Nun ja. Also: ich war bei diesem Test, ich habe vorher alles noch mal durchgelesen, was ich mir an Notizen gemacht hatte, ich war super früh wegen sehr starker Hummeln im Hintern im Grunde da, ich war gut vorbereitet, gebracht hat es… wenig. Aber von vorn.
Canary Wharf. Ich wusste gar nichts über diesen Ort und fand mich nach einem Spaziergang von meinem Hotel im erkennbar nicht-reichen Poplar zwischen glänzenden Hochhäusern, Sicherheitspersonal, Durchfahrtsperren für kleinere Panzer und unfassbaren Mengen an Anzugträgern wieder. „Nettes Café suchen“ war mein Plan, wär bestimmt auch gegangen, würde ich Cafés voller geklont aussehender Männer um die 40 irgendwie nett finden. Das ist ja Geschmackssache. Im Endeffekt kaufte ich mir dann im einem Feinkostgeschäft zwei Bananen und zwei 0,5 L-Flaschen Wasser und setzte mich mitten im Einkaufzentrum an so ein „Husch husch, schnell ein Salätchen in der Mittagspause holen“-Büdchen. Immerhin hatten die vernünftigen Kaffee.
Da saß ich dann und ging meinen Kram durch, checkte nochmal kleine Details („Public Health“ ist festgeschrieben in Title XIV, Article 168, TFEU) und beobachtete die Leute (wie gesagt: alle wie geklont, sehr strikter Dresscode, 75% Männer, ehrlich gesagt: furchtbar und keine Umgebung, in der ich überhaupt arbeiten wollen würde) und Zack, war es 13:00 Uhr und Zeit zu gehen.
Bei der Agentur bekam ich ein Besucherbändchen und wurde in den Warteraum gebracht, wo wir unseren Gruppen entsprechend sitzen sollten und auf Abholung zum Test warteten. Meine Gruppe bestand aus lauter Menschen, deren Vornamen mit R. anfangen. Wir dachten erst noch, haha, was ein witziger Zufall, aber dann wurde recht schnell klar: gar kein Zufall. (Und ich möchte schwören, dass die das immer anders machen, nächstes mal nach Geburtsdaten, wer weiß.) Der Raum wurde voller… und voller… und voller. Am Ende waren ca. 100 Leute drin. 100. Leute. Ich saß mit einem kleinen Teil der R-Menschen am Tisch und wir plauderten ein bisschen über unseren Hintergrund und wie wir uns vorbereitet hätten und ich war recht beruhigt, dass die anderen auch nicht mehr Ahnung hatten, was da auf uns zukommen würde.
Dann wurden wir abgeholt und in einen neuen Warteraum gebracht, wir wurden alle noch mal aufs Klo geschickt (ok, es wurde empfohlen, noch mal zu gehen) und es wurde gesagt, was wir mitnehmen müssen (nix), dürfen (Wasser, Snacks, eigene Kugelschreiber) und nicht dürfen (Handys, Laptops, Tablets…). Dann standen wir noch recht lange herum. Und wurden dann abgeholt und in den Test-Raum für unsere Gruppe gebracht.
Tja, und der Rest it’s Confidential, aber so viel kann ich vermutlich sagen:
Es war unfassbar schwer. Es wurde zum Teil Detailwissen auf einem Niveau abgefragt, das man vermutlich erst nach > 10 Jahren in genau dem Beruf erlangt. Multiple choice at its best. Antwortmöglichkeiten oft „A: 1, 3 und 5/ B: 1, 2 und 3/ C: 2, 4 und 5/ D: 1-5“. Gehirne am Kochen. Manches ließ sich durch Kombinieren von „sicher falschen“ und „sicher richtigen“ Antworten lösen (wie so ein Logikspiel) einiges musste ich raten. Educated guess zwar, aber halt geraten. Zwei Teile waren besonders schlimm: der „Choose your pain“-Teil, wo man aus 4 Themen eins wählen sollte, da wählte ich erst „GxP“ weil ich dachte, das wäre leichter und ich besser vorbereitet. Hahaha. Nachdem ich damit „fertig“ (im Sinne von: bei allen Fragen was mehr oder weniger sicher geraten) war, machte ich lieber noch den „Biostatistics“-Teil und siehe da: der ging sehr viel besser. Der zweite schlimme Teil war leider der EU-Teil, bei dem krasses Detailwissen zur EU abgefragt wurde, nichts aktuelles, nichts „menschliches“, nur Daten, Zahlen, Fakten, ich frage mich ehrlich gesagt, wie viele Leute in irgendeiner EU-Agentur diese Fragen hätten beantworten können.
Und schon waren die fast drei Stunden um, wir standen wieder draußen, alle so „Phew, that was… an experience!“, Karten wieder abgeben und Tschüss.
Jemand fragte noch, wie viele Leute denn getestet wurden. Über 600. und die besten 135 dürfen zum Interview kommen. Dafür hat es, in meinem Fall, nur mit sehr viel Glück gereicht*.
Danach mein Akku leer, Handyakku leer, Kopfschmerzen und Hunger. Bin dann in einem Pub und hab meinen Frust ersäuft. War schön.


Was man in London für 15£ kriegt. Wenn man gewillt ist, zwischen Anzugträgern zu essen.
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Auto-Lobhudelei: mein Bestes gegeben. All meine Kombinationsgabe, dazu ein bisschen gesunder Menschenverstand und eine Prise Intuition. Und, trotz allem, auch mein Wissen.
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*bitte nicht wieder alle sagen: „So schlecht war’s bestimmt gar nicht und die anderen hatten ja die selben fiesen Fragen.“ Ich bin relativ gut in Selbsteinschätzung, auch im Verhältnis zu anderen, meine Chancen in diesem Fall sind nicht non-existent, aber auch nicht gut. Alles „war bestimmt voll gut“ macht mir nur entweder ein verschrobenes Selbstbild, oder ich denke „ach, die haben ja alle gar keine Ahnung“.
UPDATE: Aus gegebenem Anlass. Dieser Job wäre mein Traumjob. Anzugmenschen hin oder her, krasses Aussiebungsverfahren am Fließband egal. Wenn die von mir verlangen würden, dass ich mir täglich eine Clownsnase aufsetze oder ein Businesskostümchen anziehe: ich würd’s tun. Also bitte auch nicht mehr sagen, dass ich das ja eh dann nicht wollen würde. Ich muss ja nicht mit den Bankmenschen von nebenan Mittag essen.