Tag 2746 – Schultern senken.

So, die erste Inspektionswoche 2023 ist überstanden. Kann ja mal passieren, dass dann im Footer der Observationsliste noch 2022 steht.

Ich mag meinen Job immer noch.

Heute waren wir um zwanzig nach vier fertig, deshalb war ich um kurz nach halb sechs zu Hause (das wäre auch früher gegangen, aber Cardos war wieder von innen die Scheibe zugefroren und ich musste erst warten, bis die aufgetaut war). Dadurch konnte ich zum ersten Mal diese Woche Essen machen und sogar zwei Kinder ins Bett verfrachten und Herr Rabe konnte dadurch zu einer Musiksession gehen. Voll gut. Ich glaube, Michel fand auch schön, sehr ausgiebig mit mir zu kuscheln, ich fand das jedenfalls schön und bin nur irgendwann wieder aus seinem Bett aufgestanden, weil ich gerne noch ne Runde Bewegung einschieben wollte. Man sitzt ja doch viel auf dem Hintern bei Inspektionen. So langsam tat mir diverses weh, lustiger Weise unter anderem die Füße, aber die steckten ja auch stundenlang in Winterschuhen und konnten sich nicht bewegen, das sind die ja auch nicht mehr gewohnt. Aber eine Runde YouTube-Ballett und schon tut mir alles anders weh als vorher und die Füße sogar gar nicht mehr, toll!

Die Woche war tatsächlich so alles in allem gut. Freue mich trotzdem auf ein Wochenende ohne viel Kommunikation.

Tag 2744 – Piep!

Immer noch im Tunnel. Es ist gar nicht so schlimm, habe bisher sogar jeden Abend noch ein Kind ins Bett bringen können, weil ich früh genug zu Hause war. Aber mein Kopf ist beschäftigt und da ist wenig Platz für anderes als Dinge, die ich nicht erzählen darf.

Ich kann ja ein bisschen herumorakeln: heute habe ich ein Analysegerät kennengelernt, von dem ich noch nie auch nur gehört hatte. Teile der Hardware hätten auch in Newtons Labor stehen können und wären da nicht aufgefallen und als der Techniker mir erklärte, was das Instrument tut, musste ich kurz einen „der verarscht mich doch!“-Impuls unterdrücken, weil sich das alles seeeehr esoterisch anhörte. Aber das ist eine freigaberelevante Methode, also ganz und gar nicht esoterisch. Ich stand derweil so neben mir und bewunderte mich ein wenig dafür, wie ich es schaffte, ein professionelles Gesicht zu behalten und halbwegs so zu scheinen, als würde ich verstehen, was mir da erzählt wurde. Mein Job ist schon manchmal sehr merkwürdig. Das Gute an dem Analysegerät: es wird von einem Computer gesteuert und die Daten mit einer Software analysiert und DAS wiederum nehme ich inzwischen recht schnell und gezielt auseinander. Auch gut: ich hab wieder was ganz neues gelernt, etwas abgefahrenes, mit nah an Null Anwendungsbereich, herrlich.

Tag 2743 – Im Tunnel.

Grad ganz schlechter Empfang, bin noch bis Freitag im Inspektionstunnel. Was aber echt auch was für sich hat, weil es echt gut ist, sich eine Woche wirklich auf was fokussieren zu können, statt stündlich das Thema wechseln zu sollen und sich dabei noch zu Vorgesetzten und anderen Mitmenschen sozial verhalten zu müssen. Inspektion ist anders, da kann ich so viele Fragen stellen, wie ich will, niemand nimmt mir übel, dass ich „immer nur Probleme sehe“ und bis auf den Kollegen sehe ich die alle nur alle Jubeljahre bei Inspektionen (bei dieser Firma war ich sogar tatsächlich schon mal). Dagegen finde ich einen Manic Meeting Monday im Büro wesentlich anstrengender, ehrlich gesagt. Vielleicht spricht da aber auch grad die bisher sehr übersichtliche Findings-Liste aus mir. Wer weiß.

Tag 2741 – Die kleinen Alltagskatastrophen.

Neulich wusch ich Wäsche. Ich glaube Donnerstag. 40 Grad hell, aber ist eigentlich auch egal, es war noch ein Sack Socken mit drin, weil Michel überhaupt keine sauberen Socken mehr hatte, aber das erledigte sich durch den spontanen Kauf eines 7er-Packs, das Kind kriegt ja auch immer größere Füße. Weil da ja jetzt neue Socken in Michels Schrank waren, war es nicht so eilig mit dem Aufhängen der gewaschenen Wäsche, aber spätestens gestern fing ich an, mich drüber zu ärgern, dass das noch niemand gemacht hatte. Heute wollte ich es endlich machen, noch vor dem Frühstück, stellte dann aber fest, dass die Wäsche noch dreckig und das Waschmittel im Fach trocken war, also hatte ich die Maschine neulich wohl nicht angemacht, hoppla.

Aber dann sagte Herr Rabe etwas später, die Maschine laufe doch aber gar nicht. Diesmal war ich extra daneben stehen geblieben, bis ich das Geräusch der Pumpe hörte, war also ganz sicher, sie angemacht zu haben. Das war seltsam, denn ganz offenbar drehte sich die Trommel nicht und das Waschmittel war auch immer noch trocken. Also mal ausgemacht, abgepumpt, wieder angemacht, nichts. Flusensieb aufgemacht, extrem viel Wasser abgelassen, wieder angemacht, nichts. Leichte Panik jetzt, Wäsche und Waschmittel aus der Maschine geräumt, Reinigungsprogramm angemacht, nichts. Wäsche war unten nass, es ging also Wasser sowohl rein als auch raus, aber die Bewegung der Wäsche in der Maschine ist ja ein wichtiges Element beim Waschen, und dass das Wasser erst mal durchs Waschmittelfach läuft und das Waschmittel mitnimmt, auch.

Halten wir fest, es ist entweder der Motor oder irgendwas an der Steuerung kaputt. Beides bei einer 8 Jahre alten, damals günstigen, nicht-Gütersloher-Marken-Waschmaschine und norwegischen Handwerkerpreisen leider wirtschaftlicher Totalschaden. Tja, RIP Waschmaschine, du hast uns treue Dienste geleistet, Windeln und Bettdecken und Kuscheltiere gewaschen und dabei fast nie gemeckert. Zwei mal bist du mit uns umgezogen, oder vielleicht auch drei mal, das kriegen wir nicht mehr so auf die Kette (wenn drei mal, bist du sogar noch älter). Jetzt war also eine Maschine Handtücher, Geschirrtücher und Unterhosen deine letzte. Ich hätte dir gern einen würdevolleren Abschied bereitet, vielleicht Wolle, weil das Waschmittel (das einzige bei uns, das nach was riecht) so gut riecht. Morgen wirst du abgeholt zur Bestattung und du kommst sicher in den Waschmaschinenhimmel, wo das Flusensieb täglich mit lauwarmem Wasser durchspült wird.

Morgen kommt nämlich die eilig bestellte neue Waschmaschine und der Liefermensch nimmt die alte gleich mit und entsorgt sie. Der nimmt auch den Verpackungsmüll von der neuen wieder mit und entsorgt den. Was die 99 Kronen, die letzteres kostet, echt wert ist, weil ich grad gestern erst beim Entsorgungshof war und da 100 Kronen bezahlt habe um unter anderem Styropor und Pappe zu entsorgen. Außerdem hab ich mich auf dem Weg verfahren, ich war da ja bestimmt erst 10 mal und dann waren wir 2 Minuten vor Schluss da und die ganze Aktion war stressig und doof.

Naja, spontan ne neue Waschmaschine bestellen war nicht weniger stressig und doof, ehrlich gesagt. Aber immerhin konnten wir dieses Problem mit Geld bewerfen und es löst sich nun schnell. Den Stress und den kaputten Sonntag hätte ich allerdings nicht gebraucht.

Und wir wissen jetzt, was es inzwischen für Waschmaschinenschnickschnack auf dem Markt gibt. Wifi und weiß nicht was. Unsere neue wird Wäsche waschen und vermutlich knappe 8 Jahre halten, sie hat diverse Programme und ist energiesparend und das… reicht ja irgendwie auch? Als Bonus müssen wir nicht das Sparkonto komplett leeren für eine neue Waschmaschine.

Nächstes Wochenende bitte ruhiger.

Tag 2739 – Kultur.

Nach einem langen und stressigen Arbeitstag war ich heute Abend mal wieder in einem klassischen Konzert. Das war sehr schön, auch wenn die eigentliche Solistin krank war und eine andere Solistin, deren Namen ich noch nie zuvor gehört hatte, einsprang*. Tjanun. Es war jedenfalls Tchaikovskys Violinkonzert und danach die 2. Symphonie von Brahms, vor allem letzteres war wirklich ausnehmend toll. Die romantische Musik ist ja schon eher effektvoll und darin simpel, mehr so der Blockbuster unter der Musik, aber ich mag das gern. Ich mag auch vieles anderes, eigentlich kann ich nahezu jeder Musik was abgewinnen (Schlager vielleicht mal abgesehen, daran ist nur beeindruckend, wie viel Kohle man damit verdienen kann), aber Tchaikovsky und Brahms sind schon vorne mit dabei. Aber eigentlich wollte ich erzählen, dass ich immer seltsamer werde und jetzt schon auf normale Menschengeräusche gemixt mit einem sich langsam sammelnden und einspielenden Orchester so empfindlich reagiere, dass ich die Noise Cancelling Kopfhörer reinmachen um das wenigstens zu dämpfen. Das erschien mir weniger seltsam als Ohren zuhalten, aber bei Licht betrachtet… naja.

Auf der Rückfahrt war in der Lautstärke und von mir empfundenen Nervigkeit übrigens eine Seniorinnentruppe auf dem Weg von (nehme ich an) einem Abendessen oder ähnlichem mit einer Gruppe Teenie-Mädels auf dem Weg zur Party gleichauf. Aber im Zug kann man immerhin über die Kopfhörer auch sehr laut Musik hören (The Offspring, fürs Kontrastprogramm) ohne dass man irgendwie auffällt.

Frage mich trotzdem wo das noch hinführen soll, wenn ich mich bei Menschengeräuschen schon so anstelle. Hütte im Wald? Gar nicht mehr rausgehen? Konzerte nur noch mit akustischen Scheuklappen? Es ist schwierig.

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*dafür steht die aber auf dem Bild zum Programm mit ihrer Geige, aber ohne Bogen, in einem flatterigen Abendkleidchen und Stilettos auf einem Felsen mitten in einem kahlen, norwegischen Fjord und ich frage mich WARUM, wie kommen Fotografen auf solche Ideen. Nichts daran macht irgendeinen Sinn. Gefährlich ist es obendrein mit den Schuhen. Kalt auch, die arme Frau friert sicher. Spielen kann sie da nicht, hat ja keinen Bogen. Es würde sie vermutlich auch niemand hören in so einem einsamen Fjord, außer der fotografierenden Person. Wie gesagt. WARUM.

Tag 2738 – Lieber schlafen.

Michel hat es grad irgendwie schwer. Scheinbar ist es schwierig, in der 5. Klasse zu sein. Jedenfalls wollte ich gern, dass er weiß, dass ich da bin, und so wurde aus GEH WEG!!! Vorlesen, neben ihm im Bett liegen ohne berühren, dann ein knochiger Po und Füße, die sich zu mir schoben, dann kuscheln und dann bin ich eingeschlafen. Michel wohl auch.

Naja, heute dann kein Sport, man kann nicht alles haben.

P.S. Ich möchte irgendwo beantragen können, dass mein Körper diesen Zyklus beendet. Alles tut weh und ich mag nicht mehr und mein Antrieb ist auch nicht wirklich existent.

Tag 2737 – Back to müde.

Drei mal früh aufgestanden diese Woche, wär jetzt bereit für Ausschlafen. Haha.

Michel hat mich vorhin auch sehr wütend angegrunzt, als ich ihm erklärte, dass seiner Schule und meiner Arbeit leider egal ist, dass wir abends noch mal aktiv werden und schlecht ins Bett und morgens dann da schlecht wieder raus kommen. Ich fühle das sehr. Michel möchte sich später eine Arbeit suchen, wo er nur nachts arbeitet, das ist eine sehr pragmatische Herangehensweise (leider ein bisschen kurz gedacht und mit Familienleben eher mittelgut kombinierbar).