Tag 906 – Stoffkaufeskalation.

Heute war ich beim Meeting unserer engeren Arbeitsgruppe (Proteomics and genome dynamics, falls Sie das immer schon mal wissen wollten) und es passierten die beiden folgenden sehr unangenehmen Dinge:

  1. Mein Chef sagte, welche Opponenten ich haben werde und meine eine Kollegin platzte heraus, wie schrecklich sie die Opponentin findet. Dann ignorierte sie geschickt, dass ich immer röter wurde und immer mehr Übersprungshandlungen die anfänglichen Witzchen ersetzten und zog geschlagene 10 Minuten darüber her, was für eine schreckliche Person und vor allem was für eine grottenschlechte Wissenschaftlerin diese Frau sei. Herrje. Meine Defense wird ein Heidenspaß, eventuell muss vermieden werden, dass sich diese beiden Damen vor dem „Bestanden“ begegnen.
  2. Mein Chef sagte vor versammelter Mannschaft „… Frau Rabe, have you been working on the presentation?“ und ich so… „Well, I have been preparing…“ Was stimmt, denn ich weiß, was ich anziehen werde und mein Make-Up steht.

Sie dürfen darüber gerne lachen. Ich lache auch. Aber es ist bei mir so: Ich prokrastiniere jetzt gerade das Vortrag erstellen mit diesen anderen Dingen, die ja auch sein müssen. Da ich kein Kostüm oder gar einen Hosenanzug kaufen möchte, den ich nie wieder anziehen werde, möchte ich selbst was nähen. Ich schwanke noch ein bisschen zwischen einer Rock-Bluse-Kombi und einem recht schlichten Kleid, werde aber in jedem Fall beides nähen, denn ich werde ja auch voraussichtlich irgendwann mal Vorstellungsgespräche haben, vielleicht über mehrere Runden, da ist es nicht schlecht, mehr als ein Outfit zu haben. Da ich aber ja eher selten elegante Dinge nähe, erforderte die Wahl der Schnitte einiges an Recherche und Herumfragen. Aber jetzt bin ich soweit, dass ich sowohl für die Verteidigung an sich als auch für die Party danach Schnittmuster ausgesucht/vorgeschlagen bekommen habe und heute habe ich die, die nicht auf anderem Wege zu mir kommen, bestellt. Hurra. Für den Abend werde ich das nähen, was zuerst hier ankommt (die Muster gab es nicht als Download), da habe ich aber, ebenfalls heute, den Stoff gekauft, den ich schon lange dafür im Kopf hatte. Für die Defense habe ich den Schnitt für das Kleid schon als Download da und eben habe ich ziemlich viel Geld für einen Merinowollstoff (200 g/m^2, also nicht so Unterwäsche-Qualität) ausgegeben, der hoffentlich so schön ist, wie er auf den Bildern aussah. Für eine Bluse habe ich einen Stoff im Kopf, den ich gern mit einem blauen Rock kombinieren möchte, aber da ist mir noch kein passender Stoff ins Auge gesprungen. Egal, das kommt noch. Grau ginge auch, oder auch rot. Oh, ein roter Rock! Ohhhh! (Sie sehen, ich habe tausend Ideen. Nicht alle sind 100% seriös, aber mei, meine Opponentin ist die schlechteste Wissenschaftlerin der Welt, who cares.)

Und falls Sie irgendwo petrolfarbene oder flaschengrüne Spitze sehen, dann schreien Sie bitte ganz laut, ja?

Hoppla, da fällt mir ein: wo sind denn meine Brautschuhe wohl? Die würden sehr gut zu dem Partykleid passen. Hmm. (Ich hab doch nicht meine Brautschuhe weggeworfen, oder? Nein. Sicher nicht.)

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Auto-Lobhudelei: Aus dem Warenkorb mit dem Merinowollstoff doch ganz viel wieder rausgeräumt. Entscheidungen getroffen. Dem Chef vom gestrigen Meeting berichtet und mich nicht wieder total in Rage geredet. Nahezu souverän den Ausbruch meiner Kollegin überstanden und sie hinterher gefragt „but why didn’t you say anything???“ und das mit ihr geklärt.

Tag 473 – Schön, schön. 

Ein Tag, der sehr viel Potential hatte, richtig bescheiden zu werden, das aber nie tat. Angefangen hat es mit Kindern, die sich beim Abliefern im Kindergarten kaum noch verabschieden, weil sie es so eilig haben, mit Peers und Betreuer*Innen zu spielen und Weihnachtslieder zu singen und Raritäten für die Weihnachtszeit anzufertigen. Bei der Arbeit setzte ich mich dann direkt an die Präsentation, die ich um zwölf halten sollte, was ich seit, hmmm, drei Monaten weiß. Gestern hatte ich schon meine Daten eine Stunde lang mit meinem german stare sauer angestarrt, leider wurden sie davon auch nicht besser. Das war allerdings auch schon alles, was ich für die Präsentation bisher getan hatte. Also bastelte ich gute drei Stunden an der Präsentation, verzichtete auf so gut wie allen Text (keine Zeit!) und ein paar unwichtige Ergebnisse (keine Zeit!!!), machte aber ein paar hübsche Bildchen und Modelle in Power Point, weil ich das auch selber mag, hübsche Bildchen und Modelle gezeigt zu bekommen. Um zwanzig vor zwölf war ich fertig, wog kurz zwischen Kaffee und richtigem Mittagessen ab, schmierte mir dann ein Brot und aß es auf dem Weg zum Kaffee holen. 

Exkurs: ich hasse es, vor Leuten zu reden. Selbst, wenn es nur zwanzig sind und die alle meine Kollegen sind und ich wirklich, wirklich weiß, dass die mir nix böses wollen, ich mag es einfach nicht. Gar nicht. 

Der Vortrag war auf zwanzig Minuten ausgelegt, aber quasi dreigeteilt, weil das Projekt momentan drei lose Enden hat. Nach jedem Teil der Präsentation hatte ich sozusagen eine Diskussionsrunde eingeplant, weil wir teilweise echt festhängen und nicht weiter wissen und ich bat also um Input. Und Input und Diskussion bekam ich, niemand hielt mich für blöd, weil ich festhänge oder die Daten zu schlecht oder zu unaussagekräftig zum Publizieren sind. Voll supi, echt. Jetzt habe ich ein paar neue Ideen, was ich noch machen kann, um die losen Enden festzuzurren und etwas neue Motivation. Allerdings zog sich die Präsentiererei durch die viele Diskussion auf, tadadaaa, fast eineinhalb Stunden. Was mich am meisten überraschte, war dass ich hinterher von zwei Seiten spontanes Feedback zum Vortrag bekam, nämlich, dass das sehr gut gewesen sei, so viel Raum für Austausch zu schaffen und ich hätte eine unterhaltsame Art* zu präsentieren, schöne Modelle seien das gewesen. Sehr klar und übersichtlich**. Ich schaffte es sogar, das Kompliment einfach anzunehmen und nicht irgendsowas wie „ach, das hab ich heute morgen schnell zusammengeklöppelt, das war echt nicht der Rede wert“ rauszuhauen, wie sonst meistens. Ich muss mir dafür selbst mal auf die Schulter klopfen. Ich werde besser. (Also nicht beim Prokrastinieren, da werde ich schlimmer.)

Danach hatte ich mörderische Kopfschmerzen, aber noch Laborarbeit zu machen, das lief so lala. Zwischendurch trank ich noch einen (widerlichen Brüh-)Kaffee mit einem meiner Lieblingskollegen, der heute morgen schon angefragt hatte, was ich aber wegen des Vortrags ablehnen musste. Wir schnackten ein bisschen über sein neues Haus und Arbeit und mit wem von unseren Kollegen man lieber nicht zusammenarbeiten möchte, dann ging ich zurück ins Labor um weitere verrückte Ergebnisse zu erzeugen und dann war endlich, endlich Feierabend. Der gemeldete Starkregen passierte gerade, im Bus saßen viele nasse Menschen, meine Kopfschmerzen wurden nicht besser, dafür meldete sich mein Magen ziemlich deutlich. Insgesamt eine eher unschöne Heimfahrt. 

Auch eine eher unschöne Ankunft, denn nachdem Herr Rabe mit Blick auf seinen Kontostand*** meinte, wir könnten doch mal wieder auswärts Pizza essen, rastete Michel aus und wollte zu Hause bleiben. Tja, ich (mühsam unterdrückt) hangry, Michel (ohne es zu wissen) hangry, ungute Kombi. Wir kamen trotzdem ohne Mord im Restaurant an und nachdem die Kinderpizza auf dem Tisch stand war auch Michel wieder mehr als verträglich. Er aß sogar ein Stück von Herr Rabes und meiner**** Pizza und bat um extra viel Ruccola. Salat, so erklärte er mir beim ins Bett gehen, ist nämlich sein Lieblingsessen*****. Überhaupt war das Essen total lecker, die Kinder friedlich und niedlich und auch halbwegs sauber und insgesamt gesellschaftsfähig. Das kann man ja von einem 4- und einer 1-Jährigen auch weder erwarten noch immer behaupten. 

Dank Espresso nach und Cola zum und Ibuprofen vorm Essen waren wieder zu Hause sogar die Kopfschmerzen weg, Ich gönnte mir ein Mini Glas Rotwein (jaja, die Leber schreit, ich weiß) zu Gilmore Girls****** und Stricken und ja, doch, das war ein richtig feiner Tag. Meist. 

* Galgenhumor

** gezwungenermaßen, ain’t nobody got time for mehr als ein Ribosom pro RNA

*** im Dezember zahlen wir nur die Hälfte der Einkommenssteuer*******

**** wir hatten jeder eine, aber tauschten nach der Hälfte

***** und Zebra, sagte er. In echt ist sein Lieblingsessen nach wie vor Nudeln ohne alles. 

****** noch nicht die neuen Folgen, ich bin jetzt bei S07E20

******* Dafür zahlen wir sonst halt mehr. Die Jahressteuer teilt sich auf 10,5 Beitragsmonate auf. Im Juni zahlen wir keine, im Dezember nur die halbe Einkommenssteuer. So hat man, unabhängig von irgendwelchen Betriebs- oder Gewerkschafts-Vereinbarungen quasi Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das man übers Jahr selbst anspart. Ist ne nette Sache, aber nicht(!) ein Geschenk vom Staat, wie es gerne mal auf Facebook behauptet wird.