Tag 3241 – Fortsetzung New York Spam.

Am Sonntag holten wir das mit dem Käsekuchen nach. Und zwar um sieben Uhr morgens. Da machen die auf, und Jetlag macht’s möglich. Im Hotel am Times Square hatte ich eh eher mäßig geschlafen, neben mir war eine Partycrew, die ich durch die Papierwände sehr gut hören konnte, „Open the door, bitch!“ um halb fünf morgens, na danke, dachte ich. Der Käsekuchen war dann aber eine gute Entschädigung und hatte auch ca. so viele Kalorien wie ein Abendessen. Ich war dann erstmal satt für eine ganze Weile.

Um neun hatten wir einen Slot im 9/11 Memorial Museum gebucht. Das liegt am Ground Zero und ist unter die Erde gebaut. Am Eingang wird übrigens alles was man dabei hat gescannt und dann nimmt einer ein augenrollender Sicherheitsheini (augenrollend, weil er das ganz offensichtlich selbst albern fand) das Reisebesteck ab. Man könnte ja mit dem Messer, mit dem man mit Müh und Not Käsekuchen schneiden kann, wen umbringen. Ehrlich gesagt ist die Gabel reell bedrohlicher, aber es wurde mir einfach das ganze Set abgenommen, selbst die Strohhalme, was mir für den Rest des Tages einbrachte, bei Gelegenheit immer wieder scherzhaft gefragt zu werden, ob ich irgendwen mit meinem Löffel killen will. Ich bekam für das Besteck einen Pfandzettel ausgehändigt und da drin ist jetzt eh keine Stimmung um gemütlich Kuchen zu essen. Alles gut.

Das Museum macht sehr Eindruck. Ich war damals 16 und grad nach Hause gekommen, als das zweite Flugzeug in den South Tower flog, was auf allen (wenigen) Sendern unseres Fernsehers zu Hause das normale Programm ersetzt hatte. Das Museum stellt nicht nur das dar, sondern auch wie die Towers damals gebaut wurden, das ganze drumrum, vorher, nachher, die Aufräumarbeiten, der Bau des One World Trade Center und des Memorials (der „Pools“). Sie haben wirklich viele bedeutende und nicht so bedeutende Ausstellungsstücke zusammengesammelt, da ist von verformten Säulen, auf wenige Kubikmeter zusammengebackenen Materialien, die mehreren Etagen entsprechen, bis zur Uhr, die einer schwer verbrannten Überlebenden abgenommen wurde alles mögliche dabei. Die Stimmung ist durchgehend respektvoll und leicht gedrückt und bei Teilen der Ausstellung, zum Beispiel da wo man Tonaufnahmen hört, wie Passagiere aus einem Flugzeug zu Hause anrufen um sich zu verabschieden, bevor sie das Cockpit mit den Terroristen stürmen, stehen diskret Taschentuchboxen bereit. Selbst die „Geschichte“ der Terroristen wird nüchtern und unaufgeregt erzählt. Es ist angenehm wenig patriotisch und lässt auch (vermeidbare) unangenehme Teile der Geschichte nicht aus, zum Beispiel die Kritik an der Entsorgung der Trümmer, die 1. jede Menge Giftstoffe und 2. möglicherweise noch menschliche Überreste enthielten. Also natürlich ist nichts an der Geschichte schön, das kommt jetzt vielleicht sehr falsch rüber. Überraschend eben auch Selbstkritik, ich habe nicht den Eindruck, dass die USA da besonders gut drin sind.

Jedenfalls ist das ein wirklich beeindruckendes Museum und auch erschwinglich. Nicht unbedingt geeignet für kleinere Kinder. Es ist wirklich ein sehr stiller Ort.

Nach diesem erquicklichen Start in den Tag fuhren wir hoch aufs One World Trade Center. Das kann man durchaus auch mal machen. Über 400 Meter Fahrstuhl in 45 Sekunden, während an den Fahrstuhlwänden ein Film läuft, ist aber für Leute mit Neigung zu Motion Sickness (mich) eher schwierig. Außerdem hatte ich die wilde Katastrophen-Vorstellung, dass der Fahrstuhl so schnell ist, dass er uns oben einfach raus schießt. Absurd, ich weiß, aber so ist mein Gehirn manchmal. Oben angekommen muss man dann zwangsweise einen Film angucken und dann… Ich will nicht spoilern, aber es ging ein „whoaaa“ durch den Raum. Es war ein bisschen cheesy, aber noch ok. Und dann hat man von der Aussichtsebene auf 391 Metern Höhe einen super Blick über ganz New York. Selbst für höhenängstliche Menschen (wie mich) war das sicher genug und sehr cool.

Beweis, ich war oben.
Diese Stadt ist so unvorstellbar groß.

Nach diesem Teil des Sightseeing fuhren wir mit einem Uber zur High Line, weil ich den Deutschen gesagt hatte, das das cool sei. Und sie waren richtig begeistert, Hach.

So viel grün, mitten in der Stadt!

Der eine deutsche Inspektor wollte dann gerne noch Grand Central sehen, also liefen wir da hin. Und kauften die teuerste Flasche Wasser, die ich je gekauft habe, aber ich war so durstig, mir war fast alles egal. Aber 6 $ für einen Liter stinknormales Wasser? Die saufen doch Lack!

Grand Central, schon beeindruckend. Sehr groß, wie alles. Normale Größen von irgendwas kann New York scheinbar nicht.

Danach wussten wir irgendwie nicht so ganz, was tun, es war ein bisschen die Luft raus. New York Public Library war zu (sonntags geschlossen), wir entschieden, dass wir zu Fuß langsam Richtung Penn Station gehen und dann wieder nach New Jersey fahren würden. Mit Zwischenstopps bei Mitbringselläden und irgendwas zu Essen. Irgendwas zu Essen wurde dann Pizza aus einem sehr kleinen, sehr lauten Laden an der 6th Avenue, bei dem ich mich wunderte, warum alle Pizzen vegetarisch waren. Es kam dann eine Gruppe jüdischer Menschen (erkennbar an T-Shirts einer jüdischen (Sonntags-?)Schule) und kaufte sehr viel Pizza und da fiel auch mein Blick auf das kosher-Zertifikat an der Wand. Die Pizza war aber offen gestanden das Chaos in diesem kleinen Laden echt wert, die war mega gut, selbst im Gehen gegessen. Eine Mischung aus italienischer und amerikanischer Pizza, würde ich sagen, sehr große Räder mit mitteldickem Teig, aber belegt wie von einer italienischen Mamma, mit getrockneten (nicht öligen) Tomaten, Mozzarella, gegrillter Aubergine und frischem Basilikum. Und reichlich Knoblauch, ähäm.

Und das war’s. Drei ziemlich platt gelatschte, durchgeschwitzte und Pizzaverschmierte Inspekteure fuhren, voller Eindrücke, wieder in das wesentlich beschaulichere Örtchen in New Jersey zurück und kämpften im Zug dagegen, einzuschlafen.

Fazit New York: zwei Tage reichen immer noch nicht mal annähernd nur für Manhattan. Diese Stadt ist einfach viel zu groß dafür und hat viel zu viel zu bieten. Schön ist sie aber, jedenfalls abseits vom Time Square.

Tag 3240 – Fortsetzung und wie mir mal Essen ausgegeben wurde.

Ich wollte ja was zu Essen haben und ich war einigermaßen fein gemacht, mit Lippenstift und Kleid und allem. Mit der Subway fuhr ich erst mal wieder zur Ecke vom Central Park und dann… hatte ich keinen großen Plan, also lief ich erst mal ein paar hundert Meter und fragte dann Google Maps. Mir war nach Pizza und ein paar Blöcke vom Lincoln Center entfernt war ein Italiener mit ausgezeichneten Bewertungen. Mir war irgendwie danach, mir was zu gönnen, also war mir auch der Preis fast egal. Ich lief da hin und… es war winzig und bumsvoll. Naja, ich fragte höflich, ob sie nicht vielleicht einen einzelnen Platz haben, und wurde gefragt „Do you mind sitting at the bar?“. Nö, das minde ich gar nicht, also saß ich an der Bar, bekam Wasser, Brot mit Olivenöl und die Karte und studierte die erst mal. Der Laden war laut und voll und sehr lebendig und zur Abwechslung machte mir das überhaupt nichts aus, im Gegenteil, ich saß sehr zufrieden da und genoss das Leben um mich rum, an dem ich nicht weiter teilhaben musste. Wie im Kino, nur mit einer Karte, auf der es alles möglich gab, nur keine Pizza. Ich bestellte mir, nach gründlichem Studium aller Optionen, Ossobucco auf Safranrisotto und, zur Feier des Tages und des Dates mit mir selbst, ein Glas Pinot Grigio. Scheiß auf Vegetarier, Scheiß auf keinen Alkohol, heute wird gegönnt, dachte ich mir. Allzu teuer war es auch nicht, eigentlich okaye Preise – für jemanden, der aus Norwegen kommt. Ich hatte grad bestellt, als mich die Kellnerin bat, etwas zur Seite zu rücken, denn es kamen noch weitere Gäste, die an der Bar sitzen wollten.

Bevor das Essen kam. Vom Essen selbst gibt’s kein Bild, weil das so göttlich war, dass ich es einfach gegessen habe.

„Oh my god, I love your hair!“ sagte der Mann, der sich neben mich setzte. Daran hatte ich mich schon fast gewöhnt, denn das habe ich in 7 Tagen 5 mal gehört. Sie sind da ganz anders, die Amerikaner, die sagen das einfach so. Für die sexuellen Präferenzen des Mannes brauchte man nicht mal nen Gaydar, der Tonfall wie er das sagte, reichte schon aus. Nagellack, akkurat gezupfte und gestylte Augenbrauen und ein sehr weit aufgeknöpftes, ansonsten sehr enges Hemd, sagten alles unnötige auch noch aus. Nun ist es ja so, dass amerikanische Umgangsformen total simpel sind: einfach immer ein mal höflicher und überschwänglicher wie du. Ich bedankte mich also überschwänglich für das Kompliment, er fragte, ob ich auch Essen bestellt habe, sie (er und seine Begleitung) wollten nur Wein trinken „but oh my god the food here is AMAZING, we order here SO OFTEN, you’re not gonna regret it!“ und dann unterhielten sich die zwei erst mal unter sich. Offenbar waren beide unzufrieden mit ihrem Datingleben, das ließ sich nicht überhören, und irgendwann fragte mich der Mann, wo ich herkäme, und wie da das Datinglife so sei. Ich musste gestehen, dass ich da keinerlei Erfahrungen aus erster Hand habe, aber gehört hätte, dass Norweger*innen sich gerne mal vollaufen lassen und dann im Nachhinein erst mal rauszufinden versuchen, wer die andere Person im Bett eigentlich ist und ob man sich da ne Beziehung vorstellen kann. Worauf er sein Herz ausschüttete, wie schrecklich das Dating in New York sei, die Typen wollen alle nur unverpflichtende Situationships, bloß keine Monogamie, und das sei nichts für ihn, er käme aus Frankreich und suche einen Partner, keine Bekanntschaft. Dem schloss sich die Begleiterin an, das sei auch für heterosexuelle Frauen ein Graus in New York, sie habe jetzt aufgegeben, aber sie sei halt auch in Manhattan aufgewachsen und wolle nirgendwo anders hin. Sie hat aber jetzt ein anderes Baby, denn sie hat ihre eigene Praxis eröffnet. Psychologin sei sie, mit Spezialisierung in forensischer Psychologie. Und ja, sie macht auch viele Besuche im Gefängnis. Währenddessen kam übrigens mein Essen und war ganz einfach himmlisch, ich kann es gar nicht beschreiben, ich glaube man würde auch das Fünffache dafür bezahlen können. Das Risotto war auf den Punkt gegart und hatte genau die richtige Säure, um das Fleisch auszubalancieren. Das Fleisch war butterzart und fiel von selbst vom Knochen ab. Ich hatte sogar ein kleines Gäbelchen, um das Mark aus dem Knochen zu pulen. Ich hätte mich da rein legen können, mich dann da drin wälzen und um mich rum essen können. Das sagte ich auch den gesprächigen New Yorkern, dass sie nicht zu viel versprochen hätten, das sei ungefähr das beste, was ich seit langer Zeit gegessen hätte. Das schien sie sichtlich zu freuen, und wir unterhielten uns noch ein bisschen darüber, wie ich New York fände und dass wirklich nicht alle New Yorker falsch und unmöglich seien, es gäbe auch nette, ganz ehrlich. Das hatte ich ja nie bezweifelt. Es war ein wirklich netter Abend, ich bestellte noch einen Espresso (der ebenfalls ausgezeichnet war) und musste dann aber wirklich auch los zu meinem Konzert. Ich bat um die Rechnung, aber als ich dem Barmann (da hatte ich mich inzwischen dran gewöhnt) einfach meine Kreditkarte geben wollte, wurde mir das von dem gesprächigen Mann verwehrt. Er meinte, er lade mich auf das Essen ein, sie hätten sich so nett mit mir unterhalten und ich solle das als Geschenk von New York, nicht von ihm persönlich, betrachten. Ich solle die Stadt in guter Erinnerung behalten. Ehrlich gesagt war ich so perplex, dass ich kaum schaffte, zu protestieren, und ich musste ja auch dann wirklich gehen und konnte mich überhaupt nicht revanchieren, aber andererseits sagte er ja auch er wolle das gerne so und ich hab ihm ja nichts aufgezwungen. Jedenfalls, so war das. Dann ging ich, total verwirrt ob dieses für mich, äh, sagen wir mal, untypischen Ereignisses, zur Philharmonie.

Dort stellte ich fest, dass ich einen Restricted View Platz hatte.

New York Philharmonic beim Aufwärmen.

Ich konnte etwas mehr als die Hälfte der Bühne sehen. Tatsächlich konnte ich beim ersten Stück – Mozart Concerto für Violine und Viola – nur die Violistin sehen. Es war trotzdem schön. Wenn auch etwas unfair, Viola muss sich sehr anstrengen, um gegen eine Solovioline und ein (sparsam besetztes, aber trotzdem) Orchester anzukommen. Ein bisschen schade ist das schon, ich hätte gern mehr Viola gehört.

Nach dem ersten Stück waren etwas rechts von mir auf dem obersten Ring aber mit besserer Sicht 4 Gäste immer noch nicht gekommen. Also setzte ich mich da hin. Das zweite Stück – Shostakovich Konzert für Piano und Trompete – war… interessant. Ganz anders als Mozart und auch ganz anders als das darauf folgende Konzert für Violine und Cello von Brahms. Es war irgendwie sehr jazzig und warum Solotrompete haben und die dann nur sporadisch mal spielen lassen erschließt sich mir nicht. Der Pianist Igor Levit war der einzige Musiker, der nicht zur Philharmonie gehört, das fand ich auch schön. Insgesamt aber sehr lohnenswert. Nur, note to self: nie mehr da in der Pause Weißwein kaufen. 17$ für einen Plastikbecher mit (zugegebener Maßen leckerem) Weißwein, den man dann quasi exen muss, weil man außer Wasser nichts mit in den Saal nehmen darf. Was ja verständlich ist, aber… 17$!

Ein leicht desorientiertes Selfie. Rechts von mir (im Bild rechts) ist übrigens Juilliard.

Auch die Philharmonie hat sich gelohnt, ich hatte einen tollen Abend. Leider stieg ich danach in die falsche Linie der Subway und musste 15 Minuten extra durch das sehr zentrale downtown Manhattan laufen, um halb elf und über Obdachlose stolpernd. Am Times Square. Da sieht man aber auch Super Mario rumfahren.

Fazit des Tages: New York ist einigermaßen verrückt, auf ganz viele Arten. Und Giardino 54, West 54 Street, hat wirklich ausnehmend gutes Essen. Und guten Espresso.

Tag 3233 – Sehr viel los.

Kurzabriss:

  • Sightseeing
  • Ballett
  • Hotel nur zum Umziehen
  • Date mit mir selbst und Abendessen, das mir komplett unerwartet von einem Fremden ausgegeben wurde (der wollte ganz sicher nichts von mir oder irgendeiner anderen Frau)
  • Philharmonie
  • Mit der falschen Subway gefahren und noch mal 15 Minuten gelaufen.
  • Hotel (parfümiert, bah)

Bilanz: trotz Subway und Sightseeing-Bus über 23.000 Schritte. Aber schön war’s, alles daran. Das mit dem Essen war einigermaßen verrückt. Aber dazu bald mehr, ich bin kurz vorm Koma.