Tag 3474 und 3475 – Drunter und drüber.

Mein Jetlag ist immer noch da, erkennbar an der Uhrzeit. Naja. Wird schon wieder. Morgens möchte ich allerdings definitiv nicht aufstehen und hasse den Wecker inbrünstig für das Klingeln.

Was gäbe es da schöneres, als drei Tage in einem Webinar über Risikomanagement rumzuhängen? Spoiler: sehr vieles. Aber immerhin im Homeoffice. Im Nachhinein bin ich auch gar nicht mehr so traurig, dass ich Montag wegen der Flugverspätung nicht im Büro beim 60. Geburtstag einer Kollegin war, denn mein Lieblingskollege hat da wohl versehentlich ein bisschen gesuperspreadert. Er selbst wurde in der Nacht auf Dienstag krank und seit heute ist das halbe Inspektorat krank. Ausgerechnet der Lieblingskollege, der ist nämlich ein bisschen germophob (Berufsschaden). Aber er wusste ja nicht, dass er sich was eingefangen hatte. Es ist irgendeine Halsschmerzen-Husten-hohes-Fieber-Krankheit, die kein Covid ist. Dem Lieblingskollegen ging es aber heute schon viel besser, ich gehe davon aus, dass der Rest der Inspekteur*innen das auch überleben wird. Leid tun sie mir trotzdem. Ich bin gespannt, ob ich morgen dann alleine im wöchentlichen Kaffee-Meeting sitze, weil alle darnieder liegen.

Ansonsten geht es politisch allerorten rund. Die Orange drüben schmeißt den halben Staatsapparat raus, wir (im Inspektorat) sehen den Vertrag zwischen der EU und den USA zur gegenseitigen Anerkennung von Inspektionen schon am seidenen Faden hängen. Das wäre blöd, der Vertrag macht nämlich, dass wir für die allermeisten Medikamente eben NICHT in die USA reisen müssen, um uns selbst zu überzeugen, dass die gut hergestellt werden, sondern dass wir uns da auf das Urteil der FDA verlassen. Und umgekehrt. Niemand will für die Inspektion irgendeines Paracetamolherstellers extra in die USA reisen. Anyway. Die Orange ist also wie immer komplett Gaga. Der Merz Fritzl aber ja wohl auch, der hat ja wohl den A… auf und den Schuss nicht gehört und überhaupt. Und auch hier ist politisches Chaos, nachdem sich die zwei Koalitionsparteien über Energiepolitik in die Haare bekommen haben. Jetzt geht man getrennte Wege, es müssen ein knappes Duzend Minister*innenposten neu besetzt werden und am Ende haben wir bis zum Herbst voraussichtlich eine Ein-Parteien-Minderheitsregierung, die nichts alleine entscheiden kann. Dann sind eh Wahlen.

Überall also Chaos. Würde dazu gerne mal die Risikoanalysen sehen. Ach, gibt’s nicht??? Hmm!

Tag 2981 und 2982 – Laune hoch 10.

Es tut mir leid, es geht mir wirklich nicht gut. Es ist bald vorbei, wie jeden Monat, aber jetzt grad ist es wirklich nicht auszuhalten mit mir, nicht mal für mich. Da macht es auch nicht besser, dass

  • Bei der Arbeit alle Lack saufen, inklusive meiner direkten Chefin, die ernsthaft enttäuscht war, dass ich morgen wirklich kein Meeting wahrnehmen kann, weil ich auf einer Inspektion bin. Und die heute morgen auch, nachdem ich auf eine Chatnachricht „hast du kurz Zeit?“ mit „Nein, ich bereite grad eine Inspektion vor“ geantwortet hatte, einfach munter weiter Screenshots vom IT-Projekt schickte und fragte, ob das so soll oder nicht.
  • „Wir“ gestern bei der Kommunalwahl leider echt nicht so gut abgeschnitten haben und „Wir“ (ich habe meine Meinung dazu schon SEHR deutlich gesagt) jetzt unsere Handlungsoptionen ausloten müssen und „Wir“, oder in dem Fall besser „Die“ auch eine Zusammenarbeit in der Position mit unserem Pendant zur AfD nicht per se ausschließen mögen. Ich renne seither innerlich laut schreiend und alles klein hackend im Kreis und möchte, dass es Rückgrat und Integrität vom Himmel regnet.

Tag 2617 – 2/3.

Ganztagsseminar mit der Arbeit überstanden. War zum Teil sogar recht interessant, es gab einen unterhaltsamen und interessanten Vortrag über Digitalisierung und „künstliche Intelligenz“. Die Anführungszeichen sind da, weil das eigentlich ein nichtssagender Sammelbegriff für alles mögliche von Regressionsanalyse bis VR ist. Der Vortragende konzentrierte sich im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz auf machine learning und deep learning und was man da seiner Meinung nach (die Meinung ist schon recht fundiert, der ist Professor für Soziologie und forscht seit vielen Jahren an Digitalisierung) innerhalb von Medizin und Pharmazie schon recht bald sehen wird – unter anderem, weil es andernorts schon gemacht wird. Sehr interessant und ein bisschen gruselig.

Abends war ich in der ersten Ausschusssitzung meines Lebens. Ich bin aus Gründen jetzt im kommunalen Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Prävention. War ja noch nicht genug zu tun, ne? Jedenfalls wundert mich jetzt gar nicht mehr, warum die heutige Politik für alte Leute gemacht zu sein scheint, denn sie ist VON alten Leuten gemacht. Ich war die jüngste, zumindest nehme ich das an, eine andere, die aber nur Stellvertreterin ist, hatte auch grad vorher ihr Kind zum Korps gebracht, dürfte also grob in meinem Alter sein. Zwei weitere Mitglieder in dem Ausschuss sind so Anfang bis Mitte 50 und der Rest (so 10 Menschen) sind Rentner*Innen. Ich war wirklich geschockt. Dabei ist es ja klar, denn wann im Leben hat man schon Zeit für sowas? Sitzung mitten in der Woche von 18:00 bis 21:30, also nach einem kompletten Arbeitstag und zu der Zeit, in der Menschen in meinem Alter Kinder herumfahren, abfüttern, Hausaufgaben machen und ins Bett bringen. Natürlich sollte man vorher noch die Dokumente gelesen haben, haha. Immerhin kann ich dank meines Jobs sehr schnell lesen und on the fly Inhalte erfassen und mitdiskutieren, sowie kompetent auftreten ohne dafür eine Basis zu haben. Jedenfalls haben normale Leute in meinem Alter unter diesen Bedingungen keine Möglichkeit, sich in derlei Aktivitäten einzubringen. Eigentlich hab ich die ja auch nicht. Also erst das System ändern – Sitzungen zu normalen Tageszeiten und man wird von der Arbeit dafür freigestellt und von der Kommune für den Verdienstausfall entschädigt wäre ein Vorschlag von mir – dann eine U40-Quote einführen. Wir haben eine Frauenquote, warum also nicht begrenzen, wieviele Rentner*Innen man problemlos in Ausschüssen und Räten platzieren kann.