Tag 2653/54 – Heimreise.

Der Baum ist gepflanzt worden, es war alles in allem eine sehr hyggelige Veranstaltung, auch wenn ich, als ich mit einem Minischäufelchen symbolische Mengen Erde auf dem Wurzelballen verteilte, harte Beerdigungsassoziationen hatte. Die Kollegin auch, stellte sich später heraus. Ein paar Höflichkeitsfloskeln später und um zwei aufgezwungene Mappen Papier (Audit File und CAPA File) „reicher“ saßen wir wieder im Taxi, das erste mal im Hellen.

Der Rest war dann Heimreise. Ingesamt über 24 Stunden. Geschlafen habe ich davon ca. 5-6, allerdings unglaublich schlecht, weil meine Füße kalt waren, mein Po kalt war, die Ohrenstöpsel nicht saßen, mir die Hüfte weh tat oder sich jemand auf dem Weg zum Klo auf meinem (bis dahin) schlafenden Körper abstützte.

Dann kam am Ende auch noch kein Taxi und ich saß dumm und mit immer vollerer Blase am Bahnhof herum

Insgesamt war das sehr anstrengend, aber es war sehr schön, die Familie wieder zu sehen und an den Kindern zu riechen und sie postwendend unter die Dusche zu schicken.

Jetzt schlafen. Hoffentlich besser als letzte Nacht.

Tag 2651 – Antiklimax.

Erst die guten Nachrichten:

  • Der Sonnenbrand ist schon viel besser
  • Ich war heute Wasser und Luft (Wasserreinigungsanlage und Ventilationsanlage) angucken, ganz alleine, und es war gar nicht schlimm (im Sinne von: niemand hat gemerkt, dass ich doch gar keine Ahnung hab)
  • Die Kollegin hat gesagt, ich könne Data Integrity besser als sie (inspizieren)
  • Das IT-Projekt ist jetzt live, mit einem Tag Verspätung

Das IT-Projekt ist aber gleichzeitig auf die denkbar schlimmste Art live gegangen, und zwar können wir Inspekteur*Innen jetzt leider keine Sachbearbeitung mehr machen, bis mindestens Ende nächster Woche, weil die Integration des Archives (das für uns auch ein Sachbearbeitungssystem ist) mit dem IT-Projekt macht, dass wir im Archiv nicht mehr arbeiten können. Gleichzeitig ist außer mir aber niemand im Stande, das IT-Projekt-System zu benutzen. Das zeigte sich heute, als eine Kollegin, die auch schon einiges getestet hatte, versuchte, den „smoke study“-Test durchzuführen, also eine Nachricht aus dem System zu schicken, und dann die Antwort zu archivieren. Das ging nicht so richtig gut, as in: das ging einfach mal gar nicht. Eine Kombination aus tatsächlichen technischen Schwierigkeiten und mangelnder Tiefenkenntnis der Kollegin. War der Projektleitung aber egal, sie haben das System einfach trotzdem freigegeben und mit Schampus angestoßen und sich beglückwünscht, wie geil sie sind, und deshalb habe ich jetzt endlich mal eine wirklich WIRKLICH böse Mail geschrieben und auch abgeschickt. Weil verarschen kann ich mich auch allein. Wenn man eh auf das Ergebnis unserer (Inspektions-)smoke study scheißt, hätte ich mir, meiner Kollegin, einer (echten) Firma und einem Entwickler (zum Teil echt viel) Arbeit ersparen können. Dass man außerdem einfach in Kauf nimmt, dass wir mindestens 8 Tage lang KEINERLEI Sachbearbeitung machen können, zeugt auch nicht grad von Respekt gegenüber unserer Arbeit.

Großes F***t-euch-alle-Gefühl.

Vielleicht auch weil ich die magischen PMDS-Tabletten zu Hause vergessen hab, aber eigentlich war alles gut, bis ich von diesem dampfenden Haufen Sch***e erfuhr.

Tag 2649 – Exotisch.

Ich bin geradezu absurd sonnenverbrannt, ganz so als wäre mir zwar durchaus klar, dass ich sehr, sehr sonnenempfindlich bin, aber als wäre ich trotzdem ohne Sonnenschutz im T-Shirt von 11-16 Uhr draußen herumgelaufen.

Man muss dazu sagen, dass ich meinen Toilettenbeutel zu Hause vergessen habe, was nicht schlimm ist, weil ich das meiste aus Gepäckverlierungsparanoia im Handgepäck hatte, nur halt die Sonnencreme nicht. Eventuell geht mir auch irgendwann die Zahnpasta aus, aber da hab ich im Hotel so ein Zahnpflegepäckchen bekommen, das muss ich dann eben benutzen. Es war, um zurück zum Thema zu kommen, auch die meiste Zeit bedeckt. Aber genug der Ausreden, machen Sie das bitte nicht nach, ich habe das jetzt ausprobiert und bin ein Hummer. Sehr lokal, und mit sehr scharfen Abgrenzungen zum T-Shirt, was es leider gar nicht besser macht, so rein optisch. Um dem ganzen (mir) die Krone der Doofheit aufzusetzen, hatte ich sowohl sonnenschützende Jacke als auch Sonnenhut die ganze Zeit im Rucksack dabei, aber es war so warm (ja, merke ich selber).

Jedenfalls kann ich nicht so sehr ins Detail gehen, aber wir waren heute an zwei halbwegs touristischen Orten, touristisch allerdings nur für einheimische Touristen. Das eine war ein alter Palast, der so riesig war, dass nicht nur die Sparrenburg einpacken kann, sondern Akershus Festning gleich mit, und das würde noch nicht reichen. Es ging außerdem sehr sehr viele sehr unebene und ungleich hohe Treppenstufen hoch. Habe ich erwähnt, dass es warm war? Ich war, als wir oben waren, in Schweiß gebadet. Und das ist nicht übertrieben. Die Wahl eines hellblauen Baumwoll-T-Shirts bereute ich ziemlich, als ich feststellte, dass sich ein dunkelblauer Fleck vom Solar Plexus ausgehend über meinen kompletten Bauch ausgebreitet hatte und auch die Brüste hochgekrochen war. Des Weiteren klebte mir mein Rucksack am Rücken und die Träger konnte man als dunkelblaue Streifen auf dem T-Shirt auch noch nach dem Absetzen genau erkennen. Dafür hatte ich Wasser dabei und einen Sonnenhut und ein Jäckchen im Rucksack. Es war aber sehr schön und auch interessant in diesem Palast und von oben hatte man eine unglaubliche Aussicht über die (absurd große) Stadt.

Als wir runtergingen, kam eine giggelnde Teenie-Mädchengruppe in Schuluniformen auf uns zu und fragte „Madam, one photo please?“ und das wurde das erste von sehr vielen Fotos von mir und meiner Kollegin mit einheimischen Frauen, die insbesondere ich zumeist um mindestens einen halben Kopf überrage*. Jetzt bin ich, verschwitzt ohne Ende, wirklich nicht mein bestes Self, also als total exotische Nordeuropäerin auf ziemlich vielen Fotos von und mit wildfremden Menschen. Und das sind ja nur die, die ich mitbekommen habe, weil sie so mutig waren, zu fragen, wer weiß wie viele uns noch heimlich fotografiert haben.

Der andere Ort war eine Art Freilichtmuseum, bei dem es auch einen Basar gab, in dem es höchstwahrscheinlich (auch noch nach dem Handeln, was ich ja eh nicht kann und schon gar nicht mag) absurd überteuerte Dinge zu kaufen gab, die für uns trotzdem sehr, sehr billig sind. Ich habe jetzt Souvenirs für die Kinder und es geschafft, keine Stoffe zu kaufen, weil ich mich niemals hätte entscheiden können, dann übers Ohr gehauen worden wäre und am Ende Stoffe in tollen Farben und zweifelhafter Qualität hätte, die ich wegen Farben und Mustern nie in Norwegen anziehen könnte ohne – tadaaa – aufzufallen wie eine Kalkleiste in … ein bunter Hund. Die traditionellen Kleider, so toll die aussehen, würde ich mir schon allein um cultural appropriation zu vermeiden, nicht kaufen. Außerdem sehen die toll aus an Frauen mit dunkler Haut, nicht unbedingt an Hummern Kalkleisten.

Um ehrlich zu sein, bin ich jetzt echt alle. Der Kulturschock kam heute ziemlich heftig, dank all dieser Erlebnisse. Eigentlich möchte ich gerne sehr viel schlafen.

Ach ja, ich habe Masala Dosa probiert, das war echt lecker, wenn auch unerwartet herzhaft für ein Frühstück. Dazu gab es zwei Dips, von denen sich der eine ebenfalls unerwartet direkt durch den Gaumen brannte. Vielleicht hätte ich auch nicht gleich so viel nehmen sollen, oder erst mal schauen sollen, wie scharf der ist. Naja, wieder was gelernt.

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*ich bin ja gar nicht so groß. Menschen, die mich nur von Bildern kennen, denken oft, ich sei sehr groß, ich bin aber genau (dänischer) Durchschnitt. Offenbar bin ich also ein Scheinriese.

Tag 2648 – 6-Tage-Woche.

Heute war ein ganz normaler Arbeitstag, aber morgen ist frei und wir machen sogar einen Ausflug, meine Kollegin und ich.

Heute hatte ich im Samstagabendverkehr ein paar mal wirklich Angst. Dieses hupen und sich dann dran vorbei quetschen, während alle fahren, durch Lücken, die eigentlich zu klein für das betreffende Gefährt sind, macht mich fertig. Wenn ich hier selbst fahren müsste, würde ich vorher erst mal zu einer Auswahl an Göttern beten, glaube ich.

Außerdem heute gesehen: eine Herde Gänse, eine Herde Schweine und einen Pfau – alles direkt an der Straße, die ja nun ein Highway ist. Dazu, aber die waren gestern auch schon da, ein Haufen Menschen, die Zimtäpfel direkt von der Plantage verkaufen. Keine Ahnung, was Zimtäpfel sind, ich werd auch sicher nicht an diesem Highway aussteigen und welche auf dem Standstreifen kaufen, aber wenn sie nach „Custard Apple“ googeln, sehen sie diese Früchte.

Wo genau ich bin, kann ich Ihnen leider nicht sagen, aber ich kann ja ein paar Hinweise geben.

  • Es ist ein Drittland, das heißt, es ist außerhalb des EWR
  • Es gibt auch kein sog. mutual recognition agreement der EUmit diesem Land, es ist also zum Beispiel nicht Canada (gut, das überrascht jetzt irgendwie nicht)
  • Wir sind bei einer Stadt, die ca. doppelt so viele Einwohnende hat wie Norwegen
  • Das Land ist bekannt dafür, eine große pharmazeutische Industrie zu haben
  • Es ist warm und feucht. Es regnet täglich zur Zeit. Es ist aber auch sehr grün.
  • Das Essen ist mega, außer der Nach-Nachtisch heute, der schmeckte wie parfümierte gehackte Nüsse mit Fenchelsamen und super viel Zucker eingerollt in ein Lorbeerblatt.

Tag 2647 – Blumen und Motorräder.

Erste Male: von einem Willkommensschild und mit einem Strauß Rosen auf der Inspektion begrüßt worden. Das macht man hier wohl so. Ok. Ebenfalls zum ersten Mal großflächig Visitenkarten an den Mann (kein gendern nötig) gebracht.

Was hier auch so ist: Zeit ist relativ. Alles dauert. Von „könnte ich bitte die Rechnung haben“ bis Rechnung gut und gerne 10 Minuten, und das nicht, weil das Hotel understaffed ist oder so. Ich wäre bestimmt geduldiger, wenn ich im Urlaub wäre, klar, aber speziell wenn beim Abendessen ein Livemusiker die ganze Zeit die selben drei Akkorde spielt, darauf aber ganz unterschiedliche Lieder singt, und das auch noch echt laut, sodass man sich nicht mehr unterhalten kann – dann finde ich das sehr anstrengend auch noch ewig auf die Rechnung warten zu müssen.

Inspektion an sich war völlig in Ordnung. Wir sitzen in einem fensterlosen Raum, das ist etwas blöd. man fährt auch über eine Stunde durch den hiesigen Verkehr zur Site, das ist… interessant. Zwar führt eine zweispurige Autobahn da hin, aber es sind eigentlich eher so 5 Spuren, es scheint keinerlei Überholregeln zu geben, man hupt auch einfach um zu sagen, dass man da ist und man fährt so schnell wie man Lust hat. Es ist wild. 5 Menschen auf einem Motorrad und ca. 12 (wirklich nicht übertrieben) in einem Subaru MiniVan. Nirgendwo Schilder zur Geschwindigkeitsbegrenzung. Wah!

Tag 2645 und 2646 – noch mal Piep.

Es war eine lange und anstrengende Reise, insgesamt 23 Stunden. In denen habe ich so 3 x 1 h geschlafen und das auch eher schlecht als recht. Außerdem bin ich jetzt in einem Land, in dem das MB mobiler Daten 5 € kostet, also irgendwas aus dem mobilen Netz machen ist nein-nein. Es gibt außerdem eine Zeitverschiebung, es ist warm und feucht und ich bin dementsprechend im Eimer.

Aber das Essen ist gut und ich hab mich direkt beim Abendessen überfressen und das obwohl ich allem, was nicht sehr heiß ist und allem, was nicht vegetarisch ist, aus dem Weg gehe. Großräumig. Ich möchte die Packung Immodium, die ich mitgenommen habe, lieber vollständig wieder mit zurück nehmen.

Immigrations war an der Reise das größte Problem, weil nur ein Schalter für alle 1.- und Businessclasspassagiere geöffnet war. Bei den Economyclasspassagieren waren sicher 8 Schalter offen. Und so kamen wir Businesskasper, mitten in der Nacht, als allerletzte durch die Visumskontrolle.

Das zweitgrößte Problem war die Domestic Lounge beim längeren Zwischenstopp, denn da hab es keine Möglichkeit, vernünftigzu sitzen. Meine Kollegin und ich saßen von ca. halb drei bis ca. halb fünf auf Barhockern. Nachts. Dann wurden zwei Sessel frei, auf die wir uns stürzten und so kamen wir zu einer der drei Stunden Schlaf.

Ich würde ja Fotos hochladen, aber WordPress sagt, mein Speicherplatz sei voll. Ich hab noch nicht rausgefunden, wie man den aufstockt.

Jetzt fallen die Augen aber auch wirklich zu. Morgen on-Site, 1 Stunde Auto in ständig hupendem Verkehr pro Weg entfernt vom Hotel. Hurra.

Tag 2643 – Pssssst!

Sämtliche Raben unter 1,50 m Körpergröße sind derartig verrotzt, dass das Schlafen sehr schwer fiel. Pippi hat obendrein noch Ohrenschmerzen und saß nach einer Runde „DIE TABLETTE HIIIIILFT NICHT, DAS HEIẞT ICH WERDE FÜR IIIIIIIMMER OHRENSCHMERZEN HABEN!!!“ noch eine Weile mit mir auf dem Sofa. Kuscheln und Erzählen knockte sie dann aber doch um kurz nach zwölf endlich aus. Uff.

Sämtliche Raben über 1,50 m Körpergröße sind übrigens auch verrotzt, tragen das aber verglichen mit der anderen Fraktion nicht nur mit Fassung, sondern eigentlich stoischer Ruhe.

Anekdote: Pippi fragte mich, wie es in der Steinzeit gewesen sei. Ich sagte, das wisse ich nicht, weil ich da noch nicht geboren gewesen sei. „Ja, Mama, aber deine Mama ja!“ Das muss ich morgen der Oma erzählen, da „freut“ sie sich bestimmt, gnihihi.