Tag 1076 – Ferientag 12. Von der Zerrissenheit.

Ach, ach, ach. Ich ärgere mich so über mich. So gerne würde ich den Kindern schöne Ferien bereiten und tiefenentspannt so Ausflüge wie heute machen: wir waren nämlich heute auf Munkholmen, ein (vermutlich) letztes Mal, mit meiner Schwägerin. Da war es wirklich schön, aber ich kann halt grad nicht ohne aber. Weil ich einfach noch sehr viel zu tun habe und mir das Abschalten schwerfällt, wenn mir die ganze Zeit im Kopf herumgeht, was noch alles zu tun, zu packen, zu organisieren ist und wie ich das wohl am besten hinkriege ohne irgendwen zu erwürgen, der versehentlich irgendein kleineres Detail eines Stückchen des großen Plans durchkreuzt. Puh. Und die Kinder haben das ja irgendwie auch nicht verdient, so Ferien, in denen die Mutter dauernd irgendwas tut oder genervt oder abgelenkt ist, weil sie nichts tun kann.

Was das schlechte Gewissen noch verstärkt: ich bin bei der ganzen Organisation voll in meinem Element. I love it, ehrlich gesagt. Aber dann greift auch direkt dieses ätzende Protestantische* Arbeitsideal, das mir sagt, das sei Arbeit, dürfe also keinen Spaß machen, schon mal gar nicht, wenn ich dafür kein Geld kriege und die Zeit mit den Kindern drunter leidet. In den Ferien! Puh. Ich rede mir ein, dass es für die Kinder bestimmt noch schlimmer wäre, wenn der Umzug chaotisch und planlos vonstatten ginge, das hilft etwas.

Noch eine Woche. Puh, puh, puh.

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Auto-Lobhudelei: Shit done gekriegt. Und ein biiiisschen am Strand entspannt.

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*ich bin ja nicht getauft und auch nicht gläubig, aber halt so erzogen, dass Arbeit und Vergnügen in jedem Fall zwei unterschiedliche Dinge sind, die günstigstenfalls zeitlich zusammentreffen.

Tag 931 – „Organisation ist alles.“

Schrieb ich gestern. Und wie toll ich vorbereitet sei. Yeah.

Von da zu „Ach du Scheiße, ahhhh, alle rein in die Klamotten, hier, nimm nen Smoothie mit als Frühstück!“ waren es nur 10 Stunden.

Und das kam so: um 04:50 kam Pippi angetappst um Banane zu essen. Davor war ich schon geraume Zeit von Michel zwangs- und kampfbekuschelt worden. Nachdem Pippi mit Banane und Wasser und „mir ist kalt“ und Gewühl fertig war, schlief sie wieder ein. Ich überlegte, ob ich aufstehen soll, tat es aber dann doch nicht und schlief kurz vor dem Weckerklingeln auch wieder ein. Es folgte ungut langes Snoozegedrücke. Aber ich war ja vorbereitet, kein Problem!

Ich stand irgendwann dann doch auf, wusch mir die Haare und das Gesicht, zog mich an und machte einen Kaffee. Pippi wurde von Michels Gewühl wach. Sie war aber zufrieden damit, den Rest Nudeln von gestern zu frühstücken, ich nahm also meinen Kaffee mit ins Bad und wollte grad anfangen, mich zu schminken, als Michel kam und direkt fünfunddreißig Dinge von mir wollte, dann war auch Pippi wieder da und sagte, ihr sei kalt, also zog ich erstmal Pippi um und versuchte, Michel dazu zu überreden, Wollsachen anzuziehen. Es sind -15 Grad und Mittwochs ist Ausflugtag, da ist das eigentlich keine Diskussion, es wird lange Wollunterwäsche angezogen und auch Wollsocken. Michel sieht das mit dem „keine Diskussion“ aber ganz und gar nicht so und diskutiert das tagtäglich mit mir aus. „Ich mag die Socken nicht.“ „Ja, ich weiß, aber frieren magst du noch weniger.“ „Aber vielleicht gehen wir heute gar nicht raus.“ „Ihr geht jeden Tag raus und heute ist Tourtag, da ganz sicher.“ „Ist heute Skitag?“ „Hä? Nein, es ist ganz normaler Tourtag.“ „Bist du sicher? Kannst du eine SMS schicken?“ „Ich kann das in meinen mails nachgucken. Aber egal wie, du musst die Wollsachen anziehen!“ „Kannst du das jetzt nachgucken?“ „Ja, ich mache ja schon.“

Ja, raten Sie mal.

„Skitag für Jahrgänge 2012 und 2013, Schlittentag für 2014 und 2015. Treffen spätestens 08:30 Uhr.

Es ist 08:10 Uhr.

Ich bin dann mal wach.

„Aber wir haben eh keine Ski für dich, die hab ich L. zurückgegeben! Du kannst deinen Schlitten mitnehmen. Aber wir müssen in 10 Minuten los, zieh dich jetzt sofort an.“

Bei Michel kam nur „keine Ski“ an. Und er weint jetzt. Und weil ich mit Stress ja total gut umgehen kann, schnauze ich ihn an, dass ich das jetzt halt auch nicht ändern kann aber wenn er heult, kommen wir zu spät und dann sind die schon weg und er muss mit den Babys im Kindergarten bleiben. Das hilft insofern, dass Michel sich jetzt endlich anzieht. Mir fällt ein, dass die Skischuhe noch auf dem Dachboden sind, die waren der Tochter von L. nämlich zu klein. „Dann kannst du dir vielleicht von jemand anderem Ski ausleihen.“ Ich renne auf den Dachboden und hole die Schuhe. Mache Michel Cornflakes und öffne Pippi einen Smoothie – die hatte ja vor 3 Stunden ne komplette Banane. Michel sagt „Aber die Ski sind doch im Keller…?“, ich erinnere mich vage an sowas wie „Wir brauchen nur die Stöcker zurück, H. hat jetzt längere Ski.“ und renne in den Keller. Da sind tatsächlich die Ski. Und die Stöcker auch. Hupsi. Haben wir wohl vergessen, zurückzugeben. Ganz offensichtlich. „Organisation ist alles.“ Egal, ich raffe alles zusammen und renne wieder in die Wohnung hoch. Die Kinder sind so mittelfertig mit ihrem Frühstück, es ist 08:20 Uhr, ich scheuche beide ins Bad zum Zähneputzen und Kämmen. Michel ist jetzt auch sehr sehr aufgeregt. Den zähnegeputzten Kindern sage ich, sie sollen ihre Skianzüge anziehen, während ich die Brotdosen und Wasserflaschen und den angefangenen Smoothie auf die Rucksäcke verteile. Geht natürlich nicht, weil Pippi auf Michels Ski eifersüchtig ist und Michel sich darauflegt, damit Pippi nicht drankommt. Ich schnauze nochmal beide an. Es ist 08:27 Uhr. Ich schreibe dem Kindergarten die leicht euphemistische SMS „Sind auf dem Weg.“, stopfe Pippi etwas unsanft in ihren Anzug, helfe Michel bei seinen Reißverschlüssen, überrede Pippi zum Tragen von Schuhen, Michel klemmt Ski und Stöcker unter den Arm, ich die Rucksäcke und Skischuhe, grabsche auf dem Weg aus der Tür noch schnell meine Handschuhe und unten Pippis Schlitten und dirigiere irgendwie die Kinder über die Straße. Keins wird überfahren. Um 08:33 Uhr ist alles Gedön im Kofferraum und wir alle angeschnallt. Pippi hat Rotzwürmer und ich kein Taschentuch. Es ist wirklich saukalt, so ohne Mütze merke ich das doch sehr. Um 08:36 Uhr sind wir an der KiTa. Michel nimmt wieder seine Ski und ich den Rest. Der KiTa-Bus steht da noch – weil er nicht startet. Die großen Kinder sind auf dem Weg raus, die Kleinen sind aber drin. Michel braucht Hilfe mit den Skischuhen. Die sind echt sehr sehr eng. Pippi und ihre Rotzwürmer stehen verloren mitten im Große-Kinder-Gewusel, Michel zappelt und erzählt mindestens drei Leuten gleichzeitig, dass ich vergessen habe, dass Skitag ist, und dass ich vergessen habe, meiner Kollegin die Ski zurückzugeben. Nach gefühlt ewigen fünf Minuten habe ich Michel in die Skischuhe bekommen, da fehlt sein Handschuh. In der KiTa-Garderobe sind gefühlte 30 Grad. Pippi will hoch, alle anderen Kinder reden, rufen, brüllen und meine Synapsen laufen langsam vor Transmittern über. Ich sage unwirsch zu Michel, dass sein Handschuh nicht weg sein kann, der war ja vor drei Minuten noch da und bringe Pippi nach oben. Die ist erst happy, ihre Freunde zu sehen, stößt sich dann aber den Kopf und weint und will, weil ich noch da bin, natürlich nicht von der Betreuerin getröstet werden, sondern von mir. Aber immerhin darf die Betreuerin ihr endlich die Nase putzen. Als ich unten aus der KiTa komme, ist es 08:51 Uhr. Aber ich kann noch nicht nach Hause fahren, denn ich werde von Michel überfallen, der seinen einen Ski nicht anbekommt. Mit langsam absterbenden Ohren und Fingern helfe ich ihm bei seinem Ski, was sich schwierig gestaltet, weil er die ganze Zeit nervös herumhampelt und als dann der Bus endlich startet, ist alles vorbei. Glücklicherweise kriege ich in der selben Sekunde den Ski fest.

Um 09:02 Uhr bin ich wieder zu Hause, völlig im Eimer.

Organisation ist halt alles, ne?

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Auto-Lobhudelei: Herrje. Überlebt. Kinder haben warme Dinge an, Essen dabei und waren nahezu pünktlich da. Und inzwischen bin ich auch bei der Arbeit.

Tag 483 – WmDedgT Mombie Edition. 

Es ist der 5., Frau Brüllen will wissen: „Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?“.

Pippi turnte gestern noch die halbe Nacht durchs Bett und spielte Guckuck-Böhh und machte allerlei anderen Quatsch, der sonst super niedlich ist, aber eben nicht, wenn in wenigen Stunden der Wecker klingelt. Irgendwann schlief sie ein. Und wir dann auch. Als ich gerade die tiefste aller Tiefschlafphasen erreicht hatte, riss mich ein Rumms und infernalisches Gebrüll aus dem Schlaf. Pippi war aus dem Bett gefallen. Hatte sich das Kinn am Nachttisch aufgerissen und war zu Recht entsetzt und brüllte und brüllte und brüllte. Als sie sich wieder beruhigt hatte, konnte ich erstmal eine Weile nicht wieder einschlafen. Kurze Zeit (ca. 4 Stunden) später wurde ich von Michel geweckt, der kurz vor dem Weckerklingeln in mein Ohr schreiflüsterte: „Mamaaaaa! Ich will aufstehen und mit dir Frühstück machen!“.

Soviel zur letzten Nacht. Natürlich wollte Michel nicht wirklich Frühstück machen, sondern sein Adventskalenderpäckchen öffnen. Dann musste ich ihm mit halb geschlossenen Augen helfen, die neuen Teile am Frosch anzubringen. Ich machte mit halb geschlossenen Augen Kaffee, fror mit halb geschlossenen Augen Brot und Brötchen ein, wusch mir mit halb geschlossenen Augen die Haare, zog mich mit halb geschlossenen Augen an und malte mir mit halb geschlossenen Augen ein Gesicht auf. Nach dem Kaffee bekam ich die Augen dann endlich ganz auf, sah, wie rot sie waren und machte sie wieder halb zu. Ich half Herrn Rabe noch, die Kinder fertig zu machen und düste dann zur Arbeit. Die frische Luft half gegen die Augenproblematik ebenso wie all die anderen Verkehrsteilnehmer, hauptsächlich die Fahrradfahrer regen mich morgens echt auf, wenn es dunkel ist und die ohne Licht, ohne Reflektoren und ganz in Schwarz auf schwarzen Fahrrädern um irgendwelche Ecken geschossen kommen. Da kann man schon mal Puls kriegen. 

Bei der Arbeit dann aaaahhh, Stressstressstress, schon zwanzig nach Acht, zack, Haarwachs, Ohrringe, Joghurt, Müsli, Laptop an (hatte ich mitgebracht, im Meetingraum ist der Computer kaputt), noch mal die Präsentation gecheckt, nen Babybild von der neugeborenen Pippi an die Stelle „und hier bin ich in Elternzeit gegangen und guckte ne Weile nicht auf nackte Proteine sondern dieses wunderhübsche Kind an“ gebastelt, ahhhh schon zehn vor neun, ab in den Meetingraum, Laptop angeschlossen (mein Stressmoment weil Apple und man weiß ja nie, war aber denkbar einfach), drei Minuten im leeren Raum rumsitzen und merken, wie die Augenlider schon wieder schwer werden, und schon kamen Leute. 

Erst Smalltalk, dann Vortrag, war ganz ok, ich war einfach sehr müde und nicht besonders entertaining, aber die Folien waren gut, Zeitplanung klappte gut (20-30 Minuten ist Vorgabe, ich redete 25 Minuten), Fragen gab es nur eine und die konnte ich gut beantworten. Wurde hinterher für den guten Überblick gelobt. 

Dann Labor, ahhhh, schon so spät, alles geschachtelt, Gel hier, Zellen da, Cytotoxicity-Test, „Siri, stell einen Timer auf eine Stunde“, kurz (wirklich sehr kurz) Mittagspause, wieder Gel, Zellen, Zellen, Zellen, meine Fresse, wieviele Zellkuturflaschen habe ich denn?*, besorgter Blick auf die Uhr, Zellen, Zellen, wieso ist es um halb zwei quasi dunkel?, Zellen, „Hast du Mittwoch Abend Zeit, was Essen zu gehen?“, Zellen, Zellen, igitt, Fibroblasten sind ja mal eklig, Zellen, ahhhhh das klappt alles nicht, den Frisör angerufen, es wird etwas später, Zellen, Zellen, Zellen einfrieren, Gel färben, Hose an, Jacke an, Reflektoren an, in Windeseile zum Frisör gerast. 

Beim Frisör wars sehr schön. Ich mag den. Und ich hab jetzt sehr viel weniger Wolle auf dem Kopf. Und ich bekam einen Kaffee. Viel Liebe dafür. Dafür entdeckte ich im Frisörspiegel die ersten echt ernstzunehmenden Falten. Die gute Nachricht: alles Lachfalten um die Augen, da kann ich gut mit leben. 

Dann nach Hause, ich hatte 45 Minuten, bevor ich wieder los musste, die Kinder abholen. Ich machte den Fernseher an und um nicht einzuschlafen, lackierte ich mir die Fingernägel. Unterlack und zwei Schichten blau-grün aus dem Adventskalender schaffte ich, dann hätte ich zeitlich die Wahl zwischen Überlack oder Kaffee. Die Wahl fiel auf Kaffee. War so halb schlau, der Kaffee machte mich zwar etwas wacher, aber dafür ruinierte ich mir an einem Finger durch die Handschuhe die ich zum Kinder abholen anzog, den Lack. 

Mit Kaffee die Kinder abgeholt, waren mit einem anderen Kind die letzten. 25 Minuten vor Ende. Tjanun. Fahrradanhänger zum Buggy umgebaut, da stimmte aber irgendwas  nicht, im Endeffekt fuhr ich die Kinder mit angehobenem Vorderrad nach Hause. Braucht man dann auch keinen Sport mehr nach. 

Zu Hauso wollte Michel wie immer Shaun das Schaf gucken und Pippi was essen, also machte ich beides bereit. Ich korrigierte den vermackelten Zeigefingernagellack mittels Lack und einem Zahnstocher. Dann las ich ein bisschen in der mit Essen/Fernsehen erkauften Ruhe den Feedreader leer und freute mich über alles irgendwie. Ich war ganz selig am Ende. Vor allem freute ich mich dass es Frau Novemberregen besser geht und sie wieder öfter bloggt. Am liebsten hätte ich sie und meine anderen Feedreaderinhalte durchs Telefon umarmt. Komische Adventsanwandlungen sind das. 

Zeitgleich mit Herrn Rabes Heimkehr fing ich an, die Pizza zu belegen, die es eigentlich gestern geben sollte, aber dann aus Gründen doch nicht gab. Dann halt heute. Die war auch sehr lecker, auch wenn es etwas Übung bedarf, den Teig nicht auszurollen (geht eh nicht bei dem, der ist zu weich) sondern in Form zu ziehen/fließen zu lassen. Zwei der Pizzen waren dann auch für meinen Geschmack zu dick und zu klein. Mehr Üben. Schlimm. 

Nach dem Essen war Pippi gelinde gesagt ungehalten. Sie hatte auch schon wieder die ganze Zeit die Finger im Mund. Und sabberte wie verrückt. Der vierte Backenzahn ist ja auch schon seit bestimmt drei Tagen durch, da kann man schon mal wieder zahnen. (Hier mütterliches Haareraufen vorstellen.) Ich wickelte die protestierende Pippi, zog ihr ihren Schlafi an und putzte ihr zwei der zehn Zähne, danach brüllte sie so, dass ich’s einfach dabei beließ. Besser als nix. Dann steckte ich sie in die Trage und verzog mich mit ihr ins dunkle Schlafzimmer, wo sie nach zwei Minuten Gemecker einschlief. Dann holte ich Glitzerzeig, Überlack und Trockentropfen und verzog mich mit dem Kram und dem schlafenden Kind umgewickelt wieder vor den Fernseher. Ich schaffte nochmal dreißig Minuten Gilmore Girls (meine Güte sind die neuen Folgen langweilig!) bevor Pippi zu brüllen anfing. Aber immerhin sind die Fingernägel jetzt fertig lackiert. 

Bling, Bling! 😍

Seither liege ich mit Pippi im Bett und schreibe den Tag auf. Könnte schlimmer sein. Gleich Stricke ich noch ein bisschen bei der letzten halben Stunde Gilmore Girls „Spring“ und dann geht’s früh ins Bett. 

*6 96er Platten, 23 75cm^2 Flaschen, 8 175 cm^2 Flaschen. Tendenz leider immer noch steigend. Aber nicht mehr lange, juchuh!