Tag 2813 – Nur noch grad schnell.

Die „nur noch grad schnell“-Krankheit ist bei uns in der Familie ja stark verbreitet. Auf Norwegisch „skal bare“. Es nervt mich bei den Kindern, insbesondere Pippi, meistens zu Tode, aber ich bin ehrlich gesagt gar nicht besser. Zum Beispiel war ich heute überhaupt kein Stück besser, und wollte nur noch kurz diesen einen Test für das IT-Projekt fertig machen, damit ich morgen nicht direkt wieder mit Testen anfangen muss. Hahahhahahaha. Natürlich kam es, wie es kommen musste, und aus dem einen Test wurde ein halb angefangener Test, zu viel Detektivarbeit für eine, die eigentlich diese ganzen IT-Dinge gar nicht kann (an welcher Stelle der Frustration darf man sich sowas eigentlich in den CV schreiben? „2021 – heute Product owner – IT-Projekt und trotzdem noch ein paar Nerven beisammen, kann System besser als manche Entwickler und alle anderen Sachbearbeiter*Innen“) und drei (DREI!) dokumentierten Bugs. Nach zehn Uhr abends ist sowas eine totale Schnapsidee. Das weiß ich, aber tappe immer immer wieder in solche Fallen.

Bis Donnerstag 15 Uhr noch, dann ist Urlaub.

Tag 2812 – Strohwitwe.

Herr Rabe brach am frühen Mittag nach London auf, ich bin jetzt also bis Donnerstag Abend allein für alles zuständig. Heute Abend war schon mal super, denn keins der Kinder wollte mein mit Liebe zubereitetes Essen (Fischstäbchen und Pommes) essen. Ich würde mich da ja gerne von lossagen, aber ich hab dann doch zu viel davon selbst gegessen, weil mir Essen wegwerfen irrational stark widerstrebt.

Der Rest vom Tag war aber ok. Die Kinder sind ja auch schon ziemlich groß und einigermaßen verständig. Morgen werde ich dann für spektakuläre 6 Stunden oder so ins Büro fahren, weil Montag ist (also sein wird) und aber ja auch Nachmittagsaktivitäten und allgemeiner Abhol-Stress stattfinden. Wirklich keine Ahnung, wie man sowas macht, wenn man nicht nur sporadisch mal allein ist.

Immerhin kann ich mit offenem Fenster schlafen, hehehehehe.

Tag 2811 – Nix los gewesen.

Hier ist heute nicht so wirklich was passiert. Herr Rabe hat gepackt und Michel die Haare geschnitten. Das war das spannendste, was heute passiert ist.

Morgen fährt Herr Rabe schon mal nach England vor, da geht er auf eine Konferenz. Wir kommen am Donnerstag nach, dann sind wir eineinhalb Tage in London und fahren danach die Schwägerin besuchen. Das ist alles sehr aufregend, finde ich jedenfalls. Alleine reisen mit den Kindern, das habe ich seit 7 Jahren nicht mehr gemacht, glaube ich. Aber das ist ja erst Donnerstag, also noch nicht heute aufregend.

Jetzt ist es auch Zeit, die Äuglein zu schließen, morgen ist wieder der Arsch-Tag, an dem die Zeit kaputt gemacht wird. Donnerstag dann wieder und auf dem Rückflug auch, uff ey, warum machen wir das eigentlich.

Tag 2810 – Auch sowas wie Routine.

Zwei Tage Kurzinspektion (eigentlich nur anderthalb), einmal nach Bergen jetten und zurück bitte. Aus Gründen viel darüber nachgedacht, ob das auch remote gegangen wäre und zu dem Schluss gekommen, dass das nicht gegangen wäre, nein.

Jetzt bin ich wieder zu Hause und gar nicht so erschossen wie sonst auch schon öfter. Vielleicht werde ich ja langsam doch eine von den erfahrenen Inspekteurinnen, die „sowas“ mal grad aus dem Ärmel schütteln. Abends habe ich sogar noch ein bisschen Geige geübt und befürchte jetzt leider, dass dieses Vivaldi-Concerto etwas langweilig werden könnte. Es wird sich noch zeigen, denke ich, aber ich bin eher gewohnt, bei den ersten Malen nicht sonderlich weit zu kommen und mit vielen Fragezeichen die Noten anzustarren (looking at you, Bach). Das heute (den 1. Satz) hab ich nahezu einfach runtergespielt. Ohne Murmel allerdings, vielleicht sollte ich es mit einer Murmel zu Schwierigkeitsgrad „unmöglich“ befördern. Oder doppelt so schnell spielen. Oder so.

Jetzt freue ich mich auf Schlafen im eigenen Bett und ohne Regenprasseln. Das ist nämlich erst schön, wird dann aber nervig und irgendwann ist man kurz davor, sich IRGENDWAS ins Ohr zu stopfen, nur damit es aufhört, das habe ich letzte Nacht zur Genüge getestet. Heute, während wir in einem innen liegenden Meetingraum saßen, war draußen dagegen die ganze Zeit schönster Sonnenschein. Ich glaube, das Wetter hasst mich oder will mich zumindest verarschen.

Tag 2809 – The Bergen Experience.

Heute Morgen dachten wir noch, wir hätten irgendwas falsch gemacht. Wir stiegen aus dem Flugzeug aus (reichlich seltsam übrigens, das ist so eine Verbindung, die nehmen manche hier wie nen Bus zur Arbeit und so fühlte es sich auch für mich heute an) und es war trocken, klar und überall grün. Dabei regnet es in Bergen doch immer. Immer immer. Vor allem im Frühling.

Nun, wie soll ich sagen. Seit dem Mittag regnet es, seit dem Nachmittag schüttet es wie aus Eimern. Dabei kommt Wind aus allen Richtungen gleichzeitig, mir ist schon drei mal der Schirm umgeklappt und meine Schuhe sind von den 100 Metern Weg vom Hotel zum Restaurant durchgeweicht. Genau hier, genau jetzt sind Dürren in Europa sehr weit weg.

Tag 2807 und 2808 – Entwicklungen.

Gestern und heute waren etwas anstrengend, ehrlich gesagt. Erst nahm Korea noch mehr Form an. Dann hat Michel seine Zahnspange bekommen und ist sehr groß damit. Er muss jetzt langsam die Tragedauer steigern bis zu 16 Stunden am Tag und wenn das erreicht ist, wird auch langsam das Schräubchen immer weiter gedreht. Neulich war der noch ganz klein und wir rannten uns die Hacken nach der richtigen Schnullerform ab. Jetzt hat er eine Zahnspange und schlürft schon wie ein Großer. Außerdem wissen wir seit heute sicher, dass er ADHS hat. Vielleicht nur das, vielleicht auch nicht, aber sicher das. Das hat nach den letzten Monaten mit all den Fragebögen keinen mehr so richtig überrascht, außer vielleicht die Schule, mit der haben wir aber noch nicht gesprochen. Aber ich freue mich schon sehr auf das Gespräch mit der Psychologin und der Schule, wo so Dinge angesprochen werden, wie „ein Kind das schon Hausaufgaben, die über eine Woche aufgegeben werden, nicht organisiert bekommt, kann dies erst recht nicht über zwei Wochen“. Und nein, man kann nicht von allen Kindern erwarten, dass sie das „dann halt lernen“, und in manchen Familien führt sowas auch zu inakzeptablen Ausrastern und Streits, was in der Konsequenz eher zu nicht zwingend gesunden Coping-Strategien als zu echtem Lernen führt. Am Ende wird das Kind zwanghaft wie seine Mutter…

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Kleines Update: eine Murmel zwischen Daumen und Geige halten ist wirklich hardcore. Also geht, aber dann spielt eine halt nur Tonleitern im Schneckentempo. Aaaaber: tatsächlich minimiert das sehr effektiv jede Bewegung in der linken Hand, weil einfach sofort die Murmel runterfällt, sobald man zu doll zuckt. Der Daumen ist auch ganz locker, aber bei mir immer noch eher da, wo ich ihn hinlege und nicht da, wo der Lehrer ihn haben will. Aaaandererseits: vielleicht ist es einfach Wumpe, wo der linke Daumen ist, solange es funktioniert? Ich muss das noch ein bisschen probieren. Damit ich auch noch andere Dinge als Tonleitern üben kann, nehme ich Würfel, die Rollenspielwürfel sind sehr gut geeignet, den Schwierigkeitsgrad langsam zu steigern. Ein Nachteil an allem: das sind alles harte Dinge, die schnarren, wenn man sie an die Geige hält. Macht keinen Spaß, so rein akustisch.

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Morgen fliege ich nach Bergen, um 7 Uhr muss ich im Zug sitzen. Deshalb jetzt Licht aus.

Tag 2805 – Höhenflug.

Meine Geigenstunde war um Längen besser. Warm machen hat geholfen, und sich nicht mehr in die Hose machen, dass der Lehrer bestimmt lacht und/oder sagt, dass man ein hoffnungsloser Fall ist und die Geige lieber als Feuerholz verwenden als darauf herumstümpern sollte, wahrscheinlich noch mehr. Die unterkomplexen Etüden darf ich dann jetzt sein lassen (Hurra!) und mich einer komplexeren Etüde und einem Concerto von Vivaldi widmen. Ansonsten habe ich weiter viele Punkte bekommen, an denen ich arbeiten kann/darf/soll, aber das ist ein sehr langfristiges Projekt, und, wenn man dem Internet Glauben schenkt, auch recht typisch für so halb fortgeschrittene Schüler*Innen wie mich. Kurz gesagt: zu wenig Gewicht im linken Arm, dadurch zu viel Bewegung in den Fingern, dadurch eine angespannte Hand, langsame Finger und schnelle Ermüdung. Ich merke die Symptome ja auch. Und ich erinnere mich auch noch mit gemischten Gefühlen an meine Geigenlehrerin, die immer immer immer wieder daran erinnerte, dass der Daumen locker sein soll. Jetzt soll ich erst mal einfache Dinge wie Tonleitern (oder die eine unterkomplexen Etüde) üben und mir dabei irgendwas, das runterfällt, wenn man zu doll drückt (wie eine Murmel oder ein kleiner Würfel) zwischen Geige und Daumen klemmen. Ich werde da morgen mal suchen, Murmeln hab ich ja jetzt. Ich habe auch angesprochen, dass ich die Bogenhaltung, die er möchte, zwar gut für Kontrolle finde, für lockere Passagen aber zu unflexibel. Wir kommen darauf zurück, aber erstmal soll ich es mehr so machen und weniger flexibel. Also rechts fester, links Daumen abhacken, äh, locker lassen. Um die Geige an sich höher zu bekommen müsste ich vermutlich eine andere Schulterstütze haben, eventuell auch wieder (meh) eine andere Kinnstütze, das ist nämlich so wie er meint, dass es richtig ist, für mich weniger stabil und auch leicht unbequem. Dafür hab ich nicht mehr immer den Abdruck der Schraube der Kinnstütze am Hals, hmm.

Jedenfalls, das war heute echt schon fast gut. Vielleicht hab ich ja irgendwann keine Angst mehr vor ihm.

Mehr war nicht. Reicht auch, so neben allem anderen.

Tag 2803 und 2804 – Auf ein Neues.

Gestern fehlte mir für alles der Antrieb und ich wollte am liebsten unter irgend einem Stein sterben. Heute ist endlich dieser Zyklus vorbei, das war dieses Mal eine schwere Geburt (haha). Ich schiebe das auf Corona.

Morgen habe ich wieder Geigenunterricht. Ich habe die zwei (unterkomplexen) Etüden in der 1. Lage brav geübt und mir für vor der Stunde im Übungshotel (wo ja auch die Stunde sein wird) ein Räumchen gemietet, damit ich mich warm spielen kann. Ich bin da ja leicht zwanghaft (das überrascht niemanden mehr, hoffe ich) und mache immer das selbe* „Warm-Up“, und dass ich das das letzte mal nicht machen konnte hat mich zusätzlich zu allem noch nervöser gemacht. Das lässt sich immerhin für 85 Kronen ziemlich einfach beheben und ich bin dann hoffentlich auch nicht mehr so verschwitzt wie letztes Mal. Generell wäre weniger nervliches Wrack sein schön.

Was anderes: nur Duolingo ist nicht wirklich sinnvoll für wen, die sich Sprachen gern über die Regeln erschließt. Ich habe jetzt aber eine Seite gefunden, die ganz gut erklärt, wie die Sprache aufgebaut ist. Mein Verdacht ist nämlich, dass Koreanisch gar nicht besonders schwer ist, weil es eine sehr regelbehaftete Sprache zu sein scheint. Es scheint auch wenige Ausnahmen zu geben, so wie im Norwegischen auch. Aber Duolingo ballert eine halt schnell mit ganzen Sätzen zu, in denen dann natürlich Verben konjugiert sind und seltsam anmutende Endungen an Wörtern hängen. Wenn man verstanden hat, was die Endungen bedeuten, macht das auch plötzlich alles Sinn, ohne diese Zusatzinfo macht aber selbst mein (ich behaupte** mal, überdurchschnittlich Mustererkennungs-begabtes) Gehirn irgendwann nur noch Hä. Hä-si-mi-da. Und weil ich aber nun mal gut Muster erkennen kann, suche ich dann nach den Mustern und bescheiße Duolingo und in erster Linie mich selbst. Auf der anderen Seite werde ich wohl niemals auf Koreanisch „Philadelphia“ oder „Princeton“ sagen müssen, insofern ist vermutlich verschmerzbar, wenn ich da nach dem Wort, das mit Phi anfängt und mit I-A aufhört, suche.

Noch was ganz anderes: ich hab die Murmelfrau aufgegeben, mir Murmeln im Laden gekauft und meine Murmel-Glitzerflasche gebaut, sie ist sehr schön und klackert dezent, und mit den Murmeln ergeben sich im Glitzer auch noch mal hübsche optische Effekte. Außerdem ist sie in der richtigen Größe zum Mitnehmen und liegt gut in der Hand. Ich hab sogar noch Murmeln übrig, falls mir mal der Sinn nach einer anderen Farbe oder so steht.

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*Natürlich nicht exakt das selbe. Es sind die selben drei Übungen, aber ich wechsele bei der ersten Übung die Griffarten durch und spiele bei der 2. Übung immer andere Dur-Tonleitern. Bei der dritten (auch Tonleitern, aber moll) wechsele ich Stricharten, wobei ich da seit langer Zeit am Ziel „Bogenwechsel weitgehend unhörbar machen“ festhänge. Vielleicht sollte ich mal was anderes üben, aber ich kann ja nicht mit was unperfektem aufgeben!

**Genau genommen habe ich einen Zettel, auf dem das bestätigt ist, dass ich „recht weit vom Durchschnitt entfernt gut“ Muster erkennen kann.

Tag 2802 – Ächz.

Es war ein sehr langer Tag, und auf verschiedene Arten anstrengend obendrein. Habe genug schwierigen Menschenkontakt bis Ostern gehabt, aber es geht gleich morgen so weiter. Immerhin aus dem Homeoffice.

Außerdem ist inzwischen Zyklustag 31 und ich hab seit Tagen latente Migräne wegen der unheiligen Kombination aus Zyklus und Temperaturschwankungen innerhalb eines Tages um 20 Grad. Ich mag echt nicht mehr, sowohl diesen Zyklus haben und diesen Winter haben. Kann ich jetzt Frühling bitte?