Tag 1327 – Frühling (fast ganz bald).

Gestern habe ich aus dem Fenster gesehen und festgestellt, dass die ersten Bäume bei uns vor der Tür fast schon blühen. Also fast halt. Demnächst. Und weil demnächst ja auch Ostern ist und wir vier Tage am Stück frei haben, die wir gern verschiedenes im Garten und am Haus machen würden, war heute spontaner Garten-Tag zur Bestandsaufnahme und Planung angesagt. Herr Rabe hat das kleine Gewächshaus fertig zusammengebaut. Ich habe zum dritten Mal ausgemessen, ob ein 1,32 m breites, 1,98 m hohes und 69 cm tiefes „großes“ Gewächshaus an die Rückwand unseres Schuppens passt und die Antwort ist weiterhin „vielleicht“. Wenn es nicht passt, dann um einen Zentimeter oder so nicht, ich traue meinem Augenmaß bei sowas halt null, weil ich echt ganz schlecht Größen- und Längenverhältnisse abschätzen kann. Wär natürlich echt kacke, ein 3000 Kronen Gewächshaus zu kaufen, zusammenzubauen und dann festzustellen: möööp, passt nicht. Vielleicht sollte Herr Rabe ein viertes mal messen. Weiterhin haben Herr Rabe und ich besprochen, was wir als „Abgrenzung“ zum Schotterparadies der Nachbarn aus 4A haben wollen. Genau genommen war ich gegen ganz viel. Buchsbäume, Lattenzaun, Efeuberanktes irgendwas: nein. Ich möchte was, was nicht alle Sonne nimmt, aber ein bisschen eine Grenze zieht. Momentan stehen da kniehohe Büschlein, die sind hässlich und *keine* Grenze. Der Konsens lautet nun Beerensträucher und dazwischen Wiesenblumen. Ich denke, das wird schön. Wir werden weiterhin zwei weitere Pflanzkisten für Kleingemüsequatsch* anschaffen und ein Blumenbeet anlegen, ich möchte gern sowas wie Schmetterlingsflieder haben, hätte gern den halben Garten mit Kapuzinerkresse und bunten Blumen vollgewuchert (rettet die Insekten!) und Herr Rabe möchte Obstbäume und einen Kompost. Ich möchte eine Regentonne (oder zwei), falls es wieder so einen trockenen Sommer gibt, können wir wenigstens ein bisschen länger noch wässern. Mal sehen, welche Zähne davon uns von Gärtnern gezogen werden, weil Boden oder Standort ungeeignet oder wasweißich. Jedenfalls wird Ostern nicht langweilig. Den Balkon und die Terrasse müssen wir auch ölen und das Balkongeländer muss gestrichen werden. Ich hätte also gern sonnige Ostern.

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Heute sehr über Twitter gewundert. Ein Gespräch, in dem man sich bisher eigentlich nur harmlos-lustig angefrotzelt hatte, eskalierte plötzlich zu einer Grundsatzdiskussion. Ich muss das sicher nicht verstehen. Aber hier kann ich ja mal sagen: ich mag mich nicht über Belanglosigkeiten ernsthaft streiten. Über die großen Dinge gern, solange es bei einer respektvollen Diskussion bleibt, aber auch das nicht auf Twitter. Niemals auf Twitter über wirklich wichtige Dinge diskutieren, das hab ich in den letzten 1327 Tagen gelernt. Aber über Tanzen auf Konzerten? Über Menstruationstassen? Über Rosenkohl? Ernsthaft streiten? Nee. Da beschneide ich lieber meinen Lavendel**. Und zu Tanzen auf Konzerten hat Christian auch alles gesagt, was es zu sagen gibt:

Die Geschmäcker sind also wohl verschieden. Ich kenne beide Seiten – ich hab früher gerne meine Haare vorne mittendrin fliegen lassen und ich hab halt auch schon nur da gestanden. Auch vorne.
Und ich habe natürlich jedesmal die anderen gehasst, Is’ klar.
Am besten also alles nicht so ernst nehmen.

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Apropos nicht diskutieren: ich hasse die Sommerzeit. Ich möchte nicht darüber reden. Sie soll einfach weggehen und nie wiederkommen.

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*Sein wir mal ehrlich: ein Kistchen Möhren und eins mit Erdbeeren ist so weit von Selbstversorger entfernt, wie man nur als waschechter Ex-Stadt-Hipster sein kann. Aber ich mag einfach in Erde wühlen und möchte den Kindern näher bringen, woher all die „magichnicht“s kommen, bevor sie im Supermarkt landen.

**Der sah traurig aus nach dem Winter, also googelte ich heute hektisch. Fazit: nach dem Winter darf der ruhig etwas traurig aussehen, man sollte ihn aber im Sommer nach der Blüte eigentlich um 1/3 zurückschneiden, das hab ich natürlich letzten Sommer nicht gewusst und nicht gemacht. Im frühen Frühjahr (auf der deutschen Seite stand Februar, naja, euer Februar ist unser März, hab ich erwähnt, dass ich heute auf der Terrasse Schnee geschippt habe?) dann um 2/3 beschneiden, also 2/3 der beblätterten Stängel ab, nicht bis ins verholzte unten rein. Da die Stängel an meinem traurig aussehenden Lavendel innen alle normal grün waren, gehe ich davon aus, dass er wiederkommt. Und weil bleibt, wer schreibt, schreibe ich das mit den 1/3 2/3 hier auf. Und nächsten Winter doch besser gut einpacken, noch, Frau Rabe?

Tag 1326 – Ausgerüstet.

Heute ein mittleres Vermögen ausgegeben, um Michel für den Sport-Hort auszustatten. Plötzlich braucht das Kind Hallenschuhe, Draußen-Sportschuhe, Trainingskleidung für drinnen und draußen und noch ein paar Schichten für sportliches zwiebeln: es ist ja noch nicht wirklich Frühling, wenn der Sportplatz nicht grad in der prallen Sonne liegt, ist es mit nem Windjäckchen über nem T-Shirt nicht getan. Allerdings bewegen die Kinder sich ja auch, es muss also möglich sein, was auszuziehen, möglichst mehrmals.

Mit dieser Mission brachen wir also heute auf, das Kind einzukleiden. Natürlich schlief Pippi, die alte Rübennase, im Auto ein, aber das war nicht so schlimm, so konnte ich in Ruhe mit Michel einkaufen, während Herr Rabe mit ihr im Auto sitzen blieb. Michel war vor allem auf einen Turnbeutel scharf und, Spoiler: der war das einzige, das wir nicht bekommen haben. Dann blieb er in der Nachbarabteilung hängen, vorm Lego. Erst ärgerte ich mich darüber, dann war’s allerdings sehr praktisch, denn ich konnte nach den entsprechenden Klamotten ganz in Ruhe suchen, eine Vorauswahl nach Muster und Preis treffen und dann Michel vorm Lego-Regal in seinem Hypnoseartigen Zustand anprobieren lassen. Wenn ich ohne Kinder einkaufe, unterschätze ich ja grundsätzlich Pippis und überschätze Michels Körpergröße, deshalb ist anprobieren schon gut. Als wir fast fertig waren, meinte Michel, den Blick weiter fest auf das Lego-Regal gerichtet: „Das hier oder das hier wünsche ich mir.“ und als ich dann sagte, dass er sich eins davon von seinem gesparten Taschengeld kaufen könne, war er ganz aus dem Häuschen. „Aber erst suchen wir die Sachen zusammen, die du für den Sport-Hort brauchst!“ Ab da ging es eh super, Michel probierte an, meinte „Super, Mama, guck, wie schnell ich damit rennen kann!“ und flitzte eine Runde durch den Laden, so schnell er konnte. Am Ende hatten wir alles bis auf Schuhe in diesem einen Laden gefunden, Michel ist jetzt der erste in der Familie der so eine schreckliche Sporthose mit Reißverschlüssen an den Waden besitzt, er braucht aber eigentlich diese Reißverschlüsse null, weil an dem kleinen Spargeltarzan auch diese Hose natürlich schlackert. An der Kasse bezahlte ich dann den riesigen Klamottenhaufen und Michel, super stolz, sein Lego. Hach, der Große.

Tag 1325 – Alle wieder da.

Herr Rabe ist wieder da. Wir haben ihn vorhin vom Bahnhof abgeholt, alle drei, die zwei Pappnasen* und ich.

Die Kinder und ich sind eigentlich ganz gut miteinander ausgekommen. Wenn sie müssen, machen sie wirklich gut mit, das hätte ich ja nie gedacht, aber es klappte heute morgen echt wie am Schnürchen und sogar fast ohne Streit**. Michel hat das Zwiebelprinzip echt verinnerlicht***.

Herr Rabe hat vom Flughafen allerdings Gin mitgebracht und einen hab ich auf meinen Sodbrennigen Magen getrunken, das war aus mehreren Gründen ne doofe Idee und jetzt wird der Beitrag wieder eher kurz, das ist besser als wirr.

Dienstag geht’s los mit Sport-Hort. Wir sind alle aufgeregt und müssen dann morgen wohl mal richtiges Sportzeug für Michel kaufen.

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*Die Kinder hatten sich Pappnasen gebaut, bevor wir Herrn Rabe abholten. Das war sehr niedlich, eh schon und dass Pippi mitsamt Pappnase auf und giftgrünen Regenhandschuhen auf dem Weg zum Bahnhof einschlief noch mal mehr.

**Wenn man „MAMA! PIPPI ZIEHT WIEDER DEN SCHLÜPFER VON GESTERN AN!!!“ mal außen vor lässt.

***vier T-Shirts hatte er heut übereinander an.

Tag 1324 – Eigentlich…

… müsste ich ins Bett. Aber ich bin ja gar nicht müde. Morgen früh bin ich dann wieder super müde, jaja, aber jetzt halt nicht.

… müsste ich duschen. Dann muss ich nicht morgen früh duschen. Aber ich hab keine Lust.

… müsste ich noch mindestens einen Liter Wasser trinken. Und Sport machen. Ich möchte so viel. Nähen. Alte Freunde anrufen. E-Mails schreiben. Brotdosen fertig machen. Sinnvolle Blogeinträge schreiben.

Aber RuPaul läuft. Was will man machen? Es liegt hier quasi ein Sachzwang vor.

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Eins muss ich aber noch kurz loswerden: heute haben wir im Kurs Übungsaufgaben für das Examen bearbeitet. Ich weiß jetzt

  • Der Kurs war eine sehr schlechte Vorbereitung auf das Examen
  • Mein Job ist eine sehr gute Vorbereitung auf das Examen
  • Das würde ich vermutlich mit links bestehen
  • Weil ich aber wieder! Andere! Qualifikationen! Nicht! Habe! (unter anderem fehlt mir ein (1) Monat Arbeitserfahrung), müsste ich ziemlich viel Überzeugungsarbeit in meinen Zertifizierungsantrag stecken, um zu zeigen, dass ich die formellen Kriterien trotzdem erfülle und werd mir das Examen wohl sparen

Ich könnte mich darüber aufregen, aber was soll’s. Das ist es nicht wert. Falls ich in 5 Jahren doch nen anderen Job haben will, passt das mit der Arbeitserfahrung und auch in 5 Jahren erledige ich das Examen auf ner halben Arschbacke. So what.

(Und erstmal 160 Stunden Kurs verlangen ist natürlich ein Top Geschäftsmodell für einen Kursanbieter slash Zertifizierungsbetrieb.)

Tag 1323 – Kurs.

Der Einarbeitungsplan verlangt ja diesen Lead Auditor-Kurs von mir und heute und morgen ist der zweite Kursteil. Dann könnte ich, wenn ich wollte, im Juni noch das Zertifizierungsexamen machen, das weiß ich aber noch nicht, ob ich das will. Mal sehen. Für die Arbeit brauche ich nur den Kurs. Das verlangt aber einiges von mir ab, zum Beispiel den ganzen Tag da zu sitzen und morgens um neun die Frau, die mit „können wir morgen um acht anfangen? Dann können wir früher nach Hause!“ nicht zu erwürgen. Denn um (sicher) um acht da zu sein, muss ich um 06:51 den Zug nehmen, der Bus ist planmäßig um 06:51 am Bahnhof, das klappt also oft nicht, der Bus davor fährt um 06:23. sorry, nein. Beim letzten Kurstag meinte die Dame auf diesen meinen Einwand hin, dann solle ich doch einfach im Hotel in Oslo wohnen, so wie sie auch. Ich sag’s mal so: geh dich gehackt legen und du hast den schlimmsten Dialekt überhaupt, du Wurst. Ätsch. Und weil die Kursleiterinnen mit Menschen wie mir mindestens genauso viel Mitleid haben, wie mit Menschen die im vollen Bewusstsein über die Kurszeiten Flüge buchen, die machen, dass sie eine Stunde eher gehen müssten, fangen wir nun um 08:30 an. Lose-lose. Danke, Dialekt-Wurst.

Vielleicht würde mich das nicht so ärgern, wenn ich nicht Montag noch mit viel Mühe den Babysitter überredet hätte, morgen abzuholen, weil ich sonst eine Stunde früher gehen müsste.

Auch ansonsten ist der Kurs etwas herausfordernd, denn wir müssen Rollenspiele machen. Ich mag sowas nicht. Gar nicht. Ich habe stellenweise starkes Fremdschämen und möchte, wenn meine „Kollegin“ zum 3. mal fragt, wer die Abweichungen denn nun schließt, obwohl sie eigentlich wissen will, warum da keine Bewertung des Effekts der Maßnahmen gemacht wurde, dann möchte ich gerne eingreifen und sagen „was meine Kollegin eigentlich meint ist…“. Und dann erinnere ich mich an Michel und die spiegelverkehrten Zahlen und dass sie’s nicht lernt wenn sie nicht in diesem safen Setting diese Fehler machen darf. Jedenfalls atme ich viel und schaue aus dem Fenster und lese die Standards und vielleicht mache ich das Examen wirklich, dann hab ich wenigstens einen Survivor-Badge.

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Apropos Survivor-Badge: gestern habe ich diesen Brief vom Inkasso-Büro beantwortet, indem ich der Forderung recht förmlich widersprochen habe. Es hat Vorteile, bei der Behörde zu arbeiten, unter anderem Gesetzestexte lesen zu können und auch auf beamtennorwegisch schreiben zu können. Um ein bisschen einen auf dicke Hose zu machen, schloss ich mit „Bitte bestätigen Sie mir den Eingang dieses Widerspruchs. Mit freundlichen Grüßen – Dr. R. Rabe“. Gnihihi. (Nee, ne Bestätigung habe ich noch nicht bekommen.)

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Morgen fliegt Herr Rabe nach London. Auf eine Konferenz. Ich bin also zwei Tage mit den Kindern alleine, das wird spannend.

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Ansonsten heute wunderbarer Sonnenschein, wärmend und bei 9 Grad im Schatten. Fast konnte man den Frühling schon riechen. Wär jetzt halt noch super, wenn ich von diesen Temperaturanstiegen nicht immer Kopfschmerzen bekäme.

Tag 1322 – Vernachlässigt.

In den Tagen seit Sonntag verzeichne ich hier einen erhöhten Andrang. Ich habe da so eine Ahnung, wie das kommen könnte und weil ich bemüht bin, ein positives Menschenbild zu haben, rede ich mir ein, diese mehr Leser*Innen sind hier, weil sie die andere Seite zu einem Konflikt hören wollen. Ich muss Sie aber da leider enttäuschen: dieser Konflikt geht nur mich und die andere Person was an und ich werde mich dazu hier nicht äußern. Das heißt nicht, dass mir die ganze Sache am Hintern vorbei geht, sie mich nicht beschäftigt oder ich nicht sogar einen ganzen Haufen Emotionen dazu habe. Nur Reden – wie gesagt – möchte ich wenn dann mit der anderen Person und ohne dass Sie alle dabei Popcorn mampfend zusehen.

Ja? Ja. Weiter im Text.

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Hier einiges vernachlässigt, wie mir scheint. Entschuldigung dafür. Ich war viel müde und andere Gründe gab’s auch, die sind jetzt aber mal egal. Jedenfalls muss ich wohl was nachholen. Ich versuche es mal.

Die Kinder. Sie sind sehr super. Michel wird jetzt richtig selbständig und packt seine Hausaufgaben direkt nach der Schule auf den Tisch, liest sich selbst die Aufgabenstellungen vor und legt dann los. Das macht es mir viel einfacher, ihn alle Fehler machen zu lassen, die er machen muss, um daraus zu lernen. Wenn ich daneben sitze, juckt es mir immer in den Fingern, ihn zu korrigieren, das ist einfacher, wenn ich eben nur grob im selben Raum bin und andere Dinge tue, Blumen gießen, Kochen, sowas halt. Dann kann ich trotzdem noch sagen, wie das „hinten am Fuß“ heißt, kriege aber keine Stresspusteln wenn ich sehe, wie krakelig Michel „HÆL“ schreibt oder dass die Hälfte der 2-en und 4-en immernoch spiegelverkehrt ist. Heute musste Michel Fragen lesen und dann ja oder nein ankreuzen, eine dieser Fragen lautete „Har du rene tær?“ (Hast du saubere Zehen?“) und Michel so „Æ kan sjekk.“ (Ich kann gucken.), zieht eine Docke aus, inspiziert seinen Fuß und dann: „Niks!“ und kreuzt nein an. Ich hätte mich beömmeln können. Wie Michel sagen würde: Tipptopp, tommel opp (tipptopp, Daumen hoch). Nächste Woche fängt Michel mit drei Nachmittagen pro Woche im Sport-Hort an. Dann kostet uns das ~nur~ 1000 Kronen mehr im Monat als jetzt, dafür kann er morgens und an zwei Nachmittagen zum Schul-Hort gehen. Ich hoffe das wird gut.

Pippi hat weiterhin Phase und manchmal möchte ich sie im Wald aussetzen, auf dass sie von einem freundlichen Wolfsrudel aufgezogen würde, aber dann gucke ich Michel an und weiß, es wird besser werden, und Pippi ist ja schon auch toll, nur halt eher so… im Großen und Ganzen toll, in den einzelnen Situationen muss ich momentan oft Herrn Rabe die Erziehungsarbeit überlassen, weil ich sonst innerhalb von Sekunden auf 180 bin und rumbrülle. Bald, bald, ist bestimmt auch diese Phase vorbei.

Sonst so: Arbeit. Viel Arbeit. Ich habe grad mal nachgeguckt: ich habe nach den drei Monaten jetzt 73 Stunden und 25 Minuten Überstunden. Dabei habe ich schon zwei volle Tage abgefeiert. Der Großteil dieser Stunden wird in den Sommerferien abgefeiert, da ich ja letztes Jahr nicht dort gearbeitet habe, steht mir zwar Urlaub zu, aber kein Feriengeld, sprich: wenn ich die Urlaubstage nehme, kriege ich die halt vom Lohn abgezogen. Das ist in den Fällen ja noch ok, wo man von einem anderen Arbeitgeber kommt, der einem ja beim Vertragsende das Feriengeld ausbezahlen muss, wenn man aber arbeitslos war und genau 0 Kronen Feriengeld angesammelt hat, ist das Recht kacke. Deshalb ein Hoch auf die Überstunden, denn sie sichern mir Urlaub ohne dass es hässlich große Löcher in die Haushaltskasse reißt. Groß wegfahren werden wir aber dieses Jahr wohl nicht.

Ja, so viel Arbeit ist sauanstrengend. Ich bin, Überraschung, nicht jemand, der nach Arbeitstagen von 9-19 Uhr noch die Energie für mehr als Essen–>Bett aufbringt. Pendeln, Arbeit, Pendeln, Schlafen, Repeat. Ich glaube auch nicht, dass sich das mit mehr Erfahrung bessern wird. Aber, und das ist der wichtige Punkt: es macht Spaß. Ich habe immernoch das Gefühl, im Lotto gewonnen zu haben. Ich kann mein Glück kaum fassen, ich sitze da in der Behörde, ich darf richtig interessante Sachen machen, mir wird auch intern schon richtig viel zugetraut und ich liebe es einfach. Ich mag meine Inspektør-Kolleginnen und Kollegen und dass das alles so grade-raus-e Menschen mit zum Großteil sehr trockenem Humor sind. Auch wenn die meisten meine Eltern sein könnten, hab ich das Gefühl, ich passe da hin. Und das ist ja nur die Seite im Büro*, wenn wir „draußen“ sind, auf Inspektion, sehe ich so viele verschiedene Pharmahersteller wie in keinem anderen Job in der Branche. Es ist immer anders, aber immer interessant. Kein Tag wie der andere und das liebe ich. Ich werd auch besser im Fragen und vor allem lockerer im Umgang mit all diesen Leuten, ich werd nur noch ein bisschen rot, wenn Leute meinen beruflichen Hintergrund abklopfen und habe gelernt, bei Diskussionen um das Pharmaziestudium und wie schwer ja Qualified Persons zu kriegen sind einfach aus dem Fenster zu gucken. Und der Rest kommt sicher mit der Erfahrung.

Neulich hab ich sogar meiner Kollegin erzählt, dass mich die Chipsfabrik nie bezahlt hat und ich da noch im Insolvenzverfahren drin hänge und auf mein Geld warte und dass das ordentlich kacke ist. Das ist für „immer fröhlich, nie persönlich“, was ich in den ersten Wochen gefahren habe schon eine große Entwicklung, mehr muss auch erstmal nicht sein, aber ich finde wenn man so eng zusammenarbeitet wie wir kann man zumindest ab und zu mal durchblitzen lassen, dass man ein Mensch mit Gefühlen ist.

Den Rest der Chipsgeschichte erzähle ich dann, wenn die Kollegin in Rente geht oder so. Das ist in ca. 10 Jahren, bis dahin kann ich das in eine lustige Dinnerpartygeschichte verpacken.

Also kurz und gut: super Job. Super anstrengend, super steile Lernkurve (das ist alles so ganz anders als absolut ales, was ich vorher gemacht habe!), super interessant, halt super. Jackpot.

Ansonsten: heute bei der Endokrinologin im Krankenhaus gewesen, endlich. War so hal gut und halb scheiße, denn jetzt grad sieht zwar alles tipptopp tommel opp aus, aber sie machte mir keine große Hoffnung darauf, dass das mein letztes Rezidiv war. Ich solle schon mal über eine mir passende Entfernungsmethode nachdenken, wegen der Augen käme aber eigentlich eh nur OP in Frage. Und das könnte man auch präventiv machen, man müsse nicht aufs Rezidiv warten**. Das muss ich nun erstmal verdauen, vielleicht bei einem Gin.

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*Großraumbüros hat allerdings der Teufel gemacht.

**letzteres kommentierte ich trocken mit „Das mache ich nicht solange wir einen Mangel*** an Levaxin haben!“, das sah die Ärztin dann auch ein.

***Medikamentenmangel. It’s a fucking big thing in Norway. Menschen auf derselben Etage wie wir drehen recht frei.

Tag 1320 – Tom, die Schildkröte.

Michel und ich waren heute bei der Java Zone Kids, einer Veranstaltung, in der Herr Rabe über eine Ecke seine Finger drin hat. Es gibt da verschiedene Workshops zum Programmieren für Kinder und Jugendliche von ca. 8 bis ca. 16 Jahre. Nun ist Michel ja grad mal Sechseinhalb, es musste also ein Elter mit. Und Herr Rabe kann ja programmieren. Kurz gesagt: ich habe heute ein bisschen programmieren gelernt.

Es ging um ein simples Grafik-Programm. Ein Dreieck (Tom, die Schildkröte) „malt“ Dinge auf den Bildschirm. Vorwärts, 90 Grad links, vorwärts, 90 Grad links, nach vier mal hat man ein Quadrat. Sowas halt.

Bildschirm nach vorne, damit die Kinder nicht drauf gucken.

Mit Tom kann man natürlich noch viel mehr machen. Logischerweise. Es ging aber für die Kinder in einem guten, weil langsamem Tempo voran und so hatten wir nach einer Stunde einen Stern gezeichnet. Michel brauchte ein bisschen Hilfe beim Eintippen, aber zum Beispiel die richtige Gradzahl durch Rantasten finden hat er sehr gut hinbekommen.

Danach war eine Pause dringend nötig und zum Glück gab es auch Pizza für alle. Und Cola, was ich bei 8-Jährigen mit einer bis zum Anschlag hochgezogen Augenbraue betrachtete, Michel bekam Fanta.

Eigentlich hätte es für Michel damit auch gereicht, aber er wollte unbedingt weitermachen und so malten wir noch weiter: durch Einbringen verschiedener Random-Variablen und Schleifen einen ganzen Sternenhimmel mit unterschiedlich großen Sternen.

Genau genommen war das dann eher ich als er.

Und ganz genau genommen kostete es mich recht viel Selbstbeherrschung, Michel den Rechner nicht wegzunehmen, als er anfing, in die Variablen für Abstand und Größe und Anzahl der Sterne Zahlen wie 1234567890 einzugeben, was natürlich zu absurden Prozesslängen führte, sowie dazu, dass man nichts sah, weil die 100 m großen Sterne halt 1 km voneinander entfernt waren, das sieht man auf einem handelsüblichen Notebook schlecht.

Mit ein wenig Lenken von meiner Seite malte Michel dann aber noch ein paar richtige Sternenhimmel. Und dann noch mal ein paar mit extra vielen Sternen.

Mehr so ne Supernova.

Das hat wirklich Spaß gemacht, mir eh und Michel auch, nächstes Jahr kann er dann bestimmt schon viel mehr selbst. Dann muss ich so teilnehmen.

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Ansonsten heute traurig gewesen.

Tag 1319 – Zu viel.

Zu viel Zeug gekauft.

Zu viel nachgedacht.

Zu viel in Ecken des Internets gelesen, die ich nicht betreten sollte. Stichwort Klimawandelleugner, Stichwort Wirdmanjawohlnochsagendürfen, Stichwort AlleMoslemssindTerroristen, Stichwort DieFlüchtlingenehmenunsallesweg.

Daraufhin noch mehr zu viel nachgedacht. Und trotzdem unüberlegt getwittert und schwupps, sind alle beleidigt, die gar nicht gemeint sind. Gleich zweimal.

Zu wenig Erde gehabt um alle zu viel gekauften Setzlinge gut unterzubringen.

Zu viel wach.

Zu viele Sorgen. Ums Große und ums Kleine.

Tag 1318 – Fertig.

Fertig inspiziert. Für dieses Mal. Sehr interessant, lehrreich, aber im positiven Sinne. Musste mir zwischendurch mal kurz auf die Zunge beißen, als wir beim Thema Validierung bestimmter Autoklavenlasten drüber stolperten, dass eine Last noch nicht validiert ist, weil Tests fehlen, die in-House nicht gemacht werden konnten, wir daraufhin nach der SOP und den Schulungsprotokollen fragten, denn das muss den Mitarbeiter*Innen ja mitgeteilt sein, dass man dieses Programm mit dieser Last nicht fahren darf und es hieß nur „natürlich“ und drei Minuten später lag alles auf dem Tisch und war vorbildlich dokumentiert. Natürlich war es das, die machen da nicht so Murks, die machen überhaupt nix, ohne vorher wirklich gründlich drüber nachzudenken was zu tun ist und wie man es am allerallerallersinnvollsten angeht. Auf die Zunge beißen musste ich, um nicht loszulachen, es stellte sich in den letzten Tagen immer mal wieder ein „Was mache ich hier überhaupt?“- Gefühl ein.

Trotzdem schlaucht natürlich das Inspizieren. Eine Woche. Uff. Als Herr Rabe mir schrieb, er säße mit seinen Kollegen in einer Bar und trinke Bier, ob ich nicht auch vorbei kommen wolle, sagte ich einfach ja, mein Kopf war eh Pudding.

Dann nach Hause, noch was richtiges kochen, hahaha, es wurde Tiefkühlpizza, weil aus Gründen halt. Beim Essen machten die Kinder Fotos von allem, woher sie das nur haben.

Smiiiiil, Mama!

Smiiiiil, Papa!

Smiiiiil, Apfel, Smiiiiil, Glas!