Tag 3130 – Chaosdining.

Heute war ich mal wieder mutig. Der eine Verein, in dem ich bin, macht alle paar Monate ein „Fine Dining“-Arrangement, wo die besseren Restaurants Oslos besucht werden. Meistens sind es so maximal 6 Plätze, die immer schon voll sind, wenn ich davon erfahre. Dieses Mal waren es aber mehr und der Preis auch erschwinglicher. Es ging zu einem Chinesischen Restaurant namens Dinner. Ich hatte keine Ahnung, wie schick man sich für sowas anziehen muss und war underdressed. Das war schon mal unangenehm. Allerdings war ich auch nur in Angesicht des Ambientes underdressed, denn das war schon sehr schick alles und irre viele Kellner*innen in Anzügen und adretten Kleidchen (alle gleich, also offenbar Uniformen). Man bekam am Eingang den Mantel und in meinem Fall den Rucksack abgenommen. So schick halt. Stoffservietten. (Ja, so banausig bin ich, man kann mich mit Stoffservietten beeindrucken.) W

ir standen erst eine Weile an der Bar herum, während unser Tisch fertig gemacht wurde. Ich kannte keinen so richtig und stand deshalb etwas verloren rum und las die Weinflaschenetiketten durch. Manche bestellten sich einen Aperitiv. Es war so voll, dass wir ständig Kellner*innen aus dem Weg springen mussten, die sich durch die Wege an der Bar quetschen mussten. Das hinterließ jetzt schon mal keinen suuuuper herausragenden ersten Eindruck.

Dann war unser Tisch fertig, der in einem kleinen Separee war. Nur leider einem so kleinen, dass es, wenn man erst mal saß, praktisch unmöglich war, wieder aufzustehen, ohne sich mit wirklich viel Körperkontakt zu den anderen aus dem Raum wieder raus zu pressen. Gegen den Gesprächslärm aus dem Rest des Restaurants half es auch nicht wirklich, in dem Separee zu sitzen.

Nachdem eine Kellnerin unsere Getränkebestellungen aufgenommen hatte, kamen zwei junge Mädchen in der Garderobenuniform und versuchten, unsere eben abgegebenen Jacken wieder uns zuzuordnen. Das Separee hatte nämlich eine eigene Garderobe. Leider war einiges durcheinander gegangen und das mit den Jacken wurde langwierig und umständlich und ständig wurde „gehört diese Jacke irgendwem?“ gerufen. Ich war erst beruhigt, als sowohl mein Mantel als auch mein Rucksack sicher im Schrank verstaut waren, aber das Jackenchaos zog sich danach noch eine gefühlte Ewigkeit hin.

Dann kam der erste Gang, nämlich Dumplings.

Typisch zum Teilen für jeweils vier Personen. Ich saß ganz außen und war… irgendwie keiner dieser drei mal vier Teilgruppen zugeordnet worden. Etwas ratlos guckte ich meinen leeren Teller und das inzwischen leere Dumplingkörbchen an, der Kellner war ganz deutlich gewesen, dass die vier neben mir teilen sollten, ich bekäme „etwas eigenes“ (warum auch immer, ich hatte, ausnahmsweise, kein vegetarisches Sonderessen bestellt). Als ich irgendwann nachfragte, sagte eine andere Kellnerin, ich solle aus der Mitte nehmen, also der Mitte des Tisches. In einem Raum, in dem man sich wie gesagt kaum bewegen, geschweige denn aufstehen und von wo anders Essen holen konnte. Naja, per „kann mir wer was auffüllen bitte???“ ordnete sich auch das und ich bekam meine Vorspeise. Die war auch wirklich lecker, nur die grünen Dumplings waren nicht so meins, die hatten eine schwierige Konsistenz.

Als zweiten Gang gab es Crispy Duck, wie so eine Art Taco selbst in einem Reisteigfladen zusammengebastelt. Dieses Mal war die Vierergruppenaufteilung besser, sodass ich nicht ausgeschlossen war. Aus Gründen der Überforderung und übertriebenen Höflichkeit bekam ich aber wirklich nur ein Minimum an Essen. Das wiederum war sehr gut, eine sehr crispy duck war das, mit sehr guten Sößchen. Fauxpas, dass ich mir irgendwas (ich weiß nicht mehr was) mit den Stäbchen nahm, weil ich den Löffel nicht dem Nehmen von Essen zugeordnet hatte, sondern dem Essen selbst. Hoppla. Es macht auch irgendwie keinen Sinn, warum hat denn jede Person einen Löffel und nicht jedes Gericht? Am Ende ist der Löffel ja in x unterschiedlichen Gerichten und Beilagen gewesen. Aber egal.

Als dritten Gang gab es ein Meeresfrüchtestew mit Jakobsmuscheln, irgendwelche undefinierbaren Bällchen (die aber sehr, sehr lecker waren) und Hirsch. Und endlich Reis, ich hatte schon an meiner Auffassung von chinesischem Essen gezweifelt. Zwischendurch kamen immer wieder die Kellnerinnen, schenkten Wasser nach und schienen vom Wein, den meine Sitznachbarin trank, nicht viel Ahnung zu haben. Aber das Essen war gut. Nicht BOAHHH GESCHMACKSEXPLOSION MEGA GUT!!!, aber schon gut.

Zuguterletzt gab es Nachtisch, Yasmintee (bei dem ich erst, als ich schon eine Tasse in der Hand hatte, schnallte, dass die anderen den, im Gegensatz zu mir, bestellt hatten und ich grad jemandem den Tee wegtrank) und eine Mandarinencreme mit Mangosorbet und Kiwi-jus. Das war mein Highlight des Essens.

Das Finale Chaos kam natürlich beim Bezahlen, wo auch klar wurde, dass ein Glas (!) Wasser da mehr als das Äquivalent von 1/6 des Menüs kostete. Rechnen Sie das gerne mal aus. Das Essen war jetzt nicht Mega teuer, aber auch wirklich nicht billig. Wie gesagt – die Kellnerinnen haben ungefragt Wasser nachgeschenkt. Normalerweise kostet in Norwegen zumindest Kranwasser exakt gar nichts, und beim „Bestellen“ des Wassers waren wir nur gefragt worden, ob wir mit oder ohne Blubber wollen. Ich glaube, man muss, wenn man etwas so hochpreisiges wie Wasser verkauft, sicherstellen, dass di*er Kunde*in weiß, dass sie*er ein hochpreisiges Produkt käuflich erwirbt. Aber es hatte auch keine*r den Nerv, im allgemeinen Bezahlchaos nachzufragen. Ich denke, der Preis sollte pro Flasche sein, das wäre immer noch viel Geld, aber wenigstens nicht in der selben Preisklasse wie der Mocktail, den ich als Aperitiv getrunken habe.

Also insgesamt, abschließend und so weiter: es war ein netter Abend, ich war sehr mutig, aber genau da muss ich jetzt nicht noch mal hin. Das war mir zu gewollt Schickimicki und dabei aber viel zu chaotisch und schlecht organisiert. Das könnte ich alles gut akzeptieren – für weniger Geld und in einem „normalen“ Ambiente, wo ich mich für ein Shirt mit einer (besseren) Sweatjacke drüber (beides sauber und ordentlich, selbstverständlich, und auch der Rest von mir normal zurecht gemacht) fühle, als wäre ich grad völlig unvorbereitet von der Straße reingestolpert. Und der Sache mit dem Wasser muss ich noch mal nachgehen.

Ich freue mich über jeden Kommentar, außer er ist blöd, dann nicht. Außerdem ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt, um Ihnen mitzuteilen, dass WordPress bei jedem Kommentar eine mail an mich schickt, in der die Mailadresse, die Sie angegeben haben und auch ihre IP-Adresse stehen. Müssen Sie halt selbst wissen, ob Sie mir vertrauen, dass ich diese mails von meinen Devices alle sofort lösche, und ob Sie damit leben können, dass WordPress diese Daten auch speichert (damit Sie nämlich beim nächsten Mal hier einfacher kommentieren können).