Alle Jahre wieder sind Schuljahresabschlussfeiern. Seit letztem Jahr irgendwie für die ganze Schule zusammen, als wäre eine Klasse oder eine Schule noch nicht genug Halligalli. Letztes Jahr war ich glaube ich in Korea, als das war? Oder, nee, ich war stattdessen beim Ballett, weil ich solche Veranstaltungen ja hasse, richtig. Heute war es jedenfalls wieder soweit. Es war Gewitter angekündigt und kam dann auch, aber das Programm wurde durchgezogen. Viele Eltern drängten sich unter das Vordach, während die Kinder stufenweise im Regen standen und sangen und tanzten, übertönt vom Donner und dem Gelaber der Eltern. Weder die Eltern noch die grad nicht beschäftigten Kinder waren leise, unter dem Vordach konnte man die singenden Kinder kaum hören, weil sich alle unterhielten. Ich habe zusätzlich zu meinen normalen Empfindlichkeiten grad mal wieder zyklusbedingt Laune und wollte in schneller, zyklischer Abfolge schreiend wegrennen, mir schreiend die Ohren zuhalten, alle Anschreien dass sie gefälligst die Fresse halten sollen und die Person hinter mir, die extrem laut klatschen konnte, erwürgen. Ja toll, du kannst super laut klatschen, bisste bestimmt voll stolz drauf HÖR AUF DAMIT JETZT SOFORT SONST KLATSCHT GLEICH WAS ANDERES. Ich habe nichts davon gemacht, nur immer mal wieder wegen der klatschenden Person gezuckt und versucht, das ganze irgendwie auszuhalten. Ich kann es nicht erklären, aber das Gelaber löste bei mir extremen Stress und körperliches Unbehagen aus, wie ekligen Stoff anfassen, und das Klatschen tut mir weh als würde ich geschlagen.
Beide Kinder haben ihre Performances gut gemacht und waren danach froh, in die Klassenräume zu gehen, raus aus dem Regen. Ich… nicht so. Weil da waren auch wieder viele Leute, diesmal im Raum, manche kenne ich, aber reden war da schon eher nur noch rudimentär bei mir. Ich war etwa 2 Minuten in Michels Klassenraum, wo alle durcheinander liefen, dann ging ich raus und atmete ein bisschen in der Garderobe herum. In den folgenden 10 Minuten guckte ich erst aus dem Fenster, fand dann einen Handschuh von Michel, und dann hatte ich zu tun, weil unter den Garderobenschränken noch weitere Dinge hervorblitzten. Ich zog zwei weitere Handschuhe von Michel, einen Handschuh von einem anderen Kind, einen Buff von Michel und ein Reflexarmband unter den Schränken hervor. Das Verlieren von Dingen, wie zum Beispiel Handschuhen, ist bei ADHS übrigens ein reelles, belastendes und teures Problem. Jetzt haben wir… drei Handschuhe. Vielleicht können wir die hier zu Hause mit anderen Handschuhen verheiraten, der nächste Winter kommt sicher.
Nachdem ich auf dem Boden rumgekrochen war, war der Klassenraum etwas leerer und ich machte eine kurze Tour, gucken, was die Kinder dieses Jahr so gemacht haben. Sehr sehr viele Ausflüge haben sie gemacht. Michel kam mir plötzlich mit einer Cola entgegen, die hatte der Schulelternrat ausgeteilt und er war natürlich begeistert und hatte die halbe Flasche auch schon intus. Jedes Kind hat einen halben Liter Cola bekommen. Abends um halb sieben. Ich wurde Zeugin, wie einem kleinen Geschwister, vielleicht so 4 oder 5 Jahre alt, geholfen wurde, aus der Colaflasche zu trinken. Mir fiel alles aus dem Gesicht, und so ganz kann ich das auch immer noch nicht fassen. Ich werde das morgen mal ansprechen, öffentlich, das geht so nicht, saufen die Lack oder was? Aber ich muss erst runter kommen, sonst werde ich unnötig bissig in meiner Kritik.
Ich wollte da schon echt gerne nach Hause, aber ging noch in Pippis Klasse vorbei, in der Hoffnung, da Pippi und Herrn Rabe abholen zu können. Auch da: Chaos, alle laut, und alle Kinder, 8-9-Jährige, mit einem halben Liter Cola. Herr Rabe hatte Pippi untersagt, mehr als einen Schluck davon zu trinken, und Pippi war deshalb natürlich sauer, weil alle anderen dürfen ja. Ja, alle anderen werden auch von allen anderen Eltern ins Bett gebracht, die sind das Problem von deren eigenen Eltern, liebes Kind.
Ich schleifte dann mehr oder weniger eine moppernde Pippi zum Auto, die, als Michel überglücklich mit seiner leeren Flasche herumwinkte, völlig eskalierte und gemeine Sachen sagte. Während ich mich ja eh eigentlich nur noch irgendwo in Embryonalstellung zusammenrollen wollte. Das tat ich zu Hause dann auch mehr oder weniger, eine Stunde Sommerfest zieht eine Stunde wortlos im Bett nach sich.
War Kacke, nächstes Jahr ist hoffentlich wieder Ballett an dem Tag.