Tag 2168 – Endspurt.

Arbeit, Arbeit, zu viele Meetings, zu viel muss heute und morgen noch fertig werden. Tjanun. Danach sind 5,5 Wochen frei.

Ebenfalls Endspurt als Elternvertreterin der Grundschulklasse. Mache ich eher nicht noch mal, die Möglichkeiten, tatsächlich Einfluss zu nehmen erwiesen sich als minimal nicht existierend. Traurig, aber wahr. Sommerabschluss wird wie Weihnachtsfeier: nur die Kinder in der Schule, wir Eltern müssen zu Hause bleiben (für mich definitiv eh besser!). Es gibt ein Tütchen Süßkram und ein Trinkpäckchen für jede*n, das hat Familie Rabe heute in Teamarbeit gepackt. Als Dankeschön für die Lehrerinnen habe ich jeweils eine kleine Blumenampel mit Erdbeeren bepflanzt, weil ich wirklich was dagegen hab, sterbende Blumen (die in Norwegen halt auch einfach absurd viel Geld kosten) zu verschenken.

Noch nicht ganz Endspurt aber endlich etwas, das man vielleicht „Rohvibrato“ nennen kann, im Vibratoprojekt. Ich muss jetzt endlich nicht mehr nur Katzen quälen, sondern verkleinere die Bewegung, bis der jeweilige Finger an einem Punkt ist. Das funktioniert bei allen Fingern, außer dem 1. Der ist immer noch irgendwie steif, da ist ja auch kein Platz, da oben an der Schnecke, gnah (zugegebenermaßen geht es in den anderen Lagen auch nicht sonderlich viel besser). 4. Finger ist quasi kein Problem (den finden wohl viele sehr schwierig) aber der 1. verlangt mir sehr viel Konzentration ab um wenigstens ganz leicht… Hmpf. (Gut dass ich bald Ferien hab, da kann ich den 1. Finger zu mehr Lockerheit meditieren.) Mit meinem neu gewonnenen, noch nicht fein geschliffenen Skill habe ich dann die langsameren Sätze der zwei KinderSchülerkonzerte mal extra langsam und mit dem Ziel, auf jeder mindestens Viertelnote Vibrato zu benutzen, durchgespielt und das macht schon sehr sehr viel aus, jetzt schon. Ich freue mich auf den Feinschliff, ich glaube, der Grind wird sich am Ende wirklich auszahlen.

Noch eine etwas lustige Anekdote und ein Grund zur Freude: Herr Rabe (Jahrgang ’83) bekam heute seine Impf-SMS und hat nun einen Termin nächste Woche. Zwei Stunden später hatten sie sich zu Jahrgang ’85 durchgearbeitet und wenn ich wollte, könnte ich mich nächsten Dienstag gleich noch mal impfen lassen. Ich habe mich also tatsächlich nur um 1,5 Wochen vorgedrängelt, das ist ein bisschen beruhigend und das System benachrichtigt wirklich jede*n, das ist auch beruhigend, auch wenn’s bei mir jetzt unnötig war. (Ja, ich hab geguckt, ob es irgendwie möglich wäre, ein drei-Wochen-Intervall hinzumogeln, aber das haut mit der OP zeitlich nicht hin und 14 Tage nach dem OP-Termin waren noch keine Termine zu vergeben.)

Ich bin ja eh großer Fan von BankID.

Tag 1271 – Møte, møte, møte.

Einleitung 1: Ich wollte heute gern ein klärendes Gespräch mit meiner Team-Chefin führen, die ist aber so etwa bis in zwei Wochen durchgehend in irgendwelchen Meetings.

Einleitung 2: selbige Team-Chefin sagte heute im Meeting (sic) zur Besprechung des Jahresberichts und den darin auftauchenden Diskrepanzen zwischen Fristen und tatsächlichem Abliefern: „Ein Problem ist auch, dass wir alle zu viel in Meetings sitzen. Dadurch schaffen wir unsere eigentliche Arbeit nicht mehr.“

(Da möchte man ja schon ganz Loriotesk „ACH!“ rufen, aber es kam ja noch besser.)

Tatsächliche Story: in selbigem Meeting, nach der Besprechung des Jahresberichts, diversen Neuerungen auf Datenmanagement-Seite (die neue Team-Chefin macht nicht alles so weiter, wie es der alte Team-Chef seit immer gemacht hat und die Inspektør hier seufzt aus Gründen erleichtert) und „bitte tragt eure Urlaubswünsche da und da ein“ bekamen wir noch Besuch. Der Besuch stellte uns ein neues Tool vor, eine Art Datenbank, die wir ab demnächst benutzen müssen, allerdings längst nicht alle von uns und vor allem brauchen wir diese Datenbank eigentlich nur, um einen ganz bestimmten Prozess nachvollziehen zu können. Die Vortragenden stellten uns aber sämtliche drülfzig verschiedenen, zum Teil noch unausgegorenen und zum Teil auch noch gar nicht implementierten Funktionen vor. Über eineinhalb Stunden lang. Nach etwa dreißig Minuten dachte ich, ja, alles klar, ich klicke also dann da und dann sehe ich, was da passiert ist und kann dann überlegen, ob ich da oder da anrufe und wen ankacke frage, was da wohl los war. Gut! Nein. Denn es ging noch ewig so weiter. „Wir können auch alle Mails an Sie alle weiterleiten!“ (Äh, nein Danke? Ich möchte bitte nur Mails, die für mich relevant sind, nicht tonnenweise Spam…) „Und dann können Sie hier einfach immer gucken…“ (Genau. Wie ich dann demnächst* immer sagen werde „Und wie stellen Sie sicher, dass da auch geguckt wird?“) „Hier machen wir dann noch diese Funktion hin, aber das muss noch von der EU…“ (Jesus. Ich will keine schöne Zukunftsmusik hören. Was zählt ist was jetzt da ist.)

Und weil das alles ja noch nicht reichte, ignorierte der Ex-Team-Chef nach Kräften meinen sehr demonstrativ mit den Hufen scharrenden** Kollegen und besprach noch tausendundeine Feinheit der „vielleicht irgendwann mal“-Features dieses Systems mit dem Besuch. Während 15 weitere Anwesende an ihren Schreibtisch dachten und an die schlechten Ergebnisse im Jahresbericht.

Nach dem Meeting ging ich an meinen Schreibtisch zurück und hängte die verschwendete Stunde hinten dran. Mit leicht rauchendem Kopf. Und wenn es mir so geht, auf deren Tisch noch gar keine Fristsachen liegen, wie soll es dann denen gehen, bei denen die Deadlines schon wie Zombies über den Schreibtisch wanken und die sich zudem grad anhören durften, wie schlimm das ist, dass sie ihre Ziele nicht erfüllen weil sie permanent in Meetings rumhängen? Gnarfz.

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Abends mit Michel Hausaufgaben gemacht und viel Spaß gehabt. Ich sehe das mit den Hausaufgaben ganz entspannt, dadurch geht es auch bei Michel einigermaßen ohne Wutausbrüche. Dafür macht er nur Blödsinn. Tjanun, möchte ich da sagen, nach einem 10-Stunden-Tag in Hort und Schule und dann wieder Hort würd ich vielleicht auch nur noch rumalbern und mal mit beiden Händen oder mit geschlossenen Augen schreiben.

Was ich aber faszinierend finde: dass er gar nicht merkt, dass die „Lösung“ für die Aufgaben dauernd daneben steht. Die Aufgabenstellungen sind nämlich oft so: ein Bild von einem Baum, darunter steht „Baum“, daneben die Wörter „Baum, Traum, Ball“. Aufgabenstellung: „Kreise das richtige Wort ein und schreibe es darunter.“ Vielleicht bin ich echt übermäßig systematisch veranlagt, ich würd nach den zwei gleich aussehenden Wörtern suchen, einkreisen, abmalen, fertig. Vermutlich könnte ich bis heute nicht schreiben. Aber das bin ja nur ich, und ich bin 33 und kann seit fast 30 Jahren lesen, insofern bin ich da wirklich kein Maßstab und die Macher*Innen von Schreiblernbüchern denken sich ja sicher was dabei. Und so hab ich was zu wundern, win-win.

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*genau genommen ab morgen. Wünschen Sie mir irgendwas, am besten, dass mich das verfluchte „Ich kann das nicht!“-Gefühl nicht wieder einholt

**noch nie habe ich jemanden so aggressiv Zettel einsammeln sehen

Tag 1135 – Kein Kindergarten.

Heute war ich beim Elternabend des Horts. Und ich habe mich da sehr aufgeregt. Wirklich sehr. Denn das alles strotzte vor Doppelmoral und widersprüchlichen Anforderungen und überhaupt hab ich mich EINFACH ECHT AUFGEREGT. Hier ein aufgeregtes Sammelsurium der Aussagen/Forderungen/Vorkommnisse.

  • Sie erwarten von den Eltern dies das und jenes, Wettergemäße Kleidung, Blabla. Wie im Kindergarten.
  • Das ist kein Kindergarten.
  • Die Kinder müssen sich selbst anziehen und auch genug anziehen.
  • Sie erinnern die Kinder daran, sich warm/kalt genug anzuziehen*.
  • Sie können nicht immer wissen, wo alle Kinder sind, das sind einfach zu viele auf zu wenige Erwachsene.
  • Sie geben auf die Kinder acht.
  • Sie können leider keine Ausflüge machen, zu wenig Personal.
  • Sie können die Bus-Kinder nicht zum Bus bringen, zu wenig Personal.
  • Sie können keine weiteren Aushilfen einstellen**.
  • Eltern sollen bitte ihre Kinder morgens bis mindestens zur 3. Klasse jeden Tag bis in den Raum begleiten. Dies soll den Kindern signalisieren, dass die Eltern sich für sie interessieren. (Und dann gehen sie halt dort verloren, weil ohhh, kein Personal, nee, hinter der Schule kann man echt nicht noch wen stehen haben, aber sie sagen den Kindern nochmal in streng, dass sie da nicht hindürfen***.)
  • Zu Essen gibt es Saft**** und Fast Food oder Brot.
  • Es müssen alle probieren. Nur wer probiert hat, kann als Alternative Knäckebrot mit Belag haben.
  • Parken bitte nur am Supermarkt. Den Fußmarsch dazu nutzen, dem Kind freundlich und fröhlich die Verkehrsregeln zu erklären. Eine schöne Zeit mit dem Kind verbringen.
  • Dafür einfach ne halbe Stunde früher aufstehen*****.
  • Beim Abholen die Kinder zuende spielen lassen.
  • Die Kinder müssen aufräumen.
  • Die Kinder dürfen keine Hausaufgaben in der Hortzeit machen. (Dazu spannende Aussage einer Mutter: „Naja, die Erstklässler sind ja noch nicht täglich bis fünf Uhr hier!“ I beg to differ, mindestens ein Erstklässler ist normalerweise jeden Tag bis viertel vor fünf da. Und morgens ab halb, viertel vor acht.) Für die 3. bis 6. Klasse gibt es Hausaufgabenbetreuung, Dienstags, Mittwochs und Freitags von *trommelwirbel* 07:45 bis 08:15 Uhr. Dies, meine Damen und Herren, ist die sinnloseste Regelung jemals. Denn was passiert, wenn man die Hausaufgaben in der halben Stunde nicht erledigt bekommt? Dann ist man halt angearscht und hat auch bis zum Unterricht am selben Tag nicht mehr die Möglichkeit, es fertig zu machen. WÄÄÄHHHHH???
  • Allein mit dem Fahrrad kommen bitte erst ab 5. Klasse. Da machen sie dann nämlich auch erst Verkehrserziehung.
  • Auf eigenes Risiko und IHR KENNT JA EURE KINDER AM BESTEN, also wir würden es nicht empfehlen, aber wenn ihr das UNBEDINGT WOLLT, können auch schon jüngere Kinder mit dem Fahrrad gebracht werden. In den Raum. Bittesehr.
  • Die Kinder sollen Selbständigkeit lernen und selbst entscheiden.
  • Hier mache ich mal einen Absatz, denn bei all dem konnte ich ruhig bleiben und mein „die machen das schon ok so, es wird dem Kind nicht schaden, es wird schon alles gut werden“-Mantra im Kopf aufsagen, aber bei
    • Zum Essen, also zum Austeilen und dann auch zum Essen machen wir einen Film (oder Kinderserie) an, damit die Kinder sitzen bleiben und Ruhe herrscht
  • Bin ich für meine Verhältnisse einigermaßen an die Decke gegangen. Nicht alleine, das fanden einige Eltern deutlich daneben. Weil, wtf??? Ja, alter, kein Personal, haben wir jetzt oft genug gehört, aber NEN FILM ZUM ESSEN? Ihr hypnotisiert die Kinder damit sie still sitzen? Das mag ja bei einigen Kindern auch noch gehen ohne zu schaden aber ich halte die Outcomes „abgelenktes Kind isst nicht“ und „abgelenktes Kind stopft sich über den Hunger hinaus voll“ je nach Veranlagung auch für wahrscheinlich. Und vielen, VIELEN DANK FÜR DIE DISKUSSIONEN die wir zu Hause dann haben werden, weil mein Kind seine Bildschirmzeit zu Hause nun noch mehr eingeschränkt bekommt. Ich bin nicht anti-fernsehen, ganz und gar nicht, aber GRENZEN!!! NICHT BEIM ESSEN! Und nicht dann insgesamt gerne an die anderthalb Stunden JEDEN TAG!
  • Hups, da wurde ich ein wenig laut. Entschuldigen Sie vielmals. Es musste kurz mal raus.
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  • Auto-Lobhudelei: Den SFO-Menschen vor allen die Meinung ziemlich genau so gegeigt, wie oben steht, nur auf Norwegisch. Und damit geschlossen, dass ich finde, dass solche gravierenden Dinge, bei denen beim gesunden Menschenverstand schon alle Alarmglocken schrillen, den Eltern VORHER mitgeteilt werden müssten.
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  • *notallchildren, meinem nicht, ganz offensichtlich, oder allerhöchstens halbherzig. Aber ich finde ehrlich gesagt, das ist auch nicht deren Aufgabe und das Kind kann wirklich langsam lernen, besser auf die Angemessenheit seiner Bekleidung zu achten.
  • **Warum wurde nicht gesagt. Nur „hahaha, wir können hier ja nicht 15 Aushilfen haben, haha!“ Warum denn eigentlich nicht, dann kämen vielleicht nicht Kinder abhanden.
  • ***Oder in den Apfelgarten auf der anderen Straßenseite, in dem eine Mutter letztens ihr Kind und seinen Kumpel fand, ohne, dass die Hortangestellten die Abwesenheit überhaupt bemerkt hatten. ZUM ZWEITEN MAL IN SECHS WOCHEN.
  • ****Da ging die anwesende Dorf-Zahnärztin ein bisschen an die Decke.
  • *****Boah ey, wo soll ich anfangen? Vielleicht ganz kurz: Wenn Michel und Ich ne halbe Stunde eher aufstehen, haben wir sicher keine tolle Mama-Kind-Quality-time, sondern zerfleischen uns. Tun wir eh schon. Ja, jeden Morgen. Nein, da hilft keine Routine. Nein, das macht uns nicht zu schlechten Menschen, sondern einfach zu welchen, die nicht gern früh aufstehen. Aber jeder Satz der so lapidar dahingesagt wird, jedes „aber wenn die Schule erst um neun anfängt, dann hat mein Kind ja schon fast Mittagspause, weil das um fünf eigentlich am fittesten ist, das geht nicht!“ haut brutal in die Kerbe, dass es verdammt nochmal unfassbar scheiße ist, selbst jeden Morgen die Frühaufstehergesellschaft zu verdammen und dabei die eigenen Kinder aus dem Bett zu werfen (eher zu zwingen), weil sie es eben lernen müssen, dass die Frühaufsteher die besserenschönerenerfolgreicheren Menschen sind, die die kack Regeln gemacht haben und zumindest bis zum Berufsleben ist das mit dem frühen Aufstehen jetzt eben so. Dann können sie sich einen Beruf suchen, in dem sie die Arbeitszeit selbst einteilen können und dann haben sie ein paar Jahre Frieden und dann kriegen sie Kinder und die KiTa schließt um 16:30, davor müssen acht Stunden Arbeit passiert sein und Leute werden ihnen sagen „Aber wenn du erstmal Routine hast, dann ist das kein Problem mehr! Wirst sehen, am Ende wachst du am Wochenende auch um sechs Uhr auf!“ Und dann ranten sie ins Internet, das kann ja auch keiner wollen.