Tag 713 – Zwei Jahre. 

Meine liebe kleine Pippimaus,

Jetzt bist du schon zwei Jahre alt. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Eigentlich warst du gestern noch ein neugeborenes Minibaby, und vor fünf Minuten hab ich dich noch gestillt. Jetzt bist du so groß! Und so klein. Und so groß! (Wenn man sagt „bist du groß?“ reißt du übrigens die Hände nach oben und schreist „Jaaaaa!“, das ist sehr niedlich.)

Eine typische Unterhaltung mit dir ist ungefähr so:

„Pippi? Hörst du bitte auf, Sand zu essen?“ – „Nein.“

„Hörst du jetzt auf, Sand zu essen?“ – „Nein!“

„Hör jetzt auf, Sand zu essen!“ – „NEIN!!! *streckt Zunge raus und prustet – wie ein Minion*“

Du weißt was du willst. Immer. Du willst Sand essen und keine Eltern der Welt werden dich davon abhalten. Du willst keine Windel anziehen, oder das T-Shirt nicht, dafür den Schlafanzug. Die Schuhe müssen so rum. Du willst aufs Klo, drei mal in fünf Minuten. Auf der Nudel ist zu viel Ketchup. Wie, nur drei Mausclips? Nicht mit Pippi!

Meistens bin ich wegen deinem kleinen, hübschen Dickkopf sehr sehr stolz auf dich. Manchmal macht es mich auch ein kleines bisschen wahnsinnig, zum Beispiel wenn du, wie heute, nicht einschlafen willst. Aber dann, irgendwann, liegst du zusammengerollt im neben dem Bett und schläfst und seufzt manchmal „Hand, Mama“ und dann ist auch schon wieder fast alles vergessen. Und dann sehe ich da nur dich, und ich denke, es passt schon. Du willst viel mehr selbst bestimmen und kannst auch viel mehr selbst bestimmen, als ich das von deinem Bruder gewohnt bin. 

Überhaupt, dein Bruder. Dein größter Held. Du willst, was er hat, isst, tut. Manchmal macht ihr Quatsch zusammen. Dann platzt mein Herz. Er hat dich sehr lieb, das zeigt und sagt er auch ganz offen. Trotzdem gehst du ihm natürlich ganz oft ganz schön auf den Zeiger, wenn du ihm wieder irgendwas wegnimmst oder seine Zugbahn kaputt machst. Dabei willst du doch auch nur damit spielen. Dann ist das Geschrei auf beiden Seiten groß. Im Gegensatz zu dir würde er dich aber nicht hauen ;)

Wenn du mit anderen Kindern zusammen bist, bist du ein kleiner Clown. Der vermutlich niedlichste Clown aller Zeiten. Die „großen“ Kinder im Kindergarten sind dir allesamt verfallen, was mich unglaublich erleichtert, weil ich nach der grauenvollen Eingewöhnung vor knapp einem Jahr wirklich Angst hatte, dass niemand ein Kind mag, das den ganzen Tag motzt und brüllt und an der Erzieherin klebt. Aber nein, seit du da wirklich angekommen bist, nennen sie dich „Søtnos“ und wollen dich auf ihre viertenfünftensechsten Geburtstage einladen. M. möchte eine kleine Schwester, die ist wie du, also genau so. Eine Kopie. Du magst auch die größeren Kinder und jedes mal, wenn es an der Tür klingelt, rufst du freudestrahlend den Namen von Michels bestem Kumpel.

Du liebst es zu singen und zu tanzen und ich glaube in deinem kleinen Kopf geht viel mehr vor, als du verbal ausdrücken kannst.   Ich freue mich wirklich darauf, wenn du mehr sprechen kannst, dein Sturkopf und deine Niedlichkeit verheißen wunderbare Kleinkind-Diskussionen. Und später, ganz sicher, auch noch Großkind-Diskussionen.

Bei allem Wunsch des größer-Werdens möchte ich doch vor allem eins: dass du dir dein Wesen bewahrst. Meine große, kleine, willensstarke, schlaue, quatschige Rübennase. 

Ich hab dich lieb.

Deine Mama

Nur echt mit Rotznase und Erdbeerflecken. <3

Tag 612 – Die supersten. 

Meine Kinder sind die allerbesten. So. Warum?

Pippi hört meinem Opa andächtig beim Mundharmonika spielen zu, am Ende klatscht sie, ruft „Yeah!“ und fordert mehr. 

Michel ist der Held des Osterfeuers, hilft den Großen dabei, Holz und Zeug aufs Feuer zu schichten und nickt jedes Lob einfach cool ab. 

Pippi will die ganze Zeit das Auto meines Onkels angucken. Sie sagt dazu abwechselnd „Dino“ (warum auch immer*) oder „Porsche“. „Porsche. Gucken. Komm!“ (Ich habe ihr daraufhin beigebracht, Tesla zu sagen, weil halt. Und auch „Tesla“ klingt aus ihrem Mund unglaublich niedlich.)

Michel erzählt allen und jedem von Dinotrux. Auf Norwegisch. Aber von der Begeisterung kann man sich nur mitreißen lassen. 

Mein Opa hat Michel einen Geldschein zugesteckt. Michel (bargeldlos aufwachsendes Norwegerkind) kam daraufhin an und sagte „Uropa hat mir so einen Zettel gegeben. Weil der nett zu mir ist.“ (Ich hab den Zettel vorerst konfisziert, mit Feuer daneben war mir das zu heikel.)

Michel hat gestern ein Paar Sandalen bekommen, für den Sommer. Er wird sie nie wieder ausziehen. Mit den Sandalen an kann man auch prima in der feuchten Wiese Kopsterbolter (Purzelbaum) üben. 

Und erst das Geschnaufe nachts…

* möööööglicherweise guckt sie bei Michel zu viel Dinotrux mit. 

Tag 601 – Hachseufz. 

Es ist ja so: egal wie blöd der Tag war, egal wie unproduktiv ich bei der Arbeit rumgehangen habe, egal wie absurd manche Internetdiskussion sich entwickelt, egal wie zickig Vierjährige und wie dickköpfig Einjährige sein können, am Ende zählen kleine warme Körper in meinem Arm, wuschelige Haare, die meine Nase kitzeln, ein geflüstertes „Mama, du sollst mich immer ins Bett bringen, weil du bist am coooooolsten!“ und vor allem die völlig entspannten Schlafgesichter, das leise Seufzen und Schnaufen und all das Vertrauen, das da mitschwingt. Da werd ich dann auch mal ganz sentimental. 

Tag 563 – Ich weiß nicht, ob Sie’s schon wussten…

… aber ich liebe meine Kinder wirklich sehr. Und wenn die weg wären gäbe es für mich wohl drei Möglichkeiten: a) retrograde Amnesie über >5 Jahre, damit ich mich gar nicht dran erinnern kann, jemals Kinder gehabt zu haben. b) sterben. c) irre werden und dann sterben. 

Heißt nicht, dass die nicht auch manchmal nerven, mich manchmal auch schier in den Wahnsinn treiben, ich manchmal vor lauter Verantwortung das Gefühl habe, mich kaum rühren zu können. Insgesamt bleibt einfach das Gefühl, dass sie mein Leben sind. Der Spruch „Kinder zu haben, heißt, sein Herz für immer außerhalb des eigenen Körpers herumlaufen zu lassen“ (oder so ähnlich, Quelle: schlechtes Gedächtnis und irgendwas auf Facebook) trifft auf mich 100%ig zu. Meine Kinder stehen nicht an erster Stelle, sie sind die Stelle. Wenn ich mich wegwünsche, dann mit ihnen zusammen und an einen Ort, an dem es (primär) ihnen gut geht. Das ist vielleicht die größte Veränderung, die ich mit dem Mutter-werden durchgemacht habe: ich und die Kinder, wir sind eine Einheit. Ich würde für die zwei alles* tun. Nicht weil ich muss, weil ich die eben durchbringen muss bis sie 18 sind, sondern weil es einfach so ist. Weil das was da ist noch viel viel mehr ist, als ich je wusste, das man für einen anderen Menschen empfinden kann. Und viel mehr, als ich mit Worten beschreiben kann. 

Ihr zwei. Ihr seid mein Leben. 

(Morgen blogge ich dann wieder vorm Wein und nicht danach.)

*ja, alles. 

Tag 525 – Mein Baby…!

Michel wurde heute zum ersten mal von einem KiTa-Kumpel direkt nach der KiTa mit nach Hause genommen. Das war für uns alle sehr aufregend. Für mich weil er so schnell groß wird und bestimmt ist es in anderen Familien cooler, fremde Eltern schimpfen tendenziell nicht so viel mit einem wie die eigenen, ich weiß das noch. Also vermutlich wird er bald ausziehen wollen, wenn er erstmal raus hat, wie viel cooler es in anderen Familien ist. Für Michel war es auch aufregend, weil erstes Mal und total cool mal nicht die eigenen Eltern und den Kumpel hat er auch sehr gerne und der hat sicher auch total tolle Spielsachen. Was mich beruhigt hat: die Eltern des Kumpels, die mir eh immer schon recht entspannt erschienen, waren ganz gelassen und brachten Michel sogar zurück (die wohnen in einem anderen Stadtteil, der Sohn geht zu der KiTa, weil es so eine supertolle KiTa ist und der Papa an der Schule nebenan arbeitet). Michel kam rotwangig-glücklich zurück, hatte einen Ketchup-Rand um den Mund und erzählte ganz aufgeregt, der Kumpel, der hat gar kein eigenes Zimmer, der schläft bei seinem Papa und seiner Mama. Und eine Katze haben die auch und die hat er gestreichelt und die hat ihn umarmt. Was auch immer das heißt. Auf jeden Fall eine rundum positive Erfahrung für alle. Das nächste Mal dann bestimmt auch ohne, dass ich ab halb sieben alle 30 Sekunden aufs Handy gucke, wie spät es ist und vielleicht hat der andere Papa ja geschrieben, dass sie da sind und Michel im Auto eingeschlafen ist. 

Tag 355 – Der erste Tag. 

Tja, da war er also, der erste Kindergartentag. Wenn ich zurückdenke, kann ich mir immer noch nicht vorstellen, dass Michel auch nur zwei Wochen älter war, als er im Kindergarten anfing. Pippi wirkt irgendwie auf mich kleiner. Jünger. Babyhafter. 

Wir waren heute beide mit*, weil ich mir wegen eines Misverständnisses heute frei genommen hab und dann dachte, ach, ist vielleicht auch besser, dann ist einer bei Pippi und einer macht den Papierkram. Und so war es auch gut. Die großen Kinder waren alle draußen (inklusive Michel, den hatte ich schon morgens gebracht), wir waren drinnen alleine mit dem einzigen anwesenden anderen Mädchen und dem einzigen anderen wachen U3-Kind in Personalunion und Pippis Bezugserzieherin E.. Die Erzieher*Innen in dem Kindergarten sind eh alle toll, aber E. ist so warm und herzlich und lustig, Michel liebt sie auch heiß und innig, kurz: besser könnte es nicht sein. Pippi und das andere Mädchen spielten mit einer Kiste Schleichtiere, Herr Rabe saß recht unbeteiligt daneben, ich und die Erzieherin füllten im Gespräch den Fragebogen aus („Welche Grenzen setzen Sie zu Hause?“ Meine Güte, sie ist fast noch ein Baby, ähhh, ich glaub wir haben für sie quasi keine Grenzen bisher…). Danach durfte Pippi den Toberaum erkunden, ein bisschen herumklettern und fand alles ganz toll, bis sie von der Turnmatte fiel und sich den Kopf stieß. Dies hielt ich dann auch für den geeigneten Moment, E. mitzuteilen, dass Pippi keinen Schnuller nimmt und auch bisher keine Kuscheltiere gewöhnt ist. Also keine einfache Tröstung. Tjanun. Wir gingen dann raus und dann war es auch schnell vergessen. 

Draußen setzte sich Pippi direkt in den Sandkasten, die großen Kinder spielten mit ihr und zeigten ihr die grade gefundene Spinne. Pippi buddelte fröhlich, Michel kam zu mir und zeigte mir sein frisch erworbenes Pflaster, dann wollte er noch kurz Pause auf meinem Schoß machen und dann… Tja, dann war es für mich Zeit zu gehen. Also verabschiedete ich mich und ging nach Hause. Für Pippi überhaupt kein Problem, auch für Michel nicht. Irgendwie für keinen, außer mir. 

Zu Hause tat ich dann viele Dinge, zum Beispiel wusch ich den TrippTrapp-Bezug, räumte Kisten auf Schränke und nähte in Windeseile ein Dings**, aber eigentlich versuchte ich nur nicht daran zu denken, dass meine beiden Babies, das große und das kleine, bald viele Stunden am Tag außerhalb der Familie betreut werden. Dass sie da Bezugspersonen haben. Dass sie da norwegisch reden. Auch Pippi wird auf norwegisch sprechen lernen. Sie wird da erst richtig laufen lernen. Himmel. Ich bin noch nicht soweit…

* Die Eingewöhnung läuft hier nach Bedarf, aber zügig ab. Also so im Rahmen von 3-7 Tagen. Finde ich nicht schlimm. Ich bin aber gleichzeitig auch dankbar, dass Herr Rabe die Eingewöhnung macht: wie man sieht, habe ich gewisse Probleme, loszulassen.

** Empfängerin liest mit, deshalb keine Spezifizierung. Leider auch wegen „Aaahhh, die Post schließt in drei Minuten“ weder verpackt noch ein Foto gemacht. Sorry. 

Tag 340 – Alles kompliziert. 

Pippi wird am Freitag ein Jahr alt. EIN JAHR! Dann ist sie kein Baby mehr! Ist sie eh schon kaum noch, außer beim allabendlichen Einschlafstillen, wenn sie sich dann nach lustiger Hampelei ganz klein zusammenrollt, beide Füße an meinem Bauch und eine Hand ganz warm auf meinen Bauch gelegt (das macht sie, seit sie mich nicht mehr kneifen darf und das ist doppelt schön so!) um einzuschlafen. Aber ansonsten? Sie pflückt ihr Essen auseinander und fitzelt sich die Leckerbissen raus. In ihrer Gegenwart ein Glas saure Gurken öffnen geht nicht, ohne dass sie „Hummmm hummmm“- machend beide Arme danach ausstreckt. Michel kriegt Smoothie? Pippi will auch. (Michel kriegt Eis? Pippi will auch, Mama sagt nein, Michel gibt Pippi was ab, Mama ist ganz gerührt und guckt einfach weg…) Heute Abend haben wir gespielt: sie hatte einen Spielzeugtopf und eine Gabel und sie fütterte mich mit imaginärem Essen aus ihrem Topf – inklusive Schmatzlauten. Danach nahm sie den Topfdeckel und leckte ihn ab. Genau das hatte Michel beim Abendessen mit einem richtigen Topfdeckel gemacht. Ihr Gedächtnis reicht jetzt ein paar Minuten, vielleicht eine halbe, dreiviertel Stunde zurück. Schon heute Nachmittag hatte sie mit einem Mal einen Duplo-Pömpel* im Mund und „pfiff“ dadurch. Das hatte ihr Michel auch eine halbe Stunde vorher vorgemacht. 

Tja, also mein Baby ist kein Baby mehr, sondern eigentlich schon ein ziemlich fertiges Kleinkind. Und trotzdem ist sie noch so klein, also tatsächlich ist sie einfach nicht groß für ihr Alter und auch auf eine durchschnittliche Lebensspanne gesehen ist sie ja noch Miniklein. Und so schutzlos! Meine beste Freundin sagte mal, sie fände es so krass, dass wenn man so ein kleines Kind im Wald aussetzt, es vielleicht ein paar Stunden überlebe. Was das für eine krasse** Verantwortung bedeute. Da kann ich ihr nur zustimmen. Selbst der Kindergarten bedeutet für mich ja, dass ich sie aus meinen Mamaaugen lassen muss, dass ich die Verantwortung an jemanden außerhalb der Familie abgeben muss. Und ich finde das komisch. Mir macht das Angst. Also beides: dass sie in den Kindergarten geht und dass ich das komisch finde. Bin ich auf dem Weg zur Glucke? Weil ich mir Sorgen mache, ob sie da die (ewig lange) Zeit zum Essen bekommt, die sie braucht? Ob die wohl auch sofort Wickeln gehen, wenn Michel ruft „Pippi stinkt voll!“? Wird sie im Wagen gut schlafen können? Wird sie jeden Tag eine Tonne Sand essen? Und was ist mit den ganzen Kindergartenseuchen??? Mein armes kleines Mäuschen… Ahhh, Gluckenalarm, tatsächlich. 

Also, jedenfalls, natürlich finde ich es gut, dass sie älter wird. Ich bin super stolz auf mein großes Mädchen, das schon so viel kann und so viel interagiert. Und ich weiß auch, dass der Kindergarten super ist und die sich ganz toll um alle Kinder kümmern, also sicher auch um sie. Sie hat ja im Zweifel auch noch Michel als persönlichen Übersetzer und Anwalt und Alarmgeber. Besser kann es ja eigentlich nicht sein. Aber trotzdem geht mit dem ersten Lebensjahr halt für mich auch die Zeit des totalen Gebraucht-Werdens langsam zu Ende. Zum Teil zumindest.  

Es ist wirklich kompliziert. Da wünscht man sich nichts sehnlicher als Unabhängigkeit und am Ende heult man der Abhängigkeit hinterher. 

(Entschuldigen Sie das wirre Gelaber heute. Besser kann ich die Wirren Gesanken gerade nicht in Worte fassen.)

* Halt so ein Pinöckel. Ein Nupsi.

** Ist schon ein paar Jahre her, da waren wir noch voll so… jung und so. Und außerdem: manche Sachen sind einfach krass. So. 

Tag 315 – 11 Monate

Ach du kleine Pippimaus,

Ich hab dich so lieb. Kannst du nicht noch ein bisschen weiter mein Baby bleiben? Also, das ist zwar ganz schön, dass du jetzt stehen kannst und eifrig mit dem Laufwagen durch die Gegend tappst. Oder an meinen zwei Händen unermüdlich deine Runden drehst. Und nie hab ich niedlichere Hasenzähnchen gesehen. Aber letztlich sind das ja alles Zeichen, dass die Babyzeit vorbei geht. Schon fast vorbei ist, um genau zu sein. 

Klar, nicht alles am Babys haben ist toll. Der Schlafentzug ist mies. Geschrei im Ohr ist unschön über nervig bis zermarternd, je nach Dauer und Intensität. Windeln wechseln ist so geht so, vor allem wenn man dabei angebrüllt wird. 

Trotzdem ist auch ein futzikleines Tränchen in meinem Augenwinkel, wenn ich dich so angucke, wie du dir die Nudeln reinschaufelst. Eben noch wolltest du nur gestillt werden. Eben noch wolltest du auch nur getragen werden. Immer bei mir sein. Auf mir schlafen, auch nachts. Und jetzt brauchst du das alles nicht mehr. Du findest das Stillen zwar noch ganz nett, aber richtig aus Hunger scheinst du das nicht mehr zu machen. Das eigene Bett wird immernoch abgelehnt, aber du willst jetzt in unserem Bett deine Freiheiten haben und zappelst herum, bis du die beste Mischung aus Nähe und Wärme und Distanz und frischer Luft gefunden hast.  

Aber unter der Decke werden mir immer heimlich die Füßchen rübergeschoben.


Ich gebe gerne zu, dass ich die Babyzeit vermissen werde. Ich vermisse auch die Babyzeit mit Michel, die ersten Male, die Babygrinser und Babyschmatzer und die leuchtenden Babyaugen, wenn man Quatsch mit euch macht. Glucksendes, quietschiges Babylachen. Echte, ungespielte Begeisterung über die simpelsten Dinge. Oder die Konzentration, mit der ihr Dinge tun könnt. Die Phase, das weiß ich immerhin, wird noch etwas andauern. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie Michel ewig probierte, den sternförmigen Klotz durch das runde Loch zu prömmeln. Immer und immer wieder. Irgendwann gab er frustriert auf. Nahm den Deckel von der Box und pfefferte den Klotz so rein. Legte den Deckel wieder drauf und suchte sich was anderes zum Spielen. Ich war in dem Moment sehr stolz und dachte: mein großes Kind. Hach. 
Aber das ist eben was er da wurde und du jetzt auch langsam wirst: ein großes Kind. Eins mit starkem Willen und großem Ausdrucksvermögen, auch wenn noch keine Worte außer „Mamamamamama“, „Dada“ und „Banane“ dabei herauskommen. Man weiß bei dir sehr schnell, was du meinst. Du kuschelst auch noch gerne, keine Frage. Doch es ist etwas anderes, ein winziges Baby zu bekuscheln, das Haut spüren und riechen und Herzschlag hören möchte, als ein großes Baby, fast Klein(st)kind, das sich aktiv anschmiegt und die perfekte Position sucht, um die Nase in meinem Hals zu vergraben. 

Die Babyphase kommt nicht zurück. Deine ist fast vorbei. Es bleiben nur Erinnerungen, Fotos, dieses Blog. Ein Hauch von Babygeruch, eine ganz schwache Ahnung, maskiert durch Sonnencreme, Dreck und Kinderschweiß. Ein Anklang an Babyzeiten, wenn mir am Morgen zwei bis vier Füße zwischen die Beine geschoben werden. Ein gemurmeltes „Hand halten, Mama.“ statt verliebter Blicke beim Stillen. 

Wird alles anders. Wird alles gut. Und ein bisschen werdet ihr wohl immer meine Babies bleiben. 

<3

Deine Mama

Tag 301 – Mein großer Spatz

Michel ist ja jetzt schon dreieinhalb. Erst dreieinhalb. Man weiß gar nicht, wie man es ausdrücken soll. Ich glaube, oft weiß er das selbst nicht. Natürlich sagt er oft, er sei „ein großer Junge“, vor allem um sich von Pippi abzugrenzen oder irgendwelchem vermeintlichen „Babykram“ zu entgehen. Andererseits will er aber auch oft Kuscheln, auf den Arm, getragen werden oder auf dem Schoß sitzen. (Exkurs: als ich klein war, hat sich meine Mutter immer beschwert, ich hätte spitze Knochen am Po. Ich fand das doof. Heute weiß ich was sie meinte.) 

Deshalb ist er auch immer noch mein Spatz: ein kleiner (dicker, Michel war ein pummeliges Baby), oft sehr dreckiger, lustiger Hüpfe-Vogel. Aber jetzt ist er eben ein großer Spatz. Halb klein, halb groß. Eben noch mein Baby, jetzt schon ein großes Kind, das alle seine Kindergartenfreunde zu uns nach Hause einlädt. Aber noch wenig Verständnis dafür hat, dass die und auch wir mitunter anderes am Nachmittag vorhaben. Aber eben ein Kind, das Freunde hat. Richtige zwischenmenschliche Präferenzen, nicht mehr nur „Ach, ich hau jedem der mit mir im Sandkasten sitzt freundlich die Schippe übern Kopp!“. Ein großes Kind mit großen Gefühlen, gerade enttäusche Freundschaft ist da ganz schlimm und bei „Der H. hat mir XYZ weggenommen! Wääähhhhhh!!!“ bricht mir das Herz. Dafür wird H. aber auch stürmisch umarmt, oder es wird so begeistert nach E. gerufen, dass die Stimme überschnappt. 

Oft scheint es im Moment so, als wüsste er selbst nicht so ganz wohin mit all seinen Gefühlen. Das sieht dann für uns oft widersprüchlich aus. Wenn zum Beispiel ein Heidentheater gemacht wird, wegen nix, weil das was er eigentlich will unsere ungeteilte Aufmerksamkeit ist. Die bekommt er ja dann auch, nur eben dass wir sauer und ungeduldig und laut (ich, Herr Rabe wird nie laut) werden. Aber einmal drin im Wutrad kommt man da wohl nicht so schnell raus. Ein anderes Beispiel ist, dass er gerne von Oma ins Bett gebracht werden möchte. Nur nicht heute. Morgen. Oder noch zwei mal Schlafen. Das sagt er jetzt seit letztem Donnerstag. Ich glaube er möchte das wirklich nachmittags gerne, er merkt dann ja auch wie sich die Oma drüber freut, aber abends, wenns auf die Bettzeit zugeht, dann wirds ihm doch zu mulmig. Ohne Mama und Papa ins Bett? Hmmnee, lieber nicht. Morgen vielleicht. 

Zu all den großen Gefühlen kommen dann noch große Gedanken, viel zu große für so einen kleinen Kopf, wie ich finde. „Mama, du alt wirst, du auch vielleicht kaputte Knochen kriegt, wie Oma. Du aufpassen, ich auch auf dich aufpassen!“ „Papa sagt, da Friedhof alte tote Leute eingegraben. Warum da so Steine drauf? Leute nicht wieder rauskommt vielleicht?“ Tja, und dann stehe ich da und hatte doch gehofft, dass wir solche Themen erst irgendwann mal besprechen müssen. Tod, Krankheit, nich immer alles glauben, was die Oma (egal welche) so sagt. Dass er alles, was kreucht und fleucht gern hat, ist ja eigentlich total schön, aber manchmal fühlt er sich für meinen Geschmack doch etwas sehr in kleine Tiere hinein. Oder überträgt von sich, das ist wohl wahrscheinlicher, wenn wir eine halb tote Fruchtfliege nach draußen gesetzt haben und er behauptet, die würde jetzt sicher Mama und Papa suchen, weil sie die vermisst hat (auch hier bricht mir dann kurz das Herz). Kein Wunder eigentlich, dass er nachts mit den Zähnen knirscht: es geht eben viel vor in ihm. 

Wunderbar ist es, ihn mit seiner kleinen Schwester zu sehen. Denn meistens ist er ziemlich fürsorglich und liebevoll und stolz, so eine tolle kleine Schwester zu haben. Da wird der Oma der neue Zahn angepriesen, oder dass Pippi an den Händen läuft oder „selber“ Zähne putzt. Oder Pippi wird umarmt oder geküsst oder ihr Essen gereicht. Es ist wirklich goldig. Und auch in den nicht ganz so goldigen Momente wird nur verbal getobt und nicht ihr gegenüber.  „Du Pippi wegnehmen! Ääähhhhhh, Pippi das kaputt macht! Pippi soll nicht kaputtmachen! DU PIPPI JETZT WEGNEHMEN!!!“ Als wüsste er, dass sie nichts dafür kann. Vielleicht weiß er das ja auch. Vielleicht ist das sowas, was Kinder eben wissen, dass kleinere Kinder eben noch nicht so viel wissen. Ich glaube, Michel freut sich auch schon sehr drauf, dass Pippi auch bald in seinen Kindergarten geht. Zumindest wird den Betreuer*Innen schon versichert, dass „Pippi Geburtstag hat, bisschen älter ist, Pippi auch mit mir Kindergarten geht.“. Kein Wunder, dass die anderen Kindergartenkinder immer sagen, Pippi sei „Michels Baby“. Sie gehört ja auch irgendwie zu ihm und das ist tausend mal mehr als ich mir erhofft hatte, nach nicht ganz einem Jahr sagen zu können. Ein superduper großer Bruder ist Michel. 

Alles in allem ein rundum toller großer kleiner Spatz. 

Ja. Hachz.  

Drei Jahre und fast acht Monate. <3