Tag 2200 – Lange her.

Neue Etüde, musste googeln was das x da heißen soll.

x???

Das x ist ein zusätzliches Kreuz wo schon ein Kreuz ist, also ein Doppel-kreuz. Es mangelt nicht an Kreuzen.

Geh du alter Esel hole. Uff.

Die x sind also alle Fisis-e, auch genannt G. Warum nicht einfach als G notieren? Aber egal, haben wir wieder was wieder gelernt (ich bin sicher, dass ich das schon mal wusste, man macht keine 15 Punkte in Musik schriftlich im Abi, wenn man sowas nicht weiß).

Generell H-Dur, sowas machen auch nur Leute, die Geigenschüler*Innen quälen wollen. Das muss ich mit nem Stimmgerät üben, weil ich kaum hören kann, ob ich sauber spiele (meine Geige hat bei vielen der Töne nur wenige oder gar keine Obertöne, oder wenigstens keine, die ich imstande bin, zu hören). Pfffft, Ais. Geh weg.

Wenigstens lenkt H-Dur davon ab, das ich heute Nachricht bekommen habe, dass der Chipsmann 1. noch lebt und 2. schon wieder Dinge tut, von denen ich naiv gehofft hatte, dass er sie nie wieder täte. Kriege ich direkt wieder Puls, wenn ich daran denke. Das einzig gute: er tut seine Chipsmann-Dinge an einem sehr weit entfernten und abgelegenen Ort. Möge er da für immer wegen flüssigem Durchfall festsitzen. Ohne Internet.

Tag 1335 – Dann eben nicht!

Ich wollte grad noch super erwachsen meine Steuererklärung machen. Das ist ja hier normalerweise eine Sache von 5 Minuten, alles online, entweder halt das vorausgefüllte einfach absegnen oder eben mit ein paar Klicks irgendwelche extra Freibeträge eintragen. Normalerweise. Im letzten Jahr war aber ja nix normal. Im letzten Jahr war die Chipsfabrik und Gehalt, das nicht gezahlt wurde und für das ich auch keine Abrechnung bekommen habe und das, das weiß ich auch schon seit Oktober, als ich da anrief, auch nicht ans Finanzamt gemeldet wurde. Ich war letztes Jahr zwei Monate nicht wirklich krankenversichert, schön, nicht wahr? Hat Gottseidank keine Konsequenzen gehabt, bisher. Ist ja auch nicht meine Schuld, ich kann ja belegen, dass ich da gearbeitet habe. Aber ich muss es halt belegen, immer und immer wieder und jetzt eben wieder fürs Finanzamt. Bitte einmal einen Brief schreiben und das alles erklären, hieß es heute vom etwas überfordert wirkenden Menschen an der anderen Seite des Chats. Dann den Lohn, wie er hätte gezahlt werden müssen inklusive Steuern wie sie hätten gezahlt werden müssen in der Steuererklärung angeben. Ich fragte etwas panisch nach, ob ich befürchten müsse, für die drei Monate Einkommensteuer in Vorkasse gehen zu müssen, aber das sei wohl nicht so, sagte der Finanzamtsmensch. Ich habe da Screenshots von. Sicher ist sicher. Jedenfalls wollte ich nun das grad schnell machen, die Belege für das Gearbeitet-haben sind alle auf dem iPad, aber nun ist das iPad leer, macht keinen Piep, schade, wirklich, ganz schrecklich. Eine Runde Mitleid für Frau Rabe, die jetzt nicht ihre Steuererklärung machen kann.

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Immerhin den Kindergarten bezahlt. Und Gartendinge entschieden. Johannisbeere, Stachelbeere, Rhabarber, Holunder*. Blumen, Blumen, Blumen. Erde bestellen. Kräuter, Salat, Möhren, Erdbeeren. Gurke, Tomate. Radieschen vielleicht, je nach Platz und ich geb das mit dem Kohlrabi auch noch nicht auf. Zuckerschoten. Und Blumen. Bunte Blumen. Stockrosen sind schon gekeimt, leider nur 3, da muss ich noch mal neue pflanzen. Und Herr Rabe kann von mir aus seinen Apfelbaum haben, da bin ich nicht so. Solange er ordentlich saure und feste Äpfel trägt. Eigentlich doch sehr erwachsen. Vielleicht ein bisschen jedenfalls.

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*Ich sag’s ja immer: ich bin meine Oma. Nächstes Jahr dann auch noch Schnippelbohnen.

Tag 1197 – Die Chipsfabrik ist tot!

Heute war Insolvenzeröffnung. Ich war ein bisschen aufgeregt, im Nachhinein ganz unnötig. Es war so eine Enttäuschung, dass ich, hätte ich nicht vorher eine wunderbare halbe Stunde und einen guten Kaffee mit dem eplefrøken gehabt, die zwei Stunden Autofahrt wohl bereut hätte.

Im Prinzip lief das nämlich so:

Richterin: „Wer ist denn alles da?“

Chipsmann, Techniker und Ich sagen unsere Namen auf.

Richterin: „Der Vorstandsvorsitzende also nicht?“

Chipsmann: „Nein.“

Richterin: „So, Herr Techniker. Sie sind derjenige, der den Konkurs der Chipsfabrik begehrt. Warum?“

Techniker: „Die zahlen meinen Lohn nicht.“

Richterin: „Wie viel denn?“

Techniker: „Drei Kühe.“

Richterin: „Und bei Ihnen, Frau Rabe?“

Ich: „Brutto 9 Kühe. Und der Italiener kriegt auch noch mal 3.“

Richterin: „Herr Chipsmann, was sagen Sie dazu?“

Chipsmann: [langes umständliches Geschwafel, abgelesen von einem Brief] „Stimmt, also ich komme zwar nur auf insgesamt 9 Kühe netto, aber ja, bezahlen können wir auch das nicht.“

Richterin: „Gut. Dann ist die Insolvenz hiermit festgestellt. Das Gericht bestellt Den Anwalt als Insolvenzverwalter und beraumt das nächste Treffen für den 14.12. an.“

und das war’s dann auch schon.

Der Techniker und ich haben dann noch mit Dem Anwalt telefoniert, weil wir schnell ein physisches (!) Treffen mit ihm wollen, um diesen ganzen Schlamassel zu zerpflücken, und ein bisschen gegen das zu arbeiten, was ihm der Chipsmann sicher an Lügen und Schummeleien auftischen wird. Heute zückte er schon wieder diesen von vorne bis hinten falschen und betrügerischen Businessplan, ich dachte ich spinne.

Interessant war an dem Treffen: die Chipsfabrik ist aus den Räumlichkeiten geflogen, am 31.10. Dabei hatte der Chipsmann immer behauptet, die Vermieter seien total auf seiner Seite. Offensichtlich nicht. (Und da wollte er mich wirklich gerne weiter beschäftigen. Es ist doch einfach nicht zu glauben!) Und in dem langen Blabla und dem Brief, den er vorgelesen hat, kam mir die Zahl zu ausstehenden Lohnnebenkosten irgendwie seltsam klein vor. Heute Abend fand ich raus, wieso: ich bin nie als deren Arbeitnehmerin registriert gewesen, das Finanzamt weiß also gar nicht, dass ich da gearbeitet habe. Das ist, mit Verlaub, eine Riesenscheiße, die sie da schon wieder angerichtet haben. Versicherung, Krankenversicherung, Sozialabgaben, Steuern… alles nix! nix bezahlt!

Es sieht jetzt also ein bisschen aus, als hätte ich da schwarz gearbeitet. Wenn Sie mich denn bezahlt hätten, was sie ja taktvoller Weise nicht getan haben.

Jetzt hoffe ich, der Insolvenzverwalter kann mich nachregistrieren.

Oh the joys.

Darauf einen Ginlikör. Von dem ich seine Likörigkeit nicht auf dem Schirm hatte, deshalb Eis.

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Auto-Lobhudelei: ganz cool geblieben wärend der Verhandlung.

Tag 1174 – Letzte Male.

Heute zum letzten Mal die Pille genommen, außerdem zum letzten Mal den Arbeitscomputer geleert. Jetzt muss ich das Ding nur noch elegant loswerden und zwar ohne, dass gewisse Leute denken, sie hätten mit gewissen Praktiken Erfolg, und aber bitte auch ohne dass ich für die nächsten fünf bis zwölf Monate Arbeitssuche das Damoklesschwert „wir haben Ihren letzten Arbeitgeber kontaktiert“ über mir schweben habe.

Das ist nicht zu schaffen und ich habe darüber heute schon sehr viel mehr Tränen vergossen als gut ist oder ich auch nur zugeben möchte.

Leider war auch die Polizei keine Hilfe. Ich bräuchte wohl ne Anwältin, aber die einzige, damit der ich Kontakt hatte, riet auch dazu, ihn halt gewinnen zu lassen.

Und da sind wir wieder an dem Punkt, an dem ich gern wer anders wäre. Jemand, den Unrecht nicht so auf die Palme bringt. Der Niederlagen nachdem die Gegenseite gefoult und geschummelt hat einfach einsteckt. Der den Verrückten einfach gewinnen lassen kann um (vielleicht? hoffentlich?) fortan seine Ruhe zu haben.

Aber ich bin nicht so und es ist scheiße. Ich hab mal (übers Fahrrad fahren) gewitzelt, dass man mir auf meinem Grabstein „Aber sie hatte Vorfahrt!“ meißeln könnte, aber man könnte das auch größer fassen und „Aber sie war im Recht!“ nehmen, ich kann’s halt nicht gut, das Nachgeben. Nicht mal wenn die Gegenseite vermutlich einfach wirklich nicht richtig tickt und dementsprechend diese ganzen Logik- und Rechtsschlussfolgerungen gar nicht gelten.

Gnah. Wo ist der spontane sechswöchige Karibikurlaub mit der Familie wenn man ihn mal braucht?

Tag 1169 – Wut, Angst, mehr Wut.

Es gibt vieles, das verstehe ich einfach nicht. Mein Horizont ist zum Beispiel zu eingeschränkt um zu verstehen, dass Leute sich nicht an Deadlines halten oder meinen es sei ok 2 Stunden eher oder später als verabredet zu Besuchen aufzulaufen.

Ich verstehe auch nicht, dass es Leute gibt, die fern jeder Realität sich die Welt machen wiedewiedewie sie ihnen gefällt. Die gegenüber der einen Person sagen, sie seien ja für nichts verantwortlich, leider leider, nur Berater hier, krieg nicht mal was bezahlt, so arme Wurst, dann aber wiederum meinen, sie könnten Dinge einfordern. Die zwar gaaaaar kein Geld haben, deshalb weder die Angestellten noch sonst irgendwelche noch so kleinen Rechnungen bezahlen können, aber die Firma, die gehört ihnen, zu 50%, und damit auch die Entscheidungsgewalt über die Arbeitskräfte, nämlich. Aber Konkurs melden, das können sie die Firma nicht, noch nicht mal die Firmenpost abholen. Die kündigen, aber dann weiter Projektleiter sein wollen.

Oder doch, ich verstehe das schon, ich verstehe das wie ich Leute verstehe, die Konflikte lösen, indem sie dem Gegenüber eins auf die Mappe hauen. Es ist halt eine kindische Art, sich die Rosinen aus dem Verantwortungskuchen herauszupicken. Macht ja, Verpflichtungen nein. Immer Bestimmertag haben, ohne den Abwasch nach dem Kindergeburtstag machen zu müssen. Geiles Leben. Hätte ich auch gern.

Ich bin aber nicht mehr 7 und weiß dass das nicht geht. Mit 72 sollte man das erst recht wissen.

Was man mit 72 auch wissen sollte, auch mit 7 oder mit 17: wenn dir wer sagt, du sollst nicht vorbei kommen, dann steh nicht einfach plötzlich vor der Tür.

Das nächste Mal rufe ich nämlich die Polizei. Da hilft dir dann auch keine Drohung, wem du alles erzählen willst, was für ein schrecklicher Arbeitnehmer ich bin.

Tag 1154 – Back in the game (for now).

Heute habe ich gearbeitet. Haha. Ja, doch, echt. In der Chipsfabrik, mit dem Chipsmann. Ich weiß jetzt, wie der italienische Kollege es da ausgehalten hat, ohne verrückt zu werden: er wusste, dass er da bald weg ist. Mir ist jetzt, mit der Kündigung in der Tasche, alles einigermaßen egal. Der Chipsmann kann seine Ideen ventilieren, er kann leugnen, Sachen gesagt zu haben, er kann von mir aus sogar versuchen, Verantwortung auf mich abzuwälzen, er kann versuchen mir Angst zu machen, damit ich einknicke und gewisse Dinge rückgängig mache, kann er alles machen: ist mir egal. Bald bin ich da weg. Mit Glück noch diese Woche und dann ist es gegessen, falls Pippi sich morgen früh wirklich als zu warm erweist* vielleicht noch bis Ende des Monats, aber das halte ich dann auch noch durch und wenn nicht, gehe ich halt wieder zur Ärztin. Er kann mir nichts und ich lasse nicht zu, dass er mich kaputt macht. Das ist jetzt mein Mantra.

Morgen sowieso erstmal wieder kein normaler Arbeitstag, denn ich habe… was vor, ich möchte noch nicht so viel drüber reden. Donnerstag auch nicht normal, denn es kommt hoher Besuch in die Firma (möchte ich auch noch nicht so viel drüber reden), Freitag normal, ab Montag will der Chipsmann in Tromsø sein. Oder in Finnsnes. Oder sonstwo, jedenfalls nicht in der Chipsfabrik.

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*Montag soll ja die Mandel-OP sein, dafür muss sie aber gesund sein. Ein fiebriger Infekt, der jetzt ganz schnell wieder abklingt wäre da vielleicht noch im Rahmen, eine fette Erkältung eher nicht. So ein Mist, dabei dachte ich im Urlaub, als sie fröhlich vor sich hin schnodderte noch „besser jetzt als nächste Woche“. Hrmpf.

Tag 1111 – Schnaps! Schnaaahaps!

(Und bis zur nächsten Schnapszahl dauert es wieder über drei Jahre! Kinder, wie die Zeit vergeht!)

Bei der Arbeit läuft alles seinen gewohnt absurden Gang, außer dass der Kollege ob seiner nächste Woche anstehenden Prüfung immer nervöser und dadurch reizbarer wird. Das überträgt sich auch auf mich und ich bin eh vielleicht grad etwas reizbar, das ist keine so gute Kombi. Aber so ist es eben jetzt, wir haben uns bis zum Hals in Artikeln eingegraben, damit wir besser einschätzen können, ob es das wert wäre, den einen oder anderen Prozess eingehender zu untersuchen und morgen früh sollen wir das dem Chipsmann dann präsentieren. Ähäm. Okay. Der Chipsmann selbst versucht Loyalitäten auszuloten und wenn ich was nicht leiden kann, dann wenn man versucht, mich zu manipulieren, ich bin dagegen, wie Michel sagen würde, allergisch, denn ich kriege Kopfschmerzen von diesem vielen Gedenke und nicht-Aussprechen und Geheimnisse haben. Urgs. Schreckliche Situation.

Apropos Michel: der meint auch, er sei allergisch gegen Licht, weil er morgens schlechte Laune und manchmal Kopfschmerzen hat. Ich denke ja, das liegt am Schlafmangel, genau wie Dauergeheul am Nachmittag/Abend. Leider hab ich heute auch wieder unter Beweis gestellt, das meine Mutter-Skills nicht so auf der Höhe sind, weil ich das mit dem Schlafmangel und „es ist eigentlich auch schon wieder Bettzeit“ ausgesprochen habe (–> mehr Geheul) und mir dann bei Michels Aufzählung, wie lange er sparen muss um sich irgendein Objekt der Begierde zu kaufen, nämlich „UND WIE LANGE SOLL DAS DAUERN, HÄH? SIEBEN UND SIEBEN UND SIEBEN UND SIEBEN UND SIEBEN MAL? UND SIEBEN UND SIEBEN…“ ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte –> „MAMA LACHT ÜBER MICH!!! WÄÄÄHÄHÄHÄHÄHÄ!“.

Tjanun. Muss alles, wird alles werden, irgendwie. (Heute für mich keinen Schnaps, morgen klingelt der Wecker auch wieder früh.)

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Auto-Lobhudelei: Ich werd durch den Job noch sowas wie diplomatisch.

Tag 1107 – Verantwortung.

Mein Kollege meinte neulich schon, wir sollten eine Sitcom aus der Firma machen. Ich wäre da sofort dabei und bin auch sicher, das würden sich Leute anschauen. Das ist alles nämlich dermaßen absurd da, das glaubt mir keiner. Heute zum Beispiel hatten wir ein Meeting mit der Geschäftsführung, das wieder ganz anders lief, als ich vermutet hatte. Ich dachte ehrlich gesagt, dass meine hübsche* Präsentation etwa das letzte ist, was ich für die Algen mache, weil die Geschäftsführung den Laden dichtmachen würde. Taten sie aber noch gar nicht, stattdessen soll ich jetzt die Präsentation nochmal schicken, zwei der Cases gründlicher und gewohnt kritisch** durchrechnen, dann schauen wir weiter, ob wir das weiter verfolgen, dann würde ich wohl doch nochmal einen Abstecher ins Labor machen, allerdings ein gemietetes und voll ausgestattetes, um zu gucken, ähhh*Betriebsgeheimnis*, dann schauen wir nochmal, ob sich der Prozess wirklich lohnen kann und dann würden wir wohl wirklich einen der beiden oder sogar beide Prozesse*** da hinstellen. Allerdings erst dann und nicht jetzt schon, weil, bei aller Liebe: der Plan einen 1,5 Kubikmeter fassenden Bioreaktor zu kaufen, wenn man noch gar nicht weiß, was man drin machen will und wozu, ist komplett hirnrissig und wird jetzt wohl sehr zum Missfallen des Chipsmanns auch auf Eis gelegt. Möglicherweise hat der Chipsmann dann gar keine Lust mehr mit uns zusammen zu arbeiten und ich kann nicht sagen, dass mich das übermäßig traurig stimmen würde.

Jedenfalls habe ich noch mindestens eine Woche lang einen Job, und (mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit, aber trotzdem!) würde immer mehr Verantwortung übernehmen können, für die eingeschlagene Richtung, für den Prozess und die Leute****. Und ich… freue mich drauf. Es ist schön, wenn einer zugehört wird. Wenn die Meinung was gilt und die Erfahrung. Und wenn sich die Arbeit, in die man ziemlich ungeplant***** geworfen wurde, auszahlt.

Leider wurde das Hochgefühl kurz getrübt, als ich den Zug ganz knapp verpasste und dann erst 5 Minuten nach 5 (also 5 Minuten zu spät) beim SFO war um Michel abzuholen. Da kam ich mir sehr verantwortungslos vor, kurz jedenfalls. Michel hat es aber ganz gut verkraftet, ich hatte ja auch direkt als der Zug ohne mich gefahren war angerufen und er wusste Bescheid. Trotzdem sollte das natürlich keine Gewohnheit werden.

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Auto-Lobhudelei: Dieses Meeting, ne? Ich war da schon echt gut. Und ich hab über mich gelernt, dass ich mir, wenn man mich mit unangenehmen Fragen in Verlegenheit bringt, in den Haaren und am Hals rumfummle und kann das beim nächsten Mal hoffentlich besser unterdrücken.

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*naja, was man halt so in drei Stunden zusammengekloppt bekommt

**die sind recht dankbar, nach langer Zeit mit sehr, sehr! optimistischen Produktivitäts- und Umsatzberechnungen mal eine Realistin da sitzen zu haben

***es ist kompliziert und nichts davon ist, was der Chipsmann eigentlich möchte. Aber was der Chipsmann möchte, wird sich niemals rechnen, so leid mit das tut

****Ich wurde auch endlich! mal gefragt, wieviele Leute denn so benötigt würden, um so eine Fabrik zu betreiben. Spoiler: ich allein kann’s nicht.

*****Ich bin eingestellt als Process Engineer, mir macht diese Rechnerei aber echt Spaß, sieht man davon ab, das die vor einem Jahr hätte passieren müssen

Tag 1104 – Gesagt, nix getan.

Nun, also, der Chipsmann, aka der Algenmann, also mein Chef eben ist seit heute aus dem Urlaub zurück. Er kam erst nachmittags, das fand ich um neun, als ich das nach einer Stunde Warten in Erfahrung brachte, nur so mittel. Dann musste ich aber eh zum NAV und zwar in Eidsvoll (nicht da wo ich arbeite, sondern da wo ich wohne) und das auch bitte zwischen 12 und 14 Uhr, also fuhr ich da hin und natürlich kam just in dem Moment als ich in Eidsvoll wieder aufbrach, der Chef in die Firma. Tjanun. Ich kam dann ja auch wieder zurück und dann lief alles mal wieder nicht so wie geplant, weil er in seinem Büro einfach die Tür zumachte und der Kollege damit vom Gespräch ausgeschlossen war. Auch wieder: tjanun.

Ich war dann sehr erwachsen und nüchtern und erzählte alles frei heraus, jetzt ist es halt gesagt und die Reaktion war ganz und gar nicht wie erwartet*, sondern auch der Chef ist dankbar und rechnet mir die Ehrlichkeit und Offenheit hoch an**. Ich weiß nicht, ob er die Tragweite des Ganzen verstanden hat, das wird sich morgen zeigen, wenn wir nochmal en Detail durch die Rechnungen gehen. Unerfreulicher Weise scheint sich eine Situation anzubahnen, in der sich Geschäftsführung und Chef gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben, aber erfreulicher Weise habe ich noch immer einen Job.

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Michel hat heute das I und das i gelernt. Michels Schreiblernbuch ist nicht sonderlich politisch korrekt und illustriert das mit einem amerikanischen Ureinwohner zum Ausmalen. Mal schauen, ob sich da noch Empörpotential ergibt.

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Auto-Lobhudelei: vernünftig geredet, keine Haare gerauft, den Chef nicht geschüttelt.

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*Heulen und Zähneklappern auf Norwegisch, vielleicht „Hrm!“ und den Raum verlassen um eine Runde durch den Wald zu drehen.

**das ist ja schön und gut und freut mich wirklich sehr, aber damit kann ich im Supermarkt leider nicht bezahlen.

Tag 1097 – Alles so spannend!

Meine beiden Kollegen und ich haben heute den Pilotreaktor in Betrieb genommen. Das ist ja schon ziemlich spannend, auch wenn das alles quick and dirty und genau genommen sehr Fußnagelhochrollend unsauber geschehen ist, aber wir haben ja nix und es ist eh nur um dem CEO und dem CFO, die am Donnerstag vorbei kommen wollen, zu zeigen, dass wir was tun. Bisschen ungünstig halt, dass der Chef (CTO, wobei, vielleicht bin das auch ich, man weiß es nicht so genau bei dem Laden) locker flockig durch die Berge wandert und der Rest die geballte Kompetenz von einem Maschinenbauer (in den Endzügen des Bachelors), einem Biotechnologen (in den Endzügen des Masters) und mir halt (noch nie mit Mikroalgen gearbeitet, aber einen PhD, immerhin, und Grundschulmathematik kann ich auch*) besitzen, was nicht viel ist. Aber egal. Alles für den Vorstand, alles für den Club.

Apropos Donnerstag: da wird ja Michel eingeschult und deshalb habe ich heute Zeug für die Schultüte besorgt. Jaja, nicht grad früh. Zum Ausgleich bekommt er auch keine mega fancy Sachen** sondern etwas besondere Stifte, Erstklässlerhefte zum Schreiben/Zahlen/Uhrzeit üben, einen Kinderkrimi aus seiner Lieblingsreihe und Anziehsachen. Ein bisschen Schlickerkram und, stimmt, ein Zip-Licht. Pippi kriegt auch eine kleine „Schul-„Tüte mit einem Ziplicht und einem Zahlenbuch, weil ich grad die Nerven einfach gar nicht habe, um empörtes Geheul während der Einschulung des großen Bruders aufzufangen. Meine Nerven werden ja damit beschäftigt sein, rechtzeitig beim Meeting aufzulaufen und dann einen, äh, souveränen Eindruck zu machen und nicht durchblicken zu lassen, dass ich am liebsten schreiend vor der Firma davonrennen würde.

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Auto-Lobhudelei: ganz viel Sachen entschieden, einige Sachen auch gegen leichten Widerstand durchgedrückt, nur wenig Haare gerauft bei „Warum hat denn niemand das Medium aus dem Kühlschrank geholt?“ und ich weiß seit heute dann auch, wie man mit dem Prius einem anderen Auto Starthilfe gibt. Und schamlos die neue Stelle in neue Bewerbungen eingearbeitet (Sachen entscheiden! Sachen durchdrücken! Sachen planen! Budgets ausrechnen!).

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*kleine Spitze, aus Gründen

**Ich bekam damals einen Anspitzer, das weiß ich noch, der war so schön. Aber es gab heute keine schönen. Ich bekam auch damals so dicke Buntstifte, die Stummel davon habe ich heute noch. Und eine Uhr, die habe ich aber irgendwann in der Schwimmbadumkleide verloren, irgendwie.