Tag 41

Gespräche mit dem Kind.

Wir wollen herausfinden, wen wir zum Geburtstag einladen sollen. Das Kind wird drei, mehr als fünf dreijährige in einer 70 qm-Wohnung führen bekanntlich zu sofortigem Ertauben, aber so drei, vier dürfte es schon einladen.

Ich: Kind, mit wem spielst du denn gerne im Kindergarten?
Kind: *langes Nachdenken* Zug!
Ich: Jaaa, du spielst gerne Zug, aber mit wem denn? Wer spielt da sonst noch mit.
Kind: *guckt mich verständnislos an*
(Ok, schrauben wir die Ansprüche herunter.)
Ich: Wer geht denn noch so in den Kindergarten?
Kind: *zeigt mit seinen Fingern* So! Zwei!
Ich: Zwei Kinder gehen in den Kindergarten?
Kind: Ja.
(So kommen wir nicht weiter. Vielleicht direkter sein?)
Ich: Wen sollen wir denn zu deinem Geburtstag einladen?
Kind: *lacht und flüstert* Traktor!

5 Minuten später ist mit endlich ein Name eingefallen.
Ich: Den A. aus dem Kindergarten, magst du den?
Kind: *freudestrahlend* Neihein!

Solche und ähnliche Gespräche führe ich täglich und ich ziehe den Hut vor allen, die sich das mehrere Jahre lang in Vollzeit antun.

Tag 40 – Schwitzekind

Heute hab ich das Kind zum allerersten mal in eine Kindertanzgruppe gebracht. Wir sind dafür extra ganz früh (um halb acht) aufgestanden und sind dann zu dritt (Baby, Kind und ich) in das rosa Fitnessstudio gefahren. Mit dem Bus. Ich fand das auch sehr mutig von mir, ja. Wie dem auch sei, das Kind hatte sich schon ewig auf den Kurs gefreut, weil es tanzen einfach ganz ganz toll findet. Es musste natürlich sein Kleid anziehen, weil man „ohne Kleid nicht gut tanzen kann“. Ich sehe da noch Bedarf an einigen aufklärenden Tanzvideos auf Youtube mit normal™ gekleideten Menschen. Vorschläge willkommen.

In dem Kurs waren erwartungsgemäß ein Haufen kleiner rosa Ballerinas* aber auch viele Jungs, alle mit Eltern da, die meisten mit zwei Elternteilen, manche auch noch die Oma dabei. Unheimlich voll der Raum, Geräuschkulisse schon ohne Musik leicht belästigend. Da das Kind immer erst etwas schüchtern ist, musste ich die ersten 15 Minuten mit ihm an der Hand mitmachen, aber spätestens bei „und dann rennen alle ganz schnell im Kreis und wenn die Musik anhält stehen alle auf einem Bein!“ kam ich beim im Kreis rennen hinter dem kleinen Roadrunner nicht mehr hinterher und blieb einfach irgendwo stehen und sah dem Flitzer beim Rennen zu, während ich einen Riesen Haufen Rührungstränen herunterschluckte. Das müssen diese Hormone sein, aber ich hatte einfach die ganze Zeit Pipi in den Augen. Da rennt mein eben noch kleines Baby im Kreis, rudert wild mit den Armen, Kopf schon knallrot vor Anstrengung (ganz die Mama) und schwitzig in den Haaren und kann einfach nicht genug kriegen. Die Augen leuchteten so hell vor Freude, dass ich nicht mal mitbekam, dass ich beknackte Kinderlieder sang und fröhlich dazu klatschte und tanzte. Am Ende wollte das Kind auf gar keinen Fall nach Hause und ich sehe schon die Wutausbrüche kommen, wenn wir ihm sagen, dass der Kurs nur alle zwei Wochen stattfindet.

Aber mehr würden meine Nerven (und inkontinenten Tränendrüsen) auch nicht aushalten.

*Was ich beim Ballett trage? Strumpfhose (schwarz), Body, Hose die lang genug ist um die Cellulite zu verdecken, T-Shirt oder Top. Schläppchen (schwarz). Kein Kleid. Kein Rosa. Kein Tütü.

Tag 39 – „5 minutes of fame“ oder „You’re big on twitter“

Heute war eigentlich ein ganz normaler Tag, aber dann passierte was verrücktes. Ich bekam eine email.

Familienbetrieb Betriebsfamilie gefällt einer Deiner Tweets

Dazu muss man wissen, Familienbetrieb, das ist einer von den ganz Großen. Quasi ein Superstar der Familienblogs.
Anders kann es nicht sein, denn sonst hätte er ja keine Fans und ich, ja, ich bin ein Familienbetrieb-Fan.
Christian schreibt satirische Episoden aus dem Familienalltag, manchmal sogar als Mehrteiler. So darf man der Betriebsfamilie beispielsweise in den alljährlichen Bretagne-Urlaub folgen und ich muss sagen, das ist fast so gut wie selber in den Urlaub fahren. Nur lustiger. Über die Familienfeier hab ich mich schlappgelacht und ich weiß jetzt auch wieso ich nienieniemals Saftfasten werde.

Wenn also dem Familienbetrieb einer meiner Tweets gefällt, werde ich ein bisschen rot. Das muss so ähnlich sein, wenn man Musiker ist und dann gefällt deinem musikalischen Idol ein Song oder ein Album von dir. Ich habe einen sehr witzigen Menschen zum Schmunzeln gebracht! Hihi *verschämt wegguck*.

Soweit so gut, aber dann plingelte mein Handy plötzlich in einer Tour und hörte gar nicht mehr auf. Weil mit einem Mal lauter Leute diesen Tweet favten und retweeteten und mir folgten. Ich verstand gar nicht so recht was los war, bis ich auf die Idee kam, mir die Familientweets der Woche anzusehen. Hähä. Da war ja ich! Kann man nachträglich Lampenfieber bekommen? Es fühlte sich so an.

Ist das lächerlich, dass ich mich wie Bolle über ein paar likes und retweets und eine Handvoll neuer follower freue? Ja! Aber egal, ich freu mich so :D

Danke, Christian!

UPDATE: Uiuiui, jetzt werd ich doch direkt wieder rot, weil der liebe Herr Paul seine Leute hier herschickt. Was ein Tag. Vielleicht sollte ich mich zur Ruhe setzen, besser wird’s nicht. (Herr Paul les ich auch gerne! Kann ich auch nur empfehlen, ist was ganz anderes, auch mehr so ein Tagebuchblogger als ein Artikelblogger. Und er macht Essenspläne! Essensplangeschwister im Geiste…)

Note to self: Ich muss ganz dringend ein blogroll machen.

Tag 38

Eeendlich wieder Ballett. Ich liebe ja Ballett, nicht nur zum angucken, sondern auch zum selber machen. Lange Hälse, Arme, Finger. Bei den anderen auch zum Teil lange Beine, bei mir nich so aber was solls. Leider ist die erste Zeit nach so ner Schwangerschaft der Körper ja noch nicht ganz so wie gewohnt, die Beine sind wie mit Terrabändern am Boden festgemacht und irgendwie sah mein Körper ziemlich schief aus im Spiegel. Außerdem hab ich in jedem Muskel meines Körpers Krämpfe bekommen, bis endlich alles durchgewärmt war. Aber das wird alles wieder. Und Hey, dafür dass ich ca. 5 Jahre älter bin als die nächst jüngere in dem Kurs und vor acht Wochen ein Baby bekommen habe, das ich seither ständig mit mir herumschleppe, bin ich echt nicht schlecht. Nach 27 Jahren mal mehr und mal weniger intensiven Tanzens kann ich mir zum Beispiel schnell Choreographien merken. Und ich habe verinnerlicht, dass wenn man im Oberkörper gut aussieht (Arme, Hände Hals, Lääääächeln!) ist es fast Wurscht ob man sich mit den Beinen was zurechtstolpert, es fällt keinem auf, der nicht explizit auf die Beine guckt.

Morgen werde ich schlimmen Muskelkater haben, aber das macht nix. Ich bin ganz selig. Und Herr Rabe ist erwartungsgemäß prima allein mit den beiden Rübennasen klargekommen. Schön, schön. Jetzt muss ich schlafen und von Klaviergeklimper träumen.

Tag 37 – Barselgruppe

Barselgruppe heißt übersetzt ca. Säuglingsgruppe und ist ein Angebot der Kommune, um frisch gebackene Mütter zusammenzubringen und soziale Kontakte herzustellen. Das klingt absurd, ist es irgendwie auch, aber bei den leicht antisozialen Norwegern notwendig, damit nicht jede Mutter hier anfängt zu bloggen alleine zu Hause hockt. Und bevor jetzt einer schreit „und die Väter???“: Nix da, Väter. Dieses Angebot richtet sich ausdrücklich nur an die Mütter. Leider.

Heute war ich also beim Barselgruppe-Treffen. Mit 8 anderen Muttis und 9 anderen Babys saßen ich und das Baby da und waren aufgeregt, also das Baby zuerst nicht weil es geschlafen hat. Als erstes ging es um die genauen Geburtsdaten. Wir stellten dann fest, dass alle unsere Babys innerhalb von 10 Tagen geboren sind, also alle fast gleich alt. Die Unterschiede zwischen den Babys überraschen mich immer wieder. Ein Baby wog schon bei seiner Geburt soviel wie meins bei seinem 6-Wochen-Checkup. Das sieht jetzt aus wie 4-5 Monate. Die Zwillinge sind natürlich viel viel kleiner. Obwohl (fast) ausgetragen. Wogen zusammen bei der Geburt so viel wie das Brocken-Baby. Aber auch zwei von den anderen Babys sind noch so winzig, dass mein Baby sie wahrscheinlich plattmachen würde, könnte es mehr als seinen Kopf heben oder die Hand anlutschen. Aber gut, die Babys sind natürlich niedlich und so, aber interessant sind für mich ja eher die anderen Muttis. Und wie soll ich sagen… Vielleicht eine, maximal zwei aus der Runde. Das reicht ja eigentlich auch, man muss ja nicht mit allen super dicke werden. Eine hat die ganze Zeit mit offenem Mund Kaugummi gekaut und in meinem Kopf sagte meine doofe Grundschullehrerin gemeine Sachen über Wiederkäuer. Eine ist Zahnärztin, ca. 40, erstes Kind, hypernervös mit dem Kind. Eine redete sehr viel, ist eigentlich nett, sagte dann aber so ganz falsche Sachen über Tragehilfen („Ach, voll doof, ich hab den Ergobaby gekauft und aber nicht den 360, da kann das Baby nicht nach vorne gucken, jetzt kann ich damit ja gar nix anfangen…“) und ich musste mir die Zunge nahezu abbeißen um nicht rumzuklugscheißern und mich gleich beim ersten Treffen unbeliebt zu machen. Die anderen aus der Runde nickten auch so verständnisvoll zu ihren Ausführungen, da muss ich an meiner Bullshittoleranz arbeiten, wenn wir uns öfter treffen. Oder mit sehr guten Argumenten Überzeugungsarbeit leisten. Also besseren als „Aber das ist ganz FALSCH!“. Eine weitere Mutti ist ziemlich langweilig, zwei sind etwas weniger langweilig, waren heute sehr still, aber das war ich auch. Eine Mutti ist aus den USA und hat einen sehr charmanten Akzent. (Sicher charmanter als meiner.) Wir werden sehen, was draus wird, jetzt legt die eine erstmal ne Facebookgruppe an und dann können wir zusammen spazieren gehen und/oder Kaffee trinken und/oder uns in unseren Zuhausen besuchen.

Nach dem Treffen hab ich das Kind abgeholt. Das war heute in einen Wasserlauf gefallen. Was ich total super finde an Norwegen, ist dass die mit den Kindern ganz viele Sachen draußen machen, die in Deutschland fast gar nicht denkbar wären. Heute sind sie zum Fjord gefahren, haben Krebse aus dem Wasser gefischt und Algen, sind herumgekrabbelt auf den Steinen und die Mutigen sind auf Bäume geklettert. Die ganz Mutigen auch ganz hoch. Das Kind hat sich noch nicht so ganz getraut, aber das kommt sicher noch. Dafür hat das Kind halt an so einem Tümpelchen gespielt und mit dem Betreuer ein „Boot“ fahren lassen, eigentlich nur ein kleines Brett. Irgendwann wollte das Kind dann wohl auch Boot fahren und der Betreuer konnte es nicht mehr stoppen, da stand es schon auf dem sinkenden Boot und fiel in das knietiefe Wasser, kippte nach vorne und landete auf allen vieren. Im Bus haben die Kinder alle Wechselklamotten, nur Schuhe hatte es nur die, die es angehabt hatte und die Jacke war auch nass, aber das war wohl ganz am Schluss und sie wollten eh fahren.

Das Kind und ich haben dann zu Hause erstmal Wäsche gewaschen. Dann gabs Bratnudeln für die Fressmaschine zum überbrücken und zum Abendessen Blumenkohlsuppe. Das Kind fand es „fempegodt“ („fuperlecker“) und wollte danach mal wieder nur von mir vorgelesen bekommen. Danach war ich auch wieder motiviert für den letzten Rest der Statistik-Übungsaufgaben. Jetzt bin ich damit fertig und gehe gleich ins Bett, das erste mal seit tausend Jahren vor 22 Uhr.

Tag 36

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Das Baby hat seinen Gesundheitscheck heile überstanden. Die Mama auch. Nächste Woche folgt die Impfung gegen Rotaviren. Ich bin gespannt. Rotaviren verursachen Magen-Darm-Infekte. Magen-Darm ist die Pest, niemand braucht Magen-Darm, also immer her damit. Und wenn das Kind jemals trotzdem Magen-Darm bekommt, schreie ich ganz laut, dass Impfungen nicht wirken.

Spaß.

Der Aufregendere Teil des Tages war ja ohnehin der Besuch der Kollegin C. Wir hatten einen netten frühen Nachmittag, ich glaube, sie war genauso aufgeregt wie ich, wir tranken Tee und sie hatte offensichtlich Redebedarf was die Geburt ihres Kindes angeht, also ließ ich sie erzählen. Wenig überraschend: auch hier fangen die Schuldgefühle von wegen „nicht geschafft“ schon bei der PDA an. Dabei hatte sie wohl stundenlang schon Presswehen bei noch nicht vollständiger Öffnung und sehr kurze und nicht schmerzfreie Pausen zwischen den Wehen über lange Zeit. Versteh ich nicht, dass frau dann denkt, sie hätte es „nicht ganz geschafft“. Das Kinder gebären ist doch kein Wettbewerb, in dem Doping verpönt ist. Ich meine, wo fängt man dann an bei der Schmerzlinderung und wo hört man auf? Sagen dann unsere Kinder irgendwann „Ich habs ja leider nicht ohne Hypnobirthing geschafft, ich hätte den Schmerz gerne so ganz unmittelbar erlebt, aber naja, Hauptsache gesund…“? Natürlich ist es doof, dass man mit der PDA nicht mehr die freie Wahl hat, was Geburtsposition und so angeht (ich kenne zumindest niemanden, bei dem das mit der „walking“ PDA einwandfrei funktioniert hätte, irgendwie wurde bei allen mindestens ein Bein taub oder der Kreislauf war nicht mehr auf der Höhe oder was weiß ich. Oder es gab gar nicht erst ne Wirkung.) und ich war auch bei der ersten Geburt traurig, dass ich nicht mehr ins Wasser durfte mit dem Schlauch im Rücken. Aber das sind eben Nebenwirkungen einer sehr potenten Schmerzbehandlung, im Idealfall wird man darüber frühzeitig aufgeklärt und kann dann eine informierte Entscheidung treffen, ob man das in Kauf nehmen will. Aber bald müssen sie wohl in den Informationsbogen einen Satz aufnehmen: „Eine häufige Nebenwirkung sind verstärkte Schuldgefühle wegen des vermeintlichen Nicht-Schaffens einer natürlichen™ Geburt“.

Nun ja, soviel zu dem Treffen. Vielleicht eine Muttifreundin. Wir werden sehen.

Eine andere (schon etwas engere) Muttifreundin treffen wir am Sonntag wieder, des Kindes Fahrradfahrkumpel E. wird nämlich drei. Wohoo. Ich hasse ja Kindergeburtstage und sehne den Tag herbei, wo man das Kind da einfach abliefert und Schnaps Kaffee trinken geht. Aber wir können uns hoffentlich Inspiration einholen, was das Feiern von dritten Geburtstagen angeht, weil das Kind ja auch bald Geburtstag hat. Also, falls wir das Kind nicht bis dahin verkauft haben. Es muss grad wieder so ne Phase oder ein Schub oder sonst was los sein (Gebiss ist vollständig, das kanns nicht sein), jedenfalls ist das Kind ziemlich, ähhh, nervtötend die meiste Zeit. Aber dann stopft es im nächsten Moment die Babydecke fest, damit die „nicht wegfliegt und das Baby traurig wird“ und dann wird mir doch wieder ganz warm ums Herz.

Tag 35

Morgen muss ich früh aufstehen. Also so um sieben. Ich weiß, für viele Eltern ist das Ausschlafen, für uns nach wie vor nicht. Dafür haben wir abends Mühe, das Kind vor acht neun ins Bett zu bekommen. Wenn das Kind es sich aussuchen kann, schläft es von 22:00 bis 10:00 Uhr. Da ist es ganz die Mama und der Papa. Leider geht das natürlich nicht mit unseren Arbeitszeiten, also müssen wir das ja wirklich noch kleine Kind zu seinem Rhythmus nicht entsprechenden Zeiten ins Bett und aus dem Bett wieder raus bekommen. Das tut mir oft sehr leid und ich hoffe für das Kind, dass es, wenn es mal groß ist, in der Gesellschaft eine größere Akzeptanz für verschiedene Tagesrhythmen geben wird. Sonst muss es eben DJ werden, oder Koch oder so.

Aber egal, ich schweife ja total ab hier. Morgen muss ich mit dem Baby zum Baby-TÜV, um 08:30. Und danach muss ich hier aufräumen, um 12 kommt nämlich eine  Kollegin vorbei, ihr Baby ist nicht ganz ne Woche älter als meins und sie hat sich gewissermaßen selbst eingeladen. Jetzt bin ich offen gestanden recht aufgeregt, erstens ist es für Norweger*Innen überaus unüblich, von sich aus Kontakt zu suchen, geschweige denn sich irgendwohin einzuladen, zweitens ist das hier ja meine comfort zone („mein Tanzbereich…“) und als solche heimelig-chaotisch* und drittens bin ich so enge zwischenmenschliche Interaktion nach zwei Jahren Norwegen gar nicht mehr gewohnt und befürchte, nur Quatsch zu faseln oder mich mit Kaffee zu übergießen oder gar die Kollegin. Andererseits kann man ihre Kontaktaufnahme vielleicht auch so deuten, dass sie dringend ein paar Mommy-friends sucht. Ich hoffe es. Aufräumen werde ich natürlich trotzdem. Aber der Winter wird kommen und er wird lang sein und grau und da macht es zu mehreren einfach mehr Spaß, mit dem Kinderwagen seine Runden zu drehen. Deshalb habe ich mir überlegt, dass ich mich einfach mal drauf einlasse. Yeah. Jetzt müsste ich nur noch weniger nervös sein…

*lies: überall liegt Kram und es ist grenzwertig dreckig

Tag 34

Am Donnerstag ist Statistikkurs-Übungsaufgaben-Besprechungs-Pflichttermin.
Bis dahin muss ich also die Übungsaufgaben gemacht haben.
Meh.
Hab dann jetzt endlich mal so richtig damit angefangen. Die sind ok aber aufwändig und für eine muss ich tatsächlich ins Büro an meinen Mauslosen PC (jemand hat meine Maus geklaut! Noch nicht mal zwei Monate weg, und jemand klaut einfach meine Maus!), jemandem seine Maus klauen und da dann die blöde Aufgabe mit ihren drölfzig Teilaufgaben machen, weil ich dafür SPSS brauche und das hab ich zu Hause nicht. Excel hängt sich wegen schierer Überforderung auf und für die free online Version müsste ich erst mal eine GNU-distrbution haben und für die reicht mein Speicherplatz nicht. Doof alles. Alternativ könnte ich auch an den IT-desk der Fakultät schreiben, dass ich einen remote desktop eingerichtet haben will, damit ich per teamviewer oder so von zu Hause aus auf den Unirechner zugreifen kann. Das geht aber bestimmt rechtlich nicht (ich persönlich würde mir mit so ner Idee ja was husten), aber ich schreib trotzdem mal, wer nicht wagt der nicht ausgelacht wird. Ich werde berichten.

Ansonsten war das Kind heute morgen unausstehlich, eine nervenstrapazierende Kombination aus weinerlich und hyperaktiv. Das sind so Tage, da möchte man sein Kind gerne verkaufen, gleichzeitig sind das aber auch die Tage wo man noch Geld draufzahlen müsste damits jemand nimmt. Als wir dann aber auf einen Geburtstag fuhren (der Sohn W. meines Kollegen und unseres Freundes T. ist vier geworden) und somit dem Kind Kuchen in Aussicht gestellt war, gings halbwegs. Wurde dann wieder nervtötend Richtung Bettgehzeit, aber nach dem Vorlesen von vier Büchern und dem Absingen diverser Tierlieder im großen Bett ging er dann in seins und schlief da recht schnell ein. (Apropos: Warum werden in Kinderliedern dauernd Tiere getötet? Mein Highlight heute:

„Eia popeia, schlagt`s Gockerle tot!
Er legt mir keine Eier und frisst mir mein Brot.
So rupfen wir ihm dann die Federchen aus
und machen dem Kindlein ein Bettlein daraus.“

Äh, da mag ich schon gar nicht mehr Vorsingen. Aber ich hab auch Schwierigkeiten, beim Singen der ersten Strophe parallel die zweite schon mal zu überfliegen und auf Psychopathen-content zu checken. Da kommt dann sehr wirres Zeug aus meinem Mund und das Kind guckt mich komisch an.

Das Baby ist übrigens riesig. Es passt in die Manduca, mit nicht mal acht Wochen. OHNE den Baby-Sitzverkleinerer. Ich muss morgen mal ein Foto machen, damit ich mir das selber glaube und das für die Nachwelt festhalten kann. Eigentlich wollte ich das mit der Manduca nur mal probieren, weil man die viel schneller um- und abhat und für so Strecken wie „nach unten wo der Kinderwagen steht“ oder „ins Auto“ sich einfach besser anbietet als das Tragetuch. Und siehe da: passt schon. Im Moment finde ich das Tragetuch trotzdem noch bequemer, weil man da das Gewicht besser verteilen kann (wenn mans kann). Also für die Langstrecke Tuch, für kurz mal Manduca. Und ja, wir fahren auch Kinderwagen, aber das findet das Baby halt so mäßig sobald sich der Wagen nicht mehr genug bewegt (leider auch schon auf asphaltiertem Grund).

So, es ist spät, ich muss schlafen. Hoffen wir mal, dass sich morgen das Fitnessstudio noch meldet, dass ich nachrücken konnte.

UPDATE 0:00 Uhr: Hab einen Platz im Fitnesskurs bekommen. Vielleicht sollte ich sowas öfter mal im Blog schreiben? Mal versuchen –

Hoffen wir mal, dass ich morgen die Pfandlotterie gewinne, die 10.000 NOK könnten wir gut gebrauchen!

Tag 33

Fauler Samstag Ftw!

Wir haben heute nicht viel gemacht. Genau nach Plan. Da das Kind ja vom Besuch und dem Laufrad fahren noch nachhaltig geschwächt war, ließen wirs entspannt angehen heute. Das Kind bekam von Herrn Rabe die Haare geschnitten, dann kurze Tour zum Einkaufen und Herrn Rabes neuen Computer von der Post abholen. Herr Rabe hat dann mit dem Kind zusammen den Computer ausgepackt und dann offensichtlich so langweilige Sachen gemacht, dass das Kind weggebratzt ist. Während Herr Rabe seinen Computer eingerichtet hat, hab ich ein paar Folgen der großartigen, lustigen und berührenden Serie „Dag“ geguckt. Ich glaube nicht, dass es die auf Deutsch gibt, leider. Es geht um einen Paartherapeuten, der findet dass alle Menschen besser alleine dran sind. Alle Figuren der Serie sind ordentlich kaputt, das mag ich gerne. Ist so realistisch ;)

Das Kind war leider nicht wachzubekommen nach der normalen Mittagsschlafzeit. Als es dann wieder wach wurde war natürlich an baldiges Ins-Bett-Gehen nicht zu denken. Deshalb haben wir nach dem Abendessen (vegane Mac and cheese) dann noch Guacamole gemacht und uns diese mit Chips und How to train your dragon reingezogen.

Eins meiner liebsten norwegischen Wörter ist „potetgull“, Kartoffelgold, für eben jene frittierten Kartoffelscheiben :)

Und jetzt zackig ab ins Bett. Gute Nacht!

Tag 32

Mit meiner Laune grade könnte man einen Vulkan mittlerer Größe vollständig gefrieren lassen.

Es fing damit an dass ich nach dem Muttisport zu Hause duschen wollte. Das Baby war im Kinderwagen auf dem Rückweg eingeschlafen, also war die Gelegenheit günstig. Allerdings wachte das Baby auf, als ich gerade nackt im Bad stand, sodass ich mir kurz was überwarf und umdisponierte auf Frühstückmittagessen mit Baby auf dem Bauch. Joghurt mit Müsli kann man ja in jeder erdenklichen Position essen. Das ist erprobt! Und so gesund und nahrhaft und so. Jaja. Also aß ich mit einem Arm das Baby schuckelnd. Inzwischen bin ich da ganz gut drin, die ersten Versuche waren wie dieses Spiel wo man mit der einen Hand Kreise auf seinen Bauch streichelt und mit der anderen Hand auf seinen Kopf klatscht, eine koordinative Herausforderung. Aber das Baby ist halt manchmal nur durch schuckeln zu beruhigen und mein Hunger trotzdem groß, also – was tut man nicht alles. Naja, nach ca. 30 Minuten hatte ich aufgegessen und das Baby war eingeschlafen, meckerte aber sofort los, wenn ich versuchte, es von meiner Brust zu entfernen. Also ließ ich es auf meinem Bauch schlafen und las derweil das Internet durch. Unter Anderem versuchte ich mich für den Muttisportkurs am Montag anzumelden, landete aber nur auf der Warteliste. Doof. Dann stolperte ich auch noch nach einer Google-Suche zu „Familienbett“* über folgenden Satz: „Lasse dein Kind grundsätzlich lieber zwischen dir und der Wand als zwischen dir und deinem Partner liegen. Väter schlafen meist wie Steine.“ Maternal gatekeeping at its best. Da wird dem zuvor löblicherweise Partner genannten Vater mal eben die, ähhh, Kompetenz? abgesprochen, nachts sein Baby nicht plattzuwalzen. Wo vorher noch der Tenor war „Befürchtungen man könne sein Kind erdrücken oder ersticken sind unbegründet, denn Babys lassen sich nicht ohne Gegenwehr ersticken: selbst ein Neugeborenes strampelt und schreit, wenn etwas seine Atmung behindert.“, gilt dieser jetzt scheinbar nur noch für die Mütter. Soll der Papa doch bitte auf dem Sofa schlafen. Der muss ja auch seinen Schlaf kriegen, einer muss ja die Brötchen verdienen. Die Mutter hingegen schläft ja viel viel besser mit dem Baby nah dran. (Ich kann bestätigen, dass ich persönlich besser schlafe, wenn ich nicht aufstehen muss zum Stillen und mich jederzeit ohne auch nur die Augen zu öffnen vergewissern kann dass das Baby noch schnauft atmet. Aber es werden diese Nächte kommen wo das Baby alle halbe Stunde stillen will und da werde ich dann auch verfluchen, dass es so nah an mir ist und mich nicht in Frieden lässt. Been there, done that!) Generell finde ich ja man sollte nicht so generalisieren, manch eine Mutter kann wahrscheinlich deutlich besser schlafen ohne Füße im Gesicht. Aber das ist auch wieder ein anderes Thema, an dem ansonsten sehr guten und ausführlichen Artikel störte mich eigentlich nur dieser eine Satz mit den gefährlichen Vätern. Grrrr…

Nach zwei Stunden in relativ unbequemer Position die ich mich aber aus Rücksicht auf das schlafende Baby nicht zu verlassen traute (ich liege ja in dieser Erzählung immer noch auf dem Sofa, neben mir die Müslischüssel) wachte das Baby dann wieder auf und hatte Hunger. Nach einer ausgiebigen Stillmahlzeit schlief es dann endlich mal so fest, dass ich High-Speed-Duschen konnte. Hurra. Laune minimal angehoben.

Danach fix das Baby gewickelt und aus Jux und Dollerei (und weil ich auf dem Sofa diesen Artikel gelesen habe) testweise überm Klo abgehalten. Und siehe da: Baby pullert ins Klo. Mal sehen, vielleicht mach ich das jetzt öfter. Vielleicht auch nicht.

Dann das Kind vom Kindergarten abgeholt. Weinte schon wieder seit ner halben Stunde. Ohne Mittagsschlaf hält es leider keinen Kindergartentag durch, noch nicht mal einen so kurzen wie im Moment. Ich hab jetzt aber mit den Erziehern vereinbart, dass das Kind gegen Mittag zumindest eine Pause macht, sich hinsetzt und ein Buch anguckt oder so. Weil jeden Tag ein heulendes Kind einsammeln ist nicht so spaßig. Naja, ein Eis später war die Laune wieder Bombe und wir auf dem Spielplatz wo das Kind zunächst auch ganz prima mit ein paar anderen Kindern im Sandkasten spielte. Dann wollte aber ein anderes Kind sein Laufrad probefahren, was das Kind auch zuerst erlaubte, es sich aber nach ca. 20 Sekunden anders überlegte. Nach einer längeren Diskussion zwischen dem Laufrad-leihenden Kind und dessen Oma gab das leihende Kind dem inzwischen mich anschreienden Kind das Laufrad zurück. Das Kind schmiss sich gleich in den Sattel und sauste los. Vom Spielplatz weg. Am Sportplatz vorbei. Um die Kurve. Ich brüllte, es solle anhalten und lief ihm hinterher, aber ich hatte ja das Baby im Tragetuch dabei, deshalb konnte ich laaaange nicht so schnell laufen wie ein Dreijähriges Kind auf einem Laufrad. Als ich um die Kurve war, sah ich noch gerade so das Kind lachend und in selbstmörderischer Geschwindigkeit um die nächste Kurve flitzen. Richtung Einkaufszentrum. Und Straße. Ich brüllte und brüllte und rannte und rannte aber das Kind ließ sich davon mal so gar nicht beeindrucken. Schlussendlich wurde es zwei Meter vor der Straße von einem netten Herren gestoppt. Der dann als ich angerannt kam alle meine geplanten Erziehungsmaßnahmen zunichte machte indem er dem Kind jovial zuzwinkerte und sagte „Wirst mal ein großer Fahrradfahrer, ne?“. Ich habs dem Kind natürlich trotzdem erklärt, dass es SOFORT und JEDES MAL anhalten soll, wenn ich rufe. Das ich das nicht lustig finde. Und das wir wenn das nicht klappt das Laufrad nicht mehr mitnehmen können, wenn er und ich alleine sind. Und ich hörte mich an wie meine Mutter. Herrje.

Dann gingen wir nach Hause, das Kind war müde, das Baby hatte Hunger und meine Laune war mies. Das Kind trödelte unglaublich auf dem Heimweg und legte sich dann auf die Treppe statt sie hochzusteigen. Ich stieg elegant wie eine Seekuh an Land über das Kind hinweg und ging die Treppe rauf. Das Kind brüllte „Mama, Stooooop!“. tja, man kann ja nicht Wasser predigen und Wein saufen. Also lief ich in vier (!) Etappen in den zweiten (norwegisch dritten) Stock. Endlich in der Wohnung angekommen riss ich mir quasi das Tragetuch vom Leib um das inzwischen wie am Spieß brüllende Baby zu stillen. Während ich handlungsunfähig war, räumte das Kind das Schlafzimmer um, verblätterte die Seite in meinem Buch und fing dann an, wahllos Gerichte einzufordern, die es gerne jetzt sofort essen würde. Ich konterte alles mit zunehmend genervten  Variationen von „Gleich, mein Schatz, sobald das Baby fertig getrunken hat, kannst du grøt essen, ja, gleich…“ Gut, dass da auch Herr Rabe nach Hause kam,  sonst wäre mir wohl noch der Arsch geplatzt. So bekam der arme Mann ein Grunzen als Antwort auf die Frage, wie denn mein Tag so gewesen wäre und dann beide Kinder aufs Auge gedrückt. Ich durfte dann eine halbe Stunde Wäsche machen und bekam dann das Baby zurück, damit Herr Rabe essen machen konnte. Das Baby schlief, aber nur mit meinem Finger im Mund. Ich guckte also eine Stunde lang aus dem Fenster und war fast schon froh, als das Kind irgendwann „Klo!“ rief. Nicht mehr ganz so froh war ich, als das Kind in einer Wolke aus Mief sitzend 15 Minuten lang behauptete, es sei noch nicht fertig. Aber ich müsse unbedingt da bleiben.

Dann war das Essen fertig. Und das Baby schrie. Wir aßen also im Schichtdienst, einer mit dem Kind, einer schuckelt das Baby, dann Wechsel. Wie man sich das so vorstellt in einer Familie…

Nach dem Essen war dann das Kind so müde, dass das ins-Bett-gehen ein ziemliches Drama wurde, aber da war Herr Rabe für zuständig heute. Ich hätte auch nicht mehr die Nerven gehabt.

Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, Herr Rabe reicht mir Schokopudding, um die mordlüsterne Bestie in mir zu besänftigen.

*Das Baby mag sein Beistellbettchen nicht und ich suchte eine Bestätigung, dass es total okay ist, wenn es in unserem Bett schläft.