Ich war heute bei Michels neuem Freund B. Ich war da schon mal, da wusste ich aber noch nicht, dass der B. da wohnt. Außerdem waren wir da ja auch nur draußen und die Wohnbereiche aus gutem Grund abgeriegelt. Jedenfalls wohnen die da also in einem alten Bauernhaus und da renovieren sie das ganze Haus. Damit sind sie noch nicht fertig. Aber selbst da wo sie noch nicht fertig sind, ist dieses Haus wun-der-schön. Es ist riesengroß, mit sehr großen Räumen und in jedem Raum ist ein Kamin. Sie haben sehr viele Fenster und die Rückseite des Hauses geht zum Fluss raus, dazwischen ist nur ein Feld und der Ausblick schon allein der Wahnsinn. Dann haben diese Leute einfach einen tollen Stil. Sie haben ganz viele wirklich alte Bauernmöbel, aber in diesen vielen, riesigen Räumen wirkt das trotzdem sparsam möbliert. Diese alten Schränke, Kommoden, Truhen, Anrichten… sind kombiniert mit hochwertigen modernen Möbeln in weiß und Glas und Alu und riesigen Sofas in hellgrau. Da mir keine Lampen aufgefallen sind, gehe ich grad von Downlights aus, die Decke ist aber nicht deutlich abgehängt, sodass die Räume immernoch sehr hoch sind. Hohe, helle Räume. Damit kriegt man mich sofort. Und dann die Küche. Kochinsel mit so einer „Stell einfach irgendwo in dieser Zone den Topf hin“-Induktionsplatte. Echtholz-Arbeitsplatte (Monströs. Natürlich). Auf der Wandseite weiße Hochglanz-Schränke bis unter die Decke. Über der Kochinsel die Dunstabzugs-Beleuchtungs-Einrichtung unter der Decke, ganz dezent und ohne Kopfstoß-Gefahr. (Einbau-)Mikrowelle und Backofen auf Arbeitshöhe. Insgesamt sah alles so aus, wie in einem Schöner Wohnen-Heft unter der Überschrift „Der moderne Landhaus-Traum“. Ich kriegte den Mund gar nicht mehr zu, so überwältigt war ich von der Schönheit.
Was mir erst hinterher auffiel: Bis auf eine große Playmobil-Ritterburg sah man dem Haus in den Räumen, in denen ich war, nicht an, dass da ein Kind wohnt. Das Spielzeug war zu 99,9% im Kinderzimmer, in bunter Unordnung, in der sich Michel direkt wohlfühlte, als sie sich auf der Flucht vor Pippi, die unbedingt zum Bringen mitkommen wollte, dorthin zurückzogen. (Vorher hatten sie erst Dinojagd gespielt, denn man kann natürlich im Kreis durch die Wohnung rennen, und dann Detektive, indem sie sich gegenseitig in ihren Erstklässlerschriften PostIts mit Hinweisen geschrieben und versteckt haben, das war ganz putzig.) Es standen zum Teil zerbrechliche Dekogegenstände herum, es gab brennende Kerzen und scharfe Kanten und weiße Stoffe.
Ich mag das so. Und ich arbeite dran, dass wir hier auch recht deutlich getrennte Bereiche haben. Aber wie ich schon auf Twitter feststellte, gibt es dazu unterschiedliche und zum Teil recht festgegossene Einstellungen.
https://twitter.com/rabensalat/status/1066398960468807685?s=21
Ich habe nach diesem Tweet und der daraus entstehenden Diskussion das Gefühl, es gibt grob drei Eltern-Wohn-Typen.
Eine Gruppe könnte man „Bullerbü“ nennen. Diese geht so sehr im Elternsein auf und identifiziert sich so sehr damit, dass sie genuin glücklich macht, was die Kinder glücklich macht. Bei diesen Leuten hängen Schaukeln von der Decke und liegen Turnmatten auf dem Boden und das Wohnzimmer ist das erklärte Familienzimmer, der Lebensmittelpunkt, an dem alle zusammenkommen um da zu tun, was Kinder oder halt auch Erwachsene eben so tun. Sie beschreiben das gerne mit „leben, lieben, lachen“ oder ähnlichem, das stößt mir dann immer sauer auf, weil es sich so anhört, als würden andere Leute den Kindern das leben, lieben oder lachen versagen. Aber gehen wir mal davon aus, dass sie das nicht so meinen. So kinderzentriert zu wohnen ist zwar nicht mein Fall, aber ich freue mich wirklich für alle, die zu dieser zufriedenen Kategorie gehören und nicht zu den…
…Unzufriedenen. Während der Bullerbü-Typ sich über die Eisenbahn, die durchs Wohnzimmer in die Küche und zurück führt, freut, weil sie so liebevoll mit Selbstgemaltem verziert ist, seufzen die Unzufriedenen über die Macken, die vom vielen Gedengel mit Spielzeugautos ins Parkett gekommen sind. Die Unzufriedenen haben aus den verschiedensten Gründen – kein Platz, Kinder noch klein, keine Lust selbst dauernd im Kinderzimmer rumzusitzen (in Kombination mit Kindern, die nicht allein spielen), etc. – den Wohnbereich auch zum Kinderbereich gemacht. Viele empfinden es so, als hätten die Kinder diesen Bereich erobert. Es kann sich dann anfühlen, als hätte man selbst was verloren. Been there, in Trondheim war ich auch eine Unzufriedene, es ging mir wirklich gegen den Strich, dass für die Kinderküche und auch das meiste Spielzeug einfach kein Platz im Kinderzimmer war. Herrje, da passte ja noch nicht mal alles an Kinderwäsche rein, wie sollen dann da tonnenweise Duplo und Brio-Bahn untergebracht werden. Und weil es einfach anders nicht ging, wurde im Wohnzimmer gespielt und am Esstisch gemalt. Und jeden Abend war ich genervt, wenn ich das Zeug wieder in seine Kisten räumte, aber die Kisten, die waren halt immer noch da und die Spielküche auch und nein, mein Stil ist vielleicht nicht so ausgereift wie der der Eltern von Michels neuem Freund, aber Kinderküchen und Autoteppiche im Wohnzimmer gehören nicht zu meiner bevorzugten Einrichtung. Manche Unzufriedene scheitern auch am Selbstanspruch, durch Kinder nun irgendwie wie die Bullerbü-Gruppe zu werden. Ganz übel wird es meiner Meinung nach, wenn die Erwachsenen in einem Haushalt zu unterschiedlichen Gruppen gehören. Wenn einer freudestrahlend die Turnmatte ausrollt, während die andere die Kristallvase auf der Anrichte poliert, ist Ärger vorprogrammiert.
Die dritte Gruppe, zu der offenbar auch B.s Eltern und ich gehören, sind die Tanzbereichlern. Die Tanzbereichler möchten einen Bereich für sich, für Erwachsene. Die Kinder sind da willkommen, dürfen auch Spielzeug mitbringen, aber das Spielzeug hat seinen Platz im Kinderbereich und wandert nach dem Spielen da auch wieder hin, unter mehr oder weniger großem Elterndruck. Spätestens wenn die Kinder im Bett sind, haben die Eltern einen Wohnbereich, der ganz ihnen gehört und der so eingerichtet ist, wie sie das schön finden, nur sie. Vielleicht fanden sie es so auch schon vor den Kindern schön und sie haben es einfach beibehalten, vielleicht mussten sie auch erst, wie wir, durch einen klaren Schnitt wie einen Umzug festlegen: hier ist euer Bereich, hier ist unserer. Die Tanzbereichler nehmen sich nicht zurück, können sogar rücksichts- oder lieblos erscheinen. Meiner Beobachtung nach sind die Tanzbereichler überwiegend sehr zufrieden. Obwohl die meisten da durchaus Arbeit reinstecken, den Status Quo aufrechtzuerhalten. Denn ja, da wird viel geräumt. Da geht auch mal was kaputt. Wenn ich auch im Alltag von schönem, nicht ganz billigem Geschirr essen möchte, muss ich damit rechnen, dass mal ein Teller runter fällt, das kann mir genauso passieren wie den Kindern. Wenn ich Kerzen auf dem Tisch haben will, rechne ich mit Pulerei und beim Auspusten mit Spritzern. Den schönen Tisch muss ich, wenn die Kinder da malen, vorher mit einer Wachstuchdecke schützen, hinterher muss ich das alles wieder abräumen, sauber machen, das macht alles Arbeit, die ich mir nicht machen müsste, wenn mir egaler wäre, dass die Wohnung sehr nach Kindern aussieht. Ist es aber nicht und ich genieße nach wie vor jeden Abend auf meinem Sofa, von dem aus ich den Ausblick auf alles außer Spielzeug habe. Und ich freue mich auf den Tag, an dem wir wagen, ein Sofa mit nicht mal eben waschbarem Bezug zu kaufen.
So. Das Wort zum Sonntag: Ich freue mich für jeden, der mit seiner Wohnsituation glücklich ist. Den anderen kann ich sagen: Kinder werden größer. Die spielen irgendwann nicht mehr nur im Wohnzimmer, keine Sorge. Wohnungen werden leider nicht größer und wenn der Platz das Problem ist, hilft wohl nur, sich damit abzufinden (Kinder werden auch hier größer und das Barbiehaus ist nicht für die nächsten 20 Jahre im Wohnzimmer festgewachsen!) oder radikal umzustrukturieren und Grenzen zu ziehen (Kaufladen ja, Barbiehaus nein). Wenn die Eltern unzufrieden sind, gleicht das keine Turnmatte im Wohnzimmer aus.