Tag 609 – Komme ich hier in mein Zimmer?

Wir haben heute die Oma im Pflegeheim besucht. Es gibt da sieben Demenz-WGs, alle mit jeweils ca. 12 Bewohnerinnen (und hier kann man ruhig mal das generische Femininum bemühen, die paar Männer in der Einrichtung sind natürlich mitgemeint). Die Einrichtung wirkte zumindest auf mich offen und freundlich und sauber und die Bewohnerinnen gut gepflegt, da hört man ja so einiges und das traf schon mal (augenscheinlich) hier nicht zu. Je mehr Zeit wir da verbrachten, desto mehr fielen mir starke Parallelen zur Betreuung von Menschen am anderen Ende ihrer Lebenszeit auf.

  • Alles war hübsch dekoriert mit von den Bewohnerinnen selbst gebastelten Herzen und Blumen aus Tonpapier.
  • An der Wand ein Kalender, der in sehr großen Buchstaben und Lettern nicht nur Datum, Wochentag, Monat und Jahr anzeigte, sondern auch noch „Frühling“ mit einem bunten Frühlingsbild dazu.
  • Als wir kamen waren die Bewohnerinnen gerade in der Kaffeepause versunken und wir wurden gar nicht bemerkt.
  • An den Zimmern der Bewohnerinnen steht in sehr großer Schrift der jeweilige Name und manche haben auch noch ein Bild von sich da hängen, um sich besser zurechtzufinden. 
  • Als die Bewohnerinnen uns dann bemerkten, hatten einige noch Kaffepausenkrümel und -flecken überall, störte sie aber nicht im Geringsten, weil „OH MEIN GOTT IST DIE* NIEDLICH!!!“ (*Pippi).
  • Die Pflegerinnen wurden von den Bewohnerinnen „große Kinder“ genannt.
  • Die Pflegerinnen müssen alles drei- bis hundertmal sagen. 
  • Manche Bewohnerinnen hatten sehr gute, andere ausgesprochen schlechte Laune. Allen sah man die Stimmung sofort an. 
  • Was weg (=verlegt) ist, wurde ganz sicher von irgend jemandem fies weggenommen. Oder ist noch „in Werther“ (da ist meine Schwiegermutter aufgewachsen).
  • Als wir gehen wollten, saß eine Gruppe im Flur und spielte mit einer Pflegerin ein Quiz. Für 6-7 Jährige.
  • Wenn ein Baby (=Pippi) da ist, wird alles stehen und liegen gelassen, da ist dann auch das Quiz egal.
  • Offenbar kann man den Bewohnerinnen relativ einfach weismachen, der Türöffner sei ein Lichtschalter. Mein Schwiegervater meinte, die hauen nicht ab, weil sie nicht wissen, wie. Es ist aber keine Tür abgeschlossen, die Türöffner reichen als „Barriere“.
  • Wenn es doch mal eine Bewohnerin in den Hausflur schafft, verstehen sie anscheinend nicht, wie der Fahrstuhl funktioniert. Und an der Feuertreppe ist auf die Tür ein Bücherregal aufgedruckt. (Unser Kindergarten hat an der Tür zum Keller, wo die Kinder nicht hinsollen, ein Schuhregal angebracht.)
  • Wenn Bewohnerinnen an einen Rollschrank nicht dran gehen sollen, reicht es, ihn umzudrehen.
  • Obwohl die Flure im Kreis führen, man sich also innerhalb einer Wohngruppe nicht verlaufen kann, ist die größte Sorge der Bewohnerinnen wohl, sich zu verlaufen. 

Tja. Ich glaube, meiner Schwiegermutter geht es da so gut es einer in der Situation gehen kann. Aber die Situation ist und bleibt echt beschissen.

Tag 281 – Stößchen!

Lustig: nach einem Glas Sekt bin ich enthemmt genug, die Geschichte meiner Schwiegermutter über das tote Kleinkind des Zahnarztes einfach mit den Worten „Ja, die Geschichte kenne ich und ich will sie nicht nochmal hören!“ abzuwürgen. 

Nicht so lustig: nach einem Glas Sekt ist meine Schwiegermutter so durcheinander, dass sie Herrn Rabe für ihren Bruder hält und mich nach meinem Opa fragt, aber ihren Mann meint. 

Das ist alles ziemlich besorgniserregend. Wie man damit umgehen soll weiß man ja auch nicht. Und schon mal gar nicht, wenn man sich doch auch noch dauernd über die typischen Aufreger aufregt. Also irgendwie ist es alles traurig, und sauer sein gestattet man sich auch irgendwie nicht. An den Stellen, wo man eben doch sauer wird (Kind am Arm packen, Kind Blödsinn einreden von wegen alles ist gefährlich, Kind gegenüber leere und unsinnige Drohungen aussprechen…) fühlt man sich hinterher schlecht, sie weiß es ja nicht besser oder es ist Teil der Krankheit (die Sache mit den Gefahren scheint so ein typisches Demenz-Ding zu sein). Schwierig. 

(Kann ich bitte einen Orden haben? Ich hab gar nicht laut herausgebrüllt „DER ZAHNARZTTERMIN IST AM FREITAG UM ACHT HERRGOTT NOCHMAL!!1Elf!“. Sie ahnen nicht, wie schwierig das war.)

Tag 277 – Gemisches

Voll viel Geschwisterplüsch heute. Echt soooo niedlich.

Michel: *schmeißt sich auf Pippi* 

Ich: „Ähhh, was machst du denn da?“

Michel: „Will mit Pippi kuscheln!“

Pippi: „Gähähähä! Gnihihihihi! Hähä! Hähä!“

So ging das den ganzen Tag. Es ist mir schon fast unheimlich. 

Pippi war wieder von halb fünf bis halb sechs wach. Wenigstens spielte sie im Bett und schlief danach wieder ein. Trotzdem doof. 

Essig ins Gesicht ist wirklich komplett kacke. Hab von einmaliger Anwendung eine große trockene Stelle bekommen, am Hals. Suuuuuper. 

Meine Schwiegereltern sind anstrengend. Wegen so vielem. „Ist heute keine Schule?“, „Nich so nah ans Fenster, nachher fällst du da raus!“, „Sie ist müde ne? KUCKUCK! KUCKUCK!“, „Wenn du das machst, komme ich nie wieder!“ aber dann ne halbe Stunde später, nachdem Herr Rabe gesagt hatte „Wenn das so Theater gibt wegen Ausmachen, kannst du wohl erstmal nicht mehr Elefant gucken.“ – „Oh, das ist schwer durchzuhalten.“ .

Plus Langsamkeit, plus dauerndes Geschenke machen, plus ständiges Alles-machen-wollen-aber-nix-gebacken-kriegen (heute im Fernsehturm wollten sie unbedingt den leere Kinderwagen aus dem Fahrstuhl schieben. Ich stieg aus, sie rödelten, Zack, ging die Fahrstuhltür zu und der Fahrstuhl fuhr mit ihnen wieder ganz nach unten). 

Es ist halt anstrengend. Aber die Kinder lieben sie. 

Ich mag ja den Eurovision Song Contest. 

Kirchen mag ich nicht so. Der Dom ist von innen sogar recht hübsch. Aber die Orgel ist extrem laut und Orgelmusik find ich auch eh nicht soooo und überhaupt finde ich es blöd, für eine Kirche außerhalb von so Quatsch wie Orgelandachten saftigen Eintritt bezahlen zu sollen. 

Die Babyfüße fetzen. Es ist sehr befriedigend auf eine sehr freakige Art. Aber ich schlafe weiterhin mit Socken. 

Nach reiflicher Überlegung werde ich wohl diese super teuren* Hautpflegeprodukte von Paula’s Choice kaufen. Erstmal ein chemisches Peeling und eine Tagescreme mit Lichtschutzfaktor. Jetzt überlege ich noch ob ich wohl eher das Zeug gegen handfeste Akne oder eher das gegen unreine Haut und aber auch Falten (jaja, über 30 sollte man sich da mal Gedanken machen! Nein, eigentlich habe ich hauptsächlich Angst, dass das Anti-Akne Zeug meine Haut allzu sehr austrocknen könnte…) brauche. Moan. Das könnte sich noch etwas hinziehen. 

Bisher hat glaube ich am besten geholfen, dass ich mir nicht mehr im Gesicht rumfummle. Das ist aber dafür eine ungeheure Willensanstrengung. Außerdem habe ich meinen *hust* Teddybär *hüstel* mit Hygienespüler gewaschen und er hat ein Loch am Hals und ich bin eigentlich sehr traurig, aber eigentlich geht es auch noch, jedenfalls ist er jetzt sauber. 
* ich weiß, dass die noch nicht so richtig super teuer sind. Aber billig ist definitiv auch anders. 

Tag 272 – Wartepflanzen-Update und so

Gucken Sie mal!

Stockrosen unbekannter Farbe


Wenn alles gut geht, werden bald auf Lademoen in Trondheim Stockrosen aus dem Bielefelder Westen (Siggi mei lohf!) wachsen und ich freue mich so so doll. Heimat. 

Und da kommen auch zwei (man sieht sie kaum, etwa auf 2 und halb drei). Die Samen habe ich von meiner Oma, die weiß auch nicht so ganz genau, wie die heißen. (Ich nehme mal an, ‚Judentaler‘ ist allerhöchstens ein Trivialname.)

Pflanze unbekannten Namens. Nennen wir sie Silbertaler.


Bei der Arbeit beim Lesen für das RNA-Projekt über Dinge zu meinem eigentlichen Projekt gestolpert. Dinge wie „Frau Rabe hat vermutlich recht, Proteine wie das, was Frau Rabe untersuchen soll, sind oft fiese kleine Arschgeigen ohne Struktur.“. Nun ja. Vielleicht trage ich all diese Artikel mal zusammen und gestalte meinen nächsten Vortrag für die Projektmeetings etwas anders. Das wird den NMR-Leuten nicht gefallen. 

Meine Zellen leben alle noch. Aber wenn man so Sachen ausknockt, die für das Überleben der Zellen nicht so ganz unerheblich sind, dann wachsen Zellen nicht so gut. Will heißen, sie sind immer noch sehr dünn und weit entfernt von den ca 6 Teilungen, die ich für die Experimente bräuchte. Schnarch. 

Wir müssen Wünsche konkreter formulieren. „Pippi braucht Schuhe, Größe 18 oder 19, von Bama myfirst, mit der weichen Sohle.“ Das war, was wir sagten. Ich sagte noch „Am Besten wären Sandalen, Halbschuhe haben wir ja noch von Michel und die hatte er nie an.“, aber ich glaube, das wurde nicht an die Schwiegereltern weitergegeben. Heute packten sie jedenfalls die Schuhe aus:

Rosa. Mit Glitzer.


Also ähh, Hmm. 

Überhaupt sind meine Schwiegereltern ziemlich anstrengend. Und meine Schwiegermutter macht mir Sorgen. Heute aß sie vom Abendessen fast gar nichts, wirklich, sie zerfledderte einen Grillspieß, fütterte die Kinder damit, ließ den Rest liegen. Sie selber aß vielleicht zwei Gabeln Salat ohne Soße. Getrunken hat sie auch nichts. Dafür im Laufe von 5 Minuten dreimal ihre Brille gesucht (sie war jedes Mal in ihrer Handtasche). Puhh. Mein Schwiegervater macht einen etwas resignierten Eindruck. Herr Rabe guckt schon den ganzen Abend die wirklich sehr lustigen Videos von Simone Giertz, der „Queen of shitty robots“. Das ist wohl seine Art, das zu verdauen. 

Weitere Trivia von der Arbeit: C. Ist auch schwanger. A. Bekam heute ihr Baby (wooohoooo, morgen wieder Baby angucken!). M. färbt wegen schwanger ihre Haare nicht mehr und hat in ihrem langen, schwarzen Haar eine silberne Strähne. Das sieht so unfassbar toll aus, dass ich es ernsthaft schade finde, vermutlich nie sichtbar graue Haare zu bekommen. Dafür saß ich dann im Bus neben einer Frau mit wallendem, weißen Haar. Vielleicht sehe ich ja mal so aus.