Tag 423 – Weshalb ich manchmal froh bin, dass mein Körper meine Pläne durchkreuzte. 

Es ist mal wieder Zeit für einen Disclaimer: ich werde im Folgenden meine Gedanken zu sehr dicht aufeinander geborenen Kindern beschreiben. Ich will in keinster Weise sagen, dass alle Eltern mit Kindern in kleinem Abstand überfordert sind, oder dass irgendwelche Abstände generell  schlechter oder besser wären. Nur meine Gedanken. K? K.

Heute in der Metro vom Flughafen in Porto in die Stadt saß eine Familie. Beziehungsweise saß nur die Mutter, der Vater stand. Auf dem Schoß hatte die Mutter ein ca. anderthalb Jahre altes Kind, neben ihr turnte ein ca. zweieinhalb Jahre altes Kind herum und ein ca. vierjähriges Kind flitzte dauernd von Mama zu Papa und zurück. Ja, genau, das ist so ziemlich so dicht zusammen as it can be. Die Kinder waren allesamt niedlich und machten ihrem Alter entsprechend Quatsch. Der Große baumelte an den Sitzen, der Mittlere  stand auf dem Sitz und drückte sein Gesicht an die Scheibe, der Kleine wusste nicht so ganz was er wollte, zog sich an Mamas Nase hoch und ließ sich dann wieder hinplumpsen. Der Kleine machte auch Kindstypische Geräusche, aber alles im Rahmen, keins der Kinder störte irgendwie krass oder benahm sich total daneben oder brüllte alles zusammen. 

Die Mama sah müde aus. Sehr müde. Grunderschöpft. 

Und ich dachte: das hätte ich sein können. Ich wäre genau so. Ganz genau so. Ich wollte immer vier Kinder und ein Alterabstand von maximal zwei Jahren erschien mir erstrebenswert. Als Michel dann ein Jahr alt war, war ich in der Probezeit, außerdem war mein Zyklus kein Zyklus sondern das reinste Chaos, dazu hatte Herr Rabe keinen Job, kurz: wir verhüteten kräftig weiter. Als Michel dann anderthalb war war klar, wieso mein Zyklus komisch war: ich hatte eine Schilddrüsenüberfunktion, musste Hemmer nehmen, mit aktiver Hyperthyreose soll man bitte nicht schwanger werden und Sorgen hatte ich plötzlich auch genug andere. Kurz: wir verhüteten kräftig weiter. Dann war Michel zwei und die Stoffwechsellage halbwegs ok, der Zyklus aber nach wie vor nicht zyklisch. Ich dachte ehrlich, an dem Tag wäre noch keine „Gefahr“ schwanger zu werden. Tjanun, ein Dreiviertel Jahr später war Pippi da. 

Aber eigentlich wollte ich das immer anders. Dichter beieinander sollten die Kinder sein, damit sie „noch miteinander spielen können“. Meine eigene Familie und die heute im Zug hat mir gezeigt: ach Quatsch. Wenns passt, dann passts. Fast drei Jahre Altersunterschied bei Michel und Pippi führen jedenfalls im Moment noch nicht dazu, dass sie nicht miteinander spielen können. Der Große der Familie heute kam bestens mit dem Kleinsten zurecht und umgekehrt. Der Mittlere hingegen ärgerte seine beiden Brüder bei jeder Gelegenheit, piesackte den Kleinen und sprang dem Großen auf den Rücken. Die Mama schien das schon gewohnt. Müde wies sie den Mittleren zurecht, versuchte ihn anders zu beschäftigen, versuchte ihm Aufmerksamkeit zu geben, was aber sofort von einem der anderen durchkreuzt wurde. Sie gab dem Kleinsten Blaubeerweingummi und zog ihm hundertmal die Schuhe wieder an, die er sofort wieder auszog. Sie versuchte den Großen im Zaum zu halten, der kreuz und quer über die Sitze und Passagiere stieg und wirkte bei all dem einfach nur erschöpft und resigniert. Der Vater stand etwas unbeteiligt rum und beschäftigte sich immer nur mal kurz mit dem Großen, wenn der vom Generve des Mittleren die Nase voll hatte. Aber mindestens 90% der Zeit und 100% der Erziehungsarbeit waren Ding der Mutter. Sie war immer liebevoll, verstehen Sie mich da nicht falsch, aber ich hatte das Gefühl, sie wird keinem der Kinder wirklich gerecht, Ihrem Partner vielleicht nicht und sich selbst sicher nicht und sie weiß das. So wirkte sie auf mich. Als wüsste sie, das das alles nicht optimal läuft, dass drei Kinder unter vier, die zeitgleich an einem hängen, unheimlich viel ist, vielleicht manchmal zu viel. Als wüsste sie, dass der Satz „Hör auf!“ wenn zehnmal pro Minute in drei verschiedene Richtungen ausgesprochen längst zu einer hohlen Phrase verkommen ist. Und ich weiß: ich wäre genau so*. Ich wäre genau so müde, resigniert und latent traurig. Genauso verliebt in meine Kinder. Und am Rande des Wahnsinns. Knapp drei Jahre Altersunterschied kann ich stemmen. Mehr wäre vermutlich auch ok. Weniger auch, aber es wäre anstrengender. Heute bin ich dankbar, dass mein Körper den ursprünglichen Plan so nicht mitgemacht hat. Und ich bin Pippi dankbar, dass genau sie sich zu genau dem Zeitpunkt einfach eingeschlichen hat. 

*das, meine Damen und Herren nennt man Projektion: ich dichte meine vermeintlichen Unzulänglichkeiten der anderen Mutter an, um dann von außen drüber herzuziehen. Ist natürlich bestimmt alles nicht so, es ist ja auch nur eine Momentaufnahme, von außen betrachtet. Weiß ich ja alles.

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