Tag 2140 – … und draußen schreien die Katzen (?).

Wir haben ein wenig weiter an der To-Do-Liste gearbeitet. Es hört ja einfach nie auf. Die Kinder wachsen dauernd, zu kleine Kleidung muss aussortiert werden, in verschiedene Haufen: a) Aufheben für Pippi (hauptsächlich sowas wie Jogginghosen) b) vererben an Bekannte c) Altkleidersammlung d) Müll. Japp, Müll, weil mit ner wirklich kaputten Skihose, aus der die Fütterung quillt, kann auch die Altkleidersammlung nichts tun, da kann man ja nicht mal Malervlies draus machen.

Wir sind auch den Hamstervorrat durchgegangen und haben jetzt eine laaaaange Einkaufsliste für morgen, und den festen Vorsatz, Ketchup, Saft und Nudeln besser rotieren zu lassen.

Und ich frage mich mal wieder, warum man laut norwegischen Bereitschaftsempfehlungen für drei Tage Krise ohne alles pro Person eine Packung Haferflocken haben soll. Wer soll das denn essen? Knäckebrot, makrell i tomat, Trockenobst, das verstehe ich ja noch. Aber 500 g trockene Haferflocken pro Person erscheinen mir dann doch etwas sehr viel. (Oder will man dafür sorgen, dass Leute dann auch möglichst wenig groß aufs Klo müssen?) Egal, ich bin da ordentlicher als ordentlich, wenn die Empfehlung so ist, wird das so vorgehalten. Punkt.

Die Quarantänevorräte haben wir im Grunde nie gebraucht, man kam ja immer noch an alles ran, sogar als die Geschäfte eigentlich zu hatten. Eine kleine Krise gab es, als uns im Februar (?) mal das Gas für den Wassersprudler ausging, während alle Geschäfte, wo man die Nachfüllpatronen bekommt, geschlossen hatten. Aber auch das ließ sich lösen, durch eine einfache Mail an den nächstgelegenen Europris und eine so organisierte ClickMail and Collect-Bestellung. So kamen wir auch an Heu für die Meerschweinchen, Espressobohnen und WC-Reiniger. Die letzten 2 Dinge gäbe es auch in jedem Supermarkt, aber beim Europris sind sie günstiger. Obwohl wir ihn nicht wirklich gebraucht haben, behalten wir den Quarantänevorrat zusätzlich zum Bereitschaftsvorrat, man weiß ja nie, wann die nächste Krise kommt und man aus unerfindlichen Gründen kein Roggenmehl bekommt (jetzt gerade, unveränderte Roggenmehlkrise). Es ist auch sehr angenehm, zu wissen, dass man nicht verhungern muss, wenn man zum Beispiel verpeilt, dass am Samstag vor Pfingsten die Geschäfte um vier schließen. Ähäm. Man kann dann entweder Kioskpreise für frisches Gemüse in 30 km Entfernung zahlen, oder Nudeln mit Pesto essen, oder Teigfladen backen und mit Bohnen, Tomaten und Mais füllen, oder oder oder. Alle Möglichkeiten der Welt hätte man. Rein hypothetisch natürlich.

Jetzt muss es nur noch warm werden, sodass wir das Plantschbecken aufbauen und partiell mit dem Krisenbereitschaftswasser befüllen können. Bis ca. zum 1.7. sollte das gemacht werden, dann ist das Wasser ein Jahr in dem Kanister und sollte dann langsam mal ausgetauscht werden.

So, und nun muss ich schnell schlafen und aktiv verdrängen, dass das der letzte Feiertag vor Weihnachten war.

Tag 1912 – Nicht wirklich weniger müde.

Wirklich einfach platt wie ein Brötchen. Aber mit Bloc Party-Ohrwurm.

Manchmal vermisse ich es, 22 und relativ sorglos zu sein. Sehr.

Wenn ich jetzt auf nem Mittwoch Abend in die Disco gehen und bis 3 Uhr feiern würde, wäre ich vermutlich anschließend drei Tage lang im Eimer.

Ich finde Inspektionen rund um Oslo langsam echt doof. Dann lieber irgendwo anders sein und im Hotel übernachten, aber nicht noch täglich stundenlang Auto fahren. Abgesehen von der Gelegenheit, sehr laut Musik zu hören, finde ich am Konzept „mit dem Auto zur Arbeit“ bisher nichts ansprechend.

Tag 1764 – Ach.

Es ist alles sehr… ach. Blöd einfach. Es sieht so aus, als „müsste“ ich zeitnah noch nach Deutschland, jedenfalls, wenn ich meine Omi noch mal sehen möchte. Es ist immer noch Pandemie. Es gelten immer noch Reisebeschränkungen und nach meiner Rückkehr müsste ich in Quarantäne, 10 Tage. Vielleicht (!) wird das alles ab 20.8. anders aussehen, das erfahren wir aber erst am 20.7. (glaube ich) und das ist doch alles total kacke. Pandemie ist ein Arschloch. Krebs auch. Alles Arschloch.

Dann so was, was mir mal ein*e Norweger*In erklären muss: wozu genau brauche ich eine Reiseversicherung? Ich reise quasi nie außerhalb Europas, wo meine Krankenversicherung nicht gültig wäre. Ich buche immer für 10€ oder so eine Reiserücktrittsversicherung mit, wenn ich privat eine Reise buche. Eine Unfallversicherung, die im Fall bleibender körperlicher Beeinträchtigungen ganze 30.000€ auszahlt, ist ja wohl ein Witz, eine Lebensversicherung, die 10.000€ auszahlt, auch. Wenn mein Flug verspätet ist, oder mein Gepäck verbummelt wird, haftet die Airline. Außer für den Fall, dass es eine Reisewarnung gibt und ich deshalb eine Reise nicht antreten will, sehe ich echt keinen Grund, eine weitere Versicherung zu haben, ABER die norwegische Regierung empfiehlt das ja ausdrücklich. Warum?

Tag 1614 – Unschönes und Schönes.

Schön ist, dass die Kinder eigentlich schon schlafen. Pippi ganz sicher, Michel… doch, ich denke auch. Dabei wollte keiner unter 8 hier ins Bett, natürlich nicht, gar nicht müde.

Unschön ist, dass mir mein Nacken noch weh tut, nachdem ich mich heute Morgen volle Möhre lang gelegt hab, auf Eis, das aussah wie das nasse Pflaster unseres Parkplatzes. Das ist nur 2 Meter gepflastert, insofern war ich noch nicht mal weit gekommen.

Schön ist, dass es nur noch ein bisschen wehtut und ich so günstig auf Muskeln und Fett (aka halb Hintern, halb Hüfte plus etwas Schulter, daher das Nackenaua) gefallen bin, dass es nicht mal so blau geworden ist, wie ich dachte, dass es würde.

Unschön ist, dass ich im Zuge dessen herausgefunden zu haben glaube, dass mein Arbeitgeber (wir erinnern uns: der Staat) keine Unfallversicherung für mich abgeschlossen hat, in der normale Arbeitswege gedeckt sind. Außer man ist Verkehrsteilnehmer. Dann wohl schon (?). Aber so einfach aufs Maul legen weil es glatt ist wie auf der Schlittschuhbahn… naja, mal schauen was HR dazu sagt.

Schön ist, dass alle „meine“ technischen Geräte, die mir ja allesamt nicht gehören, sondern vom Arbeitgeber ausgeliehen sind, also PC, Handy und Telefon, heile geblieben sind. Nur meine Handtasche hat Kratzer.

Unschön ist, dass ich ein paar Sachen nicht loslassen kann, die tun immer noch weh, wie eine schlecht heilende Verstauchung, mit der man ewig lang rumlaboriert und immer wenn man sie grad vergessen hat wird’s wieder dick. Unschön ist dann auch, wenn man irgendwann nicht mehr weiter weiß und es doch operiert werden muss, was man doch die ganze Zeit vermeiden wollte.

Schön ist, dass ich Leute hab, die mich da auffangen.

Und schön ist, dass es jetzt hoffentlich besser heilt, nach der Operation.

(Als nächstes kümmern wir uns dann mal um erhöhte Kalziumzufuhr, für stabile Knochen.)

Tag 739 – Mühsal. 

Das moderne Eichhörnchen hakt To-To-Listen ab. Ich bin jetzt fertig mit Zellgedöns, soll heißen, ich habe ein hübsches Panel an Zellen und knock-outs, behandelt mit TODBRINGENDEM, MUTAGENEM ZEUG und nicht, fixiert auf Objektträgern. Jetzt muss ich das „nur noch“ färben. Heute sah ich allerdings mal nach der Fluoreszenz in der einen knock-out Zelle, die also das Protein nicht hat und verdammt noch mal nicht leuchten sollte und: möööp. Genauso grün wie der Wildtyp. So eine kacke, also morgen neuen Antikörper bestellen, wenigstens kommt der aus Schweden und müsste dementsprechend schnell da sein. Und warum hat der Konfokaltyp da nicht nach geguckt, frage ich mich? Vermutlich hat der überhaupt nicht verstanden, was wir wissen wollen und warum wir ihm welche Zellen dafür geben. Es ist zum Kotzen, echt mal. Der neue Antikörper wird sich dann auch leider nicht mit dem Antikörper gegen das andere Protein vertragen, wie ich das löse, weiß ich noch gar nicht, jedenfalls ist das grade alles ein ordentlicher Mist. Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, fragte mich dann Mr. I-Trust-You, ob ich denn „trained“ am Konfokalmikroskop sei, weil sonst dürfe ich da leider gar nicht alleine ran. Und so schrieb ich als letzte Aufgabe des Arbeitstages eine Mail an den Konfokalobermotz, ob ich bitte bald ein Training haben könnte, es eile leider sehr. Den Konfokalobermotz kenne ich vom sehen und fand ihn bisher immer diffus unangenehm, der flirtet gern auf so eine joviale Art mit sehr viel jüngeren Frauen (also… mir und meinen Mitdoktorandinnen) und naja, ich kann mich kaum halten vor Freude, dass ich dann hoffentlich ganz bald mit ihm einige Stunden alleine in einem dunklen Raum verbringen darf. Aber vermutlich ist das alles halb so wild und vermutlich ist es außerdem auch total schlau, zu wissen, was man an dem Ding da tut und nicht nur wahllos irgendwelche Knöpfe zu drücken bis die Bilder halbwegs so aussehen, wie sie sollen. 

Ach ja, und weil das ja noch nicht reichte, sprangen mir beim Nachhausekommen die Schneckeneier wieder ins Auge. Die Schnecken feiern ihren Terrarienumbau mit Kalk in der Erde und Farn in der Ecke offensichtlich hart, denn vorgestern erwischte ich eine beim Eierlegen. 

Ich kann aber keine ~100 Babyschnecken gebrauchen und es war ja auch klar, dass der Tag irgendwann kommen würde, heute war es dann soweit, ich grub die Eier aus (die eine erstaunlich feste Schale haben, wie Perlen fühlen die sich an) und fror sie ein. Alle bis auf zwei, die wollte Michel unbedingt (hier zitternde Unterlippe und Dackelblick vorstellen) „behalten“, also im Terrarium lassen. Weil die Schnecken sonst ja traurig sind und die Babys in den Eiern ja „tot werden“ (danke, mein Sohn, dass du mich dran erinnerst). Mal sehen. Vielleicht haben wir dann demnächst zwei Babyschnecken. Ganz unten im Terrarium. Jedenfalls fühlte sich das Einfrieren um die Embryos abzutöten echt viel bescheidener an, als ich gedacht hätte. Vielleicht bin ich aber heute auch einfach sehr empfindlich und emotional. 

Seufz, ab mit euch in den Gefrierschrank.

Was aber gut ist (denke ich): ich gehe jetzt schlafen. Vor 10. Hurra!

Tag 384 -Aus, aus, das Spiel ist auuuus!

Ach, Stillen. Ich mag Dich. Wir können Freunde bleiben. Aber es ist vorbei.

Anfangs lief es so gut mit uns, zwar explodierten mir beim Milcheinschuss quasi die Brüste, aber nach ein paar Tagen lief es wirklich gut. Dass mein Körper es nicht nur schafft, in ein paar Monaten komplette Menschen zu produzieren, sondern diese dann auch noch weitere Monate zu ernähren und wachsen zu lassen ist für mich immer noch verrückt. Und schön. Schön verrückt.

Pippi war ja auch die Still-Weltmeisterin. Zwar häufig, aber effizient, zack, fünf Minuten, leer, schlafen. Michel war anders, der trank ewig lang, 45 Minuten und noch nicht fertig, aber dafür hatte er einen schönen drei Stunden-Rhythmus, auf den Verlass war. Leider hatte Michel schon früh keine Lust mehr aufs Stillen, ich versuchte alles, sogar Dinge, die mir im Nachhinein recht peinlich sind (ich sach nur: Heilpraktikerin), aber er wollte ums Verrecken nicht, brüllte sich jedes Mal die Seele aus dem Leib. Ich zog es noch einen Monat durch und gab dann auf. Wir gaben ihm Brei, der schmeckte wie Pappe und siehe da: das glücklichste Baby der Welt. Der ganze Abstillprozess ging dann auch sehr schnell (aber schmerzlos) und mit sieben Monaten war Michel abgestillt.

Pippi habe ich fast sechs Monate voll gestillt und dann noch lange ziemlich viel. Erst im Urlaub fingen wir langsam an, die Stillintervalle auszudehnen, da war sie dann acht Monate alt. Als sie neun Monate alt war und ich wieder arbeiten ging, stillten wir noch morgens direkt vor meiner Abfahrt und dann nachmittags wenn ich nach Hause kam sofort wieder. Dann stillten wir nur noch nachmittags und abends und nachts und morgens zum Aufstehen. Dann wurde mir das Dauergenuckel nachts zu bunt und wir führten über ein, zwei Wochen eine neue Regel ein: zwischen elf Uhr abends und sechs Uhr morgens gibts keine Brust. Das fand Pippi ziemlich blöd (mit ihren elf Monaten war das auch sicher nicht zu verstehen) und selbstbestimmt (vom Kind) ist auch anders, aber ich konnte nicht mehr. Irgendwie war uns die nachmittags-Stillmahlzeit auch zwischendrin abhanden gekommen und so stillten wir nur noch zum Einschlafen und Aufwachen.

Zwei Monate später nach diversen Einschlafstill-dauer-orgien bis alle heulten wurde mir klar (und Herr Rabe sagte es mir): Pippi kann nicht zwischen trinken (hätte ich weiterhin ok gefunden) und nuckeln (trieb mich in den Wahnsinn) unterscheiden. So ging es nicht weiter. Also entschied ich für den Familienfrieden und gegen das Saugbedürfnis des inzwischen ja auch Kleinkindes: kein Einschlafstillen mehr. Nach einigem Hin und Her und Verzweiflung allerorten erlebt jetzt die Manduca hier ein Revival, weil Pippi, und da kann ich sie sehr gut verstehen, jetzt abends ein sehr großes Kuschel- und Nähebedürfnis hat und auch gerne in den Schlaf getragen werden möchte. Und da es für uns sehr viel einfacher und schöner ist, abends mit der kuscheligen Pippi zehn, zwanzig Minuten durch die Wohnung zu schaukeln, bis sie schläft, statt zwei Stunden Gehampel und Geturne und Geschrei mitzumachen, ist das so für uns eine gute Lösung.

Die/Der aufmerksame Leser*in sagt jetzt: huh? Was wurde aus dem Aufwachstillen? Tja, das wollte ich dann leider auch nicht mehr, weil durch das seltene Stillen das Gefühl in meinen Nippeln wieder voll zurückkam und ich es plötzlich sehr, sehr unangenehm fand, wenn Pippi daran saugte. Also wirklich richtig unangenehm, sodass ich die letzten zwei Mal das Stillen dann vorzeitig abbrach, weil es sich so komisch anfühlte. So, wie sich Stillen nicht anfühlen soll.

Tschüssi, Folio!


Tja, und so nahm ich vorgestern die passenderweise letzte Tablette aus der letzten Packung Folsäure und machte meinen Frieden mit mir. Ich bin keine Langzeitstillmutter. Ich habe nichts gegen Mütter die (sehr viel) länger Stillen, als ich es getan habe, im Gegenteil, ich bewundere das. Ich schaffe es nicht. Und es ist ok so.

Und jetzt genieße ich die Zeit, in der ich und ich ganz allein Herrin über meinen Körper bin.

Bis zum nächsten Mal ;)