„Mama! Guck! Mama!“ rief Michel heute früh, noch mit seinem niedlichen Schlafgesicht*, riss den Mund auf und präsentierte mir seinen Wackelzahn. Der jetzt schon sehr doll wackelt und an dessen innerer Kante es ein bisschen blutete**.
Den ganzen Tag hatte Michel dann auch kein anderes Thema. Was wenn der Zahn nachts ausfällt? Tut er nicht, sagte ich, die fallen aus wenn man dran rum rupft oder beim Essen. Aber dann kann er ja nichts mehr essen! Gar nichts! Doch doch, sagte ich, ich püriere dir einfach alles oder ich kaufe gleich so Babygläschen, dann geht das schon***. Neeeein, sagte Michel.
Was wenn es wehtut? Oder wenn es doll blutet? Tut es nicht, sagte ich, die fallen aus, wenn sie so weit sind, wenn der neue Zahn den alten rausschiebt, dann tut das nicht so doll weh und blutet auch nicht so doll****.
Aber was machen wir mit dem Zahn wenn die Zahnfee ja nicht kommt*****? Den tun wir in ein Döschen, sagte ich. Aber das brauchen wir dann jetzt! sagte Michel.
Und so googelte ich heute nach Zahndöschen, weil es halt nach demWackelgrad zu urteilen eilt nur von norwegischen Anbietern und ich sah das rosahellblaue Kitsch-Grauen. Herrje. Oder, was ich auch wirklich schlimm finde: eine Dose mit Extra Loch in der Mitte für den Nabelschnurrest. Ähm, Moment, den Nabelschnurrest? Das vertrocknete, leicht müffelnde Dings aus toten Zellen, das damals in Michels Fall einfach ums Verrecken nicht abgehen wollte, bis der Kinderarzt mit einer ordentlichen Dosis Peroxid der bakteriellen Besiedlung Einhalt gebieten musste? Das hätte ich aufheben sollen? Um es dann knapp sechs Jahre in dieser Dose mit der niedlichen Babygravur im Deckel aufzubewahren, um dann nach und nach die Milchzähne reinzustecken? Entschuldigung, aber: IGITT. I-GITT. Aber außer dem und was mit einem Bärchen und Herzchen drauf gab es halt in Norwegen nur die Möglichkeit, die Zähne zwecks Konservierung der Stammzellen für sehr viel Geld einlagern zu lassen, weil man ja aus Stammzellen jedes Gewebe züchten kann, aber da rollen sich mir die Fußnägel bis zum Anschlag hoch, wenn ich solche Geldmacherei sehe, denn soweit ich weiß (ich habe jetzt keine Lust zu recherchieren und zu verlinken) ist es nach wie vor nicht mal eben möglich, mehr als ein paar Klumpen differenzierter Zellen (also quasi simpelstes Gewebe, zum Beispiel Herzmuskelzellen) zu erzeugen. Klar kann man Nervenzellen machen, oder Gehirnzellen, geht alles, aber was nicht geht sind die komplexen Netzwerke verschiedener Gehirnzelltypen (Spoiler: es sind nicht alle Gehirnzellen gleich!) in einer Petrischale wachsen zu lassen, geschweige denn die Klumpen irgendwie sinnbringend irgendwo hinzutransplantieren. Das ist also schon mal Humbug und dann kommt noch dazu, dass sich (wieder meines googlefaulen Wissens nach) kein Therapieansatz mit eigenen Stammzellen bisher als erfolgversprechend erwiesen hat. Ergo: lagern Sie von mir aus Stammzellen aus Nabelschnurblut oder Milchzähnen ein, wenn Sie Geld übrig haben und nicht wissen wohin damit. Aber versprechen Sie sich lieber nicht davon, dass ihr Kind damit so ne Art Superduperextraversicherung gegen Krebs oder wasweißich hat.
Ähm, hups, da ist es kurz mit mir durchgegangen, jedenfalls haben Michel und ich dann in einem Spielzeugladen diese kleine Tupperdose gekauft und wenn ich wieder Zugang zu meinen Stoffen habe, mache ich da noch ein Pölsterchen rein und gut ist.
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Auto-Lobhudelei: recht souverän diesen Dosenkauf mit hyperaufgeregtem Michel überstanden.
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* „puffy“ trifft es wohl. Naaww.
** jetzt verstehe ich meine Mutter, die sich unsere Wackelzähne immer gar nicht so richtig anguckte.
*** man kann Kinder nie früh genug an Ironie heranführen
**** von Wurzelkorrosion erzähle ich ihm dann, wenn der Zahn draußen ist.
***** ganz heikles Thema. Vermutlich kommt sie, ein mal, und bringt ein kleines Geschenk.
Hahaha! Die Stammzellensache ist fast vergleichbar mit dem „GUTEN Zucker und dem BÖSEN“!!! Wenn es nicht dabei immer wieder um Heilsversprechen in teilweise echt schlimmen Situationen ginge, könnte man ja lachen. Aber was da kursiert und gemacht wird, das ist schon verdammt blöd und auch gemein für Leute, die das nicht durchblicken. Und Zahnfee…ach ja, Himmel…ja, was Kleines (kann man sich notfalls einen Vorrat anlegen oder auch argumentieren, dass die ja eh nur einmal vorbei kommt bei all den schrecklich vielen ausfallen Zähnen aller Kinder auf der Welt…wenn`s denn glücklich macht, erwachen tun die Kinder dann sehr schnell in der Schule oder werden „erwacht“ über diese und ganz andere Dinge (Frage der 6 jährigen Enkelin nach 4 Tagen Schule:Oma, weißt du, wie man Babys macht? Der N. hat mir das gzeigt…“ —Oma im Ohnmachtsmodus…:-))). Und die Dose ist doch toll. Und nein, man hebt kein Nabelschnurkacki auf, nein, igittt!
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Sehr geehrte Frau Dr. Rabe,
großartige Dose! Zeig ich besser meinen Töchtern nicht, die haben nur so popelige Holzdöschen vom Weihnachtsmarkt. Habe ihre Namen mit Edding „eingraviert“.
Bei uns kommt keine Zahnfee. Meinen Wissenschaftlerkindern hab ich diesen konsumfördernden Zahn (‚tschuldigung, blödes Wortspiel) schnell gezogen. Zähne fallen von selber aus, das ist keine persönliche Leistung, da braucht es keine mystische Belohnung.
Allerdings kam bei uns eine „Schnullerfee“, weil die Schnullerentwöhnung für beide eine echte Herausforderung war.
Wünsche Ihnen alles Gute für den Endspurt zum Umzug!
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Bei uns kommt auch keine Zahnfee. Den Kindern habe ich erklärt, dass es die noch gar nicht gab, als ich in ihrem Alter war, und dass man nicht allen neumodischen Firlefanz mitmachen muss. Beim ersten Zahn gab es ein Zahndöschen.
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Meine Kinder haben problemlos akzeptiert, dass die Zahnfee nur beim ersten Zahn kommt. Auf eventuelle Fragen hätte ich wie immer in solchen Fällen geheimnisvoll geguckt und gesagt, dass man das halt nie wisse
wissen kann. Warum kommt zu uns das Christkind und zu anderen Leuten der Weihnachtsmann? Rätsel über Rätsel…
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Super Dose! Bei uns kam beim ersten Zahn die Mamafee, weil ich mich da auch irgendwie geweigert habe und brachte einen kleinen Brief und eine neue Zahnbürste. Und den Zahn hat die Mamafee von unterm Kopfkissen in die Dose gezaubert ;)
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Wir haben hier dreimal solche Pfefferminzpastillendöschen aus der Apotheke als Zahndosen (und weil die aus Deutschland importiert sind, ist auf einem sogar das Sandmännchen), die gab’s dann als Überraschung, als der erste Zahn ausgefallen war. Hätte ich allerdings gewusst, dass die Zähne – jeder einzelne Zahn von jedem einzelnen Kind! – allesamt zerfallen (ja, auch wenn die Dose einfach nur ruhig auf einem Regal steht) und sich in den Zahndosen nurmehr Gebrösel befindet, dann hätten wir vielleicht nicht nur auf die Zahnfee, sondern auch gleich noch auf die Zahndosen verzichtet…
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Echt? Zerfallen? Ich habe alle meine Milchzähne noch (in der Dose natürlich, ausser einem, der nie ausgefallen ist und auch nach fast einem halben Jahrhundert noch bombenfest sitzt). Da bröselt nix.
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Ja, das hatte ich auch so erwartet… Aber mehrere verschiedene Zahnärzte, sowohl finnische als auch deutsche, haben uns versichert, dass das kein Zeichen irgendwelcher Mangelerscheinungen oder sonstiger Probleme ist, sondern ganz normal…
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Bei vielen scheint das so zu sein, dass sie total zerbröseln. Dass sie ewig halten höre ich zumindest eher selten, dafür öfter „oh, heute mal in die Zahndose geguckt, nur noch Krümel drin“.
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Das beruhigt mich jetzt tatsächlich sehr! :-)
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Oh, nein bei uns gab es die praktischen gelben von den Überaschungseiern, Name mit Edding drauf, fertig.
Irgendwas einlagern zu lassen, neenee. Lieber Organspender werden, das nützt wenigstens was. Und die Zahnfee wollte schon auch kommen aber ich habe das lästige Insekt verscheucht, aber den Wackelzahn und seine Umgebung ordentlich mit Eis gekühlt haben wir schon.. ;)
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