Tag 2999 und 3000 – Verschnaufen.

Fertig inspiziert. Hurra! Wir waren sogar früher fertig als geplant. So konnte ich den Rest des Arbeitstages (etwa 30 Minuten) nutzen, um meinen Antrag auf mehr Gehalt bei den jährlichen Gehaltsverhandlungen einzureichen. Ich hasse das sehr, weil es so ein ekliger Mischmasch aus selbst verhandeln und die Verhandlung anderen (der Gewerkschaft z.B.) überlassen ist. Wir reichen was ein, mit Begründung warum wir „besser“ als 80% der anderen Angestellten sind, dann geht das durch drei oder vier (weiß ich grad nicht mehr, das System ist so unübersichtlich) Priorisierungsrunden und am Ende kommt irgendwas dabei raus. Involviert ist man selbst nur zu Anfang, danach muss man dem System vertrauen. Letztes Jahr habe ich ein trauriges Prozent durch diesen Prozess bekommen, mein Vertrauen in das System ist gelinde gesagt etwas angeschlagen.

Wie dem auch sei, ich holte dann Pippi ab und fuhr quasi direkt weiter zu meiner Geigenstunde. Die war tatsächlich überraschend gut, ich habe Lob bekommen für meinen Bach (!!!) aber auch Tchaikovsky und er sagte was von Durchbruch und enormer Verbesserung. Wir diskutierten ein paar fortgeschrittene Konzepte, ich erfuhr (durch Schmerz), dass er nicht gut Klavier vom Blatt ablesen kann und um zu vermeiden, dass ich wieder erst in 6 Wochen eine Stunde abgemacht bekomme, haben wir direkt in zwei Wochen den nächsten Termin ausgemacht. Bis dahin werde ich mich im Übertreiben üben, damit ich ein paar extra Sicherheitslayers habe, die ich bei Nervosität einfach abziehen kann und darunter ist es trotzdem noch hübsch, sauber und interessant.

Montag und Dienstag habe ich mir spontan frei genommen und ich werde auch konsequent keinen Finger fürs Werk rühren. Dafür bin ich auch viel zu platt. Und habe zu viel zu tun damit, Bach und Tchaikovsky innerhalb von zwei Wochen fertig zu polieren.

Tag 2998 – Es ist alles kompliziert.

Die Inspektion grad ist noch mal auf anderen Ebenen eine Herausforderung als eh schon. Meine nicht vorhandenen pädagogischen Fähigkeiten werden auf die Probe gestellt und gleichzeitig versuche ich irgendwie im Alleingang das leckende Inspektions-Boot an Land zu rudern, ohne dass selbiges allzu offensichtlich ist.

Und jetzt mache ich die Augen zu, morgen muss ich wieder für mindestens 1,5 Leute arbeiten. Hmm.

Tag 2996 – Alles machen.

Der erste Inspektionstag war noch nicht so schlimm und ich war um sieben zu Hause. Quasi Luxus. Totaler Luxus: abends was vernünftiges essen (von Herrn Rabe zubereitet), Pippi ins Bett bringen, einen Spaziergang machen und noch ein bisschen Geige spielen. Sogar duschen war ich. Fast wie so jemand mit einem normalen Job. Man sollte vielleicht dazu sagen, dass ich zur Site nur 30 Minuten mit dem Auto fahre, ich habe also die für mich kürzest mögliche Anreise und muss dadurch auch erst um viertel nach acht los. Morgen auch noch ungeschminkt, da spare ich noch mal 10 Minuten vor dem Spiegel. Wie im Urlaub, ey.

Leider liegt jetzt ein Schniefnasenmichel hier in unserem Bett. Also leider sowohl weil er schnieft (armer Zwerg) und weil er in unserem Bett liegt (arme wir). Ich werde wohl gleich in sein Bett umziehen. Meh.

Tag 2992 und 2993 – Geheim geheim.

Heute haben wir bei der Arbeit was lustiges gemacht (oder was Leute wie wir halt so lustig finden, ne?), aber ich darf nicht drüber sprechen.

Ansonsten habe ich zwar die letzten Tage viel (viel viel VIIIIIEEEEL) zu viel gearbeitet, bin aber jetzt on Track mit allem. Also auf sowas wie null. Näher an Null komme ich nicht mehr.

Uff, das war saumäßig anstrengend. Dagegen wird mir die nächste Woche (Inspektion) wahrscheinlich wie Urlaub vorkommen.

Tag 2991 – Auf und ab.

Arbeit war wie erwartet. Beste drei Stunden Arbeit des Tages: als ich mich, nachdem ich nach eigentlich erledigtem Arbeitstag, mich zu Hause noch mal an den Schreibtisch gesetzt habe und da endlich in Frieden ein paar Dinge wegarbeiten konnte. Ohne Unterbrechungen. Hurra!

Michel hatte gestern einen handfesten Meltdown und war heute überaus friedlich und ausgeglichen. Hausaufgaben hat er zwar auch heute nicht gemacht, aber nach gestern bin ich fast so weit, durchzuboxen, dass er gar keine Hausaufgaben mehr machen muss. Ich habe zwar das Gefühl, dass das neue ADHS-Präparat besser ist als das alte, aber das gestern war nicht schön. Für keinen. Es sind halt keine Wunderpillen.

Apropos Wunderpillen: der Lieblingskollege hat seit zwei Wochen Probleme mit dem Ischias und furchtbare Schmerzen. Ich überhörte heute unbeabsichtigt was, und weiß jetzt, dass ich zum Heulen aufs Klo gehe, andere gehen zum laut Stöhnen aufs Klo. Genau wie bei Michel mit seinen Hausaufgaben würd ich echt gern was machen können, weil er mir so leid tut. Aber seit heute Mittag hat er immerhin Schmerzmittel, die helfen.

Beim Strategiebullshitzeitverschwendungsseminar haben wir „alterndes Inspektorat“ halb scherzhaft als Risiko identifiziert. Lieblingskollege war not amused, aber musste dann zum Arzt, sich große Mengen Schmerzmittel verschreiben lassen. Q.e.d.

Tag 2989 und 2990 – Weiter Hass.

Habe also heute

– 12 Stunden gearbeitet und in denen alles mögliche gemacht, was ich nicht vorhatte, die meiste Zeit 2 oder mehr Dinge gleichzeitig

– „Ärger“ bekommen, weil meine Reports im Schnitt 54 Tage brauchen, Frist sind 30*

– Lob bekommen, wie toll ich im IT-Projekt bin

– einen neuen Computer bekommen und darauf fast nichts ans Laufen bekommen

Eigentlich habe ich außer Ballett nur gearbeitet und wurde dann noch für verspätete Reports und dass ich nicht vorhatte, morgen zum **Strategieseminar** zu gehen, wo wir so konkrete Fragen wie „Was ist mit GMP?“ beantworten sollen, zu gehen, schräg angemacht.

Ich sollte dringend einen neuen Job suchen, glaube ich.

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*nicht meine Schuld und das habe ich auch sehr deutlich gesagt. Ich reiße mir den fucking Arsch auf damit Sachen pünktlich rausgehen. Für Ostern kann ich nichts, für allgemeine Überlastung auch nicht. Außerdem stimmt die Zahl nicht und man muss auch ein bisschen in Betracht ziehen, wie umfangreich ein Report ist. Ich lass mir nicht an den Karren fahren, wenn ein Report von mir mit 60 Findings 6 Wochen braucht, während andere mit 6 Findings das doppelte bis dreifache brauchen.

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Edit: OH ACH JA, jetzt kann ich deshalb nicht schlafen und muss in 5 Stunden schon wieder aufstehen um meine Arbeitszeit im **Strategieseminar** zu verschwenden.

Morgen also auch Hass.

Tag 2986 – Grüße aus Kopenhagen!

Wir haben es hier sehr gut, die Sonne scheint und wir haben wirklich sehr viel Spaß. Mir tut auch der Hintern und die Oberschenkel weh, weil wir heute sicher 20 km auf tonnenschweren Leihfahrrädern durch die Gegend gefahren sind. Ich hasse Fahrrad fahren immer noch und bin dementsprechend schlecht (also gar nicht) trainiert.

Ich habe keine Gelegenheit, über meine Stimmung nachzudenken. Vielleicht ist sie etwas besser. Vielleicht geht auch irgendwann mal dieser Zyklus zu Ende, das wäre ja auch irgendwie erfreulich. Schon allein, weil ich dann knappe 2 Wochen gesicherte Ruhe vor PMDS habe.

So. Gute Nacht.

Tag 2985 – Es ist wie es ist.

Das Wochenende bin ich mit lieben Freundinnen aus dem Studium in Kopenhagen. Insofern geht es jetzt grad ganz gut. Die Reise hier hin war aber eher… holprig. Es ist mir peinlich, das zu schreiben, und es ist mir unangenehm zu schreiben, dass es peinlich ist. Man muss sich doch für nichts schämen und so weiter und schon gar nicht für was sehr menschliches. Aber erst mal die Geschichte.

Ich arbeitete, ich fuhr zum Flughafen. Ich schrieb eine „Ich brauche mindestens eine ordentliche Pause“-Nachricht* an die Grünen und ging dann aus allen Gruppen erst mal raus. Ob ich die Partei verlasse, muss ich mir noch überlegen. Es war hart.

Ich schob mein Gedön durch die Sicherheitskontrolle. Mein Rucksack wurde rausgefischt, mir fiel siedend heiß mein Lippenpflegestift ein, der da noch drin war (und nicht im Flüssigkeiten-Tütchen). Der Sicherheitsmann fischte stattdessen meine Glitzerflasche aus dem Rucksack, die ich da völlig vergessen hatte. Er stellte mich vor die Wahl, aufgeben oder wegwerfen, ich sagte wegwerfen und brach in Tränen aus. Schluchzend. Es war keine Zeit mehr, einen Koffer aufzugeben und meine Flasche war unwiederbringlich weg, weil ich doof bin, und ich stand, knapp 40, in der Sicherheitskontrolle vom Flughafen und heulte wie ein Kleinkind. Wegen einer ausgespülten Smoothieflasche mit Kleber, Wasser, Glitzer, Farbe und Murmeln drin. Der völlig irritierte Sicherheitsmann sagte noch mal was von Koffer einchecken und ob er was tun könne, aber ich schluchzte einfach weiter und wollte eigentlich nur noch aus der Situation raus und meine Flasche wieder haben, es ist meine, sie ist schön und es ist meine und wen soll ich mit Glitzer (in einer, haha, bombenfest zugeklebten Flasche) schon umbringen. Ich sagte aber nichts und heulte nur. Irgendwann raffte ich meinen Kram zusammen und schlich mich auf das nächste Klo, wo ich eine weitere halbe Stunde Rotz und Wasser heulte und zitternd auf dem Klodeckel hockte, wegen einer Flasche.

Ich bin nicht ganz sicher, wie ich geschafft habe, mich so weit zusammenzureißen, dass ich es aus dem Klo raus, ans Gate und ins Flugzeug rein geschafft habe. Zwischendurch wusste ich nicht mal, ob ich das schaffen würde. Sonnenbrille und sehr laute Musik über NC Kopfhörer wurden meine halbwegs-Rettung.

Einmal nen Meltdown in der Öffentlichkeit haben, ist ja lange her seit letztem Mal (4 Jahre).

Vermutlich stehe ich jetzt oder bald bei irgendeiner lustigen Compilation „mein seltsamstes Joberlebnis“ als „die erwachsene Frau, die komplett zusammenbrach als ich ihre komische Flasche einzog“. Es ist mir sogar irgendwie egal. Mir ist auch klar, dass an Flughäfen sicher täglich Leute heulen. Aber die haben Gründe. Ich hab nur keine Flasche mehr. Und keine Partei, meine Arbeit nicht geschafft, mich mit Michel UND Herrn Rabe gestritten, seit Tagen nicht Geige gespielt, zu wenig Sport gemacht und PMDS direkt aus der Hölle.

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*natürlich mit Begründung usw.