe wanderten. Ehrlich, als es danach hieß, wir sollten nach Hause gehen, damit sich Pippi auf den nächsten Tag freue, war ich glaube ich viel froher als sie.

Heute war also der nächste Tag. Mit Schnee.

Natürlich waren alle Kinder unglaublich aufgeregt, auch Pippi. Sie rannte von der Garderobe aus auch direkt in den Gruppenraum und fing an zu Spielen, als es kurz darauf raus ging, ging ich nur kurz mit und dann wieder rein. Pippi soll ja auch lernen, dass sie alleine dableiben kann, dass ich nicht jeden Tag da sitze und auf Zuruf Eier knete. Für Pippi war das auch erst total ok, aber nach einer guten Stunde kam sie aufgelöst an, weil ihre Finger kat waren. Man stelle sich das vor, wenn man seine warmen Handschuhe nicht anziehen will, werden im Schnee die Hände kalt. Danach war sie jedenfalls echt ungehalten und wollte am liebsten direkt nach Hause. Wir gingen aber noch nicht, sondern aßen und tanzten und Pippi spielte und ich putzte Rotznasen und kultivierte meinen Tinnitus, während ich versuchte, Datenschutzzettel und Gesundheitserklärungen auszufüllen.

Morgen werde ich dann mal tatsächlich den Kindergarten verlassen. Das habe ich Pippi so angekündigt und auch mit den Erzieherinnen abgesprochen. Pippi hätte mich lieber da, aber ich habe das Gefühl, dass es ihr schwer fällt, auf die anderen Kinder und vor allem die Erzieherinnen zuzugehen, wenn ich im gleichen Raum sitze, so unsichtbar wie ich da auch zu werden versuche. Es bleibt spannend.

Pippi findet diese Eingewöhnung auch anstrengend, gestern und heute war sie danach hundemüde und schlief einfach ein, die Nacht von gestern auf heute war dann absolut furchtbar und sie heute noch müder. Hoffen wir, dass sich alles recht schnell zurechtruckelt. Heute gehe ich jedenfalls um neun ins Bett.

P.S. weshalb ich jetzt schon schreibe: Michel ist wieder beim Skitraining. Er war vom ersten Mal letzte Woche so begeistert, dass er es diese Woche gar nicht abwarten konnte und auf dem Hinweg immer wieder fragte, ob wir es eilig hätten, ob wir pünktlich kämen, ganz sicher pünktlich? Und ich sitze derweil im Vereinsheim und Thomas Alsgaard schaut direkt aus den 90ern auf mich herab.

Ich bin total froh, dass ihm das so viel Spaß macht, dass ihn auch Nieselregen bei sehr wenigen Plusgraden nicht schreckt. Ich wäre da anders.

Tag 1174 – Letzte Male.

Heute zum letzten Mal die Pille genommen, außerdem zum letzten Mal den Arbeitscomputer geleert. Jetzt muss ich das Ding nur noch elegant loswerden und zwar ohne, dass gewisse Leute denken, sie hätten mit gewissen Praktiken Erfolg, und aber bitte auch ohne dass ich für die nächsten fünf bis zwölf Monate Arbeitssuche das Damoklesschwert „wir haben Ihren letzten Arbeitgeber kontaktiert“ über mir schweben habe.

Das ist nicht zu schaffen und ich habe darüber heute schon sehr viel mehr Tränen vergossen als gut ist oder ich auch nur zugeben möchte.

Leider war auch die Polizei keine Hilfe. Ich bräuchte wohl ne Anwältin, aber die einzige, damit der ich Kontakt hatte, riet auch dazu, ihn halt gewinnen zu lassen.

Und da sind wir wieder an dem Punkt, an dem ich gern wer anders wäre. Jemand, den Unrecht nicht so auf die Palme bringt. Der Niederlagen nachdem die Gegenseite gefoult und geschummelt hat einfach einsteckt. Der den Verrückten einfach gewinnen lassen kann um (vielleicht? hoffentlich?) fortan seine Ruhe zu haben.

Aber ich bin nicht so und es ist scheiße. Ich hab mal (übers Fahrrad fahren) gewitzelt, dass man mir auf meinem Grabstein „Aber sie hatte Vorfahrt!“ meißeln könnte, aber man könnte das auch größer fassen und „Aber sie war im Recht!“ nehmen, ich kann’s halt nicht gut, das Nachgeben. Nicht mal wenn die Gegenseite vermutlich einfach wirklich nicht richtig tickt und dementsprechend diese ganzen Logik- und Rechtsschlussfolgerungen gar nicht gelten.

Gnah. Wo ist der spontane sechswöchige Karibikurlaub mit der Familie wenn man ihn mal braucht?

Tag 1173 – Menno.

Ich hatte mich so aufs nach Hause kommen gefreut. Wirklich sehr. Ich dachte, wir kämen um acht hier rein, es gäbe schnell noch einen Happen zu essen, danach plumpsen die Kinder ins Bett, dank Uhrzeitumstellungstralala schlafen sie direkt ein und ab viertel vor neun hätten Herr Rabe und ich dann Feierabend und würden das Wochenende gemütlich auf dem Sofa ausklingen lassen.

So kam es aber nicht, jetzt ist es fast elf, auf dem Sofa gesessen habe ich gar nicht und Herr Rabe werkelt irgendwas unten rum. Ich bin hundemüde aber auch wütend wegen des verkorksten Abends und der undankbaren, gierigen, dauerstreitenden Kinder und hasse einfach alles.

Das geht so nicht weiter mit den Abenden. So. Wir müssen früher essen, damit die Kinder früher ins Bett kommen. Schluss, aus. Kein Gehampel mehr und noch ein Video und noch ne Folge Tralala bis es super spät ist und die Kinder vor lauter Bildschirm ganz gaga sind und meinen „Dumme Mama!“ und wütendes Schnauben als Kommunikationsform seien angemessen. Einfach nein. Und genauso muss das Gehampel beim vorm und nach dem Essen aufhören. Wenn die Kinder kurz vorm Essen halt noch diesdasjenes essen, essen sie beim Essen nix, rennen rum, stehen dauernd auf (vor allem Michel) und zumindest Pippi meint dann nach dem Zähneputzen regelmäßig, sie habe ja Hunger und könne so nicht schlafen.

ROUTINE! Ich will Routine. Ich will Feierabend, möglichst ab acht. Ja, das werden dann ein paar harte Wochen, aber ich kriege hier sonst echt zu viel.

Und das am besten Tag des Jahres, wenn endlich die Uhr wieder richtig geht. Hrmpf.

Tag 1172 – Ein bisschen Katerstimmung.

Naja, das war’s aber wert. Ich ging halt heute ein wenig in den Seilen, war total früh wach und todmüde, konnte aber nicht mehr wirklich schlafen, dann Kopfschmerzen, halt so. Trotzdem war es ein schöner Tag, denn zu M. und H., bei denen ich und Michel übernachten, kamen noch J. und M., und während wir drei Mütter Kaffee tranken und uns über die „Freuden“ des Lebens mit frischen (oder, in H.s Fall, nicht ganz so frischen aber nicht minder komplizierten) Schulkindern austauschten, rissen die Kinder H.s Zimmer und dann draußen den Garten ein, zankten sich, spielten, alle heulten mal wegen irgendwas und dann spielten sie wieder. Das war aus ganz vielen Gründen sehr schön, vor allem weil ich mir wegen etwas wenig Kontakt zu Nicht-Internet-Eltern im Moment wieder oft vorkomme wie die schlechteste Mutter der Welt, die als einzige ungeduldig und aufbrausend und oft genervt ist. Passend dazu sind meine Kinder die einzigen ungeduldigen, gierigen, frechen, jedenfalls in meinem Kopf und da ist das dann halt schön, wenn man von anderen Müttern die gleichen Geschichten über total eskalierende Hausaufgabenstreits und Verweigerung irgendwelche Kleidungsstücke anzuziehen samt des folgenden Theaters hört. Es sind halt Kinder, wir sind halt Mütter, keine Engel, auf keiner Seite in keiner Familie sind alle perfekt. Schade, dass mir diese Erkenntnis immer wieder so flöten geht.

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Hachz-Moment des Tages: Wie Michel meinte „… und dann bin ich aufgewacht, weil H. geschnarcht hat, aber dann hab ich mich umgedreht und dann warst du das. Da hab ich gut wieder geschlafen.“

Tag 1171 – A.’s defense.

Sitze am Tisch mit T. Es ist schon spät und der Wein, der selbe wie bei meiner Defense (und wir erinnern uns kurz, wie ich am Tag nach meiner Defense ein Vorstellungsgespräch hatte?), war reichlich.

Ex-Chef steuert in Schlangenlinien das Klo an.

„What’re you guys doing here? All alone sitting on the… edge of the table?“

„Ahhh, just two miserable people talking…“

„Ahhhhhhh Why miserable, two good looking young people…“

„Well, I’m unemployed, he’s divorced…?“

„Ugh, get your shit together. Two brilliant and good looking young people! You’re smart. You’ll find something. Your not sitting in the Indian slums.“

Ach so. Na dann…

Tag 1170 – Abgestumpft.

Achtung, Too much information-post über Hormonspirale!

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Ich will nicht sagen, dass ich irgendwie Angst gehabt hätte, aber ich ging heut zu meiner Hausarztpraxis mit einer leichten Anspannung. Denn ich hatte schon das ein oder andere gehört über das Legen von Spiralen, wie doll das weh täte währenddessen und danach und überhaupt ganz schlimm alles. Auch dass die Ärztin mir vorher von „und dann öffnen wir den Muttermund, aber wenn wir nicht durch kommen, dann machen wir das Paket gar nicht erst auf“ erzählt hatte, hat es nicht besser gemacht.

Dann war da ja auch noch das klitzekleine Problem, dass ich Pippi mitnehmen musste. Mein Plan war da, dass ich sie in den Kinderwagen setze, damit sie auf dem Weg einschläft, denn dann schläft sie ja eigentlich immer mindestens eine Stunde, das sollte also gehen.

Pustekuchen! Beim Arzt angekommen schaute mich Pippi aus großen Augen an und war alles andere als am Schlafen. Ok, dachte ich, dann ist das jetzt eben so und ich machte mit ihr ab, dass sie auf meinem Handy Peppa Wutz gucken darf, wenn sie ruhig draußen vor dem Behandlungszimmer sitzen bleibt.

Dann wurden wir aber von der Ärztin hereingebeten und sie meinte nur, nein, das sei gar kein Problem, wenn es für mich keins sei und sie stellte Pippi ans andere Ende des Raumes eine riesige Kiste Spielzeug hin. Pippi packte schon mal alles aus und die Ärztin klärte mich auf, über Blutungen und Nebenwirkungen und all das und dann zog ich meine Schuhe aus und Pippi verkündete, sie müsse aufs Klo. Auch kein Problem, ich ging mit Pippi aufs Klo und dann war es aber wirklich Zeit.

Ich sag es mal so: das wird jetzt nicht mein verschrobenes Hobby, aber schlimm war es wirklich nicht. Die Ärztin machte erstmal eine gynäkologische Routineuntersuchung, allein das ist ja schon nicht besonders schön, und nahm dann noch eine Zellprobe vom Muttermund. Das habe ich schon in wirklich unangenehm mitgemacht, großes Lob an die Ärztin, ich hab das heute kaum gemerkt und auch nicht geblutet wie ein abgestochenes Schwein, hurra! Und auch das tatsächliche Legen der Spirale war nicht wirklich schlimm. Etwas unangenehm, ja, das zwickt und zwackt und dann drückt es seltsam, aber mehr war da bei mir jedenfalls nicht.

Pippi spielte derweil konzentriert mit dem Spielzeug und fragte nur einmal zwischendurch interessiert die Ärztin: „Ser du rumpa mamma mi?“ („Guckst du meiner Mama inn‘ Po?“) und als die Ärztin ganz nüchtern mit „Nei, det er tissen jeg ser etter.“ (Nein, ich gucke mir das [unisexwort für Geschlechtsteil] an.) antwortete war es auch schon gegessen. Puh! Ich finde ja einen entspannten Umgang mit Gesundheitsdingen, durchaus auch solchen, gut und richtig, aber bei ner Untersuchung dabei haben muss ich die Kinder eigentlich nicht. Wenn es nicht anders geht, so wie heute oder damals, als ich mit krankem Michel (da war er etwas mehr als zwei Jahre alt) zu Hause war, in der 12. Woche schwanger und plötzlich anfing zu bluten, Tjanun, dann geht es nicht anders und dann ist ja gut, dass die Ärzt*Innen in Norwegen da auch kein großes Problem mit haben (sofern das betreffende Kind friedlich in einer Ecke spielt jedenfalls).

Nachdem die Spirale saß, was inklusive Zellabstrich und allem vielleicht 10 Minuten gedauert hat, packte Pippi das Spielzeug wieder ein und wir zogen unserer Wege. Ich mit einem zunehmenden Gefühl von Regelschmerzen, Pippi hüpfend und singend. Sie schlief übrigens auch auf dem Rückweg nicht und auch am Nachmittag nicht. Gut, dass ab Montag wieder Kindergarten ist, wenn auch erstmal nur Eingewöhnung. Ich setzte mich zu Hause mit Wärmekissen auf dem Bauch und einer Ibuprofen im Magen aufs Sofa, weil Stehen und Gehen halt zu einem ziemlich starken Regelschmerzgefühl führten, aber zum Abendessen hin ging das dann auch wieder und jetzt ist eigentlich alles wie immer. Vielleicht ist mein Uterus ein Holzklotz ohne Gefühle, abgestumpft nach zwei Schwangerschaften. Ist ja auch Wurscht, bis etwa Tag 2900 muss ich mir vermutlich keine großen* Gedanken mehr darum machen. Und ne Achtjährige will vermutlich eh lieber draußen warten und nicht Duplo-Autos zählen.

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*Jajaja, natürlich gehe ich in paar Monaten zur Kontrolle, ob alles richtig sitzt. Termin ist schon abgemacht und im Kalender gespeichert.

Tag 1169 – Wut, Angst, mehr Wut.

Es gibt vieles, das verstehe ich einfach nicht. Mein Horizont ist zum Beispiel zu eingeschränkt um zu verstehen, dass Leute sich nicht an Deadlines halten oder meinen es sei ok 2 Stunden eher oder später als verabredet zu Besuchen aufzulaufen.

Ich verstehe auch nicht, dass es Leute gibt, die fern jeder Realität sich die Welt machen wiedewiedewie sie ihnen gefällt. Die gegenüber der einen Person sagen, sie seien ja für nichts verantwortlich, leider leider, nur Berater hier, krieg nicht mal was bezahlt, so arme Wurst, dann aber wiederum meinen, sie könnten Dinge einfordern. Die zwar gaaaaar kein Geld haben, deshalb weder die Angestellten noch sonst irgendwelche noch so kleinen Rechnungen bezahlen können, aber die Firma, die gehört ihnen, zu 50%, und damit auch die Entscheidungsgewalt über die Arbeitskräfte, nämlich. Aber Konkurs melden, das können sie die Firma nicht, noch nicht mal die Firmenpost abholen. Die kündigen, aber dann weiter Projektleiter sein wollen.

Oder doch, ich verstehe das schon, ich verstehe das wie ich Leute verstehe, die Konflikte lösen, indem sie dem Gegenüber eins auf die Mappe hauen. Es ist halt eine kindische Art, sich die Rosinen aus dem Verantwortungskuchen herauszupicken. Macht ja, Verpflichtungen nein. Immer Bestimmertag haben, ohne den Abwasch nach dem Kindergeburtstag machen zu müssen. Geiles Leben. Hätte ich auch gern.

Ich bin aber nicht mehr 7 und weiß dass das nicht geht. Mit 72 sollte man das erst recht wissen.

Was man mit 72 auch wissen sollte, auch mit 7 oder mit 17: wenn dir wer sagt, du sollst nicht vorbei kommen, dann steh nicht einfach plötzlich vor der Tür.

Das nächste Mal rufe ich nämlich die Polizei. Da hilft dir dann auch keine Drohung, wem du alles erzählen willst, was für ein schrecklicher Arbeitnehmer ich bin.

Tag 1168 – Wieder zu Hause.

Wir durften das Krankenhaus verlassen. Natürlich nur, nachdem ich versprochen hatte, bei der kleinsten Blutung anzurufen und nachdem dann auch noch mal betont werden musste, dass die Entscheidung, ob das Kind vorgestellt werden muss, dann bei ihnen liegt. Also genau genommen: Sie müssen anrufen, wir sagen dann, Sie müssen kommen und wenn Sie nicht kommen, dann passiert aber was*!

Egal, wir sind jedenfalls zu Hause, Pippi darf in Zukunft nicht mehr, auch nicht ausnahmsweise, auf Michels Sitz mitfahren, weil sie erstens viel zu leicht da rausklettern kann und das dann auch tut und außerdem hat sie heute auf der Autobahn die Tür einfach aufgemacht (ok, ich hatte einfach vergessen, die Kindersicherung reinzumachen) und ich hatte fast einen Herzstillstand. Also, nein, Rübennase, vergiss es. Der Sitz ist erstmal gestrichen.

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Michel war heute das erste mal beim Skitraining. Erst wollte er unbedingt, dann gar nicht mehr, dann war ihm kalt, dann gingen sie joggen und dann spielten sie Hockey (es ist halt noch kein Schnee, es wird erstmal an der Grundfitness gearbeitet) und am Ende war es ganz toll und Michel wäre gern noch eeeeewig dageblieben. Leider war das alles so aufregend, dass wir zu Hause dann einen Kaktus auf Konfrontationskurs zu uns hatten. Hoffentlich gibt sich das wieder, weil ich glaube, ein Draußensport wäre gar nicht schlecht für Michel und er hatte ja wirklich Spaß. Aber hinterher als Blitzableiter und Punchingball herhalten macht absolut keine Freude, selbst wenn man sich schon fast drauf einstellen kann.

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  • *Ich kann mir vorstellen, dass sie dann zum Beispiel Meldung an die norwegische Version des Jugendamts machen.
  • Tag 1167 – Ein paar konstruktive Vorschläge zum Thema „Ärztin-Patientin-Kommunikation“.

    Wir sind, das mag jetzt überraschen, mich hat es jedenfalls heute morgen sehr überrascht, weiterhin im Krankenhaus. Nach einer einigermaßen okayen Nacht (wie das halt so ist wenn Dinger piepen und Zäpfchen gegeben werden und bei der Zimmernachbarin Blutdruck gemessen wird und so weiter) ohne Blutungen ging ich davon aus, dass auf das Frühstück wie beim letzten Mal die Visite folgen würde und dann dürften wir wieder nach Hause. Es kam die Pflegerin der Frühschicht und sagte, Pippi dürfe dann gleich auch wieder essen, wir sollen nur auf das OK der Ärztin warten. Pippi hatte ordentlich Hunger, oder Appetit oder einfach einen leeren Magen, der von der Glukoseinfusion halt unbeeindruckt war, jedenfalls aß sie ein Eis und trank Saft und dann holte ich mir Frühstück und brachte ihr einen Joghurt mit. Gestern hatte sie ja auch Eis und Saft in rauen Mengen bekommen.

    Dann kam die Pflegerin und sagte „Hat sie davon was gegessen? Sie soll nicht essen!“, worauf ich sagte, ich hätte das so verstanden, dass sie nichts festes essen solle, damit die Wunden im Hals nicht gestört werden, worauf sie sagte, nein, sie solle gar nichts essen. Ich nahm Pippi den Joghurt weg, Pippi fand das absolut nicht cool und ich reichte ihr das Saftglas. „Sie darf auch nicht trinken. Sie soll fasten.“ „Warum denn das? Sie hat Hunger!“ „Sie kann keinen Hunger haben, sie hat Glukose bekommen. Und wenn sie doch Hunger hat, kann sie Eisstückchen lutschen.“ Sprach’s und verschwand.

    Pippi verstand nicht, dass ich ihr ihr Essen wegnahm. Und ihren Saft. Und überhaupt alles. Wie auch, sie ist drei. Ich legte aus Solidarität auch mein Essen weg und versuchte sie zu beruhigen, aber es war absolut unmöglich, sie brüllte sich in Rage. Irgendwann hatte ich davon genug und ich ging mit ihr (brüllend) auf dem Arm an den Tresen und bat um eine Erklärung, WARUM sie plötzlich fasten solle. Die Pflegerin sagte, sie frage die Ärztin und käme dann sofort wieder.

    Statt sofort kam sie eine dreiviertel Stunde später wieder. Mit der Ärztin im Schlepptau.

    Das sei Routine, sagte die Ärztin. Falls man nochmal operieren müsse. Und wir sollen bis mindestens morgen bleiben. Weil ihr Hb-Wert zu stark gesunken sei. Das sei auch Routine. Essen dürfe sie weiterhin lieber nur flüssiges kaltes, und den Joghurt.

    So. Und da, liebe Pflegekräfte, kommt jetzt mein „arrogantes Pflegekraftgebashe“. Ich möchte nämlich was dazu sagen. Ich habe direkt in der Situation auch zwei Sachen gesagt, nämlich

    • Es war noch nie die Rede von „nochmal operieren“ und ich hätte das gern schon gestern gewusst, wenn das im Raum stand/steht
    • Wieso wurde Herrn Rabe nicht gestern schon gesagt, dass es eventuell (sogar deutlich) mehr als eine Nacht Aufenthalt hier werden könne? (Denn es ist viel einfacher, 5 Unterhosen einzupacken und im Zweifel halt 4 ungetragen wieder aus, als sich von Tag zu Tag immer noch eine Unterhose nachliefern zu lassen.)
  • Bei beiden Dingen wurde, meiner Meinung nach, unterirdisch, nämlich gar nicht, mit uns kommuniziert.
  • Und da wird’s dann halt kompliziert, liebe Pflegekräfte und Ärztinnen. Denn ich bin durchaus nicht doof und vor allem wirklich kooperativ eingestellt. Ich möchte nur gerne verstehen, warum was gemacht wird. Weil ich eben nicht blöd bin. Ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass es viele Eltern gibt, die sagen „Ach so, Routine, ja gut, leuchtet ein.“, weil Routine nun mal keine Begründung darstellt. Bei mir kam es so an, dass mir nicht erklärt wurde, dass und warum gefastet werden sollte, aber mitmachen sollte ich es bitte und zwar ohne Nachfragen, denn auf Nachfragen wird man schnippisch. Es wurde nicht _erklärt_, warum wir noch hier bleiben sollen, bis der Hb-Wert wieder besser ist. Es wurden nicht mal Werte genannt, also weiß ich halt auch nicht, ob der Wert von 11 auf 9,8 oder von 12 auf 7,5 gefallen ist. Was ich aber weiß ist, dass Glukoseinfusion und Wassereis keinen Hb-Wert über Nacht verbessern werden. Weil ich, ich wiederhole mich, nicht blöd bin.
  • Wenn ihr meint, ein Kind muss, ungeachtet dessen ob es Schmerzen hat oder nicht, sechsmal am Tag Schmerzmittel kriegen: erklärt es bitte.
  • Wenn ihr meint, ein Kind muss eventuell nochmal operiert werden und sollte deshalb fasten: erklärt es bitte (und auch, wieso es am einen Tag anders gehandhabt wird als am nächsten, das ist mit btw immer noch nicht klar). Kommuniziert es und erklärt es. (Ich kann mir keine Eltern vorstellen, die auf eine Erklärung, dass nach einer Blutung wie dieser manchmal noch viel schwerere Blutungen auftreten können, die dann operativ gestoppt werden müssen wofür das Kind halt möglichst nüchtern sein sollte, sagen, scheiß drauf, YOLO, rein mit dem Schnitzel. Wirklich beim besten Willen nicht.)
  • Wenn ihr der Meinung seid, der Hb-Wert sei kritisch weit gefallen und rechtfertigt einen weiteren stationären Aufenthalt: Nennt Zahlen. Und dann: tut was, damit der Wert steigt. Zum Beispiel hättet ihr ja wenigstens mal fragen können, ob wir Vegetarier sind. So als Tipp.
  • Ganz generell: denkt nicht, alle die „nicht vom Fach“ sind, sind unmündige Idioten, die man gar nicht erst nicht aufzuklären braucht. Es könnte passieren, dass die ihren Groll ins Internet schreiben. Es könnte aber auch passieren, dass die tatsächlich einfach gehen. Dass die keinen Bock mehr haben, ihre Kinder erklärungslos mit Zäpfchen, Blutabnahmen und Fasten drangsalieren zu lassen, wenn sie keinen Sinn dahinter sehen, weil das einzige „Argument“ dafür, das sie zu hören bekommen, ist „das ist eben Routine“. Vielleicht kommen die bei der nächsten Geschichte dann einfach gar nicht mehr, weil sie fürchten, dass aus „nur mal gucken“ ein mehrtägiger Aufenthalt ohne Information aber mit FastenZäpfchenTralala wird.
  • Informed consent. Zwei Worte, beide davon so wichtig. Ohne Information kann kein Patient eine Entscheidung treffen, ob eine Behandlung sinnvoll ist oder nicht. Patienten, die den Sinn einer Behandlung nicht sehen, sind wenig kooperativ. „Routine!“ ist keine Information. „Routine!“ ist gewissermaßen der Rausschmeißer einer Diskussion und eine Ausrede. Das nächste mal, wenn ihr wen als unkooperativ abstempeln wollt: fasst euch mal kurz an die eigene Nase und fragt euch, was eure Kommunikation damit zu tun haben könnte.
  • Grüße –
  • Eine Mutter. Weder vom Fach noch doof.