Tag 2649 – Exotisch.

Ich bin geradezu absurd sonnenverbrannt, ganz so als wäre mir zwar durchaus klar, dass ich sehr, sehr sonnenempfindlich bin, aber als wäre ich trotzdem ohne Sonnenschutz im T-Shirt von 11-16 Uhr draußen herumgelaufen.

Man muss dazu sagen, dass ich meinen Toilettenbeutel zu Hause vergessen habe, was nicht schlimm ist, weil ich das meiste aus Gepäckverlierungsparanoia im Handgepäck hatte, nur halt die Sonnencreme nicht. Eventuell geht mir auch irgendwann die Zahnpasta aus, aber da hab ich im Hotel so ein Zahnpflegepäckchen bekommen, das muss ich dann eben benutzen. Es war, um zurück zum Thema zu kommen, auch die meiste Zeit bedeckt. Aber genug der Ausreden, machen Sie das bitte nicht nach, ich habe das jetzt ausprobiert und bin ein Hummer. Sehr lokal, und mit sehr scharfen Abgrenzungen zum T-Shirt, was es leider gar nicht besser macht, so rein optisch. Um dem ganzen (mir) die Krone der Doofheit aufzusetzen, hatte ich sowohl sonnenschützende Jacke als auch Sonnenhut die ganze Zeit im Rucksack dabei, aber es war so warm (ja, merke ich selber).

Jedenfalls kann ich nicht so sehr ins Detail gehen, aber wir waren heute an zwei halbwegs touristischen Orten, touristisch allerdings nur für einheimische Touristen. Das eine war ein alter Palast, der so riesig war, dass nicht nur die Sparrenburg einpacken kann, sondern Akershus Festning gleich mit, und das würde noch nicht reichen. Es ging außerdem sehr sehr viele sehr unebene und ungleich hohe Treppenstufen hoch. Habe ich erwähnt, dass es warm war? Ich war, als wir oben waren, in Schweiß gebadet. Und das ist nicht übertrieben. Die Wahl eines hellblauen Baumwoll-T-Shirts bereute ich ziemlich, als ich feststellte, dass sich ein dunkelblauer Fleck vom Solar Plexus ausgehend über meinen kompletten Bauch ausgebreitet hatte und auch die Brüste hochgekrochen war. Des Weiteren klebte mir mein Rucksack am Rücken und die Träger konnte man als dunkelblaue Streifen auf dem T-Shirt auch noch nach dem Absetzen genau erkennen. Dafür hatte ich Wasser dabei und einen Sonnenhut und ein Jäckchen im Rucksack. Es war aber sehr schön und auch interessant in diesem Palast und von oben hatte man eine unglaubliche Aussicht über die (absurd große) Stadt.

Als wir runtergingen, kam eine giggelnde Teenie-Mädchengruppe in Schuluniformen auf uns zu und fragte „Madam, one photo please?“ und das wurde das erste von sehr vielen Fotos von mir und meiner Kollegin mit einheimischen Frauen, die insbesondere ich zumeist um mindestens einen halben Kopf überrage*. Jetzt bin ich, verschwitzt ohne Ende, wirklich nicht mein bestes Self, also als total exotische Nordeuropäerin auf ziemlich vielen Fotos von und mit wildfremden Menschen. Und das sind ja nur die, die ich mitbekommen habe, weil sie so mutig waren, zu fragen, wer weiß wie viele uns noch heimlich fotografiert haben.

Der andere Ort war eine Art Freilichtmuseum, bei dem es auch einen Basar gab, in dem es höchstwahrscheinlich (auch noch nach dem Handeln, was ich ja eh nicht kann und schon gar nicht mag) absurd überteuerte Dinge zu kaufen gab, die für uns trotzdem sehr, sehr billig sind. Ich habe jetzt Souvenirs für die Kinder und es geschafft, keine Stoffe zu kaufen, weil ich mich niemals hätte entscheiden können, dann übers Ohr gehauen worden wäre und am Ende Stoffe in tollen Farben und zweifelhafter Qualität hätte, die ich wegen Farben und Mustern nie in Norwegen anziehen könnte ohne – tadaaa – aufzufallen wie eine Kalkleiste in … ein bunter Hund. Die traditionellen Kleider, so toll die aussehen, würde ich mir schon allein um cultural appropriation zu vermeiden, nicht kaufen. Außerdem sehen die toll aus an Frauen mit dunkler Haut, nicht unbedingt an Hummern Kalkleisten.

Um ehrlich zu sein, bin ich jetzt echt alle. Der Kulturschock kam heute ziemlich heftig, dank all dieser Erlebnisse. Eigentlich möchte ich gerne sehr viel schlafen.

Ach ja, ich habe Masala Dosa probiert, das war echt lecker, wenn auch unerwartet herzhaft für ein Frühstück. Dazu gab es zwei Dips, von denen sich der eine ebenfalls unerwartet direkt durch den Gaumen brannte. Vielleicht hätte ich auch nicht gleich so viel nehmen sollen, oder erst mal schauen sollen, wie scharf der ist. Naja, wieder was gelernt.

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*ich bin ja gar nicht so groß. Menschen, die mich nur von Bildern kennen, denken oft, ich sei sehr groß, ich bin aber genau (dänischer) Durchschnitt. Offenbar bin ich also ein Scheinriese.

Tag 1670 – Waaaaaaaegschaffen.

Huff huff. Zu viel zu tun, da werden Mails auch mal etwas unwirscher schneller beantwortet. Die nächsten vier Tage Inspektion machen es nicht besser, keine Zeit keine Zeit und überall Coronavirus. 192 übrigens. Spannend: man weiß bei 3 noch nicht, wo sie sich angesteckt haben. Gut, dass ich morgen erst mal flüchte in ein Fylke mit nicht mal halb so vielen Fällen reise.

Inzwischen läuft das Packen für Jobreisen schon recht routiniert. In einem anderen Leben hab ich dann echt alles doppelt, jetzt hab ich vieles einfach in klein. Außerdem haben sich bewährt: Cremedeo in Minidöschen abgefüllt und Haarpuder statt Wachs. Der Reiserucksack bzw seine Bestandteile: eine Mappe für Blusen (die darin tatsächlich halbwegs knitterfrei bleiben) und ein Dings Cube, in dem man Shirts, Socken, Unterwäsche und 23 Strumpfhosen sehr einfach und klein zusammenpacken kann, machen das Packen auch schon deutlich einfacher und platzsparender. Juhu!

Vielleicht hab ich mir doch was eingefangen, oder es ist ein neues Feature von Kater oder aber meinem Zyklus, dass ich mich einmal im Monat krank fühle, ohne es zu sein. Temperatur normal, aber Kreislauf wegen nonexistentem Blutdruck (und nem Ruhepuls von unter 60, ich sag ja, die Schilddrüsenblockerdosis ist zu hoch), dazu seltsame Verdauung (nix schlimmes, nur Gegrummel, harter Blähbauch und diffuses Übelkeitsgefühl). Das hatte ich halt vor exakt einem Monat auch schon mal, deshalb die Vermutung, es könnte am Zyklus liegen. Was es auch ist: ich möchte es nicht und es soll weggehen.