Tag 1039 – Die 45-Minuten-Bluse.

Jeah, Klickbait-Titel! In Wirklichkeit hab ich deutlich länger dafür gebraucht, aber mit Übung sind 45 Minuten gut machbar. Im Grunde ist der Schnitt nämlich so easy, dass man ihn kaum Schnitt nennen kann. Aber sehen Sie vielleicht erstmal hier, was meine Inspiration war. Eigentlich war ich nämlich drauf und dran, einfach ne Bluse zu kaufen. Meine bevorzugte Marke für seriösere Kleidung, die trotzdem noch keine Niere kostet, ist seit jeher Esprit und die einzigen paar seriösen Kleidungsstücke, die ich besitze, sind alle von da. (Und ich winke an der Stelle mal in die Schweiz.) Leider sind die paar Sachen, die ich hab, aber alle eher langärmlig und warm, ich hätte halt gern noch was sommerlicheres. Esprit gibt’s hier aber im Laden eh nicht und online-Shopping ist irgendwie nicht so ganz meins, und dann kommt noch erschwerend hinzu, dass ich bei vielen „simplen“ (in Modesprech: clean) Sachen inzwischen sofort denke: das kann ich auch selbst machen. Wenn ich es selbst mache, habe ich noch Spaß dabei und in irgendeinem krassen Niedriglohnland muss niemand für mich Kleidung nähen*. Bisher kam dabei immer heraus, dass ich das Kleidungsstück nicht gekauft, aber auch nicht nachgenäht hab, weil, ach. Weil halt. Diesmal aber schon.

Das Ergebnis sieht so aus:

Der Schnitt ist mega einfach und sieht im Grunde aus wie ein Tetris-L. Die untere Kante habe ich außen noch abgerundet, sodass Vorder-und Rückteil wie ein U geformt und nur bis zur Rundung vernäht sind, sieht man hier nicht, aber dadurch kriege ich halt kein Enge-Problem über den Hüften.

(Weil durch die Falten der Kragen enger ist, muss eine Lösung her, das über den Kopf zu kriegen.)

Das Ganze geht dann ca. so: man nehme einen leichten und ganz weich fallenden Stoff, hier gewebte Viskose. Schneide alles zu, Vorne, hinten, Belege nach Wahl (je nach Halsausschnitt, für den Kragen mit Falten braucht es vorne einen schmaleren Beleg, dafür hinten zwei breitere Teile, für den Fake-Hemdkragen hinten schmaler, vorne zwei breitere Teile), ergibt 5 Teile. Für mich reichen da 65 cm Stoff dicke. Bei Webstoffen alle „offen bleibenden“ Kanten versäubern, also alle, die nicht mit einem anderen Stoffteil vernäht werden. Für Version 2 die Falten am Halsausschnitt vorbügeln und mit Nadeln fixieren, dann Schulternähte schließen**, Schulternähte am Beleg schließen, Belege annähen*** (Obacht bei dem „V“-Ausschnitt an Version 1, auf jeden Fall den Stoff bis zur Naht einschneiden, auch wenn’s die Nerven kitzelt, sonst wird’s ömmelig!). Die Naht unterm Arm schließen**, die Seitennähte schließen, unten säumen, die Ärmel entweder normal säumen oder zweimal umschlagen, bügeln und mit ein paar Stichen unauffällig fixieren. Für Version 2 hinten einen Knopf annähen und eine Garnschlaufe andutzeln. Fertig ist die Laube, äh, Bluse.

Das ist jetzt natürlich kein toll figurnaher Schnitt, soll es aber auch nicht sein. Dadurch dass der Ärmel nicht durch eine Naht abgesetzt ist, ich aber gar nicht aussehe wie ein T, ziehen sich da natürlich Falten an den Schultern, was, wie ich finde, nochmal einen lässigeren Look macht. Ich liebe die Kombination aus feinem Stoff und lockerem Schnitt, ich mag wie es fällt vor allem so in den Rock gestopft. Für mich ist das eine super Möglichkeit, seriös (und modisch! also bis nächste Woche, da ist dann wieder was anderes modisch) auszusehen ohne mich zu verkleiden. So können Sommer-Vorstellungsgespräche kommen. Und hell yeah, ich habe das selbst gemacht. Ganz allein. Auf dieser Welle des Größenwahns reitend werde ich mir noch so eine Bluse machen. Aus Seide. Version weiß ich noch nicht.

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Auto-Lobhudelei: fast nahezu halbwegs cool die einigermaßen eskalierenden Kinder ertra… begleitet.

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*Wobei das recht kurz gedacht ist, das ist mir schon klar. Zum Beispiel werden meine Stoffe sicher nicht in Norwegen gewebt und gefärbt und die Frau in der Fabrik in Bangladesh arbeitet sich sicher den Arsch wund, aber ja auch nicht zum Spaß, sondern die ernährt damit vielleicht fünf Kinder und die klapprige Mutter und wenn jetzt deren Job wegfällt, weil keiner mehr das Zeug kauft, ist das erstmal Käse, so ohne irgendeine Arbeitslosigkeits-Absicherung. Aber ne gute Lösung dafür kann wiederum meiner Meinung nach nicht von mir verlangt werden, da müssen in allererster Linie die Staaten ran, in denen Niedriglohnarbeit ein akzeptiertes Geschäftsmodell ist.

**Für nach außen gekrempelte Ärmel empfehlen sich da französische Nähte, also erst links auf links nähen, umkrempeln und die Nahtzugabe der ersten Naht mit einer zweiten Naht rechts auf rechts sozusagen in einer Tasche einschließen. Umbügeln, fertig.

***Bei Version 2 habe ich die Belege angenäht, bevor ich die Schulternähte geschlossen hab und fand das deutlich einfacher.