Tag 2309 – Wirklich ganz ehrlich!

Nichts zu erzählen. Traurige Wahrheit. Hier passiert absolut gar nichts. Das Spannendste, was heute passiert ist, ist, dass ich mit einem Schwein (Pølse) bei der Tierärztin war, weil ihr ein Gnubbel am Po wächst, und dass man in der Praxis immer wieder überrascht ist, dass ich sowas wegoperiert haben will. Ich frage mich ernsthaft, ob andere ihre Tiere entweder passiv oder aktiv sterben lassen, sobald irgendwas ist. Wahrscheinlich ja und das finde ich entsetzlich. Wir reden hier von einem mittelalten, ansonsten topfitten (etwas moppeligen) Meerschwein, das noch ein paar Jahre vor sich hat, wenn man solche Gnubbel nicht bis ultimo wachsen lässt. Ich kann da nur mit dem Kopf schütteln. Aber für nen Rassehundewelpen Zehntausende Kronen hinblättern.

Immerhin wurde ich für gute Pflege gelobt. Topp Fell, Zähne und Krallen. Dabei habe ich an den Krallen seit Monaten gar nichts gemacht, außer zwei Rampen zu basteln (besser: durch Herrn Rabe basteln zu lassen), die mit Skateboard-Gripfolie beklebt sind, und das Futter immer auf die oberen Etagen zu legen. Ich gucke wöchentlich nach, aber bei Pølse muss man gar nichts machen und bei Marshmallow nur die hinteren Krallen ab und zu minimal kürzen (was immer toll für alle Beteiligten ist, weil sie komplett schwarze Krallen hat).

Die Schnecken schlafen noch. Ich muss mal nachgucken, wann sie letztes Jahr aufgewacht sind, nicht, dass sie schon längst wach sein sollten. Es wird zwar jetzt wieder deutlich heller, aber bis das Licht in die Schneckenecke kommt, dauert es noch ein bisschen, deshalb bin ich nicht sonderlich beunruhigt.

Tag 2307 – Die hochgezogene Augenbraue.

Michel sprang heute herum wie ein Flummi, es geht ihm definitiv besser und die mangelnde Auslastung wird überdeutlich spürbar. Er macht dann auch alle möglichen Geräusche, immer. Danken wir einfach den Noise cancelling Kopfhörern dafür, dass wir ihn heute nicht an die Wand getackert haben.

Am Freitag sollen wir uns eineinhalb Stunden lang unser neues free seating präsentieren lassen. Ich glaube, die haben Lack gesoffen, anderthalb Stunden? Aber was mir dabei einfällt: ich habe heute aus dem Intranet ein Bild heruntergeladen, das uns Angestellten das Konzept „Feste Basis und empty desk“ schmackhaft machen soll. Schauen Sie einfach selbst.

Hygge, koselig, nordisches Design!

Ich bin irritiert davon, dass die Bildschirme fehlen. Wir haben eigentlich Bildschirme. Sie haben sich außerdem offenbar Mühe gegeben, wenigstens zwei gleiche Stühle zu finden. Die Ausziehtürme bleiben stehen, auch wenn wir sie nicht benutzen, weil zwar zusammen arbeiten und Kommunikation fördern sollen, aber bitte ohne direkten Blickkontakt. Außerdem fehlen im Bild die Spuckschütze zwischen den sich gegenüberliegenden Tischen. Die dienen dazu, den Abstand zwischen diesen Tischen von ca. 80 cm auf einen Meter zu erhöhen. Plexiglas krümmt bekanntermaßen im Arbeitskontext das Raum-Zeit-Kontinuum.

Ich glaube, so Architekturpsychologen (das ist ein Ding, habe ich neulich gelernt) würden instantan in Tränen ausbrechen. Ich hab aber beschlossen, keine Energie darauf zu verwenden, mich drüber aufzuregen.

P.S. Wir haben ne Stelle offen, aber bitte überrennt uns jetzt nicht alle wegen unseren attraktiven Büroräumen.

Tag 2306 – Erholungstag.

Euphemismus für „hab bei der Arbeit nicht viel auf die Reihe bekommen“. War einfach viel letzte Woche und heute wäre frei nehmen vermutlich sinnvoll gewesen.

Michel geht es den Umständen entsprechend gut. Bisher hat er Husten und Kopfschmerzen. Gestern glaubte er, Fieber zu haben, aber zwei verschiedene Thermometer waren anderer Meinung. Er kann seine kleine Schwester und sein Lego mit unverminderter Kraft anschreien, insofern geht es ihm wohl nicht allzu schlecht. Wenn Sie ihn allerdings fragen, ist er mindestens dem Tode nah.

Pippi und ich haben weiterhin nichts und Herr Rabe hat Schrödingers Corona offenbar auch niedergerungen.

Mehr gibt es von heute eigentlich nicht zu erzählen. Die übermäßige Olympia-Berichterstattung in den norwegischen Medien nervt mich kolossal und ich hoffe, es ist bald vorbei. Schlittschuhlaufen können wir (leider) auf dem eigenen Parkplatz, wo sich eine zentimeterdicke Eisschicht gebildet hat, die durch immer wieder antauen, drauf regnen und dann wieder überfrieren wirklich spiegelglatt ist. Gestern habe ich Müll rausgebracht und – mein lieber Scholli. Wenn man wirklich gar keinen Halt mehr hat und aus dem Stand wegen ganz leichter Abschüssigkeit anfängt zu rutschen, ist das nicht mehr lustig. Jedenfalls nicht, wenn man mehr als 6 Jahre alt ist und fürchtet, sich Steißbein oder ähnliches zu brechen. Jetzt schneeregnet es erst mal auf die Eisbahn, mal sehen, was sich dann morgen für ein Bild ergibt.

Tag 2304 – Deschawüh.

Norwegen hat mal wieder alle Maßnahmen abgeschafft. Also nahezu alle, denn Erwachsenen mit Symptomen wird weiterhin empfohlen, sich zu testen, und sich gegebenenfalls für vier Tage zu isolieren. Empfohlen. Erwachsenen. Alles andere ist weg.

Derweil kam Michel von seinem Übernachtungsbesuch zurück und war happy aber hustend und da sich das auch nach baden und umziehen und waschen der Bettwäsche und den Kuscheltieren, die er mithatte, nicht gab, machten wir dann doch lieber noch mal einen Test, und der war positiv. Seit heute um zehn war das völlig unnötig, Michel ist ja nicht erwachsen, und es hat auch keine Konsequenzen. Solange er 24 Stunden fieberfrei ist, kann er alles machen. Ja, das haben Sie richtig gelesen. (Machen wir nicht.)

Nächste Woche hätte er geimpft werden können, da ist die letzte Infektion drei Monate her.

Ich bin SEHR gespannt, was das jetzt für die weitere Entwicklung bei der und rund um die Arbeit heißen wird. Inzwischen kann ich das gar nicht mehr einschätzen und ich will auch keine Energie drauf verschwenden, mich vorsorglich aufzuregen.

Es ist alles schon wieder wie in einem Film, der viel zu schnell geschnitten ist und bei dem vergessen wurde, den Nebendarstellern und Komparsen das Drehbuch zu geben.

Tag 2403 – Babies.

First things first: Herr Rabe geht es schon wieder viel besser und der Rest hat weiter negative Tests. Passend dazu wird morgen vermutlich bekanntgegeben, dass Mundbinde und Meter wegfallen, und vielleicht fällt auch die Isolationspflicht. Es soll dann nur noch eine Empfehlung zur Isolation geben. Tests sollen nur noch Risikogruppen und Leute, die mit Risikogruppen arbeiten, bekommen. Langsam gewöhne ich mich an den Gedanken, dass wir alle Omicron kriegen werden/schon haben/schon hatten und dass das mit großer Wahrscheinlichkeit für uns nicht schlimm sein wird. Aus Gründen würde ich trotzdem hoffen, dass ich noch den Booster und die Kinder noch die 1. Impfdosis schaffen, bevor es uns erwischt.

Michel übernachtet heute bei einem Freund. Das ist ein mittleres Wunder, aber für ihn natürlich toll. Es kam sehr spontan dazu, was vielleicht gar nicht so schlecht war, weil er dann keine Zeit hatte, haufenweise Ängste aufzubauen. Er hat seine Bettdecke, sein überdimensionales Kuscheltier, Harry Potter-Schlafi und Zahnbürste und wenn was ist, kann er anrufen. Ich vermute, dass er inzwischen schläft. Ob ich allerdings schlafen kann, wird sich noch zeigen.

Pippi hingegen hat heute Scheiß in der Schule gemacht, woraufhin Herr Rabe einen Anruf und ich eine pissige Mail zu Pippis Missetaten bekam. Ich habe brav mit Pippi geschimpft und sie war sehr zerknirscht aber ehrlich gesagt fand ich die Geschichte ein bisschen lustig, weil sie sehr zu Pippi passt. Die Rübennase halt. Es kam niemand und nichts zu Schaden, so gesehen ist alles gut, aber sie hat halt noch nicht so ein ausgeprägtes Konsequenzdenken. Zwei Kinder, die sich vor allem möglichen und unmöglichen ängstigen, würde ich wohl auch kaum ertragen.

Jaja, sie werden so schnell groß, aber sie bleiben immer meine Babies. Eins eigensinnig, stur und rübennasig, aber unglaublich süß dabei, eins mit viel im Kopf, zurückhaltend und immer irgendwie müde aussehend, aber ebenfalls unglaublich süß.

Tag 2402 – Ein mal inconclusive, bitte.

Herr Rabe fühlt sich nicht so gut und hatte jetzt einen „uneindeutigen“ PCR-Test. Was es nicht alles gibt. Der Rest von uns testet weiterhin eindeutig negativ, was ja irgendwie beruhigend ist. Wahrscheinlich sind unsere Immunsysteme inzwischen aus Stahl und unsere Schleimhäute verhornt und da kann sich kein Virus mehr ansiedeln. Oder so.

Die gegenwärtige Inspektion ist auch wieder auf einem anderen Level interessant. Ich habe schon ganz viel gelernt, hauptsächlich über Zeitpläne und Projektmanagement und wie das alles mit Produktionsqualität Zusammenhängen kann. Mehr kann ich nicht sagen.

Im Büro ist weiterhin tote Hose. Auch das beruhigend, mit einem uneindeutigen Mann zu Hause. Ich frage mich allerdings schon ein wenig, ob es daran liegt, dass die alle gut im Homeoffice klar kommen und gar keine Notwendigkeit sehen, ins Büro zu kommen, oder ob alle mit Covid flach liegen. Wahrscheinlich stimmt ein bisschen von beidem.

So, ab ins Bett, morgen ist der letzte Tag.