Tag 2695 – Im Bett.

1. Tag frei, ich habe so in den Tag gelebt und das war ganz schön so. Ganz abschalten konnte ich nicht, im IT-Projekt musste ich zumindest verhindern, dass meiner armen Kollegin die Schuld für das nicht erfolgte Testen (aufgrund mangelnder Testdaten) in die Schuhe geschoben wird. Es ist alles so ein Rotz, ey.

Apropos Rotz: die Familie hat mich angesteckt. Habe Halsschmerzen und fühle mich seit dem Abend auch, als bekäme ich Fieber. Spitze.

Tag 2372 – Game on.

Wir haben eine neue App. Ich möchte noch ein paar Tage Erfahrungen sammeln, dann erzähle ich mehr dazu, aber es wirkt erst mal vielversprechend. In diesem Zusammenhang habe ich auch zum ersten Mal überhaupt einem App-Entwickler geschrieben. Wer weiß, vielleicht kriege ich ja eine Antwort, die auch für Sie erhellend ist.

Was mich zum nächsten Thema bringt. Facebook. Ich muss auch Facebook meiden, denn ich kann mich nicht abgrenzen von all dem, was ich da aufgrund meiner deutschen Blase lese. Ich lese sinngemäß, wer sich nicht boostert, will Risikogruppen töten (und verdient dementsprechend auch keine Teilhabe an irgendwas) und wer seine Kinder (5-11 Jahre) nicht impfen lässt, liebt diese nicht („will sie nicht behalten“). Eltern lassen ihre Kinder nicht mit ungeimpften Kindern spielen. Und ich weiß, dass das eben die deutsche Sicht ist und ich weiß, wir hier sind nicht gemeint, ich lese das aber trotzdem und schaffe es eben nicht, mich emotional dagegen abzugrenzen. Denn wir sind nicht geboostert (ich habe es versucht, heute, aber da ich nicht lügen kann, bin ich frühestens in fünf Wochen – eigentlich in Norwegen gar nicht – dran, weil ich ja Corona hatte) und die Kinder sind nicht geimpft. Wir sind *die*. Mit den schmutzigen Kindern, quasi mit einem Fuß Impfgegner.

Also auch kein Facebook mehr für mich.

(Bevor Sie einen „Da kann man sicher was machen!“-Reflex bekommen: nein. In Norwegen nicht. Dafür ins Ausland reisen, mehrmals, weil ja auch die Kinder dann drei Dosen brauchen, und sich dort eine von einem anderen Staat bezahlte Impfung geben lassen, die ich hier eventuell gar nicht registriert bekomme, kommt nicht in die Tüte, so wichtig finde ich die Impfung dann tatsächlich nicht. Äh, wollte sagen, meine Kinder sind mir egal, eigentlich kann ich sie auch gleich im Wald bei den Bären aussetzen und sich selbst überlassen.)

Und die Moral von der Geschicht: Pandemie und soziale Medien vertragen sich nicht.

Der Vollständigkeit halber heute gut: Geige gespielt, Spaziergang gemacht, von beiden Kindern Hausaufgaben angehört (red riding hood und das abc. Abcdefghijk-ellomello-p.). Bei der Arbeit niemanden fern-erwürgt. Abends endlich ein Paket aus der „Instabox“, einer Art Packstation, abgeholt. Zum Glück hopste kein Tier vor‘s Auto, bei dem Nebel hätte ich es vermutlich erst gesehen, wenn es im nicht vorhandenen Kühlergrill gehangen hätte.

Unscharf, weil die Kamera auf nichts fokussieren konnte. Ein Wetter, das den Einsatz von Nebelscheinwerfern und -Schlussleuchte rechtfertigt. (Für das Bild habe ich angehalten.)

Für die interne Referenz: man konnte von der Ecke Nesvegen-Gruemyra unser Haus nicht sehen, obwohl in der Küche das Licht und am Carport die Lichterkette an war. Man konnte überhaupt nicht sehen, dass da Häuser stehen.

Tag 2364 – Back in the homeofficegame.

Ach ich weiß auch nicht. Ich komme nicht aus dem Quark am Schreibtisch zu Hause. Ob physisches Office helfen würde, weiß ich aber auch nicht. Nicht wenn Pandemie nicht auch rum wäre, sonst ist Büro ja nur eine Geisterveranstaltung mit deutlich erhöhter Infektionsgefahr. Post-Pandemie ist Büro auch mit einer offenen Box mit allen privaten Dingen drin, und ohne feste Sitzplätze aber mit einem Sammelsurium an verschiedenen Stühlen. Man sollte also aufpassen, was man sich wünscht.

Unsere Direktion wünscht sich jedenfalls, dass wir wieder mehr ins Büro kommen. Sie waren ganz enttäuscht, dass die Begeisterung für Büroarbeit im Herbst gar nicht so groß war. Ja, hmm, erstens hatten manche von uns im Herbst Corona und/oder Kinder mit Corona oder in Quarantäne, zweitens ist es wenig attraktiv, eine Stunde in ein leeres Büro zu gurken, da mühselig meinen Stuhl (SOLANGE ES MEINER IST, IST ES MEINER!!!) wieder so einzustellen, wie ich ihn haben will, mit dem Rest der Technik zu kämpfen, in der Kantine eingeschränktes Angebot zu finden, und dann wieder eine Stunde zurückzugurken. Das einzige, was mir das bringt, ist eine vielfach gesteigerte Infektionsgefahr und Puls, wenn ich die Plexiglasscheiben sehe, die magisch aus 80 cm einen Meter machen (der auch nicht reicht, wenn man da stundenlang ohne Maske atmend sitzt, aber das gibt mein Arbeitgeber nicht zu). Potenzspammails wären stolz auf meinen Arbeitsplatz.

Alles doof. Vielleicht spielt der Zyklus mit rein. Vielleicht, dass Herr Rabe eine Waage ins Bad gestellt hat, die irgendwas von Weihnachten und Zyklusendwasser und faul im Homeoffice rumgehangen erzählt, wenn ich mich darauf stelle. Ich könnte jetzt sagen, die ist kaputt, oder meine Klamotten seien offenbar sehr sehr schwer, aber who am I kidding. Der Spiegel sagt das auch schon seit vor Weihnachten, und dass es hier und da immer öfter mal zwackt, spricht auch dafür, dass ich mich definitiv wieder mehr bewegen sollte. Dabei ist mir immer noch mehr nach Winterschlaf. Seufz.

Wake me up when pandemic ends.

Tag 2330 – Tiltak hier, tiltak da.

Tiltak heißt Maßnahme, vær så god, Norwegisch lernen mit Frau Rabe.

Die Regierung hat heute neue Maßnahmen bekanntgegeben, wie wir die vierte Welle bekämpfen und dafür sorgen, dass die Krankenhäuser nicht überlastet werden (mit dem Virus leben usw. blabla). Wir sind nämlich mittendrin in einem steilen Anstieg von Infektionszahlen und Krankenhausbelegung und auch Toten. Wir verhindern das jetzt, indem wir nun doch alle über 18 mit einer dritten Impfdosis versorgen. Bis Ostern. Nein, ich habe mich da nicht vertan und meine eigentlich Weihnachten. Im Grunde war’s das auch schon an tiltak, ansonsten gibt es noch zahnlose anbefalinger (Empfehlungen), dass die Kommunen vurderinger (Überlegungen) anstellen sollen. Aber bitte zum Julebord (Weihnachtsfeier) gehen, in Oslo wird halt empfohlen, auf dem Weg dahin im ÖPNV Mundschutz zu tragen (ja, empfohlen), aber drinnen kann man sich dann mit vielen Leuten essend, trinkend, lachend an den Tisch setzen. Und warum? Weil sonst ganze Branchen pleite gehen, weil keine nationalen tiltak und schon gar keine Krisenpakete kommen.

Und wissen Sie was? Ich gehe morgen mit den Inspekteuren essen. Nicht mit dem ganzen Werk (sonst hatten wir immer julelunsj (Weihnachts-Mittagessen), das scheint es dieses Jahr nicht zu geben), sondern mit den 15 Leuten, mit denen ich tagsüber schon 3 Stunden in einem Raum gesessen haben werde. Weil wir die letzten anderthalb Jahre alles immer abgesagt haben, und sich von allen anderen Seiten ein Scheiß um Pandemie geschert wird. Irgendwann ist selbst bei den Vorbildlichsten die Luft raus. Raymond [Bürgermeister von Oslo] sagt, julebord geht klar, also gibt’s julebord light für uns.

Gleichzeitig wünsche ich mir mehr als Empfehlungen und Booster in 4 Monaten von der Regierung, weil solche Entscheidungen treffen wie „soll ich echt hingehen? Soll ich die einzige sein, die nicht hingeht?“ mich so furchtbar müde macht.

Bei der Arbeit habe ich den ganzen Tag damit zugebracht, die tiltak von anderen durchzugehen. Das wäre normalerweise sicher schneller gegangen, aber die Konzentration lässt halt noch schnell nach.

Gute Nachrichten (keine tiltak involviert): meine Stimme wird ganz langsam besser. Ich kann fast wieder normal singen. Ginge sicher mit Logopädie/Gesangsunterricht (machen Logopäden auch Sachen mit dem Stimmapparat selbst? Das Problem ist ja da unten) deutlich schneller, aber ehrlich gesagt habe ich keine Kapazitäten für diese Baustelle und es wird ja besser, also wird es sicher irgendwann auch wieder normal oder ein neues Normal, das mich nicht stört. Abwarten und Tee trinken und sich freuen, dass das ein Luxusproblem ist.

Tag 2090 – Geduld.

Aus verschiedenen Richtungen über das Impfen nachgedacht. Nicht generell, sondern das gegen Corona. In Drammen war es eine kurze Zeit möglich, die verschickten Log-In-Codes zur Anmeldung zum Impfen mehrmals zu nutzen, also zum Beispiel an jemanden weiterzuleiten, die*er eigentlich noch lange nicht an der Reihe ist. Ist es verwerflich, so eine technische Lücke auszunutzen? Ja. Würde ich es machen? Nein, aber nur aus der Panik raus, erwischt zu werden. Und schlecht fühlen würde ich mich auch, denn die Leute, die jetzt dran sind, sind das aus gutem Grund und ich bin aus genauso gutem Grund noch nicht dran.

Wenn ich jetzt ne Chance hätte, sagen wir mal über meinen Arbeitgeber (habe ich nicht, nur dass das klar ist, an Berufsgruppen sind hier nur Mitarbeitende im Gesundheitssystem priorisiert), doch schon jetzt oder wenigstens bald eine Impfung zu bekommen, wäre das verwerflich? Njaeee. Hmm. Käme drauf an? Eine Person, die Patientenkontakt hat, klar, die sollte geimpft werden. Andererseits – bei den Zahlen wie sie in Oslo sind, sind doch alle Menschen, die beruflich viel Kontakt zu anderen Menschen haben, ob nun die Verkäuferin im Supermarkt oder die Krankenschwester in, sagen wir mal, der orthopädischen Chirurgie (um was zu nennen, das kein erhöhtes Covid-19-Risiko mit sich bringt) etwa dem gleichen Risiko ausgesetzt. Von Lehrpersonen in vollen Klassen (hier: ohne Masken und ohne Tests) mal ganz zu schweigen. Würde ich also als Krankenschwester in der orthopädischen Chirurgie versuchen, eine Impfung zu ergattern, oder würde ich aus Solidarität mit meinen Verkäuferinnensistas und Lehrerbros drauf verzichten, bis ich altersmäßig dran bin? Weiß ich ehrlich gesagt nicht.

Und wie sieht es mit der Krankenhausverwaltung im Homeoffice aus? Den Mitarbeitenden in Forschungslaboren? Würde ich, wäre ich noch Doktorandin, mich so schnell wie möglich impfen lassen, bloß weil ich formell gesehen im Krankenhaus arbeitete (zur Erinnerung: ich habe nie eine*n Patient*In auch nur von Weitem gesehen, selbst die RNA aus Mäuseorganen kam schon fertig extrahiert)? Ich weiß auch das nicht.

Ich allein mache doch keinen Unterschied, würde ich vermutlich denken. Auch 10 Leute in Drammen mit weitergeschickten Codes machen keinen wesentlichen Unterschied, für die Menschen aus der Gruppe, die zur Zeit dran ist, bedeutet das allerhöchstens einen Tag später geimpft zu werden. Für mich wären es drei Monate. Drei Monate sind viel wert, nach 13 Monaten Zwangshomealles.

Vielleicht wäre ich zu feige, wenn es um echtes Vordrängeln ginge. Aber wenn mein Arbeitgeber nun käme und sagte: wir haben einen Weg gefunden, euch alle als Mitarbeitende im Gesundheitssystem zu definieren, nächste Woche gibt’s Impfung für alle, Alter egal… würde ich dann aufstehen und sagen, Leute, ich bin 36 und gesund und dingens und ich bleibe liebend gerne noch drei Monate zu Hause, während meine Kinder täglich das Haus verlassen (müssen) und Urlaub in Deutschland machen wir dann eben 2022 wieder, gebt meine Impfung lieber jemandem, dem es aller Wahrscheinlichkeit mit Covid19 schlimmer erginge als mir…? Ich bin nicht sicher. Vermutlich nicht. Was sind 330 Menschen schon gegen 3,8 Millionen zu Impfende.

Nun wird das aber ja wahrscheinlich nicht passieren, dass mein Arbeitgeber mit sowas kommt (im Gegensatz zu den Spuckschützen im Büro wären Impfungen ja immerhin tatsächlich zum Infektionsschutz geeignet). Dafür sieht es so aus, als sei meine ganz persönliche Chance, die wirklich letze geimpfte Person in Norwegen zu werden (abgesehen von Menschen, die aus irgendwelchen Gründen zur Zeit nicht, aber irgendwann später, geimpft werden können) gar nicht mal so klein. Denn nun denkt man offen darüber nach, was ich schon länger vermute: wenn alle über 45 geimpft sind, mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen weiterzumachen, statt weiter wie bisher sich altersmäßig von oben nach unten durchzuackern. Mein Tipp ist, dass sie an beiden Enden gleichzeitig anfangen, mit Übergewicht bei den jüngeren. Denn da findet viel Ansteckung statt. Was ja richtig ist. Bei uns homeofficenden, Teil-homeschoolenden, quarantänebingospielenden Mittdreißiger-Eltern findet nicht so viel Ansteckung statt, wie denn auch, dafür müssten wir ja in signifikantem Maß andere Menschen treffen. Manche von uns werden über die Kinder angesteckt, Tjanun, aber da stoppt es dann ja, weil wir ja brav seit einem Jahr unser komplettes Leben auf Pause gestellt haben. Bis auf den Teil mit den Kindern, da herrscht Bandsalat. Aus epidemiologischer Sicht ist es deshalb ganz logisch, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor uns zu impfen.

Aber herrje, wie scheiße ich das ganz persönlich finde. Wir irrational lang mir die vier Wochen, die das laut aktuellem Plan ausmachen könnte, grade vorkommen. Wie unfair ich es finde, dass höchstwahrscheinlich Menschen, die diesen ganzen Beinausriss, der es ist, mit kleinen Kindern im Boot durch die Pandemie zu schippern, gar nicht nachvollziehen können, wieder in Cafés sitzen, während es für uns wochen-, vielleicht monatelang weiter nur To-go gibt, dass Jugendliche Partys feiern dürfen, dass wirklich jede*r wieder ins Ausland reisen darf AUSSER UNS, das kann ich gar nicht richtig ausdrücken. Sehr unfair. (Man könnte jetzt sagen, ach, dann muss die Oma und der Opa halt in den Sommerferien hier her kommen, aber das wird wohl aus Gründen nicht passieren, und zum Beispiel Freunde in Deutschland besuchen wird ja auch nix, die sind ja, wie wir, jung und gesund und bis dahin ungeimpft.)

Geduld ist nicht meine starke Seite und bis Mitte Juli geduldig bleiben ohne jemandem aus Impfneid im Restaurant das Gesicht in den Pastateller zu drücken oder die erstbeste Gelegenheit zum Vordrängeln in der Impfreihenfolge schamlos auszunutzen, wird hart. Richtig knüppelhart.

Die nächste Pandemie bitte erst, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Danke.

Tag 1764 – Ach.

Es ist alles sehr… ach. Blöd einfach. Es sieht so aus, als „müsste“ ich zeitnah noch nach Deutschland, jedenfalls, wenn ich meine Omi noch mal sehen möchte. Es ist immer noch Pandemie. Es gelten immer noch Reisebeschränkungen und nach meiner Rückkehr müsste ich in Quarantäne, 10 Tage. Vielleicht (!) wird das alles ab 20.8. anders aussehen, das erfahren wir aber erst am 20.7. (glaube ich) und das ist doch alles total kacke. Pandemie ist ein Arschloch. Krebs auch. Alles Arschloch.

Dann so was, was mir mal ein*e Norweger*In erklären muss: wozu genau brauche ich eine Reiseversicherung? Ich reise quasi nie außerhalb Europas, wo meine Krankenversicherung nicht gültig wäre. Ich buche immer für 10€ oder so eine Reiserücktrittsversicherung mit, wenn ich privat eine Reise buche. Eine Unfallversicherung, die im Fall bleibender körperlicher Beeinträchtigungen ganze 30.000€ auszahlt, ist ja wohl ein Witz, eine Lebensversicherung, die 10.000€ auszahlt, auch. Wenn mein Flug verspätet ist, oder mein Gepäck verbummelt wird, haftet die Airline. Außer für den Fall, dass es eine Reisewarnung gibt und ich deshalb eine Reise nicht antreten will, sehe ich echt keinen Grund, eine weitere Versicherung zu haben, ABER die norwegische Regierung empfiehlt das ja ausdrücklich. Warum?