Tag 2738 – Lieber schlafen.

Michel hat es grad irgendwie schwer. Scheinbar ist es schwierig, in der 5. Klasse zu sein. Jedenfalls wollte ich gern, dass er weiß, dass ich da bin, und so wurde aus GEH WEG!!! Vorlesen, neben ihm im Bett liegen ohne berühren, dann ein knochiger Po und Füße, die sich zu mir schoben, dann kuscheln und dann bin ich eingeschlafen. Michel wohl auch.

Naja, heute dann kein Sport, man kann nicht alles haben.

P.S. Ich möchte irgendwo beantragen können, dass mein Körper diesen Zyklus beendet. Alles tut weh und ich mag nicht mehr und mein Antrieb ist auch nicht wirklich existent.

Tag 1961 – Neuigkeiten.

1. Michel hat heute (japp, nach 1,5 Tagen Benutzung) seine Brille kaputt bekommen, weil er im Sport-Hort mit einem anderen Kind zusammengestoßen ist. An ungünstiger Stelle ist der Rahmen gebrochen. Ich weiß jetzt, dass man für Reparaturen auch noch mal Unterstützung beim NAV beantragen kann. Kommt bestimmt gut, bevor der erste Antrag überhaupt bearbeitet ist. Michel ist am Boden zerstört und hat heute mehrmals deshalb geweint, weil das jetzt wieder ziemlich lange dauern wird, bis er seine Brille wieder hat.

2. Hier war heute ein Elektriker und hat die Kabelage geändert und den Lichtschalter und die Steckdose versetzt, auf die richtige Seite der Wand und an die richtige Wand.

Morgen kann es also weiter gehen. Hoffentlich haben wir dann bald wieder eine Tür.

3. Das Pensum ist noch mal durchgelesen, Glomma ist 611 km lang, Sognefjorden ist an der tiefsten Stelle 1308 m tief und die UN hat 193 Mitgliedsstaaten und morgen um ca. 13:15 Uhr kann ich das alles wieder vergessen (as if) und im Februar dann den Antrag abgeben und Norwegerin werden. So 14 Monate später dann. (Wohl nicht rechtzeitig zur Stortingswahl. Schade. Ich bin, auch wegen Kinderbrillen, sehr bereit endlich linksgrünversifft und mit der brennenden Fackel des Feminismus in der Hand meine Stimme abzugeben.)

Tag 1825 – Grad noch gefehlt.

Michel hat sich im Sport-Hort (hier sind noch Schulferien) den Fuß verknackst. Beim Fußball umgeknickt und dann „mit der Seite so auf den Boden, Mama!“. Als ich ihn abholen wollte, hielt ihn das allerdings nicht davon ab, noch bleiben zu wollen um die Runde [irgendwas]ball leicht humpelnd fertig zu spielen. Durfte er dann auch, ich holte Pippi ab und stand eine Viertelstunde später wieder im Sporthort. Da schreulender Michel, wütend auf den Klassenkameraden, der irgendwie beschissen hatte, oder sich nur nicht an die Regeln gehalten, das wurde bei dem schluchzenden Gestammel nicht ganz klar, jedenfalls totale Ultrakatastrophe für das leicht übermäßig regeltreue und gerechtigkeitsliebende Kind. Und plötzlich war auch der Fuß schlimmschlimmschlimm, völlig unmöglich, damit noch einen Meter zu gehen. Im Auto zog ich Michel Schuh und Socken aus und ja, Fußgelenk außen dick und, milde ausgedrückt, berührungsempfindlich. Michel war völlig aufgelöst „MUSS ICH JETZT ZUR LEGEVAKT???“. Ich versprach, dass wir erst nach Hause fahren, Sachen holen, Pippi waschen und Michel umziehen, der hatte nämlich auch ein Loch in der dreckigen Hose. Vom Auto aus rief ich die Legevakt an (Carona ist eine unheimlich gute Freisprecheinrichtung mit eins-a Spracherkennung). Im Hintergrund ein weinendes und ein permanent „ich will Musik hören!“ grölendes Kind. Voll schön.

Die Legevakt meinte aber, wenn es nicht blau ist und er es belasten kann (minus das theatralische Anstellen halt) sollen wir erst mal abwarten, kühlen, hochlegen und Schmerzmittel geben, es sei vermutlich bloß überdehnt. Ich verfrachtete Michel also aufs Sofa und kühlte den dicken Fuß, bzw versuchte das, denn unsere Gelpacks sind Michel zufolge „viel zu hart und eiskalt!“.

Im Laufe des Abends kristallisierte sich dann raus, was ich schon länger vermutet habe: Michel hat the worst of two worlds geerbt, nämlich ein mal ein gewisses „Ich werde mindestens sterben!“-Verhalten und ein mal Aggression als Folge von körperlicher Unzulänglichkeit. Sie dürfen ja mal raten, von wem er was hat. Wir haben also jetzt ein Kind hier, das an seinem überdehnten Fußgelenk vermutlich sterben wird, aber nicht ohne vorher alles vor Wut in Schutt und Asche zu legen.

Gespräch nach dem Abendessen:

„UND WENN DER ARZT NICHT WEITER WEISS, WAS MACHEN WIR DANN? MUSS ICH DANN HUNDERT JAHRE AUF DEM SOFA LIEGEN ODER WAS???“

(Ich, inzwischen wirklich leicht genervt von stundenlangem angeschrien werden mit doomsday-Szenarien) „Nein, ich denke dann müssen wir den Fuß amputieren.“

„DAS GEHT ÜBERHAUPT NICHT, DANN HAB ICH KEINEN FUSS MEHR UND AUSSERDEM TUT DAS SCHEISSE WEH!“

Ok, der Fuß wird also nicht amputiert. Zum Schlafen gab es noch eine Ibuprofenkapsel und Harry Potter und viel kuscheln und er schlief dann auch recht schnell ein, aber nicht ohne im Schlaf unverständliches Zeug weiter zu motzen (!). Ich baue auf Wunderheilung über Nacht, ich weiß nicht, wie ich sonst die Kratzbürste zur Hausärztin bekommen soll.