Tag 1077 – Ferientag 13. Von Eile.

„Mama! Guck! Mama!“ rief Michel heute früh, noch mit seinem niedlichen Schlafgesicht*, riss den Mund auf und präsentierte mir seinen Wackelzahn. Der jetzt schon sehr doll wackelt und an dessen innerer Kante es ein bisschen blutete**.

Den ganzen Tag hatte Michel dann auch kein anderes Thema. Was wenn der Zahn nachts ausfällt? Tut er nicht, sagte ich, die fallen aus wenn man dran rum rupft oder beim Essen. Aber dann kann er ja nichts mehr essen! Gar nichts! Doch doch, sagte ich, ich püriere dir einfach alles oder ich kaufe gleich so Babygläschen, dann geht das schon***. Neeeein, sagte Michel.

Was wenn es wehtut? Oder wenn es doll blutet? Tut es nicht, sagte ich, die fallen aus, wenn sie so weit sind, wenn der neue Zahn den alten rausschiebt, dann tut das nicht so doll weh und blutet auch nicht so doll****.

Aber was machen wir mit dem Zahn wenn die Zahnfee ja nicht kommt*****? Den tun wir in ein Döschen, sagte ich. Aber das brauchen wir dann jetzt! sagte Michel.

Und so googelte ich heute nach Zahndöschen, weil es halt nach demWackelgrad zu urteilen eilt nur von norwegischen Anbietern und ich sah das rosahellblaue Kitsch-Grauen. Herrje. Oder, was ich auch wirklich schlimm finde: eine Dose mit Extra Loch in der Mitte für den Nabelschnurrest. Ähm, Moment, den Nabelschnurrest? Das vertrocknete, leicht müffelnde Dings aus toten Zellen, das damals in Michels Fall einfach ums Verrecken nicht abgehen wollte, bis der Kinderarzt mit einer ordentlichen Dosis Peroxid der bakteriellen Besiedlung Einhalt gebieten musste? Das hätte ich aufheben sollen? Um es dann knapp sechs Jahre in dieser Dose mit der niedlichen Babygravur im Deckel aufzubewahren, um dann nach und nach die Milchzähne reinzustecken? Entschuldigung, aber: IGITT. I-GITT. Aber außer dem und was mit einem Bärchen und Herzchen drauf gab es halt in Norwegen nur die Möglichkeit, die Zähne zwecks Konservierung der Stammzellen für sehr viel Geld einlagern zu lassen, weil man ja aus Stammzellen jedes Gewebe züchten kann, aber da rollen sich mir die Fußnägel bis zum Anschlag hoch, wenn ich solche Geldmacherei sehe, denn soweit ich weiß (ich habe jetzt keine Lust zu recherchieren und zu verlinken) ist es nach wie vor nicht mal eben möglich, mehr als ein paar Klumpen differenzierter Zellen (also quasi simpelstes Gewebe, zum Beispiel Herzmuskelzellen) zu erzeugen. Klar kann man Nervenzellen machen, oder Gehirnzellen, geht alles, aber was nicht geht sind die komplexen Netzwerke verschiedener Gehirnzelltypen (Spoiler: es sind nicht alle Gehirnzellen gleich!) in einer Petrischale wachsen zu lassen, geschweige denn die Klumpen irgendwie sinnbringend irgendwo hinzutransplantieren. Das ist also schon mal Humbug und dann kommt noch dazu, dass sich (wieder meines googlefaulen Wissens nach) kein Therapieansatz mit eigenen Stammzellen bisher als erfolgversprechend erwiesen hat. Ergo: lagern Sie von mir aus Stammzellen aus Nabelschnurblut oder Milchzähnen ein, wenn Sie Geld übrig haben und nicht wissen wohin damit. Aber versprechen Sie sich lieber nicht davon, dass ihr Kind damit so ne Art Superduperextraversicherung gegen Krebs oder wasweißich hat.

Ähm, hups, da ist es kurz mit mir durchgegangen, jedenfalls haben Michel und ich dann in einem Spielzeugladen diese kleine Tupperdose gekauft und wenn ich wieder Zugang zu meinen Stoffen habe, mache ich da noch ein Pölsterchen rein und gut ist.

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Auto-Lobhudelei: recht souverän diesen Dosenkauf mit hyperaufgeregtem Michel überstanden.

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* „puffy“ trifft es wohl. Naaww.

** jetzt verstehe ich meine Mutter, die sich unsere Wackelzähne immer gar nicht so richtig anguckte.

*** man kann Kinder nie früh genug an Ironie heranführen

**** von Wurzelkorrosion erzähle ich ihm dann, wenn der Zahn draußen ist.

***** ganz heikles Thema. Vermutlich kommt sie, ein mal, und bringt ein kleines Geschenk.

Tag 1053 – Weiter aufregend.

Heute habe ich Michel gesagt, dass wir jetzt definitiv umziehen werden. Sehr spontan erzählte ich ihm das, als er nämlich daran erinnerte, dass ich mal zugesagt* hatte, dass er zu den Sommerferien dann ein Haustier bekommt. Ich habe es dann aber geschafft, ihn auf „nach dem Umzug“ runterzuhandeln, weil das ja für so HamsterMäuseMeerschweinchen** sicher sehr stressig wäre, umzuziehen. Nachdem ich ihm erklärt habe, dass es da, wo wir hinziehen, nicht weniger sondern ganz sicher mehr Tierläden*** sind, als hier, ließ er sich darauf ein. Und möchte jetzt, dass wir bitte was mit Garten kaufen, weil er dann nämlich den HamsterMäuseMeerschweinchen zwei Hütten bauen will, eine für den Sommer und eine warme für den Winter****. Hachja. Der ist schon toll.

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Auto-Lobhudelei: fast gar nicht total verrückt gemacht heute. Nahezu total entspannt geblieben.

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*Ich erinnere mich nur noch vage daran und glaube, meine Reaktion war eher jaja, hmm, soso, als ein enthusiastisches Ja!

**Kleinnager it is, aus Allergiegründen keine Katze (ich bin deswegen sehr, wirklich sehr traurig), aus Zeitgründen kein Hund. Ich hatte auch schon Kleinnager und kenne mich gut genug aus, um die meisten typischen Anfängerhaltungsfehler nicht nochmal zu machen und vor allem um Foren zu meiden. Foren sind die Pest.

***siehe auch **, nein, ich gehe nicht in einen Baumarkt und kaufe da irgendein Tier.

****siehe auch **, nein, ich plane keine Hamsterzucht im Garten oder Draußenmäuse. Das werden alles Freigänger. Ich mache dann Klickertraining mit denen und dann kommen die bestimmt abends auf Zuruf alle wieder ins Häuschen gelaufen. <— Das war Ironie.

Tag 1025* – Politikerschwund in Norwegen.

Hach, jetzt sollte hier die geradezu herzerweichende Geschichte stehen, wie Michel heute beim Frühstück in einem Gespräch, dass sich aus seiner Frage „Können zwei Jungen ein Baby zusammen machen?“ entsponnen hatte, vorschlug, wir sollten doch unsere norwegischen Politiker nach Deutschland schicken, damit die da mal sagen, dass das ganz ungerecht ist, wenn gleichgeschlechtliche Paare nicht so einfach Kinder adoptieren dürfen. Aber dann habe ich beim googeln festgestellt, dass das seit der „Ehe für alle“ gar nicht mehr so ist**, und das ist zwar für meine Geschichte jetzt blöd, aber ja aus dem besten denkbaren Grund.

Ansonsten waren wir heute auf dem Festival und es war sehr aufgebaut und wegen absolutem Bombenwetter einfach großartig, da kann man auch mal Sonnencremeflecken auf dem T-Shirt verzeihen. Bilder morgen, gesammelt vom Wochenende.

Auch ansonsten: in der Not frisst der Teufel fliegen und Frau Rabe bekämpft Migräne aus Mangel an Alternativen*** mit Paracetamol und… Magnesium. Das war ein „toller“ Tipp von der Apothekerin in Kroatien gewesen, wo Triptane auch alle rezeptpflichtig sind****. Nun. Es hat funktioniert. Allerdings mussten dafür 2000 mg Paracetamol her (1000 gestern abend und dann noch mal 1000 heute früh um fünf, als ich von Kopfschmerzen geweckt wurde, wenn das passiert, ist es normalerweise Alarmstufe rot) und 800 mg Magnesium. Und von so viel Magnesium auf einen Schlag kriegt man dann auch Durchfall. Aber besser das, als Migräne. Oder Legevakt. Aber ehrlich, wenn Sie Migräne haben: sprechen Sie mit der Ärztin Ihres Vertrauens, finden Sie möglichst ein Triptan, das Ihnen hilft, finden Sie möglichst einen Weg, Anfälle zu verringern, sei es durch Vermeidung bestimmter Trigger oder durch Medikamente, aber glauben Sie nicht der Frau aus dem Internet, die in ihrer Verzweiflung einmal Magnesium probierte und bei der es (vielleicht auch nur wegen der Verzweiflung) half.

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Auto-Lobhudelei*****: Heute die meiste Zeit recht gut mit den Kindern gewesen, obwohl Michel ziemlich am Flippen war, vermutlich wegen des Festivals. Ungeduldig, nah am Wasser gebaut, sofort auf der Palme und auf 180 und „nienienie werde ich [akuten Aufreger einfügen]“. So wie ich sonst. Gemessen daran eigentlich Supermutti gewesen. Und gesunde Snacks dabei gehabt (und den Kindern trotzdem Zuckerwatte gekauft).

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*Na super, Tag 1024 einfach übergangen. Sorry, 2^10-Tag.

**auf dem Papier jedenfalls, praktisch sieht es wohl anders aus.

***kurz vor Kroatien bestürzt festgestellt, dass nur noch 1 Tablette des OTC in Deutschland gekauften Triptans da ist und die quasi aus Schock direkt zwei Tage später nehmen gemusst. Dann gedacht, ach, ich bin ja in Kroatien, da sind Triptane bestimmt auch OTC. Nein, sind sie nicht****. Und die Ibuprofen-Lysinat-Tabletten sind auch irgendwie schon wieder alle. Die gibt’s hier ja auch nicht. Seufz.

****Ich finde das eigentlich nicht schlimm, in Deutschland war es ja auch bis vor ~10 Jahren so, nur im Akutfall ist es halt blöd, wenn man sich statt zur Apotheke dann zur (Notfall-, wenn Wochenende oder spät) Praxis schleppen muss, da ewig wartet und die Migräne in der Zeit völlig eskaliert. Aber Montag habe ich einen Arzttermin, ich hab schon ne Liste an Dingen, die ich ihm vortragen werde.

*****hab ich ja auch schleifen lassen, ne? Ich werd mich bemühen, das wieder einzuführen.

Tag 1012 – „Mama, weißt du was?“

„Zum Geburtstag wünsche ich mir ein Tellifon. Oder einen Roboter. Mit Fernsteuerung. Wenn ich kein Tellifon oder einen Roboter kriege, werde ich ganz sauer. Man kann auch einen Roboter haben, der mit dem Tellifon gesteuert wird. Dann drückt man auf das Tellifon und dann geht der Roboter los. Gibt es dass, Mama? Das wünsche ich mir. Und der Roboter, der muss drei Knöpfe haben. Wenn man auf einen Knopf drückt, dann verwandelt der sich. In ein Flugzeug. Und dann fliegt der so rum, fju fju, und dann, wenn man wieder auf den Knopf drückt, dann fliegt der so ganz nah am Boden und blüpdiblübbediblüp, ist der wieder ein Roboter. Und der Roboter muss auch aufgeladen werden, aber nicht mit einer Bratterie. Und dann, wenn der aufgeladen ist, dann macht der so „Miep Mop!“ und dann blinkt das auch. Miep Mop! Hehehe. Und wenn man auf einen anderen Knopf drückt, dann soll sich der Roboter in was anderes verwandeln. In einen T-Rex! Wääuuu! Wäääuuuuu! Und der muss auch, wenn gemeine Leute oder Kinder kommen, dann muss der so böse Augen kriegen. Und dann erschreckt der alle bösen Kinder. Alle die ich nicht kenne. Nicht M. und M. Und H. auch nicht. Aber K. und I. Weißt du was K. gemacht hat? Die hat mich gekniffen und getreten. Und dann kann der Roboter die erschrecken und dann so fju fju, kommen da Schießraketen aus den Armen, aber der schießt damit nicht, der erschreckt die nur und dann rennen die weg. Das ist cool. Das möchte ich haben. Kannst du das für mich finden, Mama? Du kannst das im Internet finden. In dein‘ Tellifon.“

Ich habe also noch knapp fünf Monate, um einen ferngesteuerten Flugzeug-T-Rex-Wachhund-Roboter zu finden, der „Miep Mop“ macht, wenn er aufgeladen ist. Aber ohne Batterie. Kein Ding.

Tag 898 – Wie so ein Tier.

Erstens hing ich heute noch einen Tag lang mit einem kranken und einem gesunden Kind zu Hause rum und so langsam muss ich echt Willenskraft aufbringen um nicht wie so ein Tiger Furchen in den Boden vor der Tür zu laufen. Im Ernst, ich bin gern mal gemütlich, ich hatte sogar wieder die Gelegenheit, ein bisschen zu dösen, aber herrje, ich muss mich bewegen! Und damit meine ich kein Herumhopsen vorm Fernseher, damit meine Muskeln nicht verkümmern, damit meine ich aus dem Haus gehen. Morgen. Morgen gehe ich aus dem Haus, und wenn ich Pippi dafür fitspritzen muss, ich werde sonst irre hier.

Zweitens hatte ich mit Michel heute naturwissenschaftliche Diskussionen. Warum sind die Affen zu Menschen geworden? Menschen und Affen haben gemeinsame Vorfahren. Was heißt das? Dass es mal ein Tier gab, das war vielleicht so wie ein großer Affe und daraus haben sich dann die Menschen und die Affen entwickelt. Sahen die Menschen immer so aus wie jetzt? Nein, die sahen am Anfang ganz anders aus. So wie Boxer? (Bleiben Sie da mal ernst!) Naja, ein bisschen vielleicht wie Boxer, weil der Kiefer noch so aussah, wie ein Mensch heute mit Mundschutz. Und die Augenbrauen waren auch dick! Ja stimmt, die waren auch ein bisschen so, wie wenn ein Boxer da drauf gehauen wurde. Menschen sind auch Säugetiere, Mama. Ja. Warum heißen Säugetiere (auf norwegisch: Pattedyr) eigentlich so? Weil sie ihre Babies säugen. Haben alle Säugetiere Fell? Nein, Wale zum Beispiel haben kein Fell, sind aber Säugetiere. Fische sind keine Säugetiere! Nein, Wale sind aber keine Fische, weil sie lebende Babies bekommen und keine Eier legen und die Babies dann auch Milch trinken. Kann man Wale essen? Ja, kann man, man kann fast alles essen. Ist das erlaubt, Wale zu essen? Ja, das ist erlaubt, aber fast überall ist verboten, Wale zu fangen und zu töten. Hier ist es erlaubt, aber ich finde das nicht gut und esse deshalb keine Wale. Warum findest du das nicht gut? Weil es nicht viele Wale gibt und die Menschen durch das Fangen von Walen schon viele Arten davon fast ausgerottet haben. Ich finde das auch nicht gut. Wenn man eine Walmama tot macht, wird das Baby bestimmt traurig. … Es dauert noch lange, bis ich sterbe. Ja, das stimmt. Und bis ihr sterbt? Dauert das auch noch lange. Warum sterben wir irgendwann? Weil unsere Gene alt werden. Was heißt das? Naja, wenn du ein Bild immer wieder kopierst, dann wird das ja auch immer schlechter, irgendwann erkennt man fast nichts mehr. Das passiert mit deinen Zellen auch. Irgendwann sind die Gene da drin so oft kopiert, dass das nicht mehr gut funktioniert mit dem Kopieren. Dann werden die Zellen alt und dann stirbt man irgendwann. Warum werden die Gene alt? Ja, weil sich halt da drin Fehler ansammeln. Wie beim Kopierer. Und die werden auch immer kürzer, das Bild wird sozusagen immer am Rand ein kleines bisschen abgeschnitten und irgendwann ist nichts mehr zum abschneiden da, dann ist die Zelle auch alt und stirbt. Und wenn viele Zellen sterben, stirbt irgendwann auch der ganze Mensch, das ist leider so.

Dieses Kind. Es wird mich irgendwann Löcher in alle erdenklichen Körperteile gefragt haben, mich totdiskutieren und dann meine Telomere nachmessen. Während die kleine Schwester perfekt geometrische Formen aus Bügelperlen und Lego baut, was ich für zweieinhalb auch schon beachtlich finde. Und sie kann, kein Witz, bis elf zählen.

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Auto-Lobhudelei: keine Furchen in den Boden gerannt. Die Bewerbung von gestern heute Abend endlich fast fertig gestellt.

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Tag 835 – Liebe Grüße aus dem Krankenlager.

Tjoa, also die Kinder sind immernoch krank. Auf unterschiedliche Art. Michel hatte heute morgen noch leichtes Fieber und dann keins mehr, fühlt sich aber sehr schlecht, Pippi hatte heute morgen kein Fieber und heute Abend erhöhte Temperatur und ist mopsfidel. Und ich sage es mal so: mehr als ein Kind, das nachts weinend angerannt kommt, weil es panische Angst hat, an Husten zu sterben, brauche ich auch nicht. Und auch die Erwiderung auf mein „niemand stirbt hier, ich passe schon auf“ habe ich mal lieber überhört:

Doch. Du und Papa. Ihr seid erwachsen. Dann sterbt ihr bald.

Tag 833 – Diese Kinder.

„Komm, Pippi!“ schreiflüstert Michel Pippi zu.

„Ja!“ schreiflüstert Pippi zurück.

[Gekruschel aus dem Wohnzimmer, dem Bad, wieder dem Wohnzimmer. Keiner weint.]

[eine halbe Stunde später]

„Papa, Mama, guckt mal, ich hab mich selber angezogen! Und wir haben Zug gespielt.“

Tatsache. Michel ist komplett angezogen und Pippi sitzt glücklich mitten in einer sehr großen Runde aus Brio-Zug-Schienen und lässt Züge fahren.

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Michels Kumpel: „Mama, kann Michel noch mit zu uns kommen?“

„Hmm, du musst noch Hausaufgaben machen und es ist auch schon so spät.“

[traurige Gesichter]

[etwas später]

„Du, H., ich kann dich heute nicht besuchen. Ich muss noch DinoTrux gucken.“

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Wir fahren an einer modernen Kirche mit beleuchtetem Kreuz vorbei.

„Was ist das da für ein falschrummes Schwert?“

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„Pippi Hände waschet.“

„Du hast eben Hände gewaschen, ja.“

„Nein. *fake hustet* da Pippi Hände waschet!“

„Als du Hände gewaschen hast, hast du gehustet?“

(Sehr zufrieden) „Ja!“

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(Schlaftrunken) „Mama? Du sollst einen Schlafi anziehen.“

„Ich soll dir einen Schlafi anziehen? Aber du hast doch einen an!“

„Du sollst DIR einen Schlafi anziehen. Und dann mit mir hier kuscheln.“

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Herr Rabe: „So ein Kardinal oder Bischof, der sagt, er will ein neues Wort für Weihnachten, damit alle feiern können, auch die, die mit Christentum nichts am Hut haben.“

Ich: „Ja, ist mir ja auch total egal, wie das heißt. Wäre ich für, das anders zu nennen.“

Michel, vermeintlich schlafend: „Ich auch.“

Tag 750 – „Mama?…

… warum bist du so traurig?“ 

„Ach, weil mein Chef blöd ist.“

„Warum ist der blöd?“

„Weil der will, dass ich noch mehr arbeite, dabei arbeite ich doch schon so viel und mehr kann ich nicht.“

„Hmm. Das verstehe ich… Willst du einen neuen Chef haben?“

„Chrchrchr, ja, ich hätte sehr gerne einen neuen Chef.“

„Oder vielleicht gar keinen Chef?“

„Nee, einfach einen anderen.“

„Ja. Einen, der dich nicht stört in deinem Büro.“

Tag 742 – Fauler Sonntag und Erklärung. 

Wir haben heute den ganzen Tag quasi nix gemacht, war auch mal schön. (Echt sehr, vor allem hatte ich mal wieder ein bisschen Zeit mit Michel alleine, das passiert selten und ist… wunderbar. Was er mit einem Mal alles so erzählt! Zum Beispiel, dass er Pippis Geschrei nicht gut haben kann, weil er dann nichts machen kann, sich aber verantwortlich fühlt. Er ist ja der große Bruder. Das nervt dann. Das löste bei mir so eine Mischung aus Ach! und Oh je! aus, die ich ihm hoffentlich verständlich gemacht habe. Dass es nämlich natürlich nicht seine Verantwortung ist, Pippi zu beruhigen und dass es uns auch nervt, wenn sie krank ist und nur brüllt und getragen werden will. Aber wir können da ja auch nichts machen, nur uns aufteilen und einer ist für Michel da, einer lässt sich anbrüllen.)

Aber das wollte ich gar nicht erzählen. Gestern stolperte ich bei meinen Recherchen zum komischen Western Blot* über einen kürzlich veröffentlichten Artikel zu einem Protein, über das ich *hust* grad ziemlich viel weiß, weil ich *hust* ja auch daran herumforsche und *hust, hust* grade erst viel Zeug darüber gelesen und geschrieben habe. Das Protein macht bestimmte Arten von DNA-Veränderungen rückgängig, nämlich Methylierungen an bestimmten Positionen an bestimmten Basen (Aas et al. 2003, Falnes et al. 2002, und so weiter und so fort). Einer der reparierten Schäden ist Methylierung an der N3-Position von Cytosin (3meC). Diese Base würde, wenn sie unrepariert bliebe, mutagen wirken. Das Enzym von dem wir hier reden, macht die Methylierung einfach** ab, dann ist da wieder ein normales C und alle sind happy. Die Fieschergruppe, die den gestern von mir entdeckten Artikel geschrieben hat, hat nun herausgefunden, dass das Gen für das Enzym, das 3meC repariert, bei manchen Brustkrebspatientinnen*** vom Tumor still gelegt wird, durch epigenetische Promoter-Methylierung an der C5-Position von Cytosin. Solche Methylierungen sitzen am Anfang eines Gens und machen, dass das Gen nicht mehr abgelesen werden kann, das heißt, es wird kein Protein mehr nach diesem Gen hergestellt. Die Zelle hat also kein Enzym mehr, das 3meC repariert, also sammelt sich 3meC im Genom an und wirk,t ja genau, mutagen. Krebszellen mutieren die ganze Zeit, weil bei denen viele solcher Reperaturmechanismen völlig aus den Fugen geraten, entweder werden die abgestellt oder einzelne Teile total hochgefahren, sodass sich (mutagene) Zwischenprodukte ansammeln und, ach, also am Ende hat man halt Krebs, ne? Die Arschlochkrankheit, die öfter als nicht gegen Therapien resistent wird, weil sie eben dauernd mutiert. Entsprechend fand die Gruppe mit dem Artikel auch, dass eine starke Promotermethylierung für dieses Reperaturenzym mit einer schlechten Prognose einhergeht. So weit, so gut. 

Und dann kam der Punkt, an dem ich herzlichst lachen musste. Nämlich der Punkt, an dem sie 3meC in Zellen „quantifiziert“ haben. Per… Immunfluoreszenz.

Exkurs: Immunfluoreszenz. Man hat Zellen, hier Krebszellen, die züchtet man direkt auf nem Objektträger. Dann fixiert man die da drauf, dann sind sie sozusagen wie eingefroren, die einzelnen Bestandteile sind alle noch da, wo sie sein sollen, sehen auch (mehr oder minder) auf molekularer Ebene noch normal aus, aber bewegen sich nicht mehr. So sind die Zellen auch einigermaßen haltbar. Dann kann man einzelne Bestandteile der Zellen anfärben, dazu nimmt man erst einen Antikörper, der genau das**** erkennt, was man sehen will, also zum Beispiel ein einzelnes Protein. Oder 3meC. Der Antikörper kann dann wiederum mit einem anderen Antikörper, der fluoreszenzmarkiert ist, sichtbar gemacht werden. Man hat dann also *Ding, was ich sehen will*-Antikörper1-Antikörper2-Fluoreszenztag. Die Markierung kann dann mit einem speziellen Mikroskop mit allerlei Lasern und Filtern und Tralala sichtbar gemacht werden. In der Zelle. Und wenn man das geschickt kombiniert, kann man durchaus mehrere Dinge gleichzeitig anfärben, also zum Beispiel zwei Proteine, die vermutlich interagieren, und vielleicht noch ein Compartment*****, in dem sie das vermutlich tun. Dann beleuchtet man eine Zelle – die gleiche! – mit verschiedenen Wellenlängen und schaut durch die verschiedenen Filter und kann dann sehen, ob die Proteine immer an derselben Stelle sind, oder immer da sind, wo das Compartment ist. Klingt easy, kann manch einer aber auch nach neun Monaten völlig verkacken. 

Ja, da konnte ich nicht mehr. Denn, was auch immer die da gesehen haben, es war nicht 3meC. Oder nicht nur. 

Denn es ist so: ich habe *alle* verschissenen  Antikörper gegen 3meC, die man kaufen kann, in meinem Gefrierfach. Und sie funktionieren alle nicht. Die Firmen behaupten das zwar, aber: die sind alle nicht spezifisch. Die erkennen nämlich alle auch – hauptsächlich! – 5meC. Ich nehme an, dass die das mit reinen Basen testen, und dann einen Dot-Blot machen: also einmal nur 5meC und einmal nur 3meC auf eine Membran tropfen und dann mit dem Antikörper drüberwaschen, um zu gucken, welche von den Spezies erkannt wird. Und auf diesen Blots ist dann alles hübsch, es wird nur 3meC erkannt, Hurra, schreib 400 USD pro 10 Mikrogramm dran. In echt, im Genom, in einer Zelle, sieht der Kontext aber natürlich ganz anders aus. 3meC zum Beispiel ist unfassbar selten. Selbst wenn die Krebszellen dann, sagen wir mal, das Zehnfache ansammeln, ist es immernoch total selten. 5meC ist total häufig. Wir reden hier über einen Unterschied von hundert- bis tausendmal so viel 5meC, wie 3meC******. Schon allein deshalb ist es nicht plausibel, dass deren Zellen bei 3meC-Detektierung so dermaßen doll leuchten. Außerdem ist 3meC etwas „versteckt“ in der DNA-Struktur, während 5meC eher prominent außen dran sitzt. Das alles macht einen Riesenunterschied, wenn man komplette, klein geheckselte Genome auf den angeblich 3meC-spezifischen Antikörper haut. So wie ich das gemacht habe. Ich bekam *nur* 5meC. 3meC war nicht detektierbar, so wenig war das. Und das mehrmals. Das was da also leuchtet, das ist 5meC. Vielleicht auch ein minibisschen 3meC. Aber das meiste, sorry, ist 5meC. Weshalb der Vergleich mit den unteren Bildern, wo 5meC zu sehen sein soll, auch sinnlos ist, weil, naja, also 5meC ist auch da, wo 5meC ist, na so eine Überraschung aber auch. 

Aber die lustigen Menschen mit dem Artikel, die glauben das echt. Niedlich.*******

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*Membran mit Proteinen drauf. Es fing an mit Southern Blot – Membran mit DNA drauf, benannt nach Herrn Southern, dem Erfinder. Dann war wer voll witzig und nannte seine Membran mit RNA drauf „Northern Blot“ und dann ist das alles etwas eskaliert. KEIN WITZ.

**natürlich ist es nicht so einfach, aber den Vortrag dazu geb ich mir für die Defense auf. 

***generisches Femininum, und ja, ich weiß, dass auch Männer Brustkrebs bekommen können. 

**** genau das, nur das, aber das bitte auch immer. Das kommt einem Lottogewinn gleich, wenn man so einen Antikörper auf Anhieb findet. 

*****Zellteil, Organell, Manchmal auch nur kleine Minibubbels oder so. Ich gucke nach minibubbels. 

******seriöse Leute wie wir *hust* messen sowas per quantitativer Massenspektrometrie. Und nach drölfzig Messungen kann man die groben Zahlen dann auch auswendig. 

*******Nur: was mache ich jetzt? Das Journal anrufen und in den Hörer lachen? Den corresponding Author anrufen und ihm anbieten, 3meC in seinen Proben zu quantifizieren (also das würde dann wohl nicht ich machen, sondern die Core Facility, aber die freut sich auch über das Geld)? Nüx? 

Tag 731* – Schrumplige Käfer.

Die zweisprachig aufgewachsenen Kinder reden ja mitunter lustiges Zeug. Also Pippi redet ja eh noch nicht so wirklich viel und das meiste, was sie sagt, sind unsere Phrasen: „Michel, komm etz, Ähnepussäään!“, „Nein, hier lang!“, „Au‘ gehts!“ und „Tüüühüüss! Bis glaaahaaaiich!“. Dann kann sie noch (sehr, sehr gut) alle Varianten von „Pippi sin“/“Meins“ und „Haben! HAAABÄÄÄÄÄÄÄN!“, plus Zeug, dass sie von Michel gelernt hat, wie „Ollääis!“ (Cornflakes), „Klo!“, „Lumpe“ (prompe = pupsen) und (!) „Bittäää!“. Und „Bebi lafen, chchchchrrr pschschsch!“, dazu wird ihre Puppe oder irgendein Bärchen ziemlich unsanft aufs Sofa gedrückt und oft auch mit einem Tuch erstickt zugedeckt. Sonst redet sie nicht viel, aber wozu auch, sie kommt ja gut zurecht.

Michel hingegen redet umso mehr, phasenweise vom Aufwachen bis zum Einschlafen nonstop, sodass uns irgendwann die Ohren bluten. Aber auch außerhalb dieser Extremphasen ist er ein gesprächiges und geselliges Kind, das auch gerne fremden oder halb fremden Menschen den einen oder anderen Schwank aus seiner Jugend erzählt. Manchmal führt das halt aufgrund der zwei Sprachen zu lustigen Misverständnissen und kreativen Übersetzungen, Verhörer tun ihr übriges. Heute zum Beispiel machten wir Sandwiches, dazu hat unser Toaster so eine Art Klammer, da kommt das Sandwich rein, wird zusammengequetscht und dann damit in den Toaster geschoben. 

Michel: „Was ist das für ein Ding, Mama?“

Ich: „Das ist wie so ein Käfig, damit kommt das Toast da in den Toaster.“

Michel: „Ich will auch ein Toaster-Käfer! Kann ich auch ein Toaster-Käfer haben?“

Oder neulich, als es im Auto von der Rückbank ohne irgendeine Überleitung schallte: „Ich kann jetzt malen, ohne schrumpeln. Jetzt kann ich zur Schule gehen.“** Es brauchte eine ganze Weile, bis mir klar wurde was er meint: „Michel, du meinst ‚übermalen‘. ‚Skumple‘ heißt auf deutsch ‚übermalen‘. ‚Schrumpeln‘ ist… was ganz anderes.“ 

Aber mal ehrlich: es ist schon einfach niedlich so. Ich will’s nicht anders haben.

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*365 + 366 = 731, das hat mich ja letztes Jahr schon verwirrt, aber nein, ich habe das nachgeschaut: morgen ist Bloggeburtstag. Ganz sicher.

**Das mit dem „Zur Schule gehen“ ist grade ein ganz großes Thema und auch für ihn nicht ohne, aber das muss ich mal gesondert ausführen.