Michels Einschulung stresst mich ja aus mehreren Gründen sehr. Da ist zum einen das leidige Thema Jobsuche, eigentlich wollten wir ja schon längst hier weg sein, aber, Tamara, sind wir nicht. Herr Rabe hat das Thema „dann halt trotzdem nach Oslo ziehen, arbeitslos sein kann man da ja auch“ eigenmächtig ad Acta gelegt, und weil er außerdem 100 Jahre mit dem Bloglesen hinterher ist aber weil das ca. monatlich schwankt, kann ich das auch schreiben. Jedenfalls sieht es so aus, als würde Michel an der Stadtteilschule anfangen. An der gemobbt wird. Mit dem unangenehmen Kind (das wird auch nicht besser, sondern schlimmer) in einer Klasse. Und das Ganze, wie ich finde, ein Jahr zu früh. Er ist doch noch so klein.
Aber er freut sich auch wahnsinnig doll und deshalb haben wir uns heute Nachmittag alle vier auf den Weg zur Schule gemacht. Die Kinder frisch geduscht, Michel frisch entladen, denn er freut sich zwar, aber es stresst ihn eben auch und dann zettelt er wegen irgendwas Streit an und bricht dann ein unfassbares Drama vom Zaun, um sich mal wieder ordentlich auszuheulen. Ganz die Mama. Ähämm. Ich war – quasi zur Vorbereitung – heute morgen schon zu Fuß einkaufen und mich beim Kinderfestival akkreditieren*, das machte dann vor 12 schon 14.000 Schritte und etwas über 10 km und das war dann meine Form von Entladung. Bei dem Einschulungsdings schluckte ich alle meine Negativität runter, mit sehr viel Mühe, er freut sich so, er freut sich so, er freut sich so. Und weil ich ja grad nicht twittern möchte, bekamen Menschen einen Teil meiner Boshaftigkeiten über What’s App ab, der Rest jetzt hier (sorry, wirklich, aber es geht nicht anders, es muss raus, sonst kriege ich davon Magengeschwüre): Michel wird also mit dem Kind in eine Klasse gehen, das immer ohne Sitz und ohne Helm auf dem Gepäckträger seiner Mutter transportiert wird, mit zwei sechsjährigen Mädchen mit Kopftuch (das haben die natürlich aus ganz freien Stücken auf und ja, ich müsste auch bei deutlich sichtbaren christlichen Symbolen mindestens eine Augenbraue sehr weit hochziehen), mit mehreren Kindern, die auf dem Weg zu ner „gesunden Bräune“ offenbar auch den ein oder anderen Sonnenbrand mitnehmen, mit dem unangenehmen Kind aus der KiTa, mit Hermione Granger aka myself when I was 6, und zu guter Letzt mit dem Sohn eines Biotech-Professors, den ich schon oft an allen möglichen Orten getroffen habe, zuletzt gestern (!) in seinem eigenen f*cking Lunchroom und der trotzdem grundsätzlich so tut, als würde er mich nicht kennen gar nicht wahrnehmen. Hrmpf.
So, jetzt ist es raus, dann mal der Rest: Das mit der Einschulung läuft hier ja ganz anders als in Deutschland, denn am 1. Schultag gibt man das Kind recht unaufgeregt beim SFO (Skole-fritids-ordning, wie Randstunden- und Ferienbetreuung in einem) ab, bleibt eventuell noch ein wenig da und dann ist die ersten drei Wochen eben eh nur SFO, das Schuljahr geht erst in der zweiten Augusthälfte richtig los. Keine Feier**, keine Schultüte***. Dafür ist der Tag wichtig, an dem die Kinder ihre Schulranzen bekommen. Nicht so feierlich wie in Deutschland, aber schon halt ein großes Ding. In Norwegen bekommen Erstklässler*Innen einen Rucksack vom „Fylke“, also in unserem Fall (dem frisch vereinten) Trøndelag. Das finde ich aus tausend Gründen wiederum gut, denn so hat man als Eltern dieses, wie ich auf Twitter immer wieder beobachten darf****, völlig irrsinnige Thema Ranzenkauf („Welcher! Ergonomisch! Preis! Muster!“ und am Ende gehen alle mit einem Ding nach Hause, das fast größer als das Kind ist, eine Niere kostet und in dem dann trotzdem die Schulbrote vergammeln) umschifft*****, es gibt keinen Wettbewerb unter den Eltern Kindern, wer den ergonomisch besten coolsten Ranzen hat, der ist nicht besonders groß, also geht auch nicht viel rein, also wenig Geschleppe und wenig vergessenes Gedöns, der hat drülfzig Reflexstreifen und weil der eben als Erstklässlerrucksack erkennbar ist, wissen auch Unbeteiligte gleich, dass das ein Erstklässler ist und kein KiTa- oder älteres Kind. Nun denn. Heute gab es also diesen Rucksack, Michel ist unglaublich stolz und Pippi unglaublich traurig, dass sie keinen bekommen hat.
(Da steht, total witzig, hahaha, drauf: „Erstklassiger Trønder“. Groan.)
Ansonsten fangen in der ersten Klasse 32 Kinder an, genauso viele wie in meiner Grundschulklasse waren. Allerdings wird Michel immer 3 Lehrerinnen****** in der Klasse haben, ich hatte damals exakt 1 und dass das nicht so gut funktioniert hat, hat dann in meinem Fall sogar die Schule eingesehen und die Klasse aufgeteilt. Wie es bei Michel mit 3 Lehrerinnen wird, wird man sehen. Für mich wären ja 33 Sechsjährige in einem Raum schlimmer als Folter, aber deshalb bin ich ja auch nicht Grundschullehrerin, ne? Vielleicht wird das ja alles ganz gut. Persönlich finde ich ja, so langsam kann dann auch mal was überraschend gut laufen, statt immer nur Mist und noch mehr Mist. Ich wünsche mir für Michel so sehr, dass das gut wird, sogar noch besser, als er sich das jetzt vorstellt. Mein großer kleiner Zwerg.
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*Dazu mehr dann morgen.
**Wobei ich auch da schon des öfteren sehr verwundert war, zu was das teilweise in Deutschland aufgeblasen wird, inklusive gemieteten Räumlichkeiten und eeeewig im Voraus ausgebuchten Restaurants und Familie, die durch halb Europa anreist. Äh, ok. Kann man halt machen, ne? Muss ich ja nicht. Und n bisschen bekloppt kann ich’s schon auch finden.
***Eine Schultüte hingegen werden meine Kinder kriegen. In Deutschland würde ich wohl eine kaufen, da es hier aber keine gibt, muss ich die wohl basteln. Sei’s drum. Schultüte muss sein.
****Grad halt nicht und der Teil des Twitter-Verzichts, nämlich das wesentlich weniger häufige #alleirre-denken, der ist echt schön.
*****Zumindest aufgeschoben, aber ich hab noch nie mitbekommen, dass hier um den Ranzen so ein Gewese gemacht wird wie in Deutschland.
******Leider keine mitzumeinenden Männer.