Tag 2116 – Dezentes Chaos.

„Mama?“ fragte Pippi heute, „Wie ist das, erwachsen zu sein?“ „Tja,“ sagte ich, “oft ganz schön anstrengend.” „Ja,“ sagte Herr Rabe, „man muss Steuererklärung machen.“ „Steuererklärung fristgerecht einreichen, ja, und manche kriegen davon anxiety und müssen erst mal ganz dringend ganz viele andere Sachen machen…“ und dann streckte mir Herr Rabe die Zunge raus.

Dann hörten wir die Lieder vom Skatteetaten, in denen besungen wird, dass man seine Steuererklärung machen soll: Money back on the skætt und Mo money back on the skætt. Wir beömmelten uns ein wenig über der Vorstellung, dass das Finanzamt so ein Video produzierte. Und dann kehrten wir zum Ernst des Lebens und der herskens skattemelding zurück. Frist ist heute, wir* machen es dann gleich, wenn die Kinder schlafen. Jaja. Hmmhmm.

Noch so ein Ding, was das erwachsen sein in 2021 ganz schön anstrengend macht: Coronaregeln. Allein heute wurden:

  • Die nationalen Regelungen beibehalten
  • Die regionalen Regelungen aufgehoben
  • Die lokalen Regelungen weitergeführt
  • Das Impfintervall für Comirnaty verdoppelt
  • Angekündigt, dass deshalb ab Juni alles viel besser(TM) wird
  • Angekündigt, dass es Öffnungen für Geimpfte (also Abwälzen der finanziellen Rettung bestimmter Branchen auf Geimpfte) demnächst dann ab drei Wochen nach der ersten Dosis geben soll.

Blick da noch wer durch.

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*Ich bin ja schon fast fertig, aber Herr Rabe… naja. Nicht so.

Tag 1091 – Bloß nicht zu viel Routine.

Heute den ganzen Tag Projektplanung betrieben. Naja, da hatte ich ja drum gebeten, mehr am Rechner und weniger im Labor zu sitzen, nicht wahr? Und immerhin habe ich einen eigenen Arbeitslaptop, zum ersten Mal überhaupt. Sonst haben wir nix da in der Chipsfabrik, aber einen Rechner und der ist jetzt meiner. Ha! Um das zu feiern und weil ich vorhin damit nicht fertig geworden bin, bis die Familie mich abholen kam, hab ich den Laptop gleich mal mitgenommen und halt das schlafunwillige kleine Kind in den Schlaf gearbeitet. Jetzt muss ich nur noch den Drucker suchen, auspacken, installieren, mein schickes Chart, für das ich den ganzen Tag gebraucht habe (erstes Mal und so, jetzt kann ich’s aber und Hurra für Chrome, sag ich mal), fünfmal ausdrucken und es morgen dann in einem ganztägigen Meeting an alle verteilen. Das Meeting ist in Oslo, das kleine Kind muss aber trotzdem nach Årnes in den Kindergarten, es ist alles ein neues Level an logistischem Aufwand aber da kann ich mich gleich mal dran gewöhnen, denn wenn ich den Projektplan mit dem Budget für Bemannung der Chipsfabrik abgleiche, werde ich da entweder sehr sehr viel sein oder frühzeitig (lies: morgen) anmerken müssen, dass das nie im Leben hinhauen kann. Voll schön so am dritten Tag. Aber ich wollte ja gern mehr zu sagen haben, nicht wahr?

Da wandern wieder Punkte aufs Erwachsenenkonto, das läuft wirklich bald über.

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Auto-Lobhudelei: nur einmal laut „Jesus!“ gesagt, als ich eine Schublade öffnete. Meine Kollegen haben’s nicht so mit Ordnung. Liebe Kollegen: so geht das nicht. Kussi – die neue Lab-Managerin slash Prozessingenieurin slash Einkäuferin slash Leitfähigkeitselektrodenbeauftragte.

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Tag 904 – Fast nahezu sowas ähnliches wie gut.

Alles geschafft, was ich vorhatte, nicht im Zeitplan aber was soll’s. Irgendwie nicht so geplant war, dass der Stoff für den Herrenpullover nicht reicht und ich jetzt morgen nochmal zum Stoffladen muss. Schlimm ist das, im Stoffladen bin ich ja waaaaahnsinnig ungern. Öhömm.

Auch gute Nachrichten bekommen: die Versicherung zahlt den Diebstahl, nach Abzug des saftigen Selbstbehalts, anstandslos. Beziehungsweise: hat schon gezahlt. Dann kann sich Herr Rabe jetzt ein neues Fahrrad kaufen und ich meins reparieren lassen. Eigentlich macht mich allein der Umstand, dass bei uns eingebrochen wurde, immernoch total sauer und dass sich niemand dafür wirklich interessiert auch, aber das vergessen wir mal. Und Herr Rabe wird wohl auch dazu übergehen, sein Fahrrad im Flur nochmal anzuschließen. Falls er sich nicht eh überlegt, dass er bis zu einem Umzug kein neues Fahrrad braucht.

Apropos Umzug: heute mussten wir den Antrag auf Wechsel des Kindergartens für Pippi stellen und ich habe mich dagegen gesträubt und mich dafür gehasst und es aber gemacht. Ich will hier nicht im August noch wohnen. Bittebittebitte nicht. In dem Zusammenhang natürlich besonders arschig von uns diesen Antrag zu stellen, denn andere Kinder brauchen den Platz vielleicht wirklich. Am liebsten würde ich den Antrag wieder löschen, ehrlich gesagt, aber ich rede mir ein, dass es so vernünftig ist.

Nochmal apropos Umzug: die Maklerfirma nervt unsagbar rum, dass wir den Mietvertrag verlängern sollen. Ich kriege da aus diversen Gründen zu viel: 1. ist das ein total unprofessioneller Haufen, die alles nach Schema F gemacht haben wollen, sich aber selbst nicht dran halten. 2. habe ich das an Herrn Rabe delegiert, aus Gründen (unprofessioneller Haufen und so). 3. Bekam ich (wieder, wie immer ich…) vor zwei (?) Wochen Freitags mittags (!) ne Mail von „unserem“ Makler: er sei ab Montag in Elternzeit. Was denn jetzt mit unserem Vertrag sei? Da bin ich dann auf total stur gegangen: so ne Elternzeit kommt ja ca. so überraschend wie Weihnachten, da innerhalb von drei Stunden oder so Antwort und Tat zu erwarten… ähhhhhahahahahaha! Nö. Dann war auch noch Montag direkt ne Mahnung über die längst bezahlte Miete im Briefkasten und ne Drängel-Mail von der Makler-Elternzeitvertretung im Postfach und echt mal: arrgh! Wir wohnen hier seit drei Jahren, die Miete war immer pünktlich, bis die sich überlegt haben, auf das sinnloseste aller Rechnungssysteme der Welt* umzustellen, wir haben kein Problem mit drei Monaten Kündigungsfrist, wir wollen nur nicht dass die drei Monate in drei Monaten erst anfangen, und vielleicht sollte ich da mal durchblicken lassen, dass ich in diesem Mieterbund bin, aber eigentlich sind mir meine Nerven dafür viel zu schade und so sagte ich eben zu Herrn Rabe: „Es ist mir egal, regel das wie du meinst. Die sollen nur aufhören zu nerven.“

Puh. Also naja, so halbgut alles eben.

(Mir fällt grad ein, was ich denen morgen sagen kann, wenn wir die Verlängerung unterschreiben: „Se? Det ordnet seg!“** *diabolisches Lachen*)

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*e-faktura. Das ist eine Art Mail ins Bankpostfach. Mehr nicht. Kein Bankeinzug, das wäre ja viel zu einfach. Wenn man vergisst, diese Mails alle paar Tage durchzusehen: Pech. Natürlich verbergen sich die Mails auch zwischen allerlei „legen Sie Ihr Geld soundso an!“-Spam. Und es gibt keine Kopie per normaler e-Mail. Nix. Da würde mans ja eventuell noch sehen und könnte es dann fristgerecht bezahlen. So… tja. Ich gucke halt nicht jeden dritten Tag da rein. Jeden 10. schon, deshalb war die Miete ja auch schon bezahlt, als eine Woche später die Mahnung mit Inkassodrohung kam. Mietmakleragenturen stinken. Diese zumindest.

**Det ordner seg = Das wird schon. Entsprechend: Det ordnet seg = Es wurde. Ich hasse den Satz in jeder erdenklichen Sprache, die Norweger lieben ihn und hauen den zu jeder Gelegenheit raus, mich macht das fast so aggressiv wie das allgegenwärtige „Lykke til!“ (Viel Glück), als ich herzog und noch nicht wusste, dass sie damit nicht „du wirst es brauchen“ meinen.