Tag 931 – „Organisation ist alles.“

Schrieb ich gestern. Und wie toll ich vorbereitet sei. Yeah.

Von da zu „Ach du Scheiße, ahhhh, alle rein in die Klamotten, hier, nimm nen Smoothie mit als Frühstück!“ waren es nur 10 Stunden.

Und das kam so: um 04:50 kam Pippi angetappst um Banane zu essen. Davor war ich schon geraume Zeit von Michel zwangs- und kampfbekuschelt worden. Nachdem Pippi mit Banane und Wasser und „mir ist kalt“ und Gewühl fertig war, schlief sie wieder ein. Ich überlegte, ob ich aufstehen soll, tat es aber dann doch nicht und schlief kurz vor dem Weckerklingeln auch wieder ein. Es folgte ungut langes Snoozegedrücke. Aber ich war ja vorbereitet, kein Problem!

Ich stand irgendwann dann doch auf, wusch mir die Haare und das Gesicht, zog mich an und machte einen Kaffee. Pippi wurde von Michels Gewühl wach. Sie war aber zufrieden damit, den Rest Nudeln von gestern zu frühstücken, ich nahm also meinen Kaffee mit ins Bad und wollte grad anfangen, mich zu schminken, als Michel kam und direkt fünfunddreißig Dinge von mir wollte, dann war auch Pippi wieder da und sagte, ihr sei kalt, also zog ich erstmal Pippi um und versuchte, Michel dazu zu überreden, Wollsachen anzuziehen. Es sind -15 Grad und Mittwochs ist Ausflugtag, da ist das eigentlich keine Diskussion, es wird lange Wollunterwäsche angezogen und auch Wollsocken. Michel sieht das mit dem „keine Diskussion“ aber ganz und gar nicht so und diskutiert das tagtäglich mit mir aus. „Ich mag die Socken nicht.“ „Ja, ich weiß, aber frieren magst du noch weniger.“ „Aber vielleicht gehen wir heute gar nicht raus.“ „Ihr geht jeden Tag raus und heute ist Tourtag, da ganz sicher.“ „Ist heute Skitag?“ „Hä? Nein, es ist ganz normaler Tourtag.“ „Bist du sicher? Kannst du eine SMS schicken?“ „Ich kann das in meinen mails nachgucken. Aber egal wie, du musst die Wollsachen anziehen!“ „Kannst du das jetzt nachgucken?“ „Ja, ich mache ja schon.“

Ja, raten Sie mal.

„Skitag für Jahrgänge 2012 und 2013, Schlittentag für 2014 und 2015. Treffen spätestens 08:30 Uhr.

Es ist 08:10 Uhr.

Ich bin dann mal wach.

„Aber wir haben eh keine Ski für dich, die hab ich L. zurückgegeben! Du kannst deinen Schlitten mitnehmen. Aber wir müssen in 10 Minuten los, zieh dich jetzt sofort an.“

Bei Michel kam nur „keine Ski“ an. Und er weint jetzt. Und weil ich mit Stress ja total gut umgehen kann, schnauze ich ihn an, dass ich das jetzt halt auch nicht ändern kann aber wenn er heult, kommen wir zu spät und dann sind die schon weg und er muss mit den Babys im Kindergarten bleiben. Das hilft insofern, dass Michel sich jetzt endlich anzieht. Mir fällt ein, dass die Skischuhe noch auf dem Dachboden sind, die waren der Tochter von L. nämlich zu klein. „Dann kannst du dir vielleicht von jemand anderem Ski ausleihen.“ Ich renne auf den Dachboden und hole die Schuhe. Mache Michel Cornflakes und öffne Pippi einen Smoothie – die hatte ja vor 3 Stunden ne komplette Banane. Michel sagt „Aber die Ski sind doch im Keller…?“, ich erinnere mich vage an sowas wie „Wir brauchen nur die Stöcker zurück, H. hat jetzt längere Ski.“ und renne in den Keller. Da sind tatsächlich die Ski. Und die Stöcker auch. Hupsi. Haben wir wohl vergessen, zurückzugeben. Ganz offensichtlich. „Organisation ist alles.“ Egal, ich raffe alles zusammen und renne wieder in die Wohnung hoch. Die Kinder sind so mittelfertig mit ihrem Frühstück, es ist 08:20 Uhr, ich scheuche beide ins Bad zum Zähneputzen und Kämmen. Michel ist jetzt auch sehr sehr aufgeregt. Den zähnegeputzten Kindern sage ich, sie sollen ihre Skianzüge anziehen, während ich die Brotdosen und Wasserflaschen und den angefangenen Smoothie auf die Rucksäcke verteile. Geht natürlich nicht, weil Pippi auf Michels Ski eifersüchtig ist und Michel sich darauflegt, damit Pippi nicht drankommt. Ich schnauze nochmal beide an. Es ist 08:27 Uhr. Ich schreibe dem Kindergarten die leicht euphemistische SMS „Sind auf dem Weg.“, stopfe Pippi etwas unsanft in ihren Anzug, helfe Michel bei seinen Reißverschlüssen, überrede Pippi zum Tragen von Schuhen, Michel klemmt Ski und Stöcker unter den Arm, ich die Rucksäcke und Skischuhe, grabsche auf dem Weg aus der Tür noch schnell meine Handschuhe und unten Pippis Schlitten und dirigiere irgendwie die Kinder über die Straße. Keins wird überfahren. Um 08:33 Uhr ist alles Gedön im Kofferraum und wir alle angeschnallt. Pippi hat Rotzwürmer und ich kein Taschentuch. Es ist wirklich saukalt, so ohne Mütze merke ich das doch sehr. Um 08:36 Uhr sind wir an der KiTa. Michel nimmt wieder seine Ski und ich den Rest. Der KiTa-Bus steht da noch – weil er nicht startet. Die großen Kinder sind auf dem Weg raus, die Kleinen sind aber drin. Michel braucht Hilfe mit den Skischuhen. Die sind echt sehr sehr eng. Pippi und ihre Rotzwürmer stehen verloren mitten im Große-Kinder-Gewusel, Michel zappelt und erzählt mindestens drei Leuten gleichzeitig, dass ich vergessen habe, dass Skitag ist, und dass ich vergessen habe, meiner Kollegin die Ski zurückzugeben. Nach gefühlt ewigen fünf Minuten habe ich Michel in die Skischuhe bekommen, da fehlt sein Handschuh. In der KiTa-Garderobe sind gefühlte 30 Grad. Pippi will hoch, alle anderen Kinder reden, rufen, brüllen und meine Synapsen laufen langsam vor Transmittern über. Ich sage unwirsch zu Michel, dass sein Handschuh nicht weg sein kann, der war ja vor drei Minuten noch da und bringe Pippi nach oben. Die ist erst happy, ihre Freunde zu sehen, stößt sich dann aber den Kopf und weint und will, weil ich noch da bin, natürlich nicht von der Betreuerin getröstet werden, sondern von mir. Aber immerhin darf die Betreuerin ihr endlich die Nase putzen. Als ich unten aus der KiTa komme, ist es 08:51 Uhr. Aber ich kann noch nicht nach Hause fahren, denn ich werde von Michel überfallen, der seinen einen Ski nicht anbekommt. Mit langsam absterbenden Ohren und Fingern helfe ich ihm bei seinem Ski, was sich schwierig gestaltet, weil er die ganze Zeit nervös herumhampelt und als dann der Bus endlich startet, ist alles vorbei. Glücklicherweise kriege ich in der selben Sekunde den Ski fest.

Um 09:02 Uhr bin ich wieder zu Hause, völlig im Eimer.

Organisation ist halt alles, ne?

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Auto-Lobhudelei: Herrje. Überlebt. Kinder haben warme Dinge an, Essen dabei und waren nahezu pünktlich da. Und inzwischen bin ich auch bei der Arbeit.

Tag 930 – Geschafft!

Also, fast jedenfalls. Ich wollte um zehn im Bett liegen und mit allem durch sein. Jetzt liege ich um viertel nach zehn in Michels Bett. Aber ich bin mit allem durch. Es wurde auch nur viertel nach, weil ich noch Appetit auf was herzhaftes hatte und mir noch ein Brot machte, nachdem ich mit den Kinderbrotdosen für morgen durch war. Und dann kam ich aus dem Bad und auf dem Weg ins Bett kam mir Michel entgegen, der aufs Klo musste. Danach wollte er gern mit ins große Bett, aber, haha, nein, da gedenke ich gleich quer drin einzuschlafen. Morgen darf dann gerne wieder so produktiv und entspannt klappen wie heute.

Jetzt aber schnell ins (eigene) Bett und schlafen.

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Auto-Lobhudelei: Tag 1 allein mit den Kindern recht gut hinbekommen, am Vortrag gefeilt, ein bisschen genäht und nichts an die Wand geworfen, weil ich schon wieder was falsch zusammengesetzt habe.

Tag 929 – Kleine Diebe.

Bei Ihnen ist Fastenzeit, hier ist morgen im Kindergarten Karneval. Heidenland, Soddom und Gomorrha, barbarische Vikinger, whatever, ich finde Karneval eh unlustig und verkleide mich auch nicht gern. Insofern war ich ganz froh, dass Michel heute (ja, doch schon heute) mit einer sehr konkreten aber leicht umzusetzenden Kostümidee um die Ecke kam, geschrieben auf einem Zettel und wohl mit nur ganz wenig Hilfe*:

Da steht (mit ein bisschen Phantasie jedenfalls) „TYVE DRAKD OG TYVEHAT“ und heißt soviel wie „Diebanzug und Diebmütze“, garniert mit wundervollen Rechtschreibfehlern, wie sie nur Schreibanfänger machen können**. Auf dem Bild ist Michel in der Mitte, der von seinem Kumpel mit Polizeispleen (rechts) festgenommen wird. Weshalb Michel auch sauer ist. Michels Freundin, die auch eine Diebin ist, sitzt schon im Gefängnis und ist auch sauer. Und weil Diebe in Michels Welt gestreifte Gefängniskleidung anhaben und er sich davon auch absolut nicht abbringen ließ, kauften wir heute einen Weiß-Ganzdunkelblau-gestreiften… Schlafanzug und noch einen Minions-Dieb-Schlafanzug für Pippi, zwei dunkelgraue Wollmützen dazu (weil die Lego-Diebe sowas aufhaben) und morgen werden also zwei kleine Diebe in den Kindergarten gehen und möglicherweise allen die Herzen stehlen. *hust* mindestens.

Die Rückseite von dem Zettel war auch noch der Brüller:

Und ich so: „Mohehe?!?“ Und Michel: „Ja! MUHÄHÄHÄHÄ! *lacht diabolisch*“

Dieses Kind, ey!

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Auto-Lobhudelei: Vier Folien zusammengedutzelt, um 22:39 Uhr das Sportprogramm abgeschlossen (Au!).

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*Das eine Kind schreibt, das andere zählt bis zwölf („ein, fei, grei, fide, fümpf, seks, sju, åtte, ni, ti, elf, gölf. yeahhhh!“). Ich schwanke zwischen Hachz und Hui.

**Ich finde schreiben lernende Kinder fast so niedlich wie sprechen lernende. Nein, niedlicher.

Tag 928 – Auf, auf.

Ende der Woche möchte ich den Vortrag für meine Defense fertig haben. Also den, in dem ich meine Ergebnisse präsentiere. Denn Mitte übernächster Woche bekomme ich das Thema für die Probevorlesung*. Ich möchte außerdem noch ca. 3 Bewerbungen schreiben, bevor ich das Thema bis Ende März auf Eis lege. Die eilen aber alle nicht doll. Zu Nähen für die Defense wäre noch eine Bluse (die ich heute zugeschnitten habe) und ein Kleid. Der Rest wäre dann Kür – das Alternativkleid, eine Alternativbluse, vielleicht doch noch ein Feincord-Rock? Oberstes Gebot ist aber Nerven schonen, im Zweifel habe ich Dinge zum Anziehen im Schrank, das beruhigt ungemein. Die Bluse ist einfach zu nähen, für das Etuikleid für die Feier habe ich mich für die einfache Version entschieden, denn, hui, das blaue Kleid war wirklich viel Arbeit, das schaffe ich in der Intensität nicht in den nächsten drei Wochen noch einmal.

Nerven schonen heißt auch, dass ich alle Daumen bräuchte, dass die Kinder nächste Woche, wenn Herr Rabe auf Dienstreise ist, nicht krank werden.

Was war noch so? Ich habe gestern ein und heute zwei Brote gebacken, auf Vorrat (Nerven schonen!). Mein Roggensauerteig ist wieder gewohnt hyperaktiv, der Weizensauerteig geht wie gewohnt schnell und gut, die haben sich beide echt gut von der Pause im Kühlschrank (und der Vernachlässigung, denn ich hatte die nicht mal „verkrümelt“) erholt. Schön, schön.

Meine Fingernägel haben unter dem häufigen Lackieren im Dezember ziemlich gelitten und jetzt sind die ganz argen Stellen vorne angekommen. (In der Zeit der Hyperthyreose sind die Fingernägel auch sehr schnell gewachsen, aber offenbar nicht in die Dicke. Schade.) Nachdem mit heute der dritte wegen simplem „irgendwo angestoßen“ aufgesplittert ist, habe ich sie allesamt bis zum Anschlag abgeschnitten, rund gefeilt und dann Pflegelack draufgepinselt, damit die Oberfläche beschützt ist. So kriege ich sie hoffentlich bis in drei Wochen wieder aufgepäppelt und danach dann von mir aus die Sintflut.

Mein Sportprogramm ist fast vorbei und ich muss sagen: ich wünschte, ich könnte in einen normalen Tagesablauf täglich ca. 45 Minuten Sport einbauen. Rein körperlich fühle ich mich super gut, gelegentlichen Muskelkater abgezogen tut mir nichts weh, nichts ist verspannt, blockiert, verkrampft. Sonst war es das und trug immens dazu bei, dass ich mich oft sehr alt fühle. Jetzt ist das schon mal weg und ich fühle mich nur noch alt, dann aber so richtig, wenn ich Tena Lady kaufen muss, weil, naja, zwei vaginale Geburten ihre Spuren hinterlassen haben, die sich auch hartnäckig nicht wegtrainieren lassen und das Gehopse bei den Fitnessvideos fällt wohl unter „Beckenbodenstress“.

Nun denn. Auf in die nächste Woche. Keine Krisen mehr, bittedanke.

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Auto-Lobhudelei: war ein okayer Mensch heute, so insgesamt. Hab sogar meine Oma angerufen. Sie hat sich eine Wohnung gekauft, die nächstes Jahr fertiggestellt wird. Man muss ja Pläne haben, mit 87! Zur Defense kann sie leider nicht kommen, weil sie da zur Kur ist. Aber sie trinkt dann ein Glas Sekt auf mich. Omi ist schon cool.

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*Zu einem vom Prüfungskommitee zugeteilten Thema, das meist grob, aber doch entfernt mit dem zu tun hat, was man gemacht hat. Mein educated guess lautet auf entweder Sequenzierung oder generell Detection von Nukleinsäuremodifikationen oder (und dann weine ich kurz) Basenmodifikationen in non-coding RNAs.

Tag 927 – Krisen schaffen Nähe.

So las ich es heute als Erklärung weshalb bei Instagram-Bildern, wunderhübschen Selfies mit sauber arrangiertem, stylischen #hygge-Hintergrund, ab und zu mal drunter steht, welch schlimme #Lebenskrise und #Schicksalsschläge die Person gerade durchmacht. Wort-Bild-Schere vom Feinsten. Nun. Lassen Sie es mich so formulieren: sollen die machen. Meine Krisen sind ein klitzekleines bisschen schlimmer als #ChiaPuddingIstAlle, und ich empfinde das gar nicht mal als Lebenskrise. Halt ein lokales Stimmungs-Minimum. Ich käme nicht auf die Idee, in so einem Loch ein Selfie von mir zu machen, darauf wäre wenn überhaupt auch keine schicke weiße Couch mit grau-lavendelfarbenen Kissen und farblich passenden Kerzen zu sehen, ich mittendrin, die bewollsockten Füße grazil unter den Longpulli gezogen, melancholisch aus dem Fenster sehend, während ich mir die Finger an einem warmen Kakao in einer übergroßen Tasse mit Kalenderspruch drauf wärme. Bei mir sieht das eher so aus: ich liege im Bett und, falls ich geschminkt bin (wenn es mir nicht gut geht, schminke ich mich oft nicht), ist die Schminke verlaufen (nicht die Wimperntusche, die hält auch ein paar astreine Heulkrämpfe aus). Mein Gesicht ist komplett verquollen und wird das auch zwei Tage so bleiben, vor allem um die Augen rum. Meine Nase ist knallrot. Ich habe die Decke bis zur Nase hochgezogen und starre ins Leere, die Haare stehen in alle Richtungen ab und ab und zu läuft mir eine neue Träne die Wange runter. Spricht man mich an, sage ich nichts oder es bricht alles aus mir raus, unter hässlichem, schnoddrigen Geschluchze.

Insofern: Glückwunsch. Sie sind mir alle voll nah. Oder zählt das nicht, wenn es kein Foto gibt? Verwirrend.

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Auto-Lobhudelei: Ich bin auch heute irgendwann wieder aus dem Bett aufgestanden. Das war eine fast übermenschliche Leistung.

Tag 924 – Piep!

Ich lebe noch.

Das Kleid hat jetzt einen Reißverschluss. Es geht noch zu, sitzt, und die Nähte treffen fast überall fast aufeinander. Alter Verwalter.

Ich habe keine Endokrine Orbitopathie.

Meine Dissertation wurde ohne Mängel zur Verteidigung zugelassen und ich habe echt gutes und hilfreiches Feedback in den Gutachten bekommen.

Jetzt bin ich im Eimer. Muss schlafen. Morgen früh raus.

Tag 923 – Alltagsmakeup in 10 Minuten.

Ich muss wieder an meine Nähmaschine. Ich bin besessen.

Aber weil ich auf Twitter heut drauf kam und ich auch schon öfter bei Youtuber*Innen gedacht habe „Jo, Alltagsmakeup und ungekürzt dauert das sicher ne Dreiviertel Stunde…“ habe ich heute mal wieder ein Bjuti-Video gemacht. Das ist nicht geschnitten, ich habe es mir noch nicht mal noch mal angeguckt und ehrlich gesagt habe ich geschummelt und hinterher noch Highlighter draufgemacht, da war die Kamera aber schon aus und ich hab das dann blind gemacht und jetzt leuchte ich bis zum Mond, juchhei. Auf jeden Fall kann man sich das hier ansehen. Für meine Verhältnisse sehr wenig Glitzer, aber so Glitzer-Explosionen finden ja viele im Alltag eher nicht so tragbar.

Tag 922 – Kann doch nicht wahr sein…

Ja, genau. Michel hat irgendeinen Infekt oder so, ihn plagen weiterhin Kopfschmerzen, trockener Husten und manchmal leichtes Fieber. Es ist zum Mäusemelken. Und ja, ich nörgle über die Untätigkeit, und dann nörgle ich auch, wenn ich was zu tun hab – nämlich kranke Kinder betreuen. Aber, herrje, die sind ja im Moment auch echt dauernd krank. Und ich verstehe rational, dass ich wirklich nun mal diejenige bin, die keinen Job hat. Aber halt nur rational. Emotional bleibt damit IMMER ALLES an mir hängen. (Ich benutze jetzt grad mal absichtlich die Paarberatungs-Triggerphrasen zur Verdeutlichung.) Ich waschetrocknefalteverräume nebenher Wäsche, räume nebenher die Spülmaschine ein und aus, räume auf, rödle herum. Ich besorge Dinge. Ich gehe zur Post. Ich, ich, ich.

Ha! Schön wär’s! Ich mache das ja noch nicht mal alles! Ich gebe mir jede Mühe, eben nicht den kompletten Haushalt zu schmeißen. Aber das kostet richtig bewusstes Nicht-tun von mir, immer wieder muss ich mir sagen, nein, du bist jetzt nicht automatisch Hausfrau, dein Job ist jetzt die Jobsuche und die Vorbereitung auf die Defense. Herr Rabe arbeitet grad die Stunden wieder rein, die ihm im Dezember verloren gegangen sind, das hält ihn aber nicht davon ab, abends eine Maschine Wäsche aufzuhängen. Oder einen Liter Milch mitzubringen. Und diese Schieflage – ich, die ich mich bewusst bremsen muss, Dinge zu tun, die ich total blöd finde, die ich aber gut machen könnte und zu denen ich mich auf eine fiese, diffus protestantische und hundertprozentig von meiner Mutter übernommene Art auch stark verpflichtet fühle – auf der anderen Seite Herr Rabe, der (wegen mir) Arbeit liegen lassen musste, die jetzt wartet und der sich vermutlich auch dazu verpflichtet fühlt, gerade jetzt bei seiner Arbeit vollen Einsatz zu zeigen, hängt doch unser Familieneinkommen maßgeblich davon ab – diese Schieflage jedenfalls, die ist richtig unangenehm. (War das der längste Satz bisher in diesem Blog? Ich vermute es stark. Nun Ellipsen. Obwohl. Nee.)

Und dann fühlt man frühmorgens ungewöhnlich warme Füße am Bein und weiß: mein Job ist grad eben doch kein Job. Und wenn nichts super wichtiges ansteht (Mittwoch zum Beispiel habe ich einen Augenarzttermin und ich sage es mal so: noch eine Person, der Michel offenherzig erzählt, dass seine Mama „einfach keinen Job findet“ und ich nehme den nie wieder irgendwo hin mit), bin ich dran. Dran, dranner, am dransten.

Gut, dass mir das wenigstens bewusst ist, da ist die Gefahr etwas geringer, es sich in der Situation bequem zu machen. Und für die Zeit ab Donnerstag, wenn ich die Vorträge, den Druck, das ganze Tralala einfach fertig bekommen *muss*, haben wir schon abgemacht: da teilen wir auch die Kindkrank-Tage wieder.

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Auto-Lobhudelei: Gezielt in einen Glitzertopf gefallen und Bombe ausgesehen, während ich mitsamt Michel bei der komplett sinnfreien Beratung des Karrierecenters war. Bombe ausgesehen, während ich Blubberwasserpatronen kaufte. Pippi aus der KiTa holte. Das Spitzenoberteil anpasste. Mit einer Dame telefonierte, die mich ein wenig über die Arbeit der EMA aufklärte. Mit Michel fünfzig Mal durchdiskutierte, dass er kein Fernsehen gucken darf, weil wir das so abgemacht haben, als er am Morgen sagte, er wolle nicht in die KiTa. Also auch: viel geschafft. Erwachsenenpunkte verdient.